Professor Bernhardi (eBook)

Ein prophetisches Drama über Antisemitismus
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
130 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-2511-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Professor Bernhardi -  Arthur Schnitzler
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Dieses eBook: 'Professor Bernhardi' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Professor Bernhardi ist ein Drama Arthur Schnitzlers, das am 28. November 1912 im Kleinen Theater, Berlin, mit Bruno Decarli als Bernhardi und Alfred Abel als Kaplan erfolgreich uraufgeführt wurde. Wegen des systemkritischen Inhalts waren Aufführungen in der Donaumonarchie bis zu deren Zerfall, 1918, verboten. In ausführlichen Dialogen adressiert es den Antisemitismus, Probleme der Ethik und der Jurisprudenz sowie des Katholizismus. Letztendlich geht es aber primär und ewiggültig um das Navigieren zwischen Ethik und dem Machbaren, die eigentlichen Spannungspunkte Juden und Christklerikale sind definitiv nur seinerzeit zeitgenössisch verständliche Instrumente des Autors, um die eigentlichen Handlungsziele zu kolorieren: Soll man individuell richtig und ethisch handeln - wie Bernhardi - oder soll man kollektive, große Ziele verfolgen. Schnitzler gibt seine Antwort so, dass Kollektivziele unter Missachtung persönlicher Ethik abzulehnen sind. Arthur Schnitzler (1862-1931) war ein österreichischer Erzähler und Dramatiker. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Wiener Moderne. Schnitzler schrieb Dramen und Prosa, in denen er das Augenmerk vor allem auf die psychischen Vorgänge seiner Figuren lenkt.Gleichzeitig mit dem Einblick in das Innenleben der Schnitzlerschen Figuren bekommt der Leser auch ein Bild von der Gesellschaft, die diese Gestalten und ihr Seelenleben prägt. Die Handlung der Werke Schnitzlers spielt meist im Wien der Jahrhundertwende.

Zweiter Akt


Inhaltsverzeichnis


Ordinationszimmer des Professor Bernhardi. Rechts Haupteingang, links Tür ins Nebenzimmer. Ein Medikamentenschrank links, Bücherregale nehmen die ganze Hinterwand ein, zum Teil grün verhängt. Auf dem Ofen, in der rechten Ecke, eine Äskulapbüste. Schreibtisch mit Sessel. Ein kleines Tischchen neben dem Schreibtisch. An dem Schreibtisch gegen den Zuschauerraum ein Diwan. Stühle. Photographien an den Wänden, Gelehrte darstellend.

Dr. Oskar Bernhardi sitzt am Schreibtisch, notiert etwas in ein aufgeschlagenes Protokollbuch, dann klingelt er. Diener tritt ein.

Oskar. Es ist niemand mehr da?

Diener. Nein, Herr Doktor.

Oskar. So werde ich jetzt weggehen. Wenn der Papa nach Hause kommt – (Klingel draußen.) Oh, sehen Sie nach.

Diener ab.

Oskar schließt das Protokollbuch, bringt den Schreibtisch in Ordnung.

Diener tritt ein, bringt eine Karte.

Oskar. Will mich sprechen?

Diener. Der Herr fragte zuerst, ob der Herr Professor zu Hause sei. Aber –

Oskar. Aber begnügt sich auch mit mir – Na, – möchte hereinkommen.

Diener ab.

Oskar, Dr. Feuermann, junger, kleiner, schwarzbärtiger, aufgeregter Mensch mit Brille. Hut in der Hand, Gehrock, Handschuhe.

Oskar ihm entgegen.

Feuermann. Ich weiß nicht, ob Sie sich meiner noch erinnern werden –

Oskar. Aber Feuermann, ob ich mich deiner noch erinnere! (Reicht ihm die Hand.)

Feuermann. Es sind immerhin acht Jahre, seit –

Oskar. Ja, wie die Zeit vergeht. Na, willst du nicht Platz nehmen? Du wolltest den Papa sprechen?

Feuermann. Allerdings –

Oskar. Ich ordiniere heute für ihn, er ist zum Prinzen Konstantin nach Baden berufen worden.

Feuermann. Ja, er hat eine schöne Praxis, dein Herr Papa. (Er setzt sich.)

Oskar. Na, und wie geht's denn dir? Als Patient kommst du wohl nicht – Wo praktizierst du denn eigentlich?

Feuermann. In Oberhollabrunn.

Oskar. Ja richtig. Also, was führt dich denn her? Machst du etwa ein Sanatorium auf, oder gehst du irgendwohin als Badearzt? Oder wollt ihr aus Oberhollabrunn einen Luftkurort machen?

Feuermann. Nichts von alledem. Es ist eine fürchterliche Geschichte. Du weißt noch nichts?

Oskar (verneinende Geste).

Feuermann. Ich habe deinem Herrn Papa schon geschrieben in meiner Angelegenheit.

Oskar. Er bekommt so viele Briefe.

Feuermann. Wenn du nun auch noch ein Wort für mich einlegen wolltest –

Oskar. Um was handelt es sich denn?

Feuermann. Du kennst mich, Bernhardi. Wir haben zusammen studiert, du weißt, ich habe es an Fleiß und Gewissenhaftigkeit nie fehlen lassen. So ein Unglück kann jedem passieren, der gleich von der Universität weg in die Praxis hinaus muß. Es hat's nicht jeder so gut wie du zum Beispiel.

Oskar. Na, der Sohn von einem berühmten Vater zu sein, das hat auch seine Schattenseiten.

Feuermann. Entschuldige, so hab ich's ja nicht gemeint. Aber es ist doch unschätzbar, sich im Spital weiter ausbilden zu können, an den Brüsten der alma mater Kurse zu hören –

Oskar (etwas ungeduldig). Also, was ist denn eigentlich passiert?

Feuermann. Ich bin unter Anklage wegen Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens. Ich werde vielleicht mein Diplom verlieren. Ein Kunstfehler, ein sogenannter. Ich will ja nicht behaupten, daß ich ganz ohne Schuld bin. Wenn ich noch ein bis zwei Jahre hier an der geburtshilflichen Klinik praktiziert hätte, so wär' mir die Frau wahrscheinlich durchgekommen. Du mußt dir das nur vorstellen in so einem Nest. Keine Assistenz, keine ordentliche Antisepsis. Ach, was wißt ihr denn hier in der großen Stadt. Wie vielen ich das Leben gerettet habe, das rechnet mir keiner nach. Einmal hat man Malheur, und man kann sich eine Kugel durch den Kopf schießen.

Oskar. Aber Feuermann, du mußt doch nicht gleich das Schlimmste – du bist doch noch nicht verurteilt. Die Sachverständigen haben doch auch noch ein Wort zu reden.

Feuermann. Ja, die Sachverständigen. Also, das ist ja eigentlich der Grund, darum wollt ich deinen Herrn Papa – Er kennt mich ja auch, er wird sich vielleicht meiner noch erinnern, ich habe ja sogar einmal einen Kurs über Herzkrankheiten bei ihm genommen –

Oskar. Nun das –

Feuermann. Er ist gewiß sehr befreundet mit Professor Filitz, der die gynäkologische Abteilung am Elisabethinum leitet, und Filitz ist als Sachverständiger vorgeschlagen. Und da wollte ich deinen Papa bitten, ob er nicht bei Professor Filitz – Oh, ich will keine Protektion, aber –

Oskar. Ja, ja, mein lieber Feuermann, ob da die Fürsprache meines Vaters – Er steht nämlich gar nicht so besonders gut mit Filitz, wie du anzunehmen scheinst.

Feuermann. Dein Vater ist doch Direktor des Elisabethinums –

Oskar. Na ja, aber die Verhältnisse hier liegen nicht so einfach. Da müßt ich dir lange Geschichten erzählen. Von diesen Zuständen könnt wieder ihr in Oberhollabrunn euch wahrscheinlich keinen rechten Begriff machen. Da gibt es Strömungen und Unterströmungen und Gegenströmungen. – Also, ob eine Intervention meines Papa nicht geradezu die gegenteilige Wirkung –

Feuermann. Wenn er vielleicht in anderer Weise für mich eintreten könnte! Dein Vater schreibt ja so glänzend. Seine Artikel über ärztliche Standesfragen, die treffen immer den Nagel auf den Kopf. Es käme ja einfach darauf an, meiner Sache einen allgemeinen Gesichtspunkt abzugewinnen. Auf den Grund des Übels hinzuweisen. Auf die unglückseligen materiellen Verhältnisse der jungen Ärzte, auf die Schwierigkeiten in der Landpraxis, auf die Feindseligkeiten, die Rivalitäten und so weiter, und so weiter. – Oh, das wäre ein Thema für deinen Vater, – und ich könnte ihm ein Material zur Verfügung stellen.

(Diener tritt ein mit einer Karte.)

Oskar. Oh, Fil – (Er steht auf.) Du mußt so freundlich sein, Feuermann. – Ich lasse bitten.

Diener ab.

Feuermann. Sagtest du nicht Filitz?

Oskar. Ich –

Feuermann. Ja, du sagtest es.

Oskar. Du willst doch nicht jetzt – Ich möchte dich sogar bitten, vielleicht durch diese Tür –

Feuermann. O nein. Das kannst du nicht von mir verlangen. Das ist ein Fingerzeig des Himmels.

Filitz tritt ein. Vierzig Jahre, schöner blonder Mann, Zwicker. Oskar, Feuermann.

Filitz. Guten Morgen, Herr Kollega.

Feuermann. Möchtest du so freundlich sein, mich dem Herrn Professor vorzustellen, lieber Freund?

Oskar (in Verlegenheit lächelnd). Der Herr Professor wird wohl mit mir –

Feuermann (stellt sich vor). Doktor Feuermann. Ich sehe es nämlich als einen Fingerzeig des Himmels an, Herr Professor, daß Sie in dieser Stunde – daß ich das Glück habe – Ich bin praktischer Arzt in Oberhollabrunn – Doktor Feuermann. Es ist eine Anklage gegen mich erhoben.

Filitz. Feuermann. Ach ja. Ich weiß schon. (Liebenswürdig.) Sie haben eine hinüberspediert, – eine Lehrersgattin –

Feuermann (entsetzt). Herr Professor sind falsch berichtet. Wenn Sie den Fall erst – wenn Sie die große Güte haben werden, den Fall genau – Es war eine Reihe von unglückseligen Zufällen.

Filitz. Ja, das ist dann immer so. Aber solche Zufälle würden eben nicht eintreten, wenn die jungen Leute nicht so ohne alle Vorbildung hinaus in die Praxis drängten. Da macht man mit Ach und Krach seine paar Prüfungen und denkt, Gott wird schon weiterhelfen. Aber zuweilen hilft er eben nicht und hat seine triftigen Gründe.

Feuermann. Herr Professor, wenn Sie mir erlauben wollten – ich habe alle meine Prüfungen mit Auszeichnung bestanden, sogar in Geburtshilfe. Und in die Praxis mußt ich hinaus, weil ich sonst verhungert wäre. Und daß diese arme Frau nach der Geburt verblutet ist, ich wage es kühn zu behaupten, es hätte ihr auch bei einem Professor passieren können.

Filitz. Es gibt allerlei Professoren.

Feuermann. Aber wenn's ein Professor gewesen wäre, dann hätte man ihn nicht angeklagt, sondern – sondern es wäre Gottes unerforschlicher Ratschluß gewesen.

Filitz. Ah, meinen Sie. Na ja. (Stellt sich vor ihn hin und fixiert ihn.) Sind wohl auch einer von den jungen Herren, die es ihrer wissenschaftlichen Würde schuldig zu sein glauben, die Atheisten zu agieren? –

Feuermann. Oh, Herr Professor, es ist mir wahrhaftig –

Filitz. Ganz nach Ihrem Belieben, Herr Doktor. Aber ich versichere Sie, Glaube...

Erscheint lt. Verlag 16.10.2014
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Emile Zola • Günter Grass • Heinrich Böll • Hiob • Ich klage an • Joseph Roth • Reigen
ISBN-10 80-268-2511-X / 802682511X
ISBN-13 978-80-268-2511-1 / 9788026825111
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