All die verdammt perfekten Tage (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman - Der Roman zum Film
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2015 | 1. Auflage
400 Seiten
Limes (Verlag)
978-3-641-15848-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

All die verdammt perfekten Tage -  Jennifer Niven
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Ein Mädchen lernt zu leben - von einem Jungen, der sterben will
Ist heute ein guter Tag zum Sterben?, fragt sich Finch, sechs Stockwerke über dem Abgrund auf einem Glockenturm, als er plötzlich bemerkt, dass er nicht allein ist. Neben ihm steht Violet, die offenbar über dasselbe nachdenkt wie er. Von da an beginnt für die beiden eine Reise, auf der sie wunderschöne wie traurige Dinge erleben und großartige sowie kleine Augenblicke - das Leben eben. So passiert es auch, dass Finch bei Violet er selbst sein kann - ein verwegener, witziger und lebenslustiger Typ, nicht der Freak, für den alle ihn halten. Und es ist Finch, der Violet dazu bringt, jeden einzelnen Moment zu genießen. Aber während Violet anfängt, das Leben wieder für sich zu entdecken, beginnt Finchs Welt allmählich zu schwinden...

Jennifer Niven wuchs in Indiana auf, dort, wo auch All die verdammt perfekten Tage spielt. Mit der herzzerreißenden Liebesgeschichte von Violet und Finch hat sie Verlage in aller Welt begeistert - die Rechte wurden in über 32 Länder verkauft. Der Roman stürmte kurz nach Erscheinen nicht nur die New-York-Times- sondern auch die SPIEGEL-Bestsellerliste, und eine Hollywoodverfilmung ist ebenfalls in Planung. Heute lebt die Autorin mit ihrem Verlobten und ihren »literarischen« Katzen in Los Angeles.

FINCH – Ich bin wieder wach. 6. Tag

Ist heute ein guter Tag zum Sterben?

Diese Frage stelle ich mir morgens beim Aufwachen. In der dritten Stunde, während Mr. Schroeder vor sich hin labert und ich versuche, die Augen offen zu halten. Beim Abendessen, als ich die Schüssel mit den grünen Bohnen weiterreiche. Nachts, wenn ich wach liege, weil mein Gehirn wegen all der vielen Gedanken nicht abschalten kann.

Ist heute der Tag?

Und wenn nicht heute, wann dann?

Das frage ich mich auch jetzt, sechs Stockwerke über der Erde, auf einem schmalen Sims. Ich bin so hoch oben, dass ich mich praktisch schon im Himmel befinde. Ich schaue hinunter auf den Asphalt, und die Welt legt sich schräg. Ich schließe die Augen, genieße das Drehen und Kreiseln in meinem Kopf. Vielleicht mache ich es diesmal tatsächlich – lasse mich von der Luft wegtragen. Es wäre so, als würde man in einem Swimmingpool im Wasser treiben – wegschweben, bis da gar nichts mehr ist.

Ich kann mich nicht erinnern, hier hochgestiegen zu sein. Eigentlich erinnere ich mich an kaum etwas vor Sonntag, wenigstens nicht aus diesem Winter. Das passiert jedes Mal – Blackout und dann Aufwachen. Ich bin wie dieser uralte Mann mit dem Bart, Rip Van Winkle. Jetzt seht ihr mich noch, dann plötzlich nicht mehr. Man könnte meinen, ich hätte mich langsam daran gewöhnt, aber dieses Mal war es noch schlimmer als sonst, weil ich ein paar Tage nicht geschlafen habe oder eine Woche oder auch zwei. An den Feiertagen habe ich geschlafen, am Erntedankfest, an Weihnachten und über Silvester und Neujahr. Ich kann nicht sagen, was diesmal anders war, aber als ich aufwachte, fühlte ich mich noch toter als gewöhnlich. Wach, ja, aber völlig leer, als ob mir jemand das Blut ausgesaugt hätte. Heute ist der sechste Tag von diesem Wachsein und meine erste Woche in der Schule seit dem 14. November.

Ich mache die Augen auf, und der Boden ist immer noch da, hart und beharrlich. Ich stehe auf dem Glockenturm der Schule, auf einem etwa zehn Zentimeter breiten Vorsprung. Der Turm ist ziemlich klein. Rings um die Glocke verläuft nur ein schmaler Betonstreifen. Dann kommt schon die niedrige Steinbrüstung, über die ich gestiegen bin. Hin und wieder stoße ich mit dem Bein dagegen, um mich zu vergewissern, dass sie noch da ist.

Meine Arme sind ausgebreitet, als ob ich eine Predigt halten würde. Diese mittelmäßig große und so unsagbar langweilige Stadt ist meine Gemeinde. »Meine sehr verehrten Damen und Herren!«, rufe ich. »Ich heiße Sie herzlich willkommen! Willkommen zu meinem Tod!« Vielleicht hätte ich besser sagen sollen, zu meinem Leben, weil ich doch gerade erst aufgewacht bin. Aber nur wenn ich wach bin, denke ich ans Sterben.

Ich rede wie ein greiser Lehrer, einschließlich der ruckartigen Kopfbewegungen und der zuckenden Betonung, und dabei hätte ich beinahe das Gleichgewicht verloren. Ich halte mich hinten an der Brüstung fest und bin froh, dass niemand herschaut, denn seien wir mal ehrlich: Es ist unmöglich, furchtlos zu wirken, wenn man sich wie eine Memme an die Brüstung klammert.

»Ich, Theodore Finch, ganz und gar nicht im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, vermache hiermit all meine irdischen Besitztümer Charlie Donahue, Brenda Shank-Kravitz und meinen Schwestern. Alle anderen können mich mal am A… l…« Bereits im frühen Kindesalter wurde mir von meiner Mutter eingebläut, Schimpfwörter und Flüche – wenn wir sie denn benutzen müssen – zu buchstabieren. Oder nur den Anfangsbuchstaben auszusprechen. Das ist irgendwie hängen geblieben. Leider.

Obwohl es schon geläutet hat, lungern einige meiner Klassenkameraden immer noch unten vor dem Turm herum. Es ist die erste Woche vom zweiten Halbjahr des Abschlussjahrs, und die tun jetzt schon so, als ob sie mit der Schule fast fertig und auf dem Sprung wären. Einer von ihnen schaut zu mir hoch, als hätte er mich gehört, aber die anderen nicht, entweder weil sie mich nicht entdeckt haben, oder weil sie schon wissen, dass ich hier bin, und sich denken: Ach, na ja, das ist ja bloß Theodore Freak.

Dann wendet der Typ da unten sich ab und deutet in den Himmel. Erst denke ich, der meint mich, aber in diesem Moment sehe ich sie. Ein Mädchen. Sie steht ein paar Schritte von mir entfernt auf der anderen Seite des Turms, auch draußen auf dem Vorsprung. Ihre dunkelblonden Haare wehen, und ihr Rock bauscht sich wie ein Fallschirm. Obwohl es gerade mal Januar ist, trägt sie keine Schuhe, sondern steht in Strumpfhosen auf dem kalten Stein. Ihre Stiefel hat sie in der Hand. Sie starrt entweder auf ihre Füße oder auf den Boden weit unter ihr. Schwer zu sagen. Sie steht da wie erstarrt.

Mit meiner normalen Stimme, ohne den Lehrerton, sage ich so ruhig wie möglich: »Glaub mir, Runtergucken ist eine ziemlich blöde Idee.«

Ganz langsam dreht sie mir den Kopf zu. Ich kenne sie, zumindest habe ich sie schon in der Schule gesehen. Ich kann mir den nächsten Satz nicht verkneifen. »Kommst du oft hierher? Denn, weißt du, das ist eigentlich mein Stammplatz, und ich kann mich nicht erinnern, dich schon mal hier gesehen zu haben.«

Sie lacht nicht, sie blinzelt nicht mal. Sie schaut mich nur durch diese klobige Brille an, die beinahe ihr ganzes Gesicht zu bedecken scheint. Sie will einen Schritt rückwärts machen, und ihr Fuß stößt gegen die Brüstung. Sie schwankt ein bisschen, und ehe sie in Panik geraten kann, sage ich: »Ich weiß nicht, was dich hier herauf führt, aber meiner Ansicht nach sieht die Stadt von hier oben viel hübscher aus, die Leute wirken netter, und selbst die Schlimmsten machen irgendwie einen freundlichen Eindruck. Bis auf Gabe Romero und Amanda Monk und den Rest der Meute, mit der du so rumhängst.«

Ihr Name ist Violet Irgendwas. Sie ist Cheerleader und angesagt, eins von den Mädchen, von denen man nicht im Traum denkt, dass man sie irgendwann mal auf einem Sims sechs Stockwerke über der Erde treffen würde. Hinter der hässlichen Brille ist sie hübsch, beinahe wie eine Porzellanpuppe. Große Augen, ein liebes, herzförmiges Gesicht, ein Mund, der sich gerne zu einem perfekten kleinen Lächeln verziehen würde. Sie ist die Art Mädchen, die mit Ryan Cross ausgeht, dem Baseball-Star, und mit Amanda Monk und den anderen Bienenköniginnen beim Mittagessen an einem Tisch sitzt.

»Aber seien wir ehrlich, wir sind nicht wegen der Aussicht hier. Du heißt Violet, stimmt’s?«

Sie blinzelt einmal, und ich deute das als Ja.

»Theodore Finch. Ich glaube, wir hatten letztes Jahr irgendeinen Kurs zusammen. Mathe, nicht wahr?«

Sie blinzelt noch einmal.

»Ich hasse Mathe, aber das ist nicht der Grund, warum ich hier oben bin. Falls das dein Grund ist, bitte schön, ich möchte dir nicht zu nahe treten. Vermutlich bist du in Mathe besser als ich, aber das ist okay. Ich punkte mit anderen Dingen, Gitarrespielen zum Beispiel oder Sex, und darüber hinaus bin ich für meinen Vater eine ständige Enttäuschung, um nur einige meiner Vorzüge zu nennen. Übrigens glaube ich, dass man es im echten Leben kaum gebrauchen kann. Mathe, meine ich.«

Ich rede immer weiter, aber so langsam gehen mir die Ideen aus. Meine Rede ist nicht das Einzige, was Probleme macht; ich muss dringend pissen. (Mentales Post-it: Bevor man sich das Leben nimmt, Toilette aufsuchen.) Außerdem fängt es an zu regnen, und das Wasser wird sich bei den Temperaturen in null Komma nichts in Graupel verwandeln.

»Es regnet«, sage ich, als ob sie das nicht merken würde. »Das ist gar nicht so schlecht, dann spült der Regen das Blut weg, und es gibt keine ganz so schlimme Schweinerei, wenn man unsere Leichen wegbringt. Aber wo ich gerade darüber nachdenke – na ja, ich bin nicht unbedingt eitel, aber ich bin ein Mensch, und … ich weiß ja nicht, wie du darüber denkst, aber ich will bei meiner Beerdigung nicht aussehen, als ob ich in einen Schredder geraten wäre.«

Sie zittert, ich weiß nicht, ob vor Kälte oder vor Angst. Langsam schiebe ich mich auf sie zu und hoffe inständig, dass ich nicht abrutsche und runterfalle, denn mich vor diesem Mädchen zum Affen zu machen, ist das Letzte, was ich will. »Ich habe klipp und klar gesagt, dass ich eingeäschert werden will, aber meine Mom hält nichts davon.« Und mein Dad wird tun, was sie sagt, damit er sie nicht noch mehr aufregt, als er es in der Vergangenheit sowieso schon getan hat, und außerdem bist du viel zu jung, um über so etwas nachzudenken. Du weißt doch, dass Grandma Finch neunundachtzig Jahre alt wurde, und wir müssen doch nicht jetzt darüber reden, Theodore, reg bitte deine Mutter nicht auf.

»Was bedeutet, dass mein Sarg bei meiner Beerdigung offen sein wird, was wiederum bedeutet, dass ich keinen besonders hübschen Anblick bieten werde, wenn ich jetzt springe. Außerdem mag ich mein Gesicht, wenn es heil ist, zwei Augen, eine Nase, ein Mund, gesunde Zähne, die – wenn ich ehrlich bin – mein ganzer Stolz sind.« Ich lächle, damit sie sieht, was ich meine. Zwei perfekte Zahnreihen, zumindest an der Außenseite.

Sie sagt nichts, also rücke ich weiter vor und rede auf sie ein. »Aber am meisten tut mir der Bestattungsunternehmer leid. Was für ein Scheißjob das sein muss, auch ohne ein Arschloch wie mich auf dem Leichentisch liegen zu haben!«

Unter uns ruft jemand: »Violet? Ist das Violet da oben?«

»O Gott«, sagt sie. Sie sagt es so leise, dass ich es kaum höre. »OGottoGottoGott.« Der Wind fährt in ihre Haare und in ihren Rock, und es sieht so aus, als ob sie jeden Moment davonfliegen würde.

Von unten dringt eine Art Summen zu...

Erscheint lt. Verlag 14.12.2015
Übersetzer Alexandra Ernst
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel All the bright places
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Das Schicksal ist ein mieser Verräter • eBooks • Familie • John Greene • Jugendliche • Krankheit • Lebensmut • Liebesromane • New-York-Times-Bestseller • Psychische Erkrankung • Roman • Romane • Selbstmordversuch • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller
ISBN-10 3-641-15848-6 / 3641158486
ISBN-13 978-3-641-15848-4 / 9783641158484
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