Die Büchse der Pandora: Tragödie in drei Aufzügen (eBook)

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2014 | 1. Auflage
1160 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-1773-4 (ISBN)

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Die Büchse der Pandora: Tragödie in drei Aufzügen -  Frank Wedekind
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Dieses eBook: 'Die Büchse der Pandora: Tragödie in drei Aufzügen' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Die Büchse der Pandora ist eine Tragödie in drei Aufzügen von Frank Wedekind. Sie ist die Fortsetzung von Wedekinds Tragödie Erdgeist. Der Titel Die Büchse der Pandora stellt, und dies gilt insbesondere für die moritatenhafte Urfassung Die Büchse der Pandora. Eine Monstretragödie, eine Anspielung auf das Gefäß aus der griechischen Mythologie dar, auf die sagenhafte Büchse der Pandora. Zugleich trägt der Titel einen erotischen Subtext in sich, und dies in doppelter Hinsicht. Die Büchse, die Pandora selbst angeblich aus Neugier öffnete, und aus der das Böse der Welt hervortritt, ist durchaus als ihre Gebärmutter zu interpretieren, als Ort erster Kinder- und Mutterliebe. Das Drama ist eine psychologische Deutung von menschlichen Beziehungen. Wedekinds offene Darstellung der Triebgebundenheit des Menschen zielte auf eine Enttabuisierung der Sexualität und auf eine Öffnung der verfestigten Moralvorstellungen des Wilhelminischen Zeitalters und seiner gesellschaftlichen Konventionen, die die menschliche Natur in dieser Hinsicht völlig verleugneten. Der obszöne Beiklang des Titels verweist auch auf die Vagina, das 'Zentrum von Begierde und sexueller Lust', also auf den Körperteil der Frau, den die Figur Schigolch im 2. Aufzug als 'Lulus Hönigtöpfchen' beschreibt und der am Ende Gegenstand der bestialischen Schändung Lulus durch den Frauenmörder Jack the Ripper ist. Frank Wedekind (1864-1918) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Schauspieler. Mit seinen gesellschaftskritischen Theaterstücken gehörte er zu den meistgespielten Dramatikern seiner Epoche.

Erster Aufzug


Prachtvoller Saal in deutscher Renaissance mit schwerem Plafond aus geschnitztem Eichenholz. Die Wände sind bis zur halben Höhe mit dunklen Holzskulpturen bekleidet; darüber an beiden Seiten verblaßte Gobelins. Nach hinten oben ist der Saal durch eine verhängte Galerie abgeschlossen, von der rechts eine monumentale Treppe bis zur halben Tiefe der Bühne herabführt. In der Mitte unter der Galerie befindet sich die Eingangstür mit gewundenen Säulen und Frontispiz. An der linken Seitenwand ein geräumiger hoher Kamin, weiter vorne ein Balkonfenster mit geschlossenen schweren Gardinen; an der rechten Seitenwand vor dem Treppenfuß eine geschlossene Portière.

Vor dem Fußpfeiler des freien Treppengeländers steht eine leere dekorative Staffelei; rechts vorne befindet sich eine breite Ottomane, in der Mitte des Saales ein vierkantiger Tisch, um den drei hochlehnige Polstersessel stehen. Links vorn ein kleiner Serviertisch, daneben ein Lehnsessel. Der Saal ist durch eine auf dem Mitteltisch stehende, tiefverschleierte Petroleumlampe matt erhellt. Alwa Schön geht vor der Eingangstür auf und nieder. Auf der Ottomane sitzt Rodrigo, als Bedienter gekleidet. Links in dem Lehnsessel, in schwarzem enganliegenden Kleid, tief in Kissen gebettet, einen Plaid über den Knien, sitzt die Gräfin Geschwitz. Neben ihr auf dem Tisch steht eine Kaffeemaschine und eine Tasse mit schwarzem Kaffee.

Rodrigo Er läßt auf sich warten wie ein Konzertmeister!

Die Geschwitz Ich beschwöre Sie, sprechen Sie nicht!

Rodrigo Es soll einer die Klappe halten, wenn er den Kopf so voll Gedanken hat wie ich! – Es will mir ganz und gar nicht einleuchten, daß sie sich dabei sogar noch zu ihrem Vorteil verändert haben soll!

Die Geschwitz Sie ist herrlicher anzuschauen, als ich sie je gekannt habe!

Rodrigo Behüte mich der Himmel davor, daß ich mein Lebensglück auf Ihre Geschmacksrichtungen gründe! Wenn ihr die Krankheit ebenso gut angeschlagen hat wie Ihnen, dann bin ich pleite! Sie verlassen die Isolierbaracke wie eine verunglückte Kautschukdame, die sich aufs Kunsthungern geworfen hat. Sie können sich kaum mehr die Nase schneuzen. Erst brauchen Sie eine Viertelstunde, um Ihre Finger zu sortieren, und dann bedarf es der größten Vorsicht, damit Sie die Spitze nicht abbrechen.

Die Geschwitz Was uns unter die Erde bringt, gibt ihr Kraft und Gesundheit wieder.

Rodrigo Das ist alles schön und gut. Ich werde aber doch vermutlich heute abend noch nicht mitfahren.

Die Geschwitz Sie wollen Ihre Braut am Ende gar allein reisen lassen?

Rodrigo Erstens fährt doch der Alte mit, um sie im Ernstfalle zu verteidigen. Meine Begleitung kann sie nur verdächtigen. Und zweitens muß ich hier noch abwarten, bis meine Kostüme fertig sind. – Ich komme immer noch früh genug nach Paris. Hoffentlich legt sie sich derweil auch noch etwas Embonpoint zu. Dann wird geheiratet, vorausgesetzt, daß ich sie vor einem anständigen Publikum produzieren kann. Ich liebe an einer Frau das Praktische; welche Theorien sich die Weiber machen, ist mir vollkommen egal. Ihnen nicht auch, Herr Doktor?

Alwa Ich habe nicht gehört, was Sie sagten.

Rodrigo Ich hätte meine Person gar nicht in das Komplott verwickelt, wenn sie mir nicht vor ihrer Verurteilung schon immer die Plauze gekitzelt hätte. Wenn sie sich in Paris nur nicht gleich wieder zuviel Bewegung macht! Wenn ich nicht in die »Folies Bergère« engagiert wäre, nähme ich sie auf ein halbes Jahr mit nach London und ließe sie Plumkakes futtern. In London geht man schon allein durch die Seeluft auf. Außerdem fühlt man in London auch nicht bei jedem Schluck Bier immer gleich die Schicksalshand an der Gurgel.

Alwa Ich frage mich seit acht Tagen, ob sich jemand, der zu Zuchthausstrafe verurteilt war, wohl noch zur Hauptfigur in einem modernen Drama eignen würde.

Die Geschwitz Käme der Mensch nur endlich mal!

Rodrigo Ich muß hier auch meine Requisiten noch aus dem Pfandleihhaus auslösen; sechshundert Kilo vom besten Eisen. Der Transport kostet mich immer dreimal mehr als mein eigenes Billett. Dabei ist die ganze Ausrüstung keinen Hosenknopf wert. Als ich schweißtriefend damit im Pfandhaus ankam, fragten sie mich, ob die Sachen auch echt seien. – Die Kostüme hätte ich mir eigentlich richtiger in Paris anfertigen lassen sollen. Der Pariser zum Beispiel merkt auf den ersten Blick, wo man seine Vorzüge hat. Da dekolletiert er tapfer drauflos. Aber das lernt sich nicht mit untergeschlagenen Beinen; das will an klassisch gebildeten Menschen studiert sein. Hier haben sie eine Angst vor der bloßen Haut wie in Paris vor den Dynamitbomben. Vor zwei Jahren wurde ich im Alhambra-Theater zu fünfzig Mark Strafe verknallt, wie man sah, daß ich ein paar Haare auf der Brust habe, nicht so viel wie zu einer anständigen Zahnbürste nötig sind. Aber der Kultusminister meinte, die kleinen Schulmädchen könnten darüber die Freude am Strümpfestricken verlieren. Seitdem lasse ich mich jeden Monat einmal rasieren.

Alwa Wenn ich jetzt nicht meine ganze geistige Spannkraft zu dem »Weltbeherrscher« nötig hätte, möchte ich das Problem wohl auf seine Tragfähigkeit erproben. Das ist der Fluch, der auf unserer jungen deutschen Literatur lastet, daß wir Dichter viel zu literarisch sind. Wir kennen keine anderen Fragen und Probleme als solche, die unter Schriftstellern und Gelehrten auftauchen. Unser Gesichtskreis reicht über die Grenzen unserer Zunftinteressen nicht hinaus. Um wieder auf die Fährte einer großen gewaltigen Kunst zu gelangen, müßten wir uns möglichst viel unter Menschen bewegen, die nie in ihrem Leben ein Buch gelesen haben, denen die einfachsten animalischen Instinkte bei ihren Handlungen maßgebend sind. In meinem »Totentanz« habe ich schon aus voller Kraft nach diesen Prinzipien zu arbeiten gesucht. Das Weib, das mir zu der Hauptfigur des Stückes Modell stehen mußte, atmet heute seit einem vollen Jahr hinter vergitterten Fenstern. Dafür wurde das Drama sonderbarerweise allerdings auch nur von der freien literarischen Gesellschaft zur Aufführung gebracht. Solange mein Vater noch lebte, standen meinen Schöpfungen sämtliche Bühnen Deutschlands offen. Das hat sich gewaltig geändert.

Rodrigo Ich habe mir Trikots im zartesten Blau-Grün anfertigen lassen. Wenn die im Ausland keinen Sukzeß haben, dann will ich Mausefallen verkaufen. Die Trußhöschen sind so graziös, daß ich mich damit auf keine Tischkante setzen kann. Der vorteilhafte Eindruck wird nur durch meine fürchterliche Plauze gestört, die ich meiner tätigen Mitwirkung in dieser großartigen Verschwörung zu danken habe. Bei gesunden Gliedern drei Monate lang im Krankenhaus liegen, das muß den heruntergekommensten Landstreicher zum Mastschwein machen. Seit ich heraus bin, futtere ich nichts als Karlsbader Pastillen; Tag und Nacht habe ich Orchesterprobe in den Gedärmen. Bis ich nach Paris komme, werde ich so ausgeschwemmt sein, daß ich keinen Flaschenstöpsel mehr hochheben kann.

Die Geschwitz Wie ihr gestern im Krankenhaus das Wachtpersonal aus dem Wege ging, das war ein erquickender Anblick. Der Garten war ausgestorben. In der herrlichsten Mittagssonne wagten sich die Rekonvaleszenten nicht aus den Haustüren. Ganz hinten bei der Isolierbaracke trat sie unter den Maulbeerbäumen vor und wiegte sich auf dem Kies in den Knöcheln. Der Portier hatte mich wiedererkannt, und ein Assistenzarzt, der mir im Korridor begegnete, fuhr zusammen, als hätte ihn ein Revolverschuß getroffen. Die Krankenschwestern huschten in die Säle oder blieben an den Wänden kleben. Als ich zurückkam, war weder im Garten noch unter dem Portal eine Seele zu sehen. Die Gelegenheit hätte ich nicht schöner finden können, wenn wir die verfluchten Pässe gehabt hätten. Und jetzt sagt der Mensch, er fahre nicht mit!

Rodrigo Ich verstehe die armen Spitalbrüder. Der eine hat einen wehen Fuß, der andere hat eine geschwollene Backe; da taucht die leibhaftige Todesversicherungsagentin mitten unter ihnen auf. In den Rittersälen – so heißt die gesegnete Abteilung, von der aus ich meine Spionage organisierte –, als sich da die Kunde verbreitete, daß die Schwester Theophila mit Tod abgegangen sei, da war keiner der Kerle im Bett zu halten. Sie kletterten an den Fenstergittern hinauf, und wenn sie ihre Leiden zentnerweise mitschleppten. Im Leben habe ich kein solches Fluchen gehört.

Alwa Erlauben Sie mir, Fräulein von Geschwitz, noch einmal auf meinen Vorschlag zurückzukommen. Die Frau hat in diesem Zimmer meinen Vater erschossen; trotzdem kann ich in dem Morde wie in der Strafe nichts anderes als ein entsetzliches Unglück sehen, das sie betroffen hat. Ich glaube auch, mein Vater hätte, wäre er mit dem Leben davongekommen, seine Hand nicht vollständig von ihr abgezogen. Ob Ihnen Ihr Befreiungsplan gelingen wird, scheint mir immer noch zweifelhaft, obschon ich Sie nicht entmutigen möchte. Aber ich finde keine Worte für die Bewunderung, die mir Ihre Aufopferung, Ihre Tatkraft, Ihre übermenschliche Todesverachtung einflößen. Ich glaube nicht, daß je ein Mann soviel für eine Frau, geschweige denn für einen Freund aufs Spiel gesetzt hat. Ich weiß nicht, Fräulein von Geschwitz, wie reich Sie sind; aber die Ausgaben für diese Bewerkstelligungen müssen Ihre Vermögensverhältnisse zerrüttet haben. Darf ich Ihnen ein Darlehen von zwanzigtausend Mark anbieten, dessen Herbeischaffung in...

Erscheint lt. Verlag 8.7.2014
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Erdgeist • frühlings Erwachen • Lust • Mythologie • Sex • Totentanz
ISBN-10 80-268-1773-7 / 8026817737
ISBN-13 978-80-268-1773-4 / 9788026817734
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