Das Ende von Eddy (eBook)

Roman
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2015 | 1. Auflage
208 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403334-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Ende von Eddy -  Édouard Louis
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Ein Befreiungsschlag, ein Aufbruch in ein neues Leben - mit unglaublicher Sprachgewalt erzählt der junge französische Autor Édouard Louis die Geschichte einer geglückten Flucht aus einer unerträglichen Kindheit: inspiriert von seiner eigenen. ?Das Ende von Eddy? ist sein Debütroman, der zu einem großen Erfolg und einer der meistdiskutierten Veröffentlichungen des Jahres wurde.

Édouard Louis wurde 1991 geboren. Sein autobiographischer Debütroman »Das Ende von Eddy«, in dem er von seiner Kindheit und Flucht aus prekärsten Verhältnissen in einem nordfranzösischen Dorf erzählt, sorgte 2015 für großes Aufsehen. Das Buch wurde zu einem internationalen Bestseller und machte Louis zum literarischen Shootingstar. Seine Bücher erscheinen in 30 Ländern und werden vielfach fürs Theater adaptiert und verfilmt. Über seine literarischen Positionen gab er u.a. Auskunft als Samuel Fischer-Gastprofessor an der Freien Universität Berlin (2018), bei der Mosse Lecture an der Humboldt-Universität Berlin (2019) oder 2023 bei den Tübinger Poetikvorlesungen. Zuletzt erschienen »Wer hat meinen Vater umgebracht« und »Die Freiheit einer Frau«. Édouard Louis lebt in Paris.

Édouard Louis wurde 1991 geboren. Sein autobiographischer Debütroman »Das Ende von Eddy«, in dem er von seiner Kindheit und Flucht aus prekärsten Verhältnissen in einem nordfranzösischen Dorf erzählt, sorgte 2015 für großes Aufsehen. Das Buch wurde zu einem internationalen Bestseller und machte Louis zum literarischen Shootingstar. Seine Bücher erscheinen in 30 Ländern und werden vielfach fürs Theater adaptiert und verfilmt. Über seine literarischen Positionen gab er u.a. Auskunft als Samuel Fischer-Gastprofessor an der Freien Universität Berlin (2018), bei der Mosse Lecture an der Humboldt-Universität Berlin (2019) oder 2023 bei den Tübinger Poetikvorlesungen. Zuletzt erschienen »Wer hat meinen Vater umgebracht« und »Die Freiheit einer Frau«. Édouard Louis lebt in Paris. Hinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959, übersetzt Belletristik und Theaterstücke aus dem Französischen, Italienischen und Norwegischen, darunter Werke von Jon Fosse, Henrik Ibsen, Jean Echenoz, Louis-Ferdinand Céline, Yasmina Reza, Stefano Benni und Massimo Carlotto. Er ist u.a. Träger des Jane-Scatcherd-Preises der Ledig-Rowohlt-Stiftung, des Paul-Celan-Preises und des Deutschen Jugendliteraturpreises.

Ein starker Roman, weil die Hauptfigur von herzzerreißender Entschlossenheit ist.

Ein beeindruckender Roman

Eine präzise und absolut literarisch zu nennende Auseinandersetzung mit der Sprache.

Edouard Louis ist ein seltener Glücksfall für sich, die Sprache, die Gesellschaft.

Mit einer Sprache, die so brutal und gewaltig ist wie seine Erlebnisse, erzählt Frankreichs 22-jähriger Shootingstar Edouard Louis von seiner Befreiung.

Wie er seine Geschichte aufschreibt, wie er kühl und genau auf sein Unglück blickt, das nimmt einem tatsächlich den Atem.

Dass er dies nicht als Geschichte eines Thriumphs erzählt, sondern der Verlust spürbar bleibt, verleiht dem Buch seine ergreifende, traurige Poesie.

Eine Sensation.

Die Rolle der Männer


Ich weiß nicht, ob die beiden Jungen ihr Verhalten als brutal bezeichnet hätten. Die Männer im Dorf benutzten dieses Wort nie, in ihrem Mund gab es das nicht. Für einen Mann war Brutalität etwas Selbstverständliches, Natürliches.

 

Mein Vater war brutal, wie alle Männer im Dorf. Und meine Mutter klagte über die Brutalität ihres Mannes, wie alle Frauen im Dorf. Vor allem klagte sie darüber, wie er sich aufführte, wenn er betrunken war Bei deinem Vater weiß man nie, was kommt, wenn er einen sitzen hat. Entweder der Suff macht ihn weich, dann geht er mir auf die Nerven mit seiner Anhänglichkeit, dann kann ich mich gar nicht retten vor lauter Küsschen und meine Süße hier und meine Süße da, oder der Suff macht ihn gemein. Meistens gemein, dann macht er mich fertig, nennt mich ständig Alte oder Dicke und zieht hinter meinem Rücken über mich her. Manchmal, wie bei einem Weihnachtsessen, wo mein kleiner Bruder ihn wütend machte, weil er wollte, dass wir das Fernsehprogramm wechselten, konnte seine Übellaunigkeit in Jähzorn umschlagen. An diesen Tagen sprang er auf. Er blieb aufrecht stehen. Er ballte die Fäuste fest, sehr fest, und sein Gesicht lief violett an. Und: Die Tränen traten ihm in die Augen (sie laufen nur mit Alkohol, an anderen Tagen weiß er sich zu beherrschen: ein Mann sein, nicht weinen), und dann unverständliches Stammeln. Er wanderte um den Tisch, tigerte auf und ab. Nicht wie einer, der sich langweilt, der nachdenkt, eher wie einer, der nicht weiß, wohin mit seiner Wut. Dann ging er zu einer Wand, mehr oder weniger aufs Geratewohl, und hieb mit der Faust dagegen. Nach zwanzig Jahren in diesem Haus waren sämtliche Wände mit Dellen übersät. Meine Mutter hängte Zeichnungen darüber, die mein kleiner Bruder und meine kleine Schwester ihr aus dem Kindergarten mitbrachten. Seine Finger waren braun vom Lehmputz, wenn er an die Wände schlug, und fingen an zu bluten. Er entschuldigte sich Habt keine Angst, ihr dürft keine Angst haben, auch wenn ich wütend bin, ihr seid meine Kinder und meine Frau, ich hau nur gegen die Wand, ich werd meine Frau und meine Kinder nie schlagen, eher hau ich alle Wände kaputt, als dass ich mich an meiner Familie vergreife wie mein Vater, das Arschloch.

Er gab sich irrsinnige Mühe, das Bild seines Vaters auf Distanz zu halten, und darum nahm er es meinem großen Bruder sehr übel, der seinerseits ungehemmt brutal war, auch mit seinen Angehörigen. Er verurteilte das ingrimmig, geradezu hasserfüllt. Als mein großer Bruder den Hauptschulabschluss hatte und eine Ausbildung zum Facharbeiter begann, fing er bald an zu trinken. Ihn machte der Suff gemein.

Wir erfuhren das von einem Mädchen, mit dem er seit ein paar Monaten ausging. Sie rief eines Nachts meine Eltern an, ließ es so lange klingeln, bis sie aufwachten. Meine Mutter ging dran. Ich hörte genau, was sie sagte – wir hatten keine Zimmertüren –, während sie in der Küche (die auch Wohn- und Esszimmer war …) telefonierte. Sie sagte, die Anruferin solle das noch einmal sagen, sie wurde wütend, Wie, was, sag das nochmal, das kann doch nicht wahr sein, o Gott der Idiot. Und dann Schreie und Schimpfworte aller Art.

Schockiert, entsetzt rief sie meinen Vater. Das war das erste Mal, das erste einer unendlichen Reihe von haargenau gleichen Szenen – bis ins kleinste Detail gleich.

Sie schrie Wach auf, er hat schon wieder Scheiße gebaut, ganz böse Scheiße, ganz böse. Im Suff hat er seine Freundin geschlagen, sie sagt am Telefon: Ich hab überall blaue Flecken und ich blute, ich bin fast entstellt, hat sie gesagt, Wirklich, ich liebe Ihren Sohn, ich respektiere Sie und will Ihnen keinen Ärger machen, aber jetzt muss ich ihn anzeigen, ich kann nicht anders, schließlich habe ich selber Kinder, und dass er mich schlägt, das mag ja noch angehen, aber nicht meine Kinder, das geht zu weit, wenn ich um meine Kleinen Angst haben muss. Sie wissen selbst, wenn Ihr Sohn getrunken hat, wird er zum Tier, er schlägt mich und nicht zum ersten Mal, aber jetzt ist er zu weit gegangen. Ich hab’s Ihnen noch nicht erzählt, ich hab Sie nicht quälen wollen. Die Freundin meines Bruders ging zu einem Arzt, damit der anhand der Hämatome überall an ihrem Körper bestätigte, dass sie geschlagen worden war. Sie zeigte ihn an, und mein Bruder musste mal wieder ein paar Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

 

Meine große Schwester erlebte dasselbe. Es war wie ein Spiegel, wie eine perfekte Symmetrie zwischen ihr und meinem großen Bruder, zwischen dem Weiblichen und dem Männlichen. Sie hatte sich mit einem jungen Mann zusammengetan, der nur ein paar Straßen weiter wohnte – die jungen Frauen leben oft mit Männern aus dem Dorf zusammen oder welchen, die nur ein paar Kilometer weiter wohnen. Er holte sie mit seinem Moped ab, als er noch kein Auto hatte. Das Moped war das Imponierinstrument der echten Kerle, sie gaben vor den Mädchen an, indem sie nur auf einem Reifen fuhren oder quietschend vor ihnen bremsten, sie ließen sie hinten aufsteigen Na, nicht übel, mein Bock, was.

Sie zogen bald zusammen, in eine kleine Wohnung – immer noch im Dorf, immer noch nur ein paar Straßen weiter. Er war arbeitslos. Meine Mutter wollte diese Beziehung nicht gelten lassen, sie fand es ungehörig, wenn eine Frau ihren Mann aushalten musste Sie kann doch nicht mit einem Faulpelz leben, der ihr auf der Tasche liegt und ihr Geld ausgibt. Er ist schließlich der Mann im Haus.

 

Meiner Mutter fiel als erster auf, dass er meine Schwester schlug. Sie kam aus der Dorfbäckerei zurück, wo meine Schwester als Verkäuferin arbeitete. Meine Mutter hatte sie seltsam gefunden, schlecht beieinander, blass Die war so weiß wie mein Hintern, und sie sagte Ich glaub, also ich bin nicht sicher, aber spinnen tu ich auch nicht, ich bin fast sicher, immerhin ist sie meine Tochter, ich hab ihr die Windeln gewechselt, ich seh sofort, wenn da was nicht stimmt. Ich bin doch nicht blöd. Sie hat eine dunkle Stelle unterm Auge. Wie es aussieht, hat der Typ ihre eine verpasst.

Am nächsten Tag kam meine Schwester unsere Eltern besuchen. Sie wollte einen Film schauen und ein bisschen mit meiner Mutter plaudern Unter Frauen kann man wenigstens über alles reden. Tatsächlich, sie hatte eine violettgelbliche Stelle unter dem Auge. Meine Eltern sagten nichts, aber nur für ein paar Minuten, nachdem sie eingetroffen war, dann sagte mein Vater – zutreffender wäre, dann explodierte mein Vater –, aber scheinbar ruhig, ohne laut zu werden, mit einer Art beherrschter Wut, kontrolliert brutal Und was ist das da unter deinem Auge? Die Panik im Blick meiner Schwester, ihr Herumgestottere. Sie hatte noch kein Wort gesagt, da wussten wir schon, dass sie lügen würde. Sie sagte, ach, das sei nichts Besonderes Nicht weiter schlimm, ich bin gegen ein Möbel gestoßen, als ich die Treppe runtergefallen bin, dann machte sie noch einen Scherz, um die Peinlichkeit zu überspielen – denn ihr war bereits klar, wir wussten, dass das eine Ausrede war, Ihr kennt mich doch, ich passe nie auf, manchmal bin ich echt saublöde. Mein Vater sah sie immer noch an, immer wütender, immer weniger imstande, seinen Zorn zu verbergen. Die Wut verzerrte sein Gesicht, wie wenn er auf die Wände einprügelte. Er fragte, ob sie sich über ihn lustig machen wolle. Er sagte, wenn sie weiter mit dem Typ zusammenbleibe, dann wolle er sie nicht mehr sehen, und ein paar Monate lang bekam er sie tatsächlich nicht mehr zu Gesicht. Wir wussten, dass seine Reaktion übertrieben war: Meine Schwester konnte schließlich nichts dafür. Aber sein Temperament war wieder einmal mit ihm durchgegangen. Abgesehen davon tat er nicht viel dagegen, er gab sogar damit an Ich reg mich eben leicht auf, ich lass mir nichts gefallen, und wenn ich mich aufreg, dann reg ich mich auf. Das entsprach seiner Rolle als Mann. Besonders glücklich war er, wenn meine Mutter in dasselbe Horn stieß, wenn sie sagte Na ja, was willst du, Jacky ist eben so, er ist ein Mann, Männer sind so, er regt sich halt schnell auf, und dann kriegt er sich nicht wieder ein. Er tat dann so, als würde er nicht hören, was meine Mutter sagte, aber er lächelte unwillkürlich voller Stolz.

 

Ein einziges Mal gab er seine Rolle als echter Kerl auf, bei einem Streit mit meinem großen Bruder, und, wie gesagt, mein Vater achtete peinlich darauf, die Hand nicht gegen einen der Seinen zu erheben, anders als sein Vater früher.

Es war am Abend des Dorffestes, das immer im September stattfand (nur ein, zwei Attraktionen, kein großer Rummel, wie man denken könnte). Das Fest war vor allem der Tag im Jahr, an dem die Männer bis spät nachts in der Kneipe trinken konnten, ohne dass sie sich dafür vor ihren Frauen zu rechtfertigen hatten, die sonst so oft, wenn kein Dorffest war, ihre Männer abends vom Kneipentresen wegholten, wenn sie nicht nach Hause kamen Deine Kinder warten zu Hause mit dem Essen auf dich, und du versäufst hier den ganzen Lohn.

An jenem Abend war mein Vater zusammen mit meinem großen Bruder und dem anderen, dem jüngeren, in der Kneipe geblieben.

Ich war mit meiner Mutter nach Hause gegangen, weil dieser Ort, wo die trinkenden Männer über Politik und die jüngsten Ereignisse des Dorfes schwadronierten, mir Entsetzen einflößte. Ihr nach Wein stinkender Atem, wenn sie mit mir sprachen und mein Gesicht mit Speichel besprühten, wie Betrunkene es oft tun, Männer, die jedes Mal, unweigerlich, so gut wie ohne...

Erscheint lt. Verlag 19.2.2015
Reihe/Serie Édouard Louis
Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Aufbruch • Ausgrenzung • Bestseller • Coming of Age • Eddy • Edouard Louis • Exklusion • Familie • Flucht • Frankreich • Gewalt • Homosexualität • Im Herzen der Gewalt • Paris • Roman • Schwulsein • Theater
ISBN-10 3-10-403334-X / 310403334X
ISBN-13 978-3-10-403334-1 / 9783104033341
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