Der Goldene Meilenstein (eBook)

Römische Veduten und Gestalten

(Autor)

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2016 | 1. Auflage
304 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560812-8 (ISBN)

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Der Goldene Meilenstein -  Otto Rombach
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Ein in seiner Stoffülle bezauberndes und in seinem besinnlichen Plauderton zur Muße einladendes Werk, das nach und durch Rom führt, ohne doch ein Reiseführer im eigentlichen Sinne zu sein. Ein Gewinn für jeden Rom-Liebhaber und -Kenner. Otto Rombachs Meisterschaft liegt in der historischen Skizze, in der biographischen Miniatur. Elemente aus alter Geschichte, aus Architektur, Archäologie, der Literatur und den Künsten fügen sich wie die einzelnen Bausteine eines Mosaiks zu Ansichten der antiken Stadt, des mittelalterlichen und des barocken Rom. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Otto Rombach, 1904 in Böckingen geboren, lebte zeitweise in Frankfurt und Berlin, starb 1984 in Bietigheim-Bissingen. Zahlreiche Publikationen.

Otto Rombach, 1904 in Böckingen geboren, lebte zeitweise in Frankfurt und Berlin, starb 1984 in Bietigheim-Bissingen. Zahlreiche Publikationen.

Wasser für die Brunnen Roms


Man sollte Rom auch bei Nacht durchstreifen und am besten, wenn der Mond scheint. Dann irrt man zwar in der Finsternis in Gassen hinein, wo es zum Fürchten ist und wo vielleicht nur eine Ewige Lampe vor einem Andachtsbild leuchtet, irgendwo hoch an der Hauswand. Um so gewaltiger heben sich, wie sich das Auge an das Dunkel gewöhnt, die mächtig aufgemauerten Palazzi von ihrer Umgebung ab, Triumphbögen hier, dort als Ruinen riesige Gewölbe, drüben reihenweise Tempelsäulen, Marmorgestalten und in der Stadt, wohin man blickt, die hochgerundeten, barocken Kirchenkuppeln. Feierlich und düster ergänzen Pinien und Zypressen die unvergeßlichen Veduten, von denen oft etwas Mystisches ausgeht, eigentlich ein insgeheimer Schauder, der aber, wenn man sich nachher daran erinnert, wohlig wiederkehrt.

Dieses Geisterhafte hat auch Goethe eingestanden, der, bevor er von Rom aus heimfuhr, spät abends einen letzten Rundgang über das Kapitol und das Forum Romanum gemacht hat, das Abschiedsgedicht von Ovid im Gedächtnis »Cum repetam noctem«. – »Wiederhol’ ich die Nacht wo des Teuren so viel mir zurückblieb«, hatte der an den Pontus, das Schwarze Meer, verbannte Dichter geschrieben, dem sich der siebenunddreißigjährige Gast aus Weimar nahe fühlte. Goethe hatte ergänzt: »Als ich aber den erhabenen Resten des Kolosseums mich näherte und in dessen verschlossenes Innere hineinsah, darf ich nicht leugnen, daß mich ein Schauer überfiel und meine Rückkehr beschleunigte.«

Bei unserem Nachtspaziergang hielten wir jedoch auch manchmal horchend an, weil irgendwo ein Brunnenrauschen aus dem stummen Dunkel hörbar wurde. Unzählige Brunnen gibt es in Rom, solche mit riesigen Becken und Gruppen von Marmorfiguren, mit Kaskaden, Fontänen, oder einfache Röhrenbrunnen. Andere, wie die tempelartige Brunnenhalle am Monte Pincio, bilden Wasserfälle, die zwischen Säulenbögen senkrecht aus dem Gestein der hohen Grotten niederstürzen, ähnlich wie in der alten, noch größeren Acqua Trajana, der Acqua Paola auf dem Gianicolo.

Dort mutet das Wasserkastell wie ein Triumphbogen an, aus dessen drei mächtigen, hochgerundeten Nischen jeweils ein Sturzbach hervorbricht, weiß aufschäumendes Wasser. Sechs granitene, schlanke Säulen, die einst im Vorhof der Peterskirche gestanden, gliedern die Marmorfassade, wo links und rechts je eine schmalere Nische mit einem kleineren Wasserfall die Wirkung der festlichen Architektur erhöht, so, wie die antiken römischen Stadttore ihre Nebenpforten hatten. Im breiten Giebelfeld darüber ließ Paul V., der Erneuerer dieses Wasserschlosses, der Borghese-Papst, dem Rom auch die Villa Borghese mit ihren Kunstkabinetten verdankt, seinen Stiftungstext in eine riesige Steinplatte meißeln. Höher hinauf entfalten sich Voluten mit Reliefs und Marmorgestalten, auch sitzen auf den Kanten des oberen Architravs zwei Adler, die, wie die meisten Wappenadler, mit ihren glatten Köpfen und scharfen Schnäbeln wohl immer Furcht einflößen sollten. Ob man sie als Bewacher des von fern her geleiteten Wassers gedacht hat?

Wenn hier, an seinem Ziel, das kühle, erfrischend rauschende Wasser aus seinen künstlichen Grotten stürzt, dann ist die eiskühle Flut aus dem See von Bracciano, aus einer Ferne von fünfzig Kilometern nördlich von Rom herangeströmt, zuletzt immer rascher mit dem Sog des mehr und mehr gesteigerten Gefälles.

Hier, auf der rechten Tiberseite mit der herrlichen Aussicht über ganz Rom hinweg, hat man die neue Ankunft des Wassers von Bracciano, obwohl es nicht das beste Wasser war, wie einen Triumph gefeiert. Wie man den Siegern nach ihren Kriegen Ehrenbögen erbaut hat, so ist das fünffache Wassertor auf dem Gianicolo ein Triumphtor für Trastevere geworden, dessen Bewohner sich für die ältesten Römer halten. Dort ergoß sich der Überfluß dieses Brunnens in Gärten und Häuser.

Wo man sich in der Stadt, in der tagsüber von allen Fassaden und vom Belag der Straßen her die trockene römische Hitze sprüht, einem der unzählbaren Brunnen nähert, empfindet man die Kühle, die von den Kaskaden und Fontänen ausgeht, besonders dann, wenn ein Wind ihre zerwehenden Schleier mit feinsten Tropfen heranträgt. Bis tief hinab in die Brust spürt man die Frische. Bis in die Nächte hinein sind deshalb die berühmtesten Brunnen von Leuten umlagert, die Jungen in Sandalen und mit biblischem Haar- und Bartwuchs, die Mädchen in blumig bunt bedruckten, fast orientalisch wallenden Kleidern. Daneben merkt man den älteren Leuten an, die oft noch altertümlich in ihren Gewandungen und Gefühlen sind, wie still es sie beglückt, endlich an diesem Treffpunkt der nach Schönheit begierigen Welt, in Rom, sein zu können. Ihnen genügt es, auf den Treppenstufen und Balustraden wie auf Theaterrängen stumm, nur schauend, vor der Fontana di Trevi zu sitzen, dieser antikischen Szenerie aus Felsgestein, aus deren Spalten überall Wasser in das Bassin mit seinen weit geschwungenen barocken Ufern niederfällt und hastig plappert. Wirr durcheinander aufgeschichtet drängen sich die Felsen zwischen mächtigen, hohen Säulen hervor, während zuoberst Poseidon, der triumphierende Gott der südlichen Meere, stehend in seinem Muschelboot aus dem Palazzo Poli herauszufahren scheint, an den der dramatisch belebte Brunnen angebaut wurde. Im Schwall und Schaum versuchen Tritonen, die Trabanten des herkulischen Meergotts, ihre im Wellenschlag scheuenden Seepferde aufzuhalten.

Mit herrischem Schwung hat der Bildhauer Pietro Bracci die barocke Marmorgestalt aus dem Stein gemeißelt, während andere Meister die symbolischen Statuen des Überflusses und der Gesundheit, dazu Reliefs und weiteres Schmuckwerk in die unvergeßliche Fassade mit ihren Nischen, Pilastern, Lisenen und Säulen eingefügt haben, bis hinauf zur hohen Attika.

Fontana di Trevi, nach einem Entwurf Berninis erbaut von Nicola Salvi (1735–1762).
Eine Ecke der Quattro Fontane beim Palazzo Barberini.

Aber auch hier darf die Jungfrau Maria nicht fehlen: Wie die Legende berichtet, hat sie einst einem Trupp von durstigen Soldaten die Quelle gezeigt, die diesen Brunnen speist und die man später Acqua Vergine genannt hat. Klemens XII., der Corsini-Papst aus Florenz, dessen Familienwappen über die oberste Balustrade hinaufragt, gab dann um 1735, mitten in der Zeit des Rokoko den Auftrag an Nicola Salvi, die bisher einfach umrahmte Wasserstelle in das heroische Brunnendenkmal zu verwandeln, das nun als stolzester Brunnen von Rom gilt, eine Oper aus Stein.

Man liebt die Fontana di Trevi, zu deren Mythos auch der Brauch gehört, Münzgeld in ihr von schwappenden Wellen bewegtes Wasser zu werfen, es gilt als Opfer dafür, wiederkommen zu dürfen! Aus einem Fiaker mit mageren Pferdchen trippelte eine steinalte, zierliche Lady zwischen der lagernden Jugend hindurch und schnippte, rückwärts über die Schulter, ihre Münze, ihren Bajocco, hinein.

Auch solche Szenen gehören zum römischen Alltag, auch die Ragazzi, die mit aufgekrempelten, bis an die Hüften hinauf durchnäßten Hosen durch das meeresblau leuchtende Wasser waten und die Münzen, die wie silberne Schuppen am Boden glänzen, vom Grund aufklauben. Überhaupt bedeutet es offenbar eine höchste Lust, vielleicht nach einem Fußballsieg oder auf nächtlichem Heimweg sich gegenseitig in den kühlen Wasserpfuhl hineinzuschubsen und das Muschelboot des Vaters Neptun oder Poseidon zu entern.

Übrigens soll dieses Wasser das gesündeste sein, das seit zweitausend Jahren nach Rom strömt. Täglich ergießen sich, hat man gemessen, durch ihre unzählbaren Brunnen und Brünnlein weit über drei Millionen Hektoliter in die Ewige Stadt. Hauptsächlich kommt es von den Sabiner Bergen herab, von Tivoli, dem früheren Tibur, wo es im Park der Villa d’Este bei deren berühmten Zypressen noch höher aufschießende Springbrunnen gibt und wo sich am Parkweg über hundert Wasserbögen zwischen Farnen, Schwertlilien, Moos und anderen durstigen Pflanzen in einen endlos scheinenden Trog ergießen. Wasserspiele, wohin man sieht, gurgelnde, quirlende Quellen neben den mit der erstaunlichen Kraft ihrer Düsen aufsteigenden Fontänen, dichte weiße Schleier neben hauchdünnen Strahlen in zierlich fallenden Bögen.

Weit droben in den Mauerkronen der langgestreckten Aquädukte eilt jenes Wasser durch die Campagna, viele Kilometer weit, zum Teil in Röhren aus Ton, und in gemauerten Rinnen oder Kanälen, die vier Fuß breit und sechs Fuß hoch gemauert sind, die also im Innern oft ein Geviert von mehr als zwei Quadratmetern bilden. Auf diesen arkadenartigen Mauern, die kaum ersteigbar scheinen, schießt das eingefangene Wasser oft in einer Höhe von fünfzig Fuß dahin, schwerlich erreichbar für Leute, die Gift hineinzuschütten oder es anzuzapfen versuchen. Auch hat man die Kanäle, die oft mit Leder ausgeschlagen waren oder mit Mörtel aus Sand und Kalk verpicht, unter Steinplatten tief in ihre Aquädukte eingesenkt.

Ob die Erbauer mit ihrer bewunderungswürdigen Technik auch den romantischen Anblick empfanden, der in neueren Epochen viele Künstler begeistert hat? Von dem meist düsteren, balladesken Piranesi mit seinen packenden Kupferstichen bis zu Camille Corot und zu den liebevollen Genremalern der Landschaft um Rom. Auf ihren Bildern ziehen mächtig gehörnte Rinder ihre zweiräderigen Karren an diesen Wasserbrücken entlang, die Bauern mit langen Viehtreiberstangen, jeder ein Christophorus mit verwegenem Hut, einer Feder darauf, und mit schräg umgeworfener Decke als Mantel. Italische Idyllen.

Nachher, endlich nach stetem Gefälle an der Fontana di Trevi angelangt, wurde der eiskühle Fluß geteilt. Wie das in seinem Namen Trivio oder Trevi aufklingt, speist er drei weitere Brunnen:...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Angelika Kauffmann • Eduard Arnhold • Gianlorenzo Bernini • Italien • Ostium • Palazzo Farnese • Pantheon • Rom • Roman • San Clemente • Spaziergang • Tiber • Villa Massimo
ISBN-10 3-10-560812-5 / 3105608125
ISBN-13 978-3-10-560812-8 / 9783105608128
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