In Liebe, Sheila -  Kurt Tschan

In Liebe, Sheila (eBook)

(Autor)

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2016 | 1. Auflage
200 Seiten
Bookbaby (Verlag)
978-3-9524472-1-5 (ISBN)
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Beim Basler Bankenplatz detoniert eine Bombe. Gleichzeitig stirbt vor dem angrenzenden Music Store ein Mann. Kriminalkommissär Conradin Styger übernimmt den Fall. Zur gleichen Zeit verlassen Islamisten ihr Ausbildungszentrum im Norden Afghanistans und gelangen auf abenteuerlichem Weg ans Rote Meer. Als sie dort ankommen, verbringt Sheila, die Geschäftsführerin des Music Stores, gerade Ferien. Sie lernt Leander kennen, der als Tauchlehrer im Hotel arbeitet und verliebt sich in ihn. Als Sheila schon glaubt, dass sie Leander vergessen hat, besucht er sie in Basel. Schliesslich befällt Sheila ein furchtbarer Verdacht. Leander könnte ihre Liebe missbraucht haben. Er ist im Besitz von Dokumenten, mit deren Hilfe er am Rhein eine verheerende Flutwelle auslösen kann.

2.
Das Haus ist aus Stein. Es sieht so ganz anders aus, als es sich Jamil vorgestellt hat. Entweder hatte er nicht richtig zugehört, als man es ihm beschrieben hatte, oder die Informationen waren ungenau. Nicht alles ist gut. Auch wenn es den Segen Allahs hat, denkt Jamil und schaut durch sein Fernrohr. Dann nimmt er sein GPS-Gerät zur Hand und kontrolliert seinen Standort. Es gibt keinen Zweifel, dass er an seinem Ziel angekommen ist. Die Daten stimmen exakt mit jenen überein, die ihm ein anderer Gotteskrieger vor einigen Tagen im Café Cairo in Hurghada in ein kleines Notizbuch geschrieben hatte und anschliessend das Papier herausgerissen hatte.
Natursteine füllen die Lücken zwischen den Baumstämmen, die als Träger dienen. Der Garten befindet sich im Winterschlaf. Jamil reibt sich die Hände. Es ist empfindlich kalt. Die Temperaturen fallen im hügeligen Hinterland des Mississippi im Januar auf neun Grad. Diese Wälder sind das Gegenteil der Wüste, die ich kenne. Alles ist zugewachsen. Die Weite wird zur Enge, die Hitze zur Kälte. Die Wüste legt alles offen – bis zum Nichts. Die Wälder verschlingen alles, was sich in sie begibt.
Mag sein, dass jeder seine eigene Wahrnehmung hat, entschuldigt er sich selbst, weil er das Haus auf den ersten Blick nicht erkannt hat. Jeder sieht die Welt anders. Während sich der eine freut, grämt sich der andere. Nur vor Allah wird alles wieder so, wie es wirklich ist. «Die Reinheit kehrt zurück, der Schmutz wird weggewaschen.» Die Worte laufen wenig später, als er sich vorsichtig aus dem Unterholz entfernt hat und zur Strasse zurückgelaufen ist, auf einem unsichtbaren Band über die Windschutzscheibe seines Kleinwagens. So funktionieren Teleprompter, denkt Jamil, obwohl er davon überzeugt ist, kein einziges Wort ablesen zu müssen. Gebete sind Ausdruck eines Gefühls, das zu einem Dauerzustand geworden ist, seitdem er über Ägypten, Frankfurt und Quebec in die Vereinigten Staaten von Amerika gereist ist. Gebete sind Empfindungen, keine aus Buchstaben bestehenden Worte, die auswendig gelernt werden müssen. Sie benötigen keinen äusseren Halt. Sie sind der zum Wort gewordene Ausdruck seiner Bestimmung. Jeder Märtyrer spürt das.
So wie die Worte nicht lügen, ist auch an ihm nichts falsch. Seine Wahrnehmung ist bereits der Ewigkeit zugewandt. Nur sein Körper verharrt noch im Diesseits, um einen Auftrag zu erfüllen. «Das Gute entsteht erst, wenn das Böse bezwungen ist. Nur der Tod verhilft uns zu unserem wahren Leben. Gott ist die wahre Quelle des Ursprungs. Unser Leben ist wie ein Tropfen in einem riesigen Meer, das aus dieser Quelle strömt und zu einem nie versiegenden Strom der Glückseligkeit wird», hört sich Jamil sagen. Er geht in seinen Gebeten auf. Sie betören ihn auch jetzt, während er im Auto sitzt und darauf wartet, dass der Mississippi wie ein goldenes Band im ersten Hauch der Dämmerung zu glitzern beginnt.
«Das Klagen hat ein Ende, die Freude strahlt wie ein wunderschöner Sonnenaufgang in der Wüste. Die Unterschiede verlieren ihre Konturen, die Demut kehrt zurück. Das Paradies ist nahe.» Sobald Jamil das Wort «Paradies» ausspricht, erfasst ihn ein Kribbeln. Er atmet tief durch und wiederholt den Satz. «Das Paradies ist nahe. Die Gier verliert ihre Masslosigkeit, die Gewalt ihre Speerspitzen. Was anders war, wird gleich, was gleich ist, wird wahrhaftig.»
Jamils Augen glänzen. Für einen Moment wird seine Freude sichtbar. Aber nur kurz. Dann erscheinen im Rückspiegel Scheinwerfer, die von einem herannahenden Auto stammen. Während sie bereits in der nächsten Kurve verschwinden, bleiben seine Gebete hartnäckig an seiner Windschutzscheibe haften. Sie laufen weiter darauf auf ab – von rechts nach links.
Der zu Ende gehende Tag wirft immer grössere Schatten. Sie reichen bis weit zu den Hügeln hinauf. An einigen Stellen ist die Dunkelheit aufgerissen, aus anderen klaffen schwarze Löcher. Mit der Dunkelheit befällt ihn Schwermut. Wenn er sich konzentriert, blickt er ernst. Viele halten ihn deswegen für unhöflich. Dabei kann Jamil nicht anders. Er ist einfach so. Wie schlecht ihn doch die Leute kennen, denkt Jamil und blickt in den Rückspiegel. Die Scheinwerfer sind verschwunden, der Wagen ist abgebogen.
Der kleine Daewoo rumpelt, das linke Vorderrad schlägt in die Aufhängung, drückt die Federung zusammen. Noch einmal Glück gehabt, denkt Jamil. Die Angst, er könnte einen Platten einfangen, legt sich. Trotzdem passt er jetzt besser auf und weicht den zahlreichen Schlaglöchern rechtzeitig aus. Das reiche Amerika hat nicht bessere Strassen als wir, stellt Jamil fest. Er geniesst diese Erkenntnis wie einen Triumph. Er drosselt die Geschwindigkeit und biegt vorsichtig in eine S-Kurve ein.
Doch dann muss er trotzdem brüsk bremsen. Geröll und Äste versperren ihm den Weg. Jamil atmet erleichtert aus.
Harz macht die Äste klebrig. Jamil wischt sie an frischem Gras ab mit dem Resultat, dass Grashalme an seinen Händen hängen bleiben. Er spuckt in die Hände und flucht. Vergeblich, das Gras lässt sich nicht abwischen. Vorsichtig hebt er die Felsbrocken und trägt sie auf jene Seite der Strasse, wo der Hügel ansteigt. Als die Strasse befreit ist, steigt er ins Auto und fährt weiter. Wenig später stoppt er, fährt zurück und legt die Äste auf die Fahrbahn zurück. Auch die kleinen Brocken postiert er so, dass niemand vorbeifahren kann. Warum soll ich denen hier etwas Gutes tun?, fragt er sich. Sie sind unsere Feinde und verdienen unsere Hilfe nicht. Zufrieden steigt Jamil in den Mietwagen und fährt los. Er flucht, weil die Hände am Lenkrad kleben bleiben. Dieses verdammte Harz.
Die Strasse führt jetzt geradeaus und wird besser. Es gibt kaum noch Schlaglöcher. Durch die dichten Reihen von Eichen, Buchen und Ahornbäumen tauchen die ersten grünen Felder auf. Sie haben die ausgedörrten braunen Flächen abgelöst, die wie ewiger Schorf über den terrassierten Hügeln liegen. Hier bewirtschaften die Bauern ihre Felder. Zu nahe kommen sie dem Fluss aber nicht. Zu gross ist ihre Furcht vor einem Hochwasser.
Als hinge es an einem Schalter, wird das Tageslicht ausgeschaltet. Mit der letzten Energie leuchtet es in die Landschaft. Es färbt die Hügel dunkelrot und wirft bizarre Lichteffekte auf das smaragdgrüne Wasser. Jamil schaltet das Abendlicht ein und schaltet vom zweiten in den dritten Gang. Der Motor heult auf, als Jamil beschleunigt und einen weiteren Hügel hochfährt. Manchmal muss man weit hinauf, um wieder herunterzukommen, denkt Jamil. Wenn es nach ihm ginge, würde er gar nicht mehr in die Talebene zurückkehren, sondern so rasch wie möglich seinen Job erledigen.
Die Sonne wirft einen letzten Lichtstrahl auf den Mississippi. Er verfärbt sich deswegen dunkelgelb, ehe ihn das Grau der Abenddämmerung erreicht. Jamil blickt durch die verschmierte Fensterscheibe und reibt seinen Kopf an der ledernen Kopfstütze. Dann schaltet er vom dritten in den vierten Gang. Die riesigen Tannen sind nur noch als schattenartige Striche zu erkennen.
*
Das dumpfe Aufschlagen stahlverstärkter Kappen in schwarzen Schuhen auf harten Boden, Sand, der durch Hemd und Hose rieselt. Jamil sind die Wochen und Monate im Ausbildungszentrum im Norden Afghanistans in bester Erinnerung. Die Kampftechniken hat er verinnerlicht. Er hat gelernt, Bomben zu legen, Sprengstoffgürtel zu basteln und zu zünden und im Nahkampf zu bestehen. Jamil erinnert sich aber auch an die langen Nächte, die nie enden wollenden Gebete, den Singsang. Ähnlich klingende Worte in eine Melodie gebracht. Er erinnert sich aber auch an das angenehme Gefühl von Wärme, seine Kameraden und die vielen Geschichten. Geschichten über Tod, Familie und Freiheit. Die Unterkünfte waren schlicht. Wer zu Allah will, benötigt keine Paläste. Hütten und Zelte sind ausreichend. Die Kargheit der Wüste wird rasch zum Massstab für das eigene Leben.
Der Reichtum liegt im Unsichtbaren verborgen, nicht im Äusserlichen. Masud, der Ausbildner, bringt seinen Rekruten viel bei. Er ist geduldig, kann zuhören. Er ist aber auch klar. Niemand zweifelt an seinen Worten. Der 50-jährige Afghane ist mit dem Krieg aufgewachsen. Er gehört zu ihm wie sein goldenes Kettchen, das er vor Jahren einem sowjetischen Piloten abgenommen hat, nachdem er und seine Mitstreiter mit einer Bodenabwehrrakete sein Flugzeug abgeschossen hatten. Masud hat die Russen nicht gehasst. Er kennt aber auch kein Erbarmen mit seinen Feinden. Den Piloten, der sich mit dem Schleudersitz rettete, richtete er mit einem Kopfschuss hin.
Wie viele Kämpfer in Afghanistan ausgebildet werden, kann Jamil nur schätzen. Die Rekruten werden in immer neuen Lastwagen hergebracht. Viele verschwinden schon...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 3-9524472-1-8 / 3952447218
ISBN-13 978-3-9524472-1-5 / 9783952447215
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