Spanisches Kriegstagebuch (eBook)

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2016 | 1. Auflage
474 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-561100-5 (ISBN)

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Spanisches Kriegstagebuch -  Alfred Kantorowicz
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Zwischen 1936 und 1938 nahm Alfred Kantorowicz als Offizier der Internationalen Brigaden am Spanischen Bürgerkrieg teil. Sein »Spanisches Kriegstagebuch« erschien zunächst unter dem Titel »Madrid Diary« 1938 in London und New York. Mehr als eine Generation später kam die erste deutsche Ausgabe heraus. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Alfred Kantorowicz, der 1899 in Berlin geboren wurde, war Soldat im Ersten Weltkrieg und studierte dann Germanistik und Rechtswissenschaft. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. arbeitete er als Literaturkritiker und Kulturkorrespondent für die Vossische Zeitung. Als ?rassisch? und politisch Verfolgter mußte er 1933 emigrieren; er ging nach Paris, wo er 1934 die Bibliothek der Verbrannten Bücher mitbegründete. 1936-1938 nahm er als Offizier der Internationalen Brigaden am Spanischen Bürgerkrieg teil. Nach Frankreich zurückgekehrt, wurde Kantorowicz mit Tausenden von deutschen Emigranten im Konzentrationslager Les Milles interniert. 1941 gelang ihm die Flucht in die USA. 1946 kehrte er nach Deutschland zurück, als Professor für Neue Deutsche Literatur an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. Nach seiner Flucht 1957 aus der DDR lebte er zunächst in München, von 1962 bis zu seinem Tod im Jahre 1979 in Hamburg.Alfred Kantorowicz hat als Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Kritiker ein umfangreiches essayistisches Werk, vor allem zur Thematik des Exils, hinterlassen.

Alfred Kantorowicz, der 1899 in Berlin geboren wurde, war Soldat im Ersten Weltkrieg und studierte dann Germanistik und Rechtswissenschaft. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. arbeitete er als Literaturkritiker und Kulturkorrespondent für die Vossische Zeitung. Als ›rassisch‹ und politisch Verfolgter mußte er 1933 emigrieren; er ging nach Paris, wo er 1934 die Bibliothek der Verbrannten Bücher mitbegründete. 1936–1938 nahm er als Offizier der Internationalen Brigaden am Spanischen Bürgerkrieg teil. Nach Frankreich zurückgekehrt, wurde Kantorowicz mit Tausenden von deutschen Emigranten im Konzentrationslager Les Milles interniert. 1941 gelang ihm die Flucht in die USA. 1946 kehrte er nach Deutschland zurück, als Professor für Neue Deutsche Literatur an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. Nach seiner Flucht 1957 aus der DDR lebte er zunächst in München, von 1962 bis zu seinem Tod im Jahre 1979 in Hamburg. Alfred Kantorowicz hat als Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Kritiker ein umfangreiches essayistisches Werk, vor allem zur Thematik des Exils, hinterlassen.

Madrider Tagebuch


Mein deutscher Reisepaß war Ende 1932 in Berlin für die Dauer von fünf Jahren ausgestellt worden, also noch gültig. Das erleichterte mir die Reise. Ich mußte nicht wie viele andere Freiwillige auf Schleichwegen über die Pyrenäen klettern, sondern konnte von Toulouse nach Barcelona fliegen. Für Fahrkarte und Flugkarte sorgte das Spanienhilfskomitee in Paris. Meine Frau Friedel, die ihren Beruf als deutsche Schauspielerin in Frankreich nicht ausüben konnte (Mitwirkung an gelegentlichen Aufführungen im Kreise der deutschen Emigration fand Lohn in der Sache selbst), hatte dank ihrer Sprachbegabung eine Stellung in einem Redaktionssekretariat gefunden, durch die sie sich notdürftig ernähren konnte.

Es war Dezember geworden, bevor ich die Reise antrat. Andere Freiwillige hatten schon seit November an den Abwehrkämpfen teilgehabt. Deutsche Offiziere wie Ludwig Renn (Arnold Vieth von Golssenau), der im Ersten Weltkrieg Oberleutnant, und Hans Kahle, der Leutnant gewesen war, hatten sich neben anderen Kommandeuren internationaler Einheiten wie dem früheren ungarischen Honved-Offizier Mate Salka, der in Spanien als General Lukacz bekannt wurde, und dem französischen Obersten Dumont rühmlich hervorgetan. Der vormalige deutsche Reichstagsabgeordnete Hans Beimler, dessen tollkühne Flucht aus dem Konzentrationslager Dachau Sensation gemacht hatte, war der erste Kriegskommissar der deutschen Freiwilligen; er fiel am 1. Dezember vor Madrid. Um die gleiche Zeit wurde der ehemalige Sprecher des Kölner Rundfunks, Alexander Maaß, dessen Bravour von vielen Seiten bezeugt wird, durch einen Lungenschuß schwer verwundet.

Gustav Regler, über dessen Anteil man in französischen Zeitungen viel gelesen hatte, war Kriegskommissar der neugebildeten XII. Internationalen Brigade, der außer dem deutschen Bataillon »Thälmann« zumeist Franzosen und Italiener angehörten. André Malraux hatte als Kommandeur einer Staffel der republikanischen Luftwaffe bereits Einsätze geflogen. Die XIII. Brigade befand sich unter dem Kommando eines anderen vormaligen deutschen Offiziers, Wilhelm Zaiser, der als General Gomez bekannt wurde, noch in Ausbildung.

In Barcelona hielt ich mich nur so lange auf, bis meine Weiterfahrt in einem Transportzug nach Valencia möglich wurde. Aus den wenigen eilig hingekritzelten Stichworten ersehe ich, daß die Gesellschaft, die ich in der mir zugewiesenen Anlaufstelle antraf, gemischt war; es gab da Wichtigtuer, die ihre prächtigen Uniformen zumeist in Kaffeehäusern zur Schau stellten, auch Waffenschieber. Zu den Ausnahmen gehörte ein deutscher Genosse, der bei den Kämpfen im Aragon bereits ein Auge verloren hatte. Auf den vollen Namen dieses Mannes, der auf der zweiten Seite meines spanischen Tagebuchs als Hermann verzeichnet steht, besinne ich mich nicht mehr - wenn ich ihn jemals gewußt haben sollte. Die Bemerkung gilt auch für andere Namensabkürzungen, Vornamen, Initialen. Man hütete sich, die richtigen Namen niederzuschreiben in einer Situation, in der Verlust von Aufzeichnungen möglicherweise jemanden hätte gefährden können. Die meisten Namen sind mir noch in Erinnerung; andere habe ich vergessen (oder niemals in Erfahrung gebracht). Wo Vornamen oder Initialen die Identität eines Kameraden verbergen, (zum Beispiel habe ich nie herausgefunden, wie »Fernando«, von dem bald die Rede sein wird, wirklich hieß), da ist fast stets Unkenntnis dieser Identität oder nachlassendes Namensgedächtnis der Grund; in einigen wenigen Fällen verschweige ich Namen von Kameraden, die jetzt in der Bundesrepublik leben und an ihre militante Parteinahme für die rechtmäßige Spanische Republik, das heißt an ihren ehrenhaften, aber sehr abträglichen antifaschistischen Kampf nicht erinnert sein wollen. Die Goebbelsche Prägung »Rotspanienkämpfer« hat sich ja wie so manches ohne Begriffswandel fortgezeugt; man assoziiert in diesem unaufgeklärten Land noch 1979 Kirchenräuber, Vaterlandsverräter, Mordbrenner, niemals Verteidigung der Demokratie. Mir macht’s nun nichts mehr aus. Aber andere könnten sich geniert fühlen. Sie sollen geschont werden.

Die Eisenbahnfahrt nach Valencia war, was Dauer und Überfüllung des Zuges betrifft, kriegsmäßig. Man hatte mir auf einem Zettel die Adresse der Sektion des Verbandes der Schriftsteller und Künstler aufgeschrieben. Da ich auf dem Internationalen Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur 1935 in Paris gesprochen hatte, war ich mit einigen spanischen Kollegen persönlich bekannt geworden. Bald nach der Ankunft traf ich André Malraux in Fliegeruniform. Die Begegnung war für mich von Bedeutung, weil Malraux mich in unserem vertrauensvollen Gespräch bestärkte, nicht zur Zentrale der Internationalen Brigaden in Albacete weiterzufahren, wo ich mich nur mit der bereits formierten Militärbürokratie hätte herumstreiten müssen, sondern direkt nach Madrid, wo der sowjetische Schriftsteller und einflußreiche Prawda-Korrespondent Michail Kolzow notfalls für mich sorgen würde. Aus dem Gespräch ging andeutungsweise hervor, daß Regler und andere die Hilfe von Kolzow hatten in Anspruch nehmen müssen. (Die Zusammenhänge fand ich später heraus.)

Kolzow, dessen Lebensgefährtin (nur wenige Jahre später Todesgefährtin in Stalins Kerkern) die junge deutsche Schriftstellerin Maria Osten (recte Maria Greshöner) war, hatte uns deutsche Schriftsteller im Exil in Paris schon mehrfach tatkräftig vor der deutschen Parteibürokratie abgeschirmt. Sein Verständnis und sein guter Wille zeigten sich auch in Spanien. Hemingway hatte ihm in dem berühmten Roman »Wem die Stunde schlägt« ein Denkmal gesetzt. Im letzten Kapitel dieses Buches wird davon in Zusammenhängen, die mich betreffen, die Rede sein.

Ich kann Kolzow nicht meinen Freund nennen, aber ich hatte Vertrauen zu ihm, und er hat dieses Vertrauen niemals enttäuscht. Trotz der Bemühung, der Generallinie der Partei ergeben zu folgen, trotz der beständigen Lippenbekenntnisse zu allen Maßnahmen des Stalinschen Zentralkomitees, war Kolzow kein Apparatschik geworden. Er hatte sich einen menschlichen und intellektuellen Fonds bewahrt, der ihn zum Opfer des Stalinismus prädestinierte. Sein Spanienbuch erschien unter dem Titel »Die rote Schlacht« 1960 auf deutsch in einem Ostberliner Verlag - ich bin versucht zu sagen: leider, denn man wird Kolzow, wie er wirklich war, in diesem Buch nur selten wiedererkennen. Als er das Buch schrieb, war er wohl bereits selber bedroht, zumindest verdächtigt, er mußte zuviel Konzessionen machen, zuviel verschweigen, verfälschen, im Parteijargon, will sagen Funktionärsjargon, ausdrücken. Kein Name kommt in diesem dickleibigen Buch vor, der den damaligen Machthabern im Kreml mißliebig geworden war. (Da ich die russische Originalausgabe nicht kenne, so vermag ich nicht zu beurteilen, welche Fälschungen und Verschweigungen überdies zu Lasten der Ulbrichtschen »Säuberer« gehen.) Man muß das Andenken Kolzows gegen diesen nur aus seiner Zwangslage zu erklärenden literarischen Nachlaß ebenso in Schutz nehmen, wie man das Andenken der in den Moskauer Prozessen Verurteilten gegen ihre erzwungenen »Geständnisse«, Spione, Agenten, Saboteure, Verräter, Vebrecher gewesen zu sein, in Schutz nimmt.

Weitere Einzelheiten, Eindrücke, Begegnungen, Meditationen während des sechstägigen Aufenthaltes in Valencia sind unwichtig. Von der Zusammenkunft mit dem deutschen Funktionär, den ich nur als »Fernando« kennenlernte und der mir gleichfalls riet, bei erster Gelegenheit direkt nach Madrid zu fahren, wird unter dem Datum des 22. Dezember berichtet. Erst am 17. Dezember wurde mir die Reise nach Madrid ermöglicht.

Die erste Bleistiftnotiz in Madrid ist datiert 18. XII. 36. Stichwortartig wird da vermerkt, daß die Fahrt von Valencia in einem Kleinbus 13 Stunden gedauert hatte, so daß wir erst bei völliger Dunkelheit in Madrid eintrafen. Dies »wir« schließt eine Anzahl mir unbekannter junger spanischer Zivilisten und Uniformierter ein. Sie gehörten irgendeiner der verwirrend zahlreichen Formationen an, die Freiwillige an der Madrid-Front hatten. Die Presseabteilung des spanischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten hatte mir in Valencia einen Platz in ihrem Transport zugewiesen. Nur einer von den jungen Leuten sprach gebrochen Französisch. Man setzte mich unversehens an einer Ecke in Madrid ab. Ich wußte, daß das Madrider Hauptquartier der Internationalen Brigaden in der Calle Velasquez im Hause des »Fünften Regiments« zu finden war.

Doch gab es in der Dunkelheit nur wenige Passanten, die mir zumeist auswichen - den Grund lernte ich bald darauf verstehen. So ging ich auf ein Hotel zu, dessen Umrisse zu erkennen waren, um mir dort Auskunft zu holen. In der Hotelhalle betrachtete man mich mißtrauisch. Ich mußte mich ausweisen. Man ersuchte mich, zu warten. Mir war nicht ganz geheuer. Aber zwei Minuten später kam zu meiner Freude Michail Kolzow auf mich zu, und da war ich geborgen. Ein Wort von ihm genügte, schon führte man mich in ein luxuriöses Zimmer mit Bad, und kaum hatte ich mich gewaschen und das Hemd gewechselt, holte er mich zum Essen ab. Ein spanischer Offizier im Hauptmannsrang, Fernando Gerassi, im Zivilberuf Maler, begleitete ihn. Bis tief in die Nacht hinein ließ ich mir von beiden erzählen, was mich hier erwartete.

Am nächsten Morgen brachte man mich zum Haus des »Fünften Regiments«, wo die Kommissariate der XI. und XII. Brigade Diensträume hatten. Ich war auf langes Suchen und Herumfragen vorbereitet, öffnete schüchtern...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Faschismus • Internationale Brigaden • Spanien • Spanischer Bürgerkrieg • Tagebuch
ISBN-10 3-10-561100-2 / 3105611002
ISBN-13 978-3-10-561100-5 / 9783105611005
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