König Lear (eBook)
150 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961060-3 (ISBN)
William Shakespeare (23.4.1564 in Stratford - 23.4.1616 in Stratford) gehört neben Christopher Marlowe und Ben Jonson zu den maßgeblichen Protagonisten des Elisabethanischen Theaters. Der Sohn eines Handschuhherstellers besucht eine Lateinschule und beginnt mit seiner Mitgliedschaft bei den Lord Chamberlain's Men (später King's Men) seine Karriere als Schriftsteller, Lyriker und Schauspieler. Ab 1599 ist Shakespeare Teilhaber des Globe Theaters in London. 1612 zieht er zurück in seine Heimatstadt Stratford, wo er seinen Lebensabend verbringt. Neben 154 Sonetten und Versdichtungen werden ihm 38 Dramen zugeschrieben, die er in einem Zeitraum von 21 Jahren zu Papier bringt. Bekannt sind Geschichtsdramen, wie etwa 'Julius Cäsar' ('Julius Caesar'), 'Heinrich V.' ('King Henry V') oder 'Richard III'. Daneben stehen Komödien wie 'Ein Sommernachtstraum' ('A Midsummer Night's Dream') oder 'Viel Lärm um nichts' ('Much ado about nothing') oder Tragödien, wie 'Macbeth', 'Othello', 'Hamlet' und 'König Lear' ('King Lear'). In 'Romeo und Julia' ('Romeo and Juliet') schuf Shakespeare eines der populärsten Liebespaare der Theatergeschichte.
William Shakespeare (23.4.1564 in Stratford – 23.4.1616 in Stratford) gehört neben Christopher Marlowe und Ben Jonson zu den maßgeblichen Protagonisten des Elisabethanischen Theaters. Der Sohn eines Handschuhherstellers besucht eine Lateinschule und beginnt mit seiner Mitgliedschaft bei den Lord Chamberlain's Men (später King's Men) seine Karriere als Schriftsteller, Lyriker und Schauspieler. Ab 1599 ist Shakespeare Teilhaber des Globe Theaters in London. 1612 zieht er zurück in seine Heimatstadt Stratford, wo er seinen Lebensabend verbringt. Neben 154 Sonetten und Versdichtungen werden ihm 38 Dramen zugeschrieben, die er in einem Zeitraum von 21 Jahren zu Papier bringt. Bekannt sind Geschichtsdramen, wie etwa "Julius Cäsar" ("Julius Caesar"), "Heinrich V." ("King Henry V") oder "Richard III". Daneben stehen Komödien wie "Ein Sommernachtstraum" ("A Midsummer Night's Dream") oder "Viel Lärm um nichts" ("Much ado about nothing") oder Tragödien, wie "Macbeth", "Othello", "Hamlet" und "König Lear" ("King Lear"). In "Romeo und Julia" ("Romeo and Juliet") schuf Shakespeare eines der populärsten Liebespaare der Theatergeschichte.
Die Tragödie von König Lear
Zu dieser Ausgabe
Zweite Szene
Schloss des Grafen Gloster.
(Edmund mit einem Briefe.)
EDMUND.
Natur, du meine Göttin! Deiner Satzung
Gehorch ich einzig. Weshalb sollt’ ich dulden
Die Plagen der Gewohnheit und gestatten,
Dass mich der Völker Eigensinn enterbt,
Weil ich ein zwölf, ein vierzehn Mond’ erschien
Nach einem Bruder? – Was Bastard? Weshalb unecht?
Wenn meiner Glieder Maß so stark gefügt,
Mein Sinn so frei, so adlich meine Züge,
Als einer Ehgemahlin Frucht! Warum
Mit unecht uns brandmarken? Bastard? Unecht?
Uns, die im heißen Diebstahl der Natur
Mehr Stoff empfahn und kräft’gern Feuergeist,
Als in verdumpftem, trägem, schalem Bett
Verwandt wird auf ein ganzes Heer von Tröpfen,
Halb zwischen Schlaf gezeugt und Wachen? Drum,
[20]Echtbürt’ger Edgar! Mein wird noch dein Land: –
Des Vaters Liebe hat der Bastard Edmund
Wie der Echtbürt’ge. Schönes Wort: echtbürtig!
Wohl, mein Echtbürt’ger, wenn dies Brieflein wirkt
Und mein Erfinden glückt, stürzt den Echtbürt’gen
Der Bastard Edmund. Ich gedeih, ich wachse!
Nun, Götter, schirmt Bastarde! –
(Gloster kommt.)
GLOSTER.
Kent so verbannt! – Frankreich im Zorn gegangen!
Der König fort zu Nacht! – Der Kron’ entsagt! –
Beschränkt auf Unterhalt! – Und alles das
Im Nu! – Edmund! Was gibt’s? Was hast du Neues?
EDMUND
(steckt den Brief ein). Verzeih Euer Gnaden,
nichts.
GLOSTER.
Warum steckst du so eilig den Brief ein? –
EDMUND.
Ich weiß nichts Neues, Mylord.
GLOSTER.
Was für ein Blatt lasest du?
EDMUND.
Nichts, Mylord.
GLOSTER.
Nichts? – Wozu denn die erschreckliche Eil damit in deine Tasche? – Ein eigentliches nichts bedarf keiner solchen Hast, sich zu verstecken. Lass sehn. Gib! Wenn es nichts ist, brauche ich keine Brille.
EDMUND.
Ich bitte, Herr, verzeiht; es ist ein Brief meines Bruders, den ich noch nicht ganz durchgesehen, und so weit ich bis jetzt las, finde ich den Inhalt nicht für Eure Durchsicht geeignet.
GLOSTER.
Gib mir den Brief, sag ich.
EDMUND.
Ich werde Unrecht tun, ich mag ihn geben oder behalten. Der Inhalt, so weit ich ihn verstehe, ist zu tadeln.
[21]GLOSTER.
Lass sehn, lass sehn.
EDMUND.
Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schrieb dies nur als Prüfung und Versuchung meiner Tugend.
GLOSTER
(liest). »Dieses Herkommen, diese Ehrfurcht vor dem Alter verbittert uns die Welt für unsre besten Jahre; entzieht uns unser Vermögen, bis unsre Hinfälligkeit es nicht mehr genießen kann. Ich fange an, eine alberne, törichte Sklaverei in diesem Druck bejahrter Tyrannei zu finden, die da herrscht nicht, weil sie Macht hat, sondern weil man sie duldet. Komm zu mir, dass ich weiter hierüber rede. Wenn unser Vater schlafen wollte, bis ich ihn weckte, solltest du für immer die Hälfte seiner Einkünfte genießen und der Liebling sein deines Bruders Edgar.« – Hum! – Verschwörung! – Schlafen wollte, bis ich ihn weckte – die Hälfte seiner Einkünfte genießen – mein Sohn Edgar! Hatte er eine Hand, dies zu schreiben? Ein Herz und ein Gehirn, dies auszubrüten? Wann bekamst du dies? Wer brachte dir’s?
EDMUND.
Es ward mir nicht gebracht, Mylord, das ist die Feinheit; ich fand’s durch das Fenster meines Zimmers geworfen.
GLOSTER.
Du erkennst deines Bruders Handschrift?
EDMUND.
Wäre der Inhalt gut, Mylord, so wollte ich darauf schwören; aber, wenn ich auf diesen sehe, so möchte ich lieber glauben, sie sei es nicht.
GLOSTER.
Es ist seine Hand.
EDMUND.
Sie ist’s, Mylord, aber ich hoffe, sein Herz ist dem Inhalte fern.
[22]GLOSTER.
Hat er dich nie zuvor über diesen Punkt ausgeforscht?
EDMUND.
Niemals, Mylord; doch habe ich ihn oft behaupten hören, wenn Söhne in reifen Jahren und die Väter auf der Neige ständen, dann sei von Rechtswegen der Vater des Sohnes Mündel und der Sohn Verwalter des Vermögens.
GLOSTER.
O Schurke, Schurke! – Völlig der Sinn seines Briefes! – Verruchter Bube! Unnatürlicher, abscheulicher, viehischer Schurke! Schlimmer als viehisch! – Geh gleich, such ihn auf, ich will ihn festnehmen. – Verworfner Bösewicht! – Wo ist er? –
EDMUND.
Ich weiß es nicht genau, Mylord. Wenn es Euch gefiele, Euren Unwillen gegen meinen Bruder zurückzuhalten, bis Ihr ihm ein bessres Zeugnis seiner Absichten entlocken könnt, so würdet Ihr sichrer gehen; wollt Ihr aber gewaltsam gegen ihn verfahren, und hättet Euch in seiner Absicht geirrt, so würde es Eure Ehre tödlich verwunden und das Herz seines Gehorsams zertrümmern. Ich möchte mein Leben für ihn zum Pfande setzen, dass er dies geschrieben hat, um meine Ergebenheit gegen Euch, Mylord, auf die Probe zu stellen, ohne eine gefährliche Absicht.
GLOSTER.
Meinst du?
EDMUND.
Wenn’s Eu’r Gnaden genehm ist, stell ich Euch an einen Ort, wo Ihr uns darüber reden hören und Euch durch das Zeugnis Eures eignen Ohrs Gewissheit verschaffen sollt; und das ohne Verzug, noch diesen Abend.
GLOSTER.
Er kann nicht solch ein Ungeheuer sein.
EDMUND.
Und ist’s gewiss nicht.
GLOSTER.
Gegen seinen Vater, der ihn so ganz, so zärtlich [23]liebt! Himmel und Erde! Edmund, such ihn auf! – Forsche mir ihn aus, ich bitte dich, führe das Geschäft nach deiner eignen Klugheit: ich könnte nicht Vater sein, wenn ich hierzu die nötige Entschlossenheit besäße.
EDMUND.
Ich will ihn sogleich aufsuchen, Mylord, die Sache fördern, wie ichs vermag, und Euch von allem Nachricht geben.
GLOSTER.
Jene letzten Verfinsterungen an Sonne und Mond weissagen uns nichts Gutes. Mag die Wissenschaft der Natur sie so oder anders auslegen, die Natur empfindet ihre Geißel an den Wirkungen, die ihnen folgen: Liebe erkaltet, Freundschaft fällt ab, Brüder entzweien sich; in Städten Meuterei, auf dem Lande Zwietracht, in Palästen Verrat; das Band zwischen Sohn und Vater zerrissen: dieser mein Bube bestätiget diese Vorzeichen; da ist Sohn gegen Vater. Der König weicht aus dem Gleise der Natur, da ist Vater gegen Kind. Wir haben das Beste unsrer Zeit gesehn: Ränke, Herzlosigkeit, Verrat und alle zerstörenden Umwälzungen folgen uns rastlos bis an unser Grab. Erforsche mir den Buben, Edmund, es soll dein Schade nicht sein; tu’s mit allem Eifer. Und der edle, treugeherzte Kent verbannt! Sein Verbrechen, Redlichkeit! – Seltsam, seltsam! –
(Geht ab.)
EDMUND.
Das ist die ausbündige Narrheit dieser Welt, dass, wenn wir an Glück krank sind, – oft durch die Übersättigung unsres Wesens – wir die Schuld unsrer Unfälle auf Sonne, Mond und Sterne schieben, als wenn wir Schurken wären durch Notwendigkeit; Narren durch himmlische Einwirkung; Schelme, Diebe und Verräter durch die Übermacht der Sphären; [24]Trunkenbolde, Lügner und Ehebrecher durch erzwungene Abhängigkeit von planetarischem Einfluss; und alles, worin wir schlecht sind, durch göttlichen Anstoß. Eine herrliche Ausflucht für den Lüderlichen, seine hitzige Natur den Sternen zur Last zu legen! – Mein Vater ward mit meiner Mutter einig unterm Drachenschwanz, und meine Nativität fiel unter ursa major; und so folgt denn, ich müsse rauh und verbuhlt sein. Ei was, ich wäre geworden, was ich bin, wenn auch der jungfräulichste Stern am Firmament auf meine Bastardisierung geblinkt hätte. Edgar, –
(Edgar tritt auf.)
Und husch ist er da, wie die Katastrophe in der alten Komödie. Mein Stichwort ist »spitzbübische Melancholei« und ein Seufzer wie Thoms aus Bedlam. – O diese Verfinsterungen deuten diesen Zwiespalt! Fa, sol, la, mi –
EDGAR.
Wie geht’s, Bruder Edmund? In was für tiefsinnigen Betrachtungen?
EDMUND.
Ich sinne, Bruder, über eine Weissagung, die ich dieser Tage las, was auf diese Verfinsterungen folgen werde!
EDGAR.
Gibst du dich mit solchen Dingen ab?
EDMUND.
Ich versichre dich, die Wirkungen, von denen er schreibt, treffen leider ein! – Unnatürlichkeit zwischen Vater und Kind, – Tod, Teuerung, Auflösung alter Freundschaft, Spaltung im Staat, Drohungen und Verwünschungen gegen König und Adel, grundloses Misstrauen, Verbannung von Freunden, Auflösung des Heers, Trennung der Ehen und was noch alles!
[25]EDGAR.
Seit wann gehörst du zur astronomischen Sekte?
EDMUND.
Wann sahst du meinen Vater zuletzt?
EDGAR.
Nun, gestern Abend.
EDMUND.
Sprachst du mit ihm?
EDGAR.
Ja, zwei volle Stunden.
EDMUND.
Schiedet Ihr in gutem Vernehmen? Bemerktest du kein Missfallen an ihm in Worten oder Mienen? –
EDGAR.
Durchaus nicht.
EDMUND.
Besinne dich, womit du ihn beleidiget haben könntest, und ich bitte...
Erscheint lt. Verlag | 22.3.2016 |
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Reihe/Serie | Reclams Universal-Bibliothek | Reclams Universal-Bibliothek |
Übersetzer | Wolf Heinrich Graf Baudissin |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | 17. Jahrhundert • August Wilhelm Schlegel • Cordelia • deutsch abitur • Deutsch Abitur Hamburg • deutsche Übersetzung • Deutschunterricht • Drama • Elisabethanisches Theater • Englische Literatur • Englisches Theater • gelb • gelbe bücher • Generationenkonflikt • goneril • Hass • Intrige • Klassenlektüre • klassisches Drama • Lektüre • Liebe • Literatur Klassiker • Ludwig Tieck • Machtkampf • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • regan • Schullektüre • Sekundarstufe • Theater • Tragödie • Übersetzung • Vaterliebe • Wahnsinn • Weltliteratur |
ISBN-10 | 3-15-961060-8 / 3159610608 |
ISBN-13 | 978-3-15-961060-3 / 9783159610603 |
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