Die Nacht singt ihre Lieder (eBook)
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-56961-4 (ISBN)
Jon Fosse, 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren und am Hardangerfjord aufgewachsen, gilt als einer der bedeutendsten europäischen Schriftsteller unserer Zeit. 2023 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Internationale Bekanntheit erlangte Fosse zunächst als Dramatiker. Seine mehr als dreißig Theaterstücke werden weltweit aufgeführt und brachten ihm zahlreiche Preise ein. In deutscher Übersetzung erschienen zunächst die Romane 'Melancholie', 'Morgen und Abend' und 'Das ist Alise'. Für sein Prosawerk 'Trilogie' bekam er 2015 den Literaturpreis des Nordischen Rates verliehen, den renommiertesten Literaturpreis Skandinaviens. Mit 'Der andere Name', dem ersten Band seines Romanprojekts 'Heptalogie', war er 2020 für den International Booker Prize nominiert, mit dem letzten Band 'Ein neuer Name' stand er 2022 auf der Shortlist und wurde mit den wichtigsten norwegischen Literaturpreisen Brageprisen und Kritikerprisen ausgezeichnet. Seit 2011 genießt er lebenslanges Wohnrecht in der 'Grotte', einer Ehrenwohnung des norwegischen Königs am Osloer Schlosspark, und lebt mitunter auch in Hainburg an der Donau/Österreich oder in Frekhaug/Norwegen. Seit 2022 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.
Jon Fosse, 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren und am Hardangerfjord aufgewachsen, gilt als einer der bedeutendsten europäischen Schriftsteller unserer Zeit. 2023 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Internationale Bekanntheit erlangte Fosse zunächst als Dramatiker. Seine mehr als dreißig Theaterstücke werden weltweit aufgeführt und brachten ihm zahlreiche Preise ein. In deutscher Übersetzung erschienen zunächst die Romane "Melancholie", "Morgen und Abend" und "Das ist Alise". Für sein Prosawerk "Trilogie" bekam er 2015 den Literaturpreis des Nordischen Rates verliehen, den renommiertesten Literaturpreis Skandinaviens. Mit "Der andere Name", dem ersten Band seines Romanprojekts "Heptalogie", war er 2020 für den International Booker Prize nominiert, mit dem letzten Band "Ein neuer Name" stand er 2022 auf der Shortlist und wurde mit den wichtigsten norwegischen Literaturpreisen Brageprisen und Kritikerprisen ausgezeichnet. Seit 2011 genießt er lebenslanges Wohnrecht in der "Grotte", einer Ehrenwohnung des norwegischen Königs am Osloer Schlosspark, und lebt mitunter auch in Hainburg an der Donau/Österreich oder in Frekhaug/Norwegen. Seit 2022 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Hinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959, lebt in Berlin. Er übersetzt u.a. auch Jean Echenoz, Édouard Louis, Jon Fosse, Tomas Espedal und Tarjei Vesaas. Ausgezeichnet wurde er z. B. mit dem Jane Scatcherd-Preis, dem Paul-Celan-Preis des Deutschen Literaturfonds und dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW (zusammen mit Frank Heibert).
I
Der Platz vor einem alten, ziemlich verfallenen Haus. Die Wandfarbe ist verblasst, einige Fenster sind gesprungen; dennoch strahlt das Haus – es liegt allein, in einer flachen Bucht, mit Blick auf die See – eine eigene verwitterte Anmut aus. Ein Mann und eine Frau treten um die rechte Ecke des Hauses auf den Hof. Er ist in den Fünfzigern, beleibt, hat langes graues Haar, unstet blickende Augen; er bewegt sich langsam. Sie ist rund dreißig, relativ groß, ein bisschen kräftig, mit halblangem Haar, großen Augen; ihre Bewegungen haben etwas Kindliches an sich. Sie gehen vor dem Haus entlang; sie halten einander bei den Händen und sehen das Haus an
SIE
munter
Jetzt sind wir bald in unserem Haus
ER
Unser Haus
SIE
Ein schönes altes Haus
Weit weg von anderen Häusern
und von anderen Leuten
ER
Du und ich allein
SIE
Nicht nur allein
sondern allein zusammen
Blickt in sein Gesicht hoch
Unser Haus
In diesem Haus werden wir zusammen sein
du und ich
allein miteinander
ER
Und niemand wird kommen
Sie bleiben stehen und sehen das Haus an
SIE
Jetzt sind wir bei unserem Haus angekommen
ER
Das Haus ist ja doch hübsch
SIE
Jetzt sind wir bei unserem Haus angekommen
Bei unserem Haus
wo wir allein sein werden
Du und ich allein
bei dem Haus
wo du und ich allein sein werden
alleine
miteinander
ER
Unser Haus
SIE
Das Haus
das uns gehört
ER
Das Haus
das uns gehört
Das Haus
zu dem niemand kommen wird
Jetzt sind wir bei unserem Haus angekommen
Das Haus wo wir zusammen sein werden
allein miteinander
Sie gehen weiter an dem Haus entlang
SIE
etwas bekümmert
Aber es ist ein bisschen anders
ich hatte ja
nicht gedacht
dass es so sein würde
Auf einmal ängstlich
Denn
da kommt noch wer
es ist so einsam hier
dass da ganz sicher noch wer kommt
ER sieht nur immer zu dem Haus hin, wie in Gedanken versunken
Den ganzen langen Weg hierher
war ja kein Mensch zu sehen
lange sind wir gefahren
und haben keinen Menschen gesehen
nur die Straße
und jetzt stehen wir vor diesem Haus und
nachdrücklicher
stell dir vor wenn es dunkel wird
Und stell dir vor wenn ein Gewitter kommt
wenn der Wind
durch die Wände pfeift
wenn du das Meer tosen hörst
wenn die Wellen hochschlagen
wenn das Meer weiß und schwarz ist
und stell dir vor
wie kalt es in dem Haus wird
wenn der Wind durch die Wände pfeift
und stell dir vor
wie weit es bis zu anderen Leuten ist
wie dunkel es ist
wie still es sein wird
und stell dir vor
wie der Wind bläst
wie die Wellen schlagen
stell dir vor
wie das im Herbst wird
im Dunkeln
mit dem Regen und der Dunkelheit
Ein Meer
das weiß und schwarz ist
und nur du und ich
hier in diesem Haus
Und so weit bis zu anderen Leuten
ER
Ja so weit bis zu anderen Leuten
Pause
Jetzt sind wir endlich allein
SIE
etwas bekümmert
Aber wir sind nicht von allen
fortgefahren
Es waren nicht alle
nur ein paar Leute
waren das
ER
stellt sich vor sie und schaut sie an
Wir fahren von ihnen allen fort
von allen anderen
SIE
stellt sich vor ihn und schaut ihn an, fragend
Allen anderen
Fahren wir von allen anderen fort
ER
Ja von allen anderen
SIE
Aber kann man das
Werden nicht die anderen
sowieso dort sein
Kann man von allen anderen fortfahren
Ist das nicht gefährlich
ER
Aber wir wollen doch für uns sein
Es waren die anderen
alle anderen
die uns auseinandergerissen haben
All die anderen
Lauter
Wir wollen doch nur
miteinander zusammen sein
allein
irgendwo
wir wollen doch
nur irgendwo allein sein
wo wir wohnen können
Wo du und ich
allein zusammen sein können
Allein miteinander
Da wollten wir sein
Wir wollten doch nur
allein beieinander sein
allein miteinander
SIE
Aber können wir allein sein
Irgendwie ist doch wer hier
Verzweifelt
Hier ist wer
Da kommt noch wer
ER
ruhig
Hier sind nur wir
ER wendet sich ab, geht über den Hof, an der linken Ecke des Hauses vorbei, bleibt stehen und blickt zum Meer
Hier ist niemand
Und da
deutet
ist das Meer
Niemand kommt
SIE geht zu ihm, stellt sich neben ihn. Beide sehen zum Meer. ER, etwas heiterer
Schau
wie schön das Meer ist
Das Haus ist alt
und das Meer ist schön
Wir sind allein
Und da kommt niemand
Niemand kommt
Und unten das Meer ist so schön
schau mal die Wellen
schau wie die Wellen
über die runden Steine spülen
unten am Ufer
Welle um Welle
und dann das Meer
draußen
So weit das Auge reicht
ist nur das Meer zu sehen
Sonst nur ein paar Inseln
weit draußen
ein paar schwarze Inseln auf dem blauen und weißen Meer
Und da
Pause
Doch
ER schaut sie an. SIE schlägt die Augen nieder, sieht klein und ängstlich aus. Nachdenklich
Ja
Etwas bekümmert
Da kommt niemand
SIE
Ich spür es aber
da kommt noch wer
ER
Nein wir sind allein
wir kennen niemanden
Hier ist nur dieses Haus
Und dazu das Meer
SIE
Es gibt ja schon wen
der hier ist
Lauter
Ja
hier ist wer
Da kommt noch wer
Ich weiß
dass da noch wer kommt
ER
Nein wir sind hier allein
Pause
Endlich sind wir allein
Jetzt sind wir allein
zusammen beieinander
Entschieden
Wir konnten nicht da bleiben
wo wir waren
Wir haben weggemusst
wir wollten ja woandershin fahren
Dann eben hierher
zu diesem Haus
Und jetzt gehört das Haus uns
Etwas fröhlicher
Und jetzt werden wir in diesem Haus wohnen
Sieht wieder auf das Haus
Wir haben beschlossen hierherzufahren
Viel froher
Das haben wir beschlossen
Und dann haben wirs gemacht
Und jetzt sind wir hier
Wir werden in diesem Haus wohnen
wir haben das ja beschlossen
dass wir hierherfahren würden
In diesem Haus werden wir wohnen
Haben wir gesagt
Jetzt sind wir hier
Jetzt werden wir in dem Haus wohnen
Schaut wieder aufs Meer
Und da
deutet aufs Meer
ist das Meer
Groß und schön
SIE
schaut aufs Meer
Aber ich hatte nicht gedacht
dass es so sein würde
wenn wir hierherkommen
Nicht so
ja wie soll ich sagen
Schaut zu Boden. Pause
Das Meer ist so groß
Ich hatte nicht gedacht
dass es so sein würde
Ich hatte mirs vollkommen anders vorgestellt
ER
Aber wir habens doch nicht geschafft zu bleiben
wo die anderen sind
habens nicht geschafft
unter ihnen zu leben
Wir wollten nur zusammen sein
Wollten nur
allein zusammen sein
Wir wollten nicht sein
wo die anderen sind
Wir müssen doch wohnen
wo niemand sonst ist
wo nur
wir sind
Wir wollten ja da wohnen
nur du und ich
lauter
allein zusammen
Weit weg
Weit fort
von all den anderen
dort
weit weg
da wollten wir ja so gerne
wohnen
SIE
Aber hier ist es irgendwie so einsam
Und so irgendwie als
wäre hier noch wer
ohne dass wer
hier ist
Es ist einsam und nicht einsam zugleich
Es ist
bricht ab
ER
So sind alte Häuser eben
SIE
Ja...
Erscheint lt. Verlag | 21.5.2016 |
---|---|
Übersetzer | Hinrich Schmidt-Henkel |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | Drama • Dramatiker • Leben • Literaturnobelpreis • Literaturnobelpreisträger • Literaturpreis des Nordischen Rates 2015 • Nobelpreis für Literatur • Nobelpreis für Literatur 2023 • Nobelpreis Literatur • Nobelpreisträger Literatur • Norwegen • norwegische Literatur • norwegische Romane • Skandinavien • Theater • Tod • zeitgenössisch |
ISBN-10 | 3-644-56961-4 / 3644569614 |
ISBN-13 | 978-3-644-56961-4 / 9783644569614 |
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