Geschichten aus dem Wiener Wald (eBook)

Ein satirisches Schauspiel
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
245 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-1903-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geschichten aus dem Wiener Wald -  Ödön von Horváth
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Dieses eBook: 'Geschichten aus dem Wiener Wald' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Geschichten aus dem Wiener Wald ist das bekannteste Theaterstück des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth. Es wurde 1931 in Berlin uraufgeführt und mehrfach verfilmt. Noch vor der Uraufführung erhielt Horváth 1931 für das Stück den Kleist-Preis. Horváths Stück, geschrieben Ende der 1920er Jahre in der Zeit katastrophaler Arbeitslosigkeit und der Weltwirtschaftskrise, ist ein Schlüsselwerk des modernen Dramas und wurde von Erich Kästner 'ein Wiener Volksstück gegen das Wiener Volksstück' genannt. Zur Inhalt: Marianne, das 'süße Wiener Mädel', läuft ihrer Verlobung mit dem biederen Fleischhauer Oskar davon, der sein Geschäft neben der Puppenklinik ihres Vaters in Wien hat. Sie bekommt ein Kind von Alfred, der ein Schuft und Hallodri ist, und sie werden todunglücklich im Wiener achtzehnten Bezirk. Alfred gibt das Kind zu seiner Großmutter, die mit Alfreds Mutter in der schönen frischen Luft der Wachau an der Donau wohnt. In Not und Elend vollzieht Marianne einen sozialen Abstieg, der sie zuletzt über Vermittlung von Alfreds Kumpan Hierlinger und einer Baronin 'mit Verbindungen' als erotische Tänzerin in ein Halbwelt-Varieté führt. Der Zauberkönig, der hartherzige Vater Mariannes, muss sein verstoßenes Kind im Nachtlokal 'Maxim' als nackte allegorische Figur bei 'lebenden Bildern' wiedererkennen. 'Der Mister', ein aus Amerika heimgekehrter Wiener mit heurigenseliger, verkitschter Heimatliebe, der mit Geld nur so um sich wirft, versucht Marianne als Prostituierte zu kaufen, was sie ablehnt. Die Abweisung macht den 'Mister' wütend, er sorgt dafür, dass sie ins Gefängnis kommt, da sie ihn angeblich bestehlen wollte.

II


Inhaltsverzeichnis


Stille Straße im achten Bezirk

Von links nach rechts: Oskars gediegene Fleischhauerei mit halben Rindern und Kälbern, Würsten, Schinken und Schweinsköpfen in der Auslage. Daneben eine Puppenklinik mit Firmenschild »Zum Zauberkönig« – mit Scherzartikeln, Totenköpfen, Puppen, Spielwaren, Raketen, Zinnsoldaten und einem Skelett im Fenster. Endlich: eine kleine Tabak-Trafik mit Zeitungen, Zeitschriften und Ansichtspostkarten vor der Tür. Über der Puppenklinik befindet sich ein Balkon mit Blumen, der zur Privatwohnung des Zauberkönigs gehört.

Oskar mit weißer Schürze; er steht in der Tür seiner Fleischhauerei und manikürt sich mit seinem Taschenmesser; ab und zu lauscht er, denn im zweiten Stock spielt jemand auf einem ausgeleierten Klavier die »Geschichten aus dem Wiener Wald« von Johann Strauß.

Ida ein elfjähriges, herziges, mageres, kurzsichtiges Mäderl, verläßt mit ihrer Markttasche die Fleischhauerei und will nach rechts ab, hält aber vor der Puppenklinik und betrachtet die Auslage.

Havlitschek der Gehilfe Oskars, ein Riese mit blutigen Händen und ebensolcher Schürze, erscheint in der Tür der Fleischhauerei; er frißt eine kleine Wurst und ist wütend: Dummes Luder, dummes –

Oskar Wer?

Havlitschek deutet mit seinem langen Messer auf lda: Das dort! Sagt das dumme Luder nicht, daß meine Blutwurst nachgelassen hat – meiner Seel, am liebsten tät ich so was abstechen, und wenn es dann auch mit dem Messer in der Gurgel herumrennen müßt, wie die gestrige Sau, dann tät mich das nur freuen!

Oskar lächelt: Wirklich?

Ida fühlt Oskars Blick, es wird ihr unheimlich; plötzlich rennt sie nach rechts ab.

Havlitschek lacht.

Rittmeister kommt von links; er ist bereits seit dem Zusammenbruch pensioniert und daher in Zivil; jetzt grüßt er Oskar.

Oskar und Havlitschek verbeugen sich – und der Walzer ist aus.

Rittmeister Also das muß ich schon sagen: die gestrige Blutwurst – Kompliment! First class!

Oskar Zart, nicht?

Rittmeister Ein Gedicht!

Oskar Hast du gehört, Havlitschek?

Rittmeister Ist er derjenige, welcher?

Havlitschek Melde gehorsamst ja, Herr Rittmeister!

Rittmeister Alle Achtung!

Havlitschek Herr Rittmeister sind halt ein Kenner. Ein Gourmand. Ein Weltmann.

Rittmeister zu Oskar: Ich bin seinerzeit viel in unserer alten Monarchie herumtransferiert worden, aber ich muß schon sagen: Niveau. Niveau!

Oskar Ist alles nur Tradition, Herr Rittmeister!

Rittmeister Wenn Ihr armes Mutterl selig noch unter uns weilen würde, die hätt eine Freude an ihrem Sohn.

Oskar lächelt geschmeichelt: Es hat halt nicht sollen sein, Herr Rittmeister.

Rittmeister Wir müssen alle mal fort.

Oskar Heut vor einem Jahr ist sie fort.

Rittmeister Wer?

Oskar Meine Mama, Herr Rittmeister. Nach dem Essen um halb drei – da hatte sie unser Herrgott erlöst. Stille.

Rittmeister Ist denn das schon ein Jahr her?

Stille.

Oskar Entschuldigens mich bitte, Herr Rittmeister, aber ich muß mich jetzt noch in Gala werfen – für die Totenmess. Ab.

Rittmeister reagiert nicht; ist anderswo. Stille.

Rittmeister Wieder ein Jahr – bis zwanzig gehts im Schritt, bis vierzig im Trab, und nach vierzig im Galopp – Stille.

Havlitschek frißt nun wieder: Das ist ein schönes Erdbegräbnis gewesen von der alten gnädigen Frau.

Rittmeister Ja, es war sehr gelungen – Er läßt ihn stehen und nähert sich der Tabak-Trafik, hält einen Augenblick vor dem Skelett in der Puppenklinik; jetzt spielt wieder jemand im zweiten Stock, und zwar den Walzer »Über den Wellen«.

Havlitschek sieht dem Rittmeister nach, spuckt die Wursthaut aus und zieht sich zurück in die Fleischhauerei.

Valerie erscheint in der Tür ihrer Tabak-Trafik.

Rittmeister grüßt.

Valerie dankt.

Rittmeister Dürft ich mal die Ziehungsliste?

Valerie reicht sie ihm aus dem Ständer von der Tür.

Rittmeister Küß die Hand! Er vertieft sich in die Ziehungsliste; plötzlich bricht der Walzer ab, mitten im Takt.

Valerie schadenfroh: Was haben wir denn gewonnen, Herr Rittmeister? Das große Los?

Rittmeister reicht ihr die Ziehungsliste wieder zurück: Ich hab überhaupt noch nie was gewonnen, liebe Frau Valerie. Weiß der Teufel, warum ich spiel! Höchstens, daß ich meinen Einsatz herausbekommen hab.

Valerie Das ist halt das Glück in der Liebe.

Rittmeister Gewesen, gewesen!

Valerie Aber Herr Rittmeister! Mit dem Profil!

Rittmeister Das hat nicht viel zu sagen – wenn man nämlich ein wählerischer Mensch ist. Und eine solche Veranlagung ist eine kostspielige Charaktereigenschaft. Wenn der Krieg nur vierzehn Tage länger gedauert hätt, dann hätt ich heut meine Majorspension.

Valerie Wenn der Krieg vierzehn Tag länger gedauert hätt, dann hätten wir gesiegt.

Rittmeister Menschlichem Ermessen nach –

Valerie Sicher. Ab in ihre Tabak-Trafik.

Marianne begleitet eine gnädige Frau aus der Puppenklinik – jedesmal, wenn diese Ladentür geöffnet wird, ertönt statt eines Klingelzeichens ein Glockenspiel.

Rittmeister blättert nun in einer Zeitung und horcht.

Die gnädige Frau Also ich kann mich auf Sie verlassen?

Marianne Ganz und gar, gnädige Frau! Wir haben doch hier das erste und älteste Spezialgeschäft im ganzen Bezirk – gnädige Frau bekommen die gewünschten Zinnsoldaten, garantiert und pünktlich!

Die gnädige Frau Also nochmals, nur damit keine Verwechslungen entstehen: drei Schachteln Schwerverwundete und zwei Schachteln Fallende – auch Kavallerie bitte, nicht nur Infanterie – und daß ich sie nur übermorgen früh im Haus hab, sonst weint der Bubi. Er hat nämlich am Freitag Geburtstag, und er möcht doch schon so lang Sanitäter spielen –

Marianne Garantiert und pünktlich, gnädige Frau! Vielen Dank, gnädige Frau!

Die gnädige Frau Also Adieu! Ab nach links.

Der Zauberkönig erscheint auf seinem Balkon, in Schlafrock und mit Schnurrbartbinde: Marianne! Bist du da?

Marianne Papa? Zauberkönig Wo stecken denn meine Sockenhalter?

Marianne Die rosa oder die beige?

Zauberkönig Ich hab doch nur mehr die rosa!

Marianne Im Schrank links oben, rechts hinten.

Zauberkönig Links oben, rechts hinten. Difficile est, satiram non scribere. Ab.

Rittmeister zu Marianne: Immer fleißig, Fräulein Marianne! Immer fleißig!

Marianne Arbeit schändet nicht, Herr Rittmeister.

Rittmeister Im Gegenteil. Apropos: wann darf man denn gratulieren?

Marianne Zu was denn?

Rittmeister Na zur Verlobung.

Zauberkönig erscheint wieder auf dem Balkon: Marianne!

Rittmeister Habe die Ehre, Herr Zauberkönig!

Zauberkönig Habe die Ehre, Herr Rittmeister! Marianne. Zum letztenmal: wo stecken meine Sockenhalter?

Marianne Wo sie immer stecken.

Zauberkönig Was ist das für eine Antwort, bitt ich mir aus! Einen Ton hat dieses Ding an sich! Herzig! Zum leiblichen Vater! Wo meine Sockenhalter immer stecken, dort stecken sie nicht.

Marianne Dann stecken sie in der Kommod.

Zauberkönig Nein.

Marianne Dann im Nachtkastl.

Zauberkönig Nein.

Marianne Dann bei deinen Unterhosen.

Zauberkönig Nein.

Marianne Dann weiß ich es nicht.

Zauberkönig Jetzt frag ich aber zum allerletzenmal: wo stecken meine Sockenhalter!

Marianne Ich kann doch nicht zaubern!

Zauberkönig brüllt sie an: Und ich kann doch nicht mit rutschende Strumpf in die Totenmess! Weil du meine Garderob verschlampst! Jetzt komm aber nur rauf und such du! Aber avanti, avanti!

...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2014
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Jugend ohne Gott • Moral • Parodie • Sozialkritik • Theater • Zwischenkriegszeit
ISBN-10 80-268-1903-9 / 8026819039
ISBN-13 978-80-268-1903-5 / 9788026819035
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