Gespenster (eBook)

Selbstzerstörung einer Familie (Ein Familiendrama in drei Akten mit Biografie des Autors)

(Autor)

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2016 | 1. Auflage
277 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-5025-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gespenster -  Henrik Ibsen
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Dieses eBook: 'Gespenster' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Ibsen, der in 'Gespenster' die Selbstzerstörung einer Familie darstellt, bezeichnete das Stück im Untertitel als 'Familiendrama'. Indem Ibsen der Gesellschaft gleichsam einen Spiegel vorsetzte, kritisierte er überholte Konventionen und stellt die tragischen Folgen dieses Zurückbleibens am Beispiel einer Familie und ihren Mitgliedern dar. Zur Handlung: Jakob Engstrand und seine Tochter Regine sprechen miteinander. Sie solle mit ihm in die Stadt ziehen. Nach Fertigstellung des Kinderasyls, das Frau Alving gerade in Erinnerung an ihren verstorbenen Mann errichten läßt, wolle er dort ein Asyl für Seefahrende aufbauen. Regine könne ihm dort helfen und vielleicht auch eine gute Partie machen. Sie lehnt höhnisch ab. Sie will bei den Alvings bleiben, bei denen sie Haushälterin ist, Bildung erhält, wie eine Tochter angenommen wird, und wo Osvald lebt. Regine macht Engstrand Vorwürfe: Er habe ihr oft in Trunkenheit gesagt, sie ginge ihn nichts an, sie sei eine Fi donc, er habe die Mutter zu Tode gequält... Henrik Ibsen (1828-1906) war ein norwegischer Dramatiker und Lyriker, der gegen die Moral und 'Lebenslüge' seiner Zeit zu Felde zog und im 'Kampf der Geschlechter' im Gegensatz zu August Strindberg den Standpunkt der Frau vertrat. Seine bürgerlichen Dramen zeigten ethischen Ernst und großes psychologisches Einfühlungsvermögen.

Zweiter Aufzug.


Dasselbe Zimmer.

Der Regennebel liegt noch immer über der Landschaft.

Pastor Manders und Frau Alving treten aus dem Speisezimmer.

Frau Alving (noch in der Thür). Gesegnete Mahlzeit, Herr Pastor. (Spricht ins Speisezimmer hinein.) Kommst du nicht mit, Oswald?

Oswald (drinnen). Nein, danke; ich will ein wenig ausgehen.

Frau Alving. Ja, thu' das; der Regen hat jetzt nachgelassen. (Schließt die Thür des Speisezimmers, geht zur Vorzimmerthür und ruft:) Regine!

Regine (draußen). Ja, gnädige Frau?

Frau Alving. Geh' hinunter ins Bügelzimmer und hilf mit den Kränzen.

Regine. Sehr wohl, gnädige Frau.

Frau Alving (vergewissert sich, daß Regine geht; schließt dann die Thür).

Pastor Manders. Er kann uns da drinnen doch nicht hören?

Frau Alving. Unmöglich, wenn die Thür geschlossen ist. Ueberdies will er ja spazieren gehen.

Pastor Manders. Ich bin noch ganz betäubt. Ich begreife nicht, wie ich nur einen Bissen von den gesegneten Speisen hinunter bringen konnte.

Frau Alving (sucht ihrer Unruhe Herrin zu werden, auf und ab gehend). Auch ich fasse es nicht. Aber was ist hier zu thun?

Pastor Manders. Ja, was ist zu thun? Ich weiß es meiner Treu nicht; in solchen Dingen bin ich gänzlich unerfahren.

Frau Alving. Ich bin überzeugt, daß bis jetzt wenigstens kein Unglück geschehen ist.

Pastor Manders. Nein, das möge der Himmel verhüten! Aber ein unpassendes Verhältnis ist es trotzdem.

Frau Alving. Das Ganze ist ein loser Einfall Oswalds; davon können Sie überzeugt sein.

Pastor Manders. Ja, wie gesagt, ich verstehe mich auf solche Sachen nicht; aber mich dünkt doch entschieden — —

Frau Alving. Aus dem Hause muß sie auf jeden Fall. Und das sofort. Das wenigstens ist sonnenklar. —

Pastor Manders. Ja, das versteht sich.

Frau Alving. Aber wohin? Wir können es doch nicht verantworten, sie —

Pastor Manders. Wohin? Natürlich nach Hause zu ihrem Vater.

Frau Alving. Zu wem meinen Sie?

Pastor Manders. Zu ihrem — Aber nein, Engstrand ist ja nicht —. Aber, mein Gott, Frau Alving, wie ist dies möglich? Vielleicht irren Sie sich doch!

Frau Alving. Leider irre ich mich in keiner Hinsicht. Johanna mußte mir alles bekennen, — — und Alving konnte nicht läugnen. Es blieb nichts anderes mehr zu thun übrig, als die Sache möglichst zu vertuschen.

Pastor Manders. Ja, das war wohl das einzig Mögliche.

Frau Alving. Das Mädchen mußte sofort den Dienst verlassen und bekam eine ziemlich große Summe, um bis auf Weiteres zu schweigen. Für das Uebrige sorgte sie selbst, als sie in die Stadt kam. Sie erneuerte ihre alte Bekanntschaft mit dem Tischler Engstrand; vermuthlich ließ sie ihn auch verstehen, wie viel Geld sie habe, und weiter erzählte sie ihm irgend etwas von einem Ausländer, der während des Sommers mit seiner Vergnügungsyacht hier gelegen haben sollte. Dann wurden Engstrand und sie in aller Eile getraut. Ja, Sie selbst haben sie ja getraut.

Pastor Manders. Aber wie soll ich mir das alles erklären —? Ich erinnere mich noch heute so deutlich, wie Engstrand zu mir kam, um die Trauung zu bestellen. Er war ganz niedergeschmettert und klagte sich so bitter an wegen des Leichtsinns, dessen er und seine Verlobte sich schuldig gemacht hatten.

Frau Alving. Ja, er mußte ja alle Schuld auf sich nehmen.

Pastor Manders. Aber eine solche Falschheit seinerseits! Und das mir gegenüber! Das hätte ich wahrlich Jacob Engstrand nicht zugetraut. Nun, ich werde ihn ordentlich vornehmen, darauf kann er sich verlassen. — Und dann das Unsittliche in einer solchen Verbindung! Um des Geldes Willen! Wie hoch belief sich die Geldsumme, über die das Mädchen verfügen konnte?

Frau Alving. Es waren 300 Speziesthaler.

Pastor Manders. Aber denken Sie nur, — für lumpige 300 Spezies hinzugehen und sich mit einer Gefallenen trauen zu lassen!

Frau Alving. Was sagen Sie denn von mir, die hinging und sich mit einem gefallenen Manne trauen ließ?

Pastor Manders. Aber Gott soll uns behüten! — Was sagen Sie? — Ein gefallener Mann!

Frau Alving. Glauben Sie vielleicht, daß Alving reiner war, da ich mit ihm an den Altar trat, als Johanna, da sie sich mit Engstrand trauen ließ?

Pastor Manders. Das sind doch aber himmelweit verschiedene Dinge —

Frau Alving. Durchaus nicht so verschieden. Allerdings war ein großer Unterschied im Preise; — lumpige 300 Thaler — und ein ganzes Vermögen!

Pastor Manders. Daß Sie aber so ungleiche Dinge neben einander stellen mögen. Sie hatten sich doch mit Ihrem Herzen und Ihren Angehörigen berathen!

Frau Alving (blickt ihn nicht an). Ich glaubte, Sie hätten errathen, wohin das, was Sie mein Herz nennen, sich damals verirrt hatte.

Pastor Manders (fremd). Hätte ich etwas derartiges errathen, so wäre ich nicht ein täglicher Gast in dem Hause Ihres Mannes gewesen.

Frau Alving. Nun, auf alle Fälle steht es fest, daß ich mich mit mir selbst nicht berieth.

Pastor Manders. Dann aber doch mit Ihren nächsten Verwandten; so wie es vorgeschrieben ist; mit Ihrer Mutter und Ihren beiden Tanten.

Frau Alving. Ja, das ist wahr. Die Drei machten das Rechenexempel für mich. O es ist unglaublich, wie klar sie mir bewiesen, daß es der reine Wahnsinn wäre, einen solchen Antrag auszuschlagen. Wenn meine Mutter jetzt herabsehen und wissen könnte, was aus all der Herrlichkeit geworden ist!

Pastor Manders. Für den Ausgang kann niemand verantwortlich gemacht werden. So viel steht wenigstens fest, daß Ihre Ehe in Uebereinstimmung mit jeder gesetzlichen Ordnung geschlossen wurde.

Frau Alving (am Fenster stehend). Ach ja, die Ordnung und das Gesetz! Manchmal glaube ich beinahe, daß diese beiden alles Unglück hier auf Erden stiften.

Pastor Manders. Frau Alving, jetzt versündigen Sie sich.

Frau Alving. Ja, das mag sein; aber ich ertrage all diese Bande und Rücksichten nicht länger. Ich kann nicht mehr! Ich muß mich zur Freiheit empor arbeiten!

Pastor Manders. Was wollen Sie damit sagen?

Frau Alving (trommelt gegen die Fensterscheiben). Ich hätte Alvings Leben niemals verheimlichen sollen. Aber damals wagte ich nicht anders zu handeln, — auch um meiner selbst willen nicht. So feige war ich.

Pastor Manders. Feige?

Frau Alving. Hätten die Leute etwas erfahren, so würden sie gesagt haben: Armer Mann, es ist ja begreiflich, daß er ausschweifend lebt, er, der eine Frau hat, die ihm davon läuft.

Pastor Manders. Solche Worte hätten auch eine gewisse Berechtigung gehabt.

Frau Alving (blickt ihn fest an). Wenn ich wäre, was ich sein sollte, so würde ich Oswald vornehmen und ihm sagen: Hör', mein Kind, dein Vater war ein gesunkener Mensch —

Pastor Manders. Aber du barmherziger Gott — —

Frau Alving. — — und dann würde ich ihm alles erzählen, was ich Ihnen gesagt habe, — haarklein!

Pastor Manders. Frau Alving, ich bin beinahe empört über Sie!

Frau Alving. Das weiß ich. Das weiß ich ja! Ich selbst empöre mich gegen den Gedanken. (Verläßt das Fenster.) So feige bin ich!

Pastor Manders. Und Sie nennen es feige, wenn Sie auch noch fernerhin Ihre Pflicht und Schuldigkeit thun. Haben Sie vergessen, daß ein Kind Vater und Mutter ehren soll?

Frau Alving. Nehmen wir die Sache nicht so allgemein. Fragen wir hingegen: soll Oswald Alving den Kammerherrn Alving ehren und lieben?

Pastor Manders. Ist denn keine Stimme in Ihrem Mutterherzen, die Ihnen verbietet, die Ideale Ihres Sohnes zu zertrümmern?

Frau Alving. Und was wird dann aus der Wahrheit?

Pastor Manders. Und was wird aus den Idealen?

Frau Alving. Ach — Ideale, Ideale! Wenn ich nur nicht so feige wäre, wie ich bin!

Pastor Manders. Verwerfen Sie die Ideale nicht, Frau Alving, — denn das rächt sich bitter. Und besonders bei Oswald. Oswald hat leider nicht so viele Ideale. Aber so viel habe ich doch schon bemerkt, daß sein Vater ihm ein Ideal ist.

Frau Alving. Darin haben Sie Recht.

Pastor Manders. Und diese Vorstellungen haben Sie ja selbst durch Ihre Briefe in ihm geweckt und genährt.

Frau Alving. Ja; Pflichten und Rücksichten zwangen mich dazu. Deshalb log ich jahraus, jahrein meinem Jungen gegenüber. Ah! wie feig, — wie feig bin ich gewesen!

Pastor Manders. Es hat eine glückliche Illusion bei Ihrem Sohne befestigt, Frau Alving, — und das dürfen Sie wahrlich nicht unterschätzen.

Frau Alving. Hm! — wer weiß, ob das sich jetzt als gut erweist. Aber irgend welche Gemeinschaft mit Regine dulde ich unter keinen Umständen. Er soll nicht hingehen und das arme Mädchen unglücklich machen.

Pastor Manders. Nein; du großer Gott, das wäre ja entsetzlich!

Frau Alving. Wenn ich nur wüßte, ob er es ehrlich meint, und ob es zu seinem Glücke führen würde — —

Pastor Manders. Wie? Und was dann?

Frau Alving. Aber dazu würde es nicht führen; denn Regine ist leider nicht derartig veranlagt.

Pastor Manders. Nun, was dann? Was meinen Sie?

Frau Alving. Wenn ich nicht so gottsjämmerlich feige wäre, wie ich es bin, so würde ich zu ihm sagen: »verheirathe dich mit ihr, oder richtet euch ein, wie...

Erscheint lt. Verlag 13.2.2016
Übersetzer Marie von Borch
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Arthur Miller • Dostojewski • Franz Kafka • Gerhart Hauptmann • Gotthold Ephraim Lessing • Johann Nestroy • Salinger • Samuel Beckett • Shakespeare • Tschechow
ISBN-10 80-268-5025-4 / 8026850254
ISBN-13 978-80-268-5025-0 / 9788026850250
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