Der Sommer der Freiheit (eBook)

Roman

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
672 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42281-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Sommer der Freiheit -  Heidi Rehn
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Liebe in schwierigen Zeiten - Es begann im Sommer 1913 Selma ist die Tochter einer angesehenen Zeitungsverlegerfamilie und fährt mit ihrer Familie wie jedes Jahr in die Sommerfrische nach Baden-Baden. Man genießt das elegante Ambiente, die Konzerte und Bälle. Selma hat gerade - zum Entsetzen der Mutter! - das Autofahren gelernt und wartet ungeduldig auf die Ankunft ihres Verlobten Gero. Da lernt sie bei einem Ausflug ins nahe gelegene Elsass den französischen Fotografen Robert kennen - und es ist um sie geschehen. Doch wir schreiben das Jahr 1913, und bald wird der Geliebte zu den Feinden zählen ...

Heidi Rehn, Jahrgang 1966, wuchs im Mittelrheintal auf und kam zum Studium der Germanistik und Geschichte nach München. Seit vielen Jahren widmet sie sich hauptberuflich dem Schreiben. 2014 erhielt sie den 'Goldenen Homer' für den besten historischen Beziehungs- und Gesellschaftsroman. Als 'Kopfkino live' bietet sie sehr erfolgreich Romanspaziergänge durch die Münchner Innenstadt an, bei denen das fiktive Geschehen eindrucksvoll mit der realen Historie verbunden wird. Aktuelle Infos dazu auf www.heidi-rehn.de

Heidi Rehn, Jahrgang 1966, wuchs im Mittelrheintal auf und kam zum Studium der Germanistik und Geschichte nach München. Seit vielen Jahren widmet sie sich hauptberuflich dem Schreiben. 2014 erhielt sie den "Goldenen Homer" für den besten historischen Beziehungs- und Gesellschaftsroman. Als "Kopfkino live" bietet sie sehr erfolgreich Romanspaziergänge durch die Münchner Innenstadt an, bei denen das fiktive Geschehen eindrucksvoll mit der realen Historie verbunden wird. Aktuelle Infos dazu auf www.heidi-rehn.de

Prolog


Baden-Baden
August 1913

Wieder einer jener Sommer, in denen entweder alles möglich oder zu ewigem Stillstand verdammt war. Selma liebte dieses Gefühl banger Erwartung zu Beginn der vierwöchigen Sommerfrische. Gleich nach dem Frühstück begann sie, das Hotel Bellevue wieder in Besitz zu nehmen. Neugierig, was sich seit ihrem Besuch im Vorjahr verändert hatte, strich sie durch die wie ausgestorben daliegenden Korridore. Im ersten Stock begegnete ihr ein Zimmermädchen, das ihr noch vom letzten Aufenthalt her bekannt vorkam. Dagegen schien der Liftboy im zweiten Stock erst wenige Wochen in seiner goldbetressten Livree zu stecken, derart stolz wölbte er die schmale Jünglingsbrust heraus. Eine schwarz gekleidete, erschöpft wirkende Gouvernante kreuzte im dritten Stock ihren Weg. Offenbar hatte sie es gerade aufgegeben, ihren aufmüpfigen Schützlingen hinterherzurennen. So nah unter dem Dachgeschoss staute sich selbst um diese Stunde schon die Augusthitze, was einem bei kleinster Anstrengung den Schweiß auf die Stirn trieb. Selma schätzte sich glücklich, eine luftig-locker fallende Tunika über dem knöchellangen Plisseerock gewählt zu haben.

Sie passierte die Hintertreppe, die zum Speicher hinaufführte. Am Treppenabsatz angekommen, zögerte sie einen Moment, ob sie sich noch einmal zu den geheimnisumwitterten Turmspitzen an den vier Ecken des riesigen Hotelpalastes schleichen sollte. Erst wenige Jahre waren vergangen, seit sie dort oben mit ihrem drei Jahre jüngeren Bruder Grischa aufregendste Abenteuer erlebt hatte. Sie war eine wahre Meisterin im Erfinden spannender Geschichten gewesen. Ein Blick in die Gesichter der anderen Hotelgäste hatte ihr genügt, um sich vor Grischas staunenden Augen auf dem Speicher in die märchenhaft schöne, aber bleichgesichtige Gattin des mürrischen Bankdirektors vom Nachbartisch zu verwandeln. In Wahrheit handele es sich natürlich um eine russische Prinzessin, die in Baden-Baden ihre Liebe zu einem polnischen Fürsten entdecke, hatte sie versucht, Grischa glauben zu machen. Leider hatte er nicht annähernd ihre Leidenschaft für diese Art von Abenteuern geteilt und sich als Liebhaber sehr tolpatschig angestellt. Ein linkisches Tête-à-Tête unter Geschwistern aber war allemal besser gewesen, als stundenlang mit den Eltern über die Lichtentaler Allee flanieren und artig vor den anderen Gästen posieren zu müssen.

Albernes Kichern aus Richtung des Speichers verrieten die geflohenen Schützlinge der Gouvernante. Offenbar erlitten sie gerade dasselbe Schicksal wie Grischa und sie damals. Selma wünschte den Gören, für einige Stunden unentdeckt von den anderen Erwachsenen zu bleiben.

Über die Haupttreppe begab sie sich auf den Weg nach unten. Die dicken Teppiche in den Fluren und über den Treppenstufen verschluckten ihre Schritte. Der Geruch nach reinigenden Seifen, schweren Parfums, dicken Zigarren und verschwenderischem Blumenschmuck, wie er in dieser Mischung nur Häusern wie dem Bellevue zu eigen war, wehte durch das weite Treppenhaus. Für Selma verhieß er heimkommen in eine Welt, die ihr von frühester Kindheit an vertraut war und die Jahr für Jahr dasselbe Programm bereithielt.

Sobald sie beim Nachmittagstee im Gartenpavillon die übrigen Hotelgäste kennenlernen würde, konnte sie abschätzen, was in den nächsten vier Wochen zu erleben war. Anders als ihre Eltern fühlte Selma sich noch viel zu jung, um die Sommerfrische in der trägen Eintönigkeit immer gleicher Tagesabläufe zu verbringen. Sollte sich kein ähnlich gesinnter Hotelgast passenden Alters finden, wäre da immer noch Grischa, mit dem sie sich beim Tennis, Croquet oder gar den Rennen im nahen Iffezheim vergnügen konnte. Wie jedes Jahr würde es sich das Hotelierspaar des Bellevue, Lilly und Rudolf Saur, nicht nehmen lassen, aussichtsreiche Bekanntschaften zwischen den Gästen zu stiften. Gerade ein Fräulein im heiratsfähigen Alter wie Selma, das obendrein als gute Partie galt, stand hoch im Kurs. Versonnen lächelnd hob sie die linke Hand, betrachtete den Brillantring, den Gero ihr zur Verlobung an Neujahr geschenkt hatte. Schon jetzt freute sie sich auf den verdutzten Blick von Lilly Saur, sobald sie ihn in der Sonne funkeln sah. Mit dem aus Ostpreußen stammenden Gutsbesitzersohn Gero von Sudloff hatte sie eine hervorragende Wahl getroffen. Soeben war er zum Sozius einer angesehenen Rechtsanwaltskanzlei am Charlottenburger Kurfürstendamm, dicht vor den Toren Berlins, avanciert. Außerdem verstand er sich bestens darauf, verbotene Begierden in ihr zu wecken. Sie errötete, lag doch ihr letztes Beisammensein keine zwei Tage zurück.

»Hoppla!« Sie stolperte und stieß gegen etwas Weiches. Als sie aufsah, fand sie sich in den Armen eines erschreckend gut aussehenden, dunkelhaarigen Mannes. Seine nahezu schwarzen Augen funkelten vergnügt, die schön geschwungenen Lippen unter dem dünnen Oberlippenbart waren zu einem amüsierten Lächeln gespitzt. »Excusez-moi, mademoiselle.« Seine dunkle Stimme in dem wundervoll harmonischen Französisch traf sie ins Mark.

»Pardon, monsieur.« Zu ihrem Bedauern ließ er sie viel zu schnell wieder los und verabschiedete sich mit einem knappen Nicken. Hastig strich sie die weich fallende Seide ihrer cremefarbenen Tunika glatt, prüfte den Sitz der Frisur und schritt mit einem huldvollen Nicken quer durch die Eingangshalle zum Gartensalon.

Wie schon in den dämmrigen Korridoren und der Halle, so herrschte auch in dem zum Kurpark gelegenen Salon gähnende Leere. Lediglich das Zwitschern des gelbgrünen Kanarienvogels in dem Vogelbauer nahe der Terrassentür hieß Selma willkommen. Die Sonne schickte sich gerade an, um die Ecke des Südflügels zu spitzen. Zur Mittagsstunde würde sie von der Lichtentaler Allee aus das stattliche Anwesen inmitten seiner großzügigen Parkanlage mit goldenem Licht fluten. In Erwartung der großen Hitze waren die gelb-weiß gestreiften Markisen vor den bodentiefen Fenstern halb heruntergezogen. Durch die offene Terrassentür strömte süßer Rosenduft aus der benachbarten Gönneranlage herein, von der Oos wehte ein angenehm kühler Lufthauch in den halbrunden Vorbau.

»Dich haben sie wohl ganz vergessen«, begrüßte Selma den Vogel. Zu ihrer Verwunderung hatte er sich ganz auf die zum Garten zeigende Seite geflüchtet. Eine Kralle an den Gitterstäben, mit der anderen auf der fingerdicken Stange balancierend, reckte er sich voller Sehnsucht dem allmählich über den Baumwipfeln aufziehenden Sonnenball entgegen. Schließlich setzte er zu einem lang anhaltenden Pfeifton an, der vom Garten her nicht weniger sehnsüchtig beantwortet wurde.

»Gräm dich nicht. Hier drinnen hast du alles, was du zum Leben brauchst, und musst nicht einmal um dein Futter bangen.«

Lockend streckte Selma den Finger durch die Stäbe, pfiff dazu eine sich nach oben schraubende Melodie ähnlich der, die der Vogel bei ihrem Eintreten angestimmt hatte. Langsam drehte er den Kopf, ruckte einige Male vor und zurück und stimmte freudig in das Trällern ein. Aufgeregt begann er auf seiner Käfigstange hin und her zu trippeln. Durch die weit geöffnete Tür war das Antworten erneut zu hören.

»Armes Kerlchen«, murmelte Selma. »Offenbar hältst du nicht viel von deinem goldenen Käfig.«

Schon hatte sie die Käfigtür geöffnet. Für einen Moment verstummte der Kanarienvogel, legte das Köpfchen schief, schien sie Rat suchend anzuschauen. Das Zwitschern im Garten wurde lauter. Flugs hüpfte er auf die Querstange vor der Käfigtür, schwang zwei-, dreimal probehalber seine Flügel und flatterte dicht an Selmas lachendem Gesicht vorbei auf die offene Tür zu.

Sein Flügelschlag war erschreckend unruhig. Es dauerte einige bange Augenblicke, bis er den winzigen Körper ausbalanciert hatte, um den üppig blühenden Rhododendron beim Terrassenaufgang zu erreichen. Atemlos machte er Station. Flugs hechtete eine mehrfarbig gestreifte Katze aus dem Dickicht. Ein einziger Hieb mit der Pfote genügte ihr, um den grell leuchtenden Vogel zu erlegen.

Entsetzt schrie Selma auf.

»Zu spät, Liebes«, hörte sie die tiefe Stimme von Großmutter Meta aus einem der gepolsterten Rattansessel. Gemächlich erhob sie sich und kam auf sie zu. Rhythmisch klackte ihr schwarzer Gehstock über den schwarz-weiß gefliesten Steinboden des Gartensalons. »Auch wenn sich alle nach der Freiheit sehnen, ist sie nicht für jeden geschaffen. Man muss schon etwas mit ihr anzufangen wissen, sonst beschert sie eher Leid denn Freude.«

»Das sagst ausgerechnet du, Großmama? Ich dachte, in deinen Augen ist die Freiheit gerade für uns Frauen das Erstrebenswerteste.«

Erstaunt schaute Selma sie an. Die zierliche Großmutter reichte ihr kaum bis zur Schulter. Trotz ihres Hüftleidens legte sie großen Wert auf eine aufrechte Haltung. Das dunkelviolette Kostüm und das sorgfältig frisierte silbergraue Haar betonten ihre Würde, zählte sie inzwischen doch schon stolze fünfundsechzig Jahre.

»Gerade weil ich die Freiheit über alles liebe, weiß ich, wie wichtig es ist, sie nicht nur großmütig zu verschenken. Zuerst sollte man den Beschenkten in ihrem Gebrauch unterrichten, sonst endet sie im Desaster.«

Selma trat auf die Terrasse und streckte mit geschlossenen Augen das Antlitz der Sonne entgegen. Sie dachte an Gero, das ziellose, unstete Leben, das sie in Berlin führte. Zugleich tönte ihr die angenehme Stimme des Franzosen im Ohr. Wie wenig wusste sie mit der Freiheit anzufangen, die sie kühn hinter dem Rücken der Eltern für sich in Anspruch nahm. Wenn sie doch wenigstens ihr unbedarftes Handeln von vorhin rückgängig machen und den Vogel vor dem grausamen Tod in der ungewohnten Freiheit bewahren...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1. Weltkrieg • Baden-Baden • Basel • Berlin • Constanze • Dramatik • Fotograf • Gero • Liebe • Liebe zwischen Deutscher und Franzosen • Metz • Rhein • Robert • Roman • Schicksal • Selma • Verlegerfamilie • Zeitungsverlegerfamilie
ISBN-10 3-426-42281-6 / 3426422816
ISBN-13 978-3-426-42281-6 / 9783426422816
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