Reigen (eBook)
159 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-1904-2 (ISBN)
Die junge Frau und der Ehemann
Ein behagliches Schlafgemach.
Es ist halb elf Uhr nachts. Die Frau liegt zu Bette und liest. Der Gatte tritt eben, im Schlafrock, ins Zimmer.
Die junge Frau ohne auszuschauen Du arbeitest nicht mehr?
Der Gatte Nein. Ich bin zu müde. Und außerdem...
Die junge Frau Nun? –
Der Gatte Ich hab' mich an meinem Schreibtisch plötzlich so einsam gefühlt. Ich habe Sehnsucht nach dir bekommen.
Die junge Frau schaut auf Wirklich?
Der Gatte setzt sich zu ihr aufs Bett Lies heute nicht mehr. Du wirst dir die Augen verderben.
Die junge Frau schlägt das Buch zu Was hast du denn?
Der Gatte Nichts, mein Kind. Verliebt bin ich in dich! Das weißt du ja!
Die junge Frau Man könnte es manchmal fast vergessen.
Der Gatte Man muß es sogar manchmal vergessen.
Die junge Frau Warum?
Der Gatte Weil die Ehe sonst etwas Unvollkommenes wäre. Sie würde... wie soll ich nur sagen... sie würde ihre Heiligkeit verlieren.
Die junge Frau Oh...
Der Gatte Glaube mir – es ist so... Hätten wir in den fünf Jahren, die wir jetzt miteinander verheiratet sind, nicht manchmal vergessen, daß wir ineinander verliebt sind – wir wären es wohl gar nicht mehr.
Die junge Frau Das ist mir zu hoch.
Der Gatte Die Sache ist einfach die: wir haben vielleicht schon zehn oder zwölf Liebschaften miteinander gehabt... Kommt es dir nicht auch so vor?
Die junge Frau Ich hab' nicht gezählt!
Der Gatte Hätten wir gleich die erste bis zum Ende durchgekostet, hätte ich mich von Anfang an meiner Leidenschaft für dich willenlos hingegeben, es wäre uns gegangen wie den Millionen von anderen Liebespaaren. Wir wären fertig miteinander.
Die junge Frau Ah... so meinst du das?
Der Gatte Glaube mir – Emma – in den ersten Tagen unserer Ehe hatte ich Angst, daß es so kommen würde.
Die junge Frau Ich auch.
Der Gatte Siehst du? Hab' ich nicht recht gehabt? Darum ist es gut, immer wieder für einige Zeit nur in guter Freundschaft miteinander hinzuleben.
Die junge Frau Ach so.
Der Gatte Und so kommt es, daß wir immer wieder neue Flitterwochen miteinander durchleben können, da ich es nie drauf ankommen lasse, die Flitterwochen...
Die junge Frau Zu Monaten auszudehnen.
Der Gatte Richtig.
Die junge Frau Und jetzt... scheint also wieder eine Freundschaftsperiode abgelaufen zu sein –?
Der Gatte sie zärtlich an sich drückend Es dürfte so sein.
Die junge Frau Wenn es aber... bei mir anders wäre.
Der Gatte Es ist bei dir nicht anders. Du bist ja das klügste und entzückendste Wesen, das es gibt. Ich bin sehr glücklich, daß ich dich gefunden habe.
Die junge Frau Das ist aber nett, wie du den Hof machen kannst – von Zeit zu Zeit.
Der Gatte hat sich auch zu Bett begeben Für einen Mann, der sich ein bißchen in der Welt umgesehen hat – geh, leg den Kopf an meine Schulter – der sich in der Welt umgesehen hat, bedeutet die Ehe eigentlich etwas viel Geheimnisvolleres als für euch junge Mädchen aus guter Familie. Ihr tretet uns rein und... wenigstens bis zu einem gewissen Grad unwissend entgegen, und darum habt ihr eigentlich einen viel klareren Blick für das Wesen der Liebe als wir.
Die junge Frau lachend Oh!
Der Gatte Gewiß. Denn wir sind ganz verwirrt und unsicher geworden durch die vielfachen Erlebnisse, die wir notgedrungen vor der Ehe durchzumachen haben. Ihr hört ja viel und wißt zu viel und lest ja wohl eigentlich auch zu viel, aber einen rechten Begriff von dem, was wir Männer in der Tat erleben, habt ihr ja doch nicht. Uns wird das, was man so gemeinhin die Liebe nennt, recht gründlich widerwärtig gemacht; denn was sind das schließlich für Geschöpfe, auf die wir angewiesen sind!
Die junge Frau Ja, was sind das für Geschöpfe?
Der Gatte küßt sie auf die Stirn Sei froh, mein Kind, daß du nie einen Einblick in diese Verhältnisse erhalten hast. Es sind übrigens meist recht bedauernswerte Wesen – werfen wir keinen Stein auf sie.
Die junge Frau Bitt' dich – dieses Mitleid – Das kommt mir da gar nicht recht angebracht vor.
Der Gatte mit schöner Milde Sie verdienen es. Ihr, die ihr junge Mädchen aus guter Familie wart, die ruhig unter Obhut euerer Eltern auf den Ehrenmann warten konntet, der euch zur Ehe begehrt; – ihr kennt ja das Elend nicht, das die meisten von diesen armen Geschöpfen der Sünde in die Arme treibt.
Die junge Frau So verkaufen sich denn alle?
Der Gatte Das möchte ich nicht sagen. Ich mein' ja auch nicht nur das materielle Elend. Aber es gibt auch – ich möchte sagen – ein sittliches Elend; eine mangelhafte Auffassung für das, was erlaubt, und insbesondere für das, was edel ist.
Die junge Frau Aber warum sind die zu bedauern? – Denen geht's ja ganz gut?
Der Gatte Du hast sonderbare Ansichten, mein Kind. Du darfst nicht vergessen, daß solche Wesen von Natur aus bestimmt sind, immer tiefer und tiefer zu fallen. Da gibt es kein Aufhalten.
Die junge Frau sich an ihn schmiegend Offenbar fällt es sich ganz angenehm.
Der Gatte peinlich berührt Wie kannst du so reden, Emma. Ich denke doch, daß es gerade für euch, anständige Frauen, nichts Widerwärtigeres geben kann als alle diejenigen, die es nicht sind.
Die junge Frau Freilich, Karl, freilich. Ich hab's ja auch nur so gesagt. Geh, erzähl weiter. Es ist so nett, wenn du so red'st. Erzähl mir was.
Der Gatte Was denn? –
Die junge Frau Nun – von diesen Geschöpfen.
Der Gatte Was fällt dir denn ein?
Die junge Frau Schau, ich hab' dich schon früher, weißt du, ganz am Anfang hab' ich dich immer gebeten, du sollst mir aus deiner Jugend was erzählen.
Der Gatte Warum interessiert dich denn das?
Die junge Frau Bist du denn nicht mein Mann? Und ist das nicht geradezu eine Ungerechtigkeit, daß ich von deiner Vergangenheit eigentlich gar nichts weiß? –
Der Gatte Du wirst mich doch nicht für so geschmacklos halten, daß ich – Genug, Emma... das ist ja wie eine Entweihung.
Die junge Frau Und doch hast du... wer weiß wie viel andere Frauen gerade so in den Armen gehalten wie jetzt mich.
Der Gatte Sag doch nicht »Frauen«. Frau bist du.
Die junge Frau Aber eine Frage mußt du mir beantworten... sonst... sonst... ist's nichts mit den Flitterwochen.
Der Gatte Du hast eine Art, zu reden... denk doch, daß du Mutter bist... daß unser Mäderl da drin liegt...
Die junge Frau an ihn sich schmiegend Aber ich möcht' auch einen Buben.
Der Gatte Emma!
Die junge Frau Geh, sei nicht so... freilich bin ich deine Frau... aber ich möchte auch ein bissel... deine Geliebte sein.
Der Gatte Möchtest du?...
Die junge Frau Also – zuerst meine Frage.
Der Gatte gefügig Nun?
Die junge Frau War... eine verheiratete Frau – unter ihnen?
Der Gatte Wieso? – Wie meinst du das?
Die junge Frau Du weißt schon.
Der Gatte leicht beunruhigt Wie kommst du auf diese Frage?
Die junge Frau Ich möchte wissen, ob es... das heißt – es gibt solche Frauen... das weiß ich. Aber ob du...
Der Gatte ernst Kennst du eine solche Frau?
Die junge Frau Ja, ich weiß das selber nicht.
Der Gatte Ist unter deinen Freundinnen vielleicht eine solche Frau?
Die junge Frau Ja, wie kann ich das mit Bestimmtheit behaupten – oder verneinen?
Der Gatte Hat dir vielleicht einmal eine deiner Freundinnen... Man spricht über gar manches, wenn man so – die Frauen unter sich – hat dir eine gestanden –?
Die junge Frau unsicher Nein.
Der Gatte Hast du bei irgendeiner deiner Freundinnen den Verdacht, daß sie...
Die junge Frau Verdacht... oh... Verdacht.
Der Gatte Es scheint.
Die junge Frau Gewiß nicht Karl, sicher nicht. Wenn ich mir's so überlege – ich trau' es doch keiner zu.
Der Gatte Keiner?
Die junge Frau Von meinen Freundinnen keiner.
Der...
Erscheint lt. Verlag | 6.7.2014 |
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Verlagsort | Prague |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | Erotik • Geschlechtsverkehr • Sex • Tanz • Theater • Traumnovelle |
ISBN-10 | 80-268-1904-7 / 8026819047 |
ISBN-13 | 978-80-268-1904-2 / 9788026819042 |
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Größe: 373 KB
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