liebesrap / Oops, wrong planet! / Expats / Bier, Blut und Bundesbrüder (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
196 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-73916-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

liebesrap / Oops, wrong planet! / Expats / Bier, Blut und Bundesbrüder - Gesine Schmidt
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Gesine Schmidt wurde für ihre Theaterstücke mehrfach ausgezeichnet. Ihre doku-fiktionalen Werke kreisen um das Thema »Normalität und Abweichung« und sind stets Ergebnis aufwändiger Recherchen. Ihre Perspektive auf unsere gesellschaftliche Gegenwart ist ethnologischer Art. Ihre literarisch verdichteten Texte spitzen Wirklichkeit zu und spielen mit Erwartungen und Bedeutungen, um neue Sichtweisen zu ermöglichen.

<p>Gesine Schmidt, in Köln geboren, arbeitete nach dem Studium der Komparatistik, Germanistik und Theaterwissenschaft als Dramaturgin an verschiedenen Theatern, u. a. am Berliner Ensemble, am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater Berlin. Mit ihrem zusammen mit Andres Veiel verfassten und 2005 uraufgeführten Theaterstück <em>Der Kick</em> gelang ihr der Durchbruch als Theaterautorin. Seit 2009 lebt sie als freie Autorin von mehrfach ausgezeichneten Stücken und Hörspielen in Berlin.</p>

Personen


Yusuf, 15

Vanessa, 16

 

 

YUSUF Mein Freund, jetzt nimmt er immer so harte Raps auf. Über Ja-ich-bin-so-n-Möchtegern und so. Ich mach alle fertig. Mein Ding war das früher, aber darin war ich noch nie so gut. Mir fallen da schon Reime dazu ein, aber nicht so gute. Nur, was ich schon kenne. Aber bei so Liebes-Rap fällt mir mehr ein. Da hab ich mehr Instinkt, kann ich mehr nachdenken drüber. Ich will ja jetzt auch ein Lied für sie machen. Da singt eine Frau erst mal, und dann komm ich, da ist mein Text, und dann kommt wieder diese Frau. Die Melodie ist einfach der Hammer. Die hab ich von einem Freund bekommen, der ist wie mein Bruder, und er weiß, dass ich mit ihr zusammen bin. Und er kennt sie auch. Der hat extra die Melodie mir gegeben. Ich wollte ein Lied unbedingt für sie machen. Ich wusste nicht welches. Und dann auf einmal hab ich's gefunden. Und das hat gar keiner außer ich. Und ich will das nicht verkacken. Für SIE will ich das machen.

Er spielt Melodie vom Handy ab.

VANESSA Mir kommt's vor, dass ich zu ihm gekommen bin wie Wink des Schicksals. Und jeder Tag beweist es mir mehr so. Weil er ziemlich viel Stress hat zu Hause, weil sein Vater weg ist und so. Und er hat keinen, der immer bei ihm ist. Jedes Mädchen hat gesagt, Vanessa, scheiß auf den! Jedes Mädchen hat so gedacht. Seine Kumpels haben's zu mir gesagt, jeder. Ich bin immer bei ihm geblieben. Mein Herz sagt mir so, geh nicht von ihm weg! Weil er niemanden hat, dass ich dann bei ihm bin. Wegen mir hat sich sein Leben verändert. Er hat richtig guten Kontakt mit seiner Schwester bekommen. Seine Mutter ist immer mehr stolz auf ihn geworden, alles Mögliche. Dass er seiner Mutter einen Kuss gibt. Dass er ihr hilft. Mir kommt das schon so vor, weil sich das alles wegen mir verändert hat, dass ich nur komme, weil ich sie wieder zusammenfüge. Dass ich da bin und so. Weil sein Vater weg ist. Weil sein Leben schon schwer ist. Dass ich ihn so in Griff kriege.

1


YUSUF Ich hab einfach in die Richtung geguckt, mal gucken, wer kommt. Wo ich sie dann gesehn hab, ich hab meine Augen ganz kurz weggemacht, und meine Augen sind automatisch wieder dahin gegangen. Und dann Hofpause, hab ich sie natürlich wieder gesucht. Und dann jede Pause.

VANESSA Ich hab ihn noch gar nicht beachtet. Ich hab ihn nicht gesehn, gar nichts.

YUSUF Erste Mal, wo ich angerufen hab, war an dem Tag, wo ich die Nummer bekommen habe. Erst mal sie geht nicht ran, ich war so ganz normal. Auf einmal sie geht dran. Ich werd nervös. Ich sag, hallo. Voll die Männerstimme. Sie sagt so, hey. – Ich, ja ich bins Yusuf. Was machst du? – Ja, dies und das. – Da hab ich zu ihr gesagt, kann ich dich öfters anrufen? Sie hat dann gesagt, ja. Wir haben aufgelegt, und ich bin herum gesprungen, übertrieben. Weil ich so glücklich war an diesem Tag. Und dann hab ich sie jede fünf Minuten angerufen.

VANESSA Wir haben richtig lange telefoniert, wow.

YUSUF Ja, Mann!

VANESSA Das waren Stunden sogar. Nachts durchtelefoniert.

YUSUF Wir haben viel geredet.

VANESSA Über alles, was in unserem Leben so alles passiert ist.

YUSUF Dass wir heiraten würden.

VANESSA Schon da hat er gesagt …

YUSUF Weil ich hatte ja Gefühle für sie.

VANESSA … dass er mich heiraten will.

YUSUF Sie hat mich verbrannt.

VANESSA Mit Zigarette an sein Gesicht verbrannt. Er hat mich immer umarmt, geküsst. Ich hab immer gesagt, geh weg von mir, ich will das nicht. Weil er das so oft gemacht hat. Er hat nicht aufgehört. Dann hab ich ausgedrückt. Danach, ich hab zu ihm gesagt, ich will mit dir gar kein Kontakt mehr haben. Ich wollte gar nichts, weil mein Vertrauen schon von so vielen anderen Jungs gefickt wurde. Er hat immer angerufen, ich hab immer aufgelegt. Er hat richtig gekämpft. Der hat alles gemacht, dass er mich bekommt. Ich wollte nicht. Aber dann hat er mein Herz erobert, diese Missgeburt.

2


YUSUF Ich wollt nicht gegen den Jungen kämpfen. Angeblich hab ich ihn beleidigt. Die Großen von uns haben gesagt, du kämpfst jetzt! Ansonsten schlagen wir dich! Da musst ich gegen ihn kämpfen. Die wollten einfach nur Blut sehn. Die entscheiden alles. Und dann bin ich irgendwann abgehaun. Die haben alles aufgezeichnet mit Handys. Da, wo ich sogar vom Auto danach überfahren wurde. Das hat der Ercan aufgenommen, einer von unseren Großen. Dieser Junge, gegen den ich gekämpft habe, der guckt mich immer so schief an. Aber ich mach keine blöden Anmerkungen oder so. Ich hab mit dieser ganzen Scheiße aufgehört.

VANESSA Der Junge ist so richtig dünn gebaut, aber er hat Abhärtung. Er wurde von anderen Leuten, so alte Kumpels von mir …

YUSUF Von ihm die Großen, sagen wir mal so.

VANESSA … wurde er mal richtig geschlagen. Die haben ihn immer weiter geschlagen, bis er irgendwann nichts mehr gemerkt hat. Nicht nur einmal geschlagen. Die haben ihn immer mehrmals geschlagen. So. Manchmal, dass er geblutet hat. Einfach nur Abhärtung. Der Junge merkt gar nichts mehr, wenn er jetzt Schläge kriegt. Ich hab ein Video gesehn, wie die ganzen Großen ihn geschlagen haben.

YUSUF Man hat schon viele Videos gesehn.

VANESSA Weißt du, was ich nicht verstehe? Du kannst doch zu Ercan nicht sagen, halt die Schnauze oder so?

YUSUF Niemals!

VANESSA Aber ich kann das sagen.

YUSUF Ja, weil du ein Mädchen bist.

VANESSA Die bewundern ihn, dass er mich hat. Weil ich mich auch mit denen ganz gut versteh. Er bekommt jetzt von den Großen Schutz. Und bei ihm ist so, Ercan und so, die behandeln dich gar nicht mehr wie Patienten.

3


YUSUF Ich üb ja jetzt auch für meinen Mofaführerschein. Den Roller möchte ich eigentlich nur haben wegen ihr, weil sie kommt immer zu spät nach Hause. Kriegt auch immer Ärger. Und ich hab keine Lust, dass diese Ausländer und so sie angucken. Deswegen fahr ich sie lieber nach Hause.

VANESSA Holst du mich eigentlich dann morgens zur Schule ab?

YUSUF Kein Problem. Ja, wallah, ich hol dich ab. Und dann fahrn wir zusammen.

VANESSA Er wird's nicht machen, er ist zu faul.

YUSUF Zu faul aufzustehn. Aber im Moment hab ich auch ein Problem mit meinem Mofaführerschein. Ich bin zu dumm dafür irgendwie. Zu viel Verkehr. Ich schaff das nicht.

VANESSA Er hat das grad mal ein bis zwei Tage gemacht und hat sich das davor noch nie angeguckt, und er labert mir, er kann das nicht. Er muss das auswendig lernen. Jeden Tag immer angucken. Immer abdecken, immer gucken, immer abdecken, immer gucken!

YUSUF Aber dafür hab ich keine Lust.

VANESSA Dann wirst du's auch nicht kriegen. Ohne Fleiß kein Preis, Schatz.

4


YUSUF Meine Mutter, am Anfang, wo ich ihr von ihr erzählt habe, hat's ihr nicht gefallen, weil sie eine Deutsche ist. Die denkt, Vanessa macht mit mir ein Kind oder so, und dann haut sie einfach ab. Weil dann kriegt sie doch Kindergeld. Oder die nutzen die Familie einfach nur aus, und wir müssen zu viel Hausarbeit machen. Bei Muslime ist doch so. Und dass sie zum Beispiel keinen Bock mehr drauf hat und mich einfach verlässt. Dann hab ich das Kind an meinem Hals. So. Ist schon bei unserm Nachbar passiert. Ist schon öfters so was passiert.

VANESSA Ich rede nicht mit meinen Eltern. Ich möchte nicht, dass er es so schwierig dann hat, wenn ich ihn vorstelle. Bei meiner Mutter ist nicht so. Bei meiner Mutter ist: Mensch ist Mensch. Keine Ahnung. Aber ich will nicht, dass er meinen Vater kennenlernt, auf gar keinen Fall. Ich schwöre seit drei bis vier Jahren, ich hab gesagt, wenn ich einen Freund habe, ich weiß hundertprozentig, das ist ein Ausländer. Und ich komm da nicht mit nach Hause. Wegen meinem Vater.

Glaube I


YUSUF Manchmal, ich frag mich auch selber so, aber keiner kann mir das richtig beantworten, wie ist überhaupt die Welt entstanden und alles? Zum Beispiel jeder hat doch mal einen Glauben, und bei uns der Glaube –. Ich muss daran glauben, aber ich will eigentlich nicht daran glauben, weil ich denke, das stimmt nicht. Ich muss, weil es der Glaube ist.

VANESSA Weil er so erzogen ist. Seine Eltern, seine Freunde, alle glauben so.

YUSUF Das Allerwichtigste ist: An den Propheten glauben.

VANESSA Was ich am meisten frage so, wie kommen die ganzen Namen zustande? Auf dieser Welt hat alles irgendein Name. Und das passt auch noch so perfekt: Stuhl, Tisch … Das passt auch noch alles!

YUSUF Das liegt daran, weil du so erzogen wurdest.

5


VANESSA Ich warte unten. Der Fahrstuhl geht auf: Bist du Vanessa? Ich so, ja. Und die eine sagt, ich...

Erscheint lt. Verlag 8.12.2014
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Deutschland • Hörspielpreis der Kriegsblinden 2013 • spectaculum • Theater • Theaterstück
ISBN-10 3-518-73916-6 / 3518739166
ISBN-13 978-3-518-73916-7 / 9783518739167
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