Truman Capote Werke (eBook)

(Autor)

Anuschka Roshani (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
2528 Seiten
Kein & Aber (Verlag)
978-3-0369-9260-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Truman Capote Werke -  TRUMAN CAPOTE
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Truman Capotes neu editierte Werke in der achtbändigen Zürcher Ausgabe im Schmuckschuber Band 1: Sommerdiebe Band 2: Andere Stimmen, andere Räume Band 3: Baum der Nacht Band 4: Die Grasharfe Band 5: Frühstück bei Tiffany Band 6: Die Hunde bellen Band 7: Kaltblütig Band 8: Erhörte Gebete

Truman Capote wurde 1924 in New Orleans geboren; er wuchs in den Südstaaten auf, bis ihn seine Mutter als Achtjährigen zu sich nach New York holte. Mit neunzehn Jahren erhielt er für seine Kurzgeschichte Miriam den »O.-Henry-Preis«. 1948 erschien sein Roman »Andere Stimmen, andere Räume«, der als das sensationelle Debüt eines literarischen Wunderkindes gefeiert wurde. 1949 folgte die Kurzgeschichtensammlung »Baum der Nacht«, 1950 die Reisebeschreibung »Lokalkolorit«, 1951 der Roman »Die Grasharfe«. Das 1958 veröffentlichte »Frühstück bei Tiffany« erlangte auch dank der Verfilmung mit Audrey Hepburn große Berühmtheit. 1965 erschien der mehrmals verfilmte Tatsachenroman »Kaltblütig«, 1973 »Die Hunde bellen« (Storys und Porträts), 1980 »Musik für Chamäleons« (Erzählungen und Reportagen). Postum wurden 1987 - unvollendet - der Roman »Erhörte Gebete« und 2005 das neu entdeckte Debüt »Sommerdiebe« veröffentlicht. Truman Capote starb 1984 in Los Angeles. Die Herausgeberin Anuschka Roshani studierte Verhaltensbiologie und Germanistik in Berlin und besuchte anschliessend die Henri-Nannen-Schule in Hamburg. Danach war sie sieben Jahre lang Redakteurin und Reporterin im Kultur- und Gesellschaftsressort des »Spiegel«. Seit 2002 lebt sie in Zürich, wo sie als Redakteurin für »Das Magazin« des »Tages-Anzeigers« arbeitet.

DIE WÄNDE SIND KALT

»…und Grant sagte einfach, dann kommt doch mit auf eine tolle Party, tja, und das war auch schon alles. Wirklich, ich finde, es war einfach genial, sie aufzugabeln, bei Gott, vielleicht bringen sie ja ein bisschen Leben in die Bude.« Das Mädchen, das sprach, schnippte Zigarettenasche auf den Perserteppich und sah die Gastgeberin leicht zerknirscht an.

Die Gastgeberin zog ihr adrettes schwarzes Kleid zurecht und schürzte nervös die Lippen. Sie war sehr jung und klein und makellos. Ihr Gesicht war blass und von glatten schwarzen Haaren umrahmt, und ihr Lippenstift war eine Spur zu dunkel. Es war schon nach zwei, und sie war müde und wünschte, alle würden gehen, aber es war gar nicht so einfach, an die dreißig Leute loszuwerden, besonders, da die meisten den Scotch ihres Vaters intus hatten. Der Fahrstuhlführer war schon zweimal oben gewesen, um sich über den Lärm zu beschweren; also mixte sie ihm einen Highball, weil es ihm ohnehin immer nur darum geht. Und jetzt auch noch Matrosen … ach, zum Teufel damit.

»Ist schon gut, Mildred, wirklich. Auf ein paar Matrosen mehr oder weniger kommt es nicht an. O Gott, hoffentlich machen sie nichts kaputt. Würdest du bitte kurz in die Küche gehen und dich um Eis kümmern? Ich will mal sehen, was ich für deine neuen Freunde tun kann.«

»Wirklich, Schätzchen, ich glaube nicht, dass das nötig ist. Soweit ich weiß, akklimatisieren sie sich sehr schnell.«

Die Gastgeberin ging zu ihren unerwarteten Gästen. Sie standen dicht zusammengedrängt in einer Ecke des Salons, machten große Augen und schienen sich nicht gerade wie zu Hause zu fühlen.

Der Gutaussehendste des Sextetts drehte nervös seine Mütze in der Hand und sagte: »Wir wussten ja nicht, dass es so ’ne Art von Party ist, Miss. Ich meine, Sie wollen uns hier doch gar nicht haben, stimmt’s?«

»Aber natürlich sind Sie willkommen. Warum in aller Welt wären Sie denn hier, wenn ich Sie nicht hier haben wollte?«

Der Matrose war verlegen.

»Das Mädchen da, diese Mildred, und ihr Freund haben uns einfach irgendwo in ’ner Bar aufgegabelt, und wir hatten ja keine Ahnung, dass wir in so ’n Haus wie das da kommen.«

»Das ist doch lächerlich, absolut lächerlich«, sagte die Gastgeberin. »Sie sind aus den Südstaaten, habe ich recht?«

Er klemmte die Mütze unter den Arm und wirkte weniger befangen. »Ich bin aus Mississippi. Ich nehm’ nicht an, dass Sie da schon mal waren, Miss, oder?«

Sie blickte hinüber zum Fenster und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie hatte das satt, so furchtbar satt. »O doch«, log sie. »Ein wunderschöner Staat.«

Er grinste. »Dann verwechseln Sie ihn bestimmt mit woanders, Miss. In Mississippi gibt’s nicht arg viel zu sehen, außer vielleicht um Natchez rum.«

»Natürlich, Natchez. Ich bin mit einem Mädchen aus Natchez zur Schule gegangen, Elizabeth Kimberly, kennen Sie sie?«

»Nein, nicht dass ich wüsste.«

Plötzlich merkte sie, dass sie und der Matrose allein waren; seine Kameraden hatten sich alle zum Klavier verzogen, wo Les gerade Cole Porter spielte. Mildred hatte recht mit dem Akklimatisieren.

»Kommen Sie«, sagte sie, »ich mache Ihnen einen Drink. Die anderen finden sich allein zurecht. Ich heiße Louise, also nennen Sie mich bitte nicht Miss.«

»Meine Schwester heißt auch Louise. Ich bin Jake.«

»Wirklich? Wie reizend! Ich meine, so ein Zufall.« Sie strich sich das Haar glatt und lächelte mit den zu dunklen Lippen.

Sie gingen in die Hausbar, und sie wusste, dass der Matrose beobachtete, wie ihr Kleid um ihre Hüften schwang. Sie duckte sich unter der Tür durch hinter die Bar.

»Nun«, sagte sie, »was darf’s sein? Verzeihung, wir haben Scotch und Bourbon und Rum; wie wär’s mit einem schönen Rum und Cola?«

»Wenn Sie meinen«, sagte er grinsend und ließ seine Hand über die verspiegelte Oberfläche der Theke gleiten, »also eine Wohnung wie die da hab ich noch nie gesehen. Die ist ja genau wie im Film.«

Sie wirbelte geschickt mit einem Rührstäbchen Eiswürfel in einem Glas herum. »Ich kann Sie ja ein wenig herumführen, wenn Sie möchten. Sie ist ziemlich geräumig, für eine Wohnung, meine ich. Wir haben ein Landhaus, das viel, viel größer ist.«

Das war nicht der richtige Ton. Es klang zu dünkelhaft. Sie drehte sich um und stellte die Rumflasche wieder in ihre Nische. Sie konnte im Spiegel sehen, dass er sie anstarrte, vielleicht durch sie hindurchsah.

»Wie alt sind Sie?«, fragte er.

Sie musste einen Moment nachdenken, wirklich nachdenken. Sie log diesbezüglich so konstant, dass sie gelegentlich selbst vergaß, wie alt sie war. Aber spielte es eine Rolle, ob er ihr wahres Alter kannte oder nicht? Also sagte sie es ihm.

»Sechzehn.«

»Süße sechzehn und nie geküsst …?«

Sie lachte, nicht über das Klischee, sondern über ihre Antwort.

»Vergewaltigt, meinen Sie.«

Sie hatte ihm das Gesicht zugewandt und sah, dass er schockiert war und dann amüsiert und dann noch etwas anderes.

»Um Himmels willen, schauen Sie mich nicht so an, ich bin kein schlimmes Mädchen.« Er wurde rot, und sie kroch wieder durch die Tür und nahm seine Hand. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Wohnung.«

Sie führte ihn einen langen, in regelmäßigen Abständen mit Spiegeln versehenen Korridor hinunter und zeigte ihm Zimmer um Zimmer. Er bewunderte die weichen pastellfarbenen Teppiche und die harmonische Mischung aus modernen und antiken Möbeln.

»Das ist mein Zimmer«, sagte sie und hielt ihm die Tür auf, »entschuldigen Sie die Unordnung, sie stammt nicht nur von mir, die meisten Mädchen haben sich hier zurechtgemacht.«

Da war nichts, was er hätte entschuldigen müssen, im Zimmer herrschte peinliche Ordnung. Das Bett, die Tische, die Lampe waren allesamt weiß, aber die Wände und der Teppich waren in einem dunklen, kalten Grün gehalten.

»Nun, Jake … was meinen Sie, passt es zu mir?«

»So was hab ich noch nie gesehen, meine Schwester würd’s mir nicht glauben, wenn ich’s ihr erzählen tät … bloß die Wände gefallen mir nicht, wenn Sie verzeihen, dass ich das so sage … Das Grün da … die sehen so kalt aus.«

Das schien sie zu verwirren, und ohne recht zu wissen, warum, streckte sie die Hand aus und berührte die Wand neben ihrer Frisiertoilette.

»Sie haben recht, mit den Wänden, meine ich, sie sind kalt.« Sie blickte zu ihm auf, und einen Moment lang nahm ihr Gesicht einen Ausdruck an, dass er nicht recht wusste, ob sie lachen würde oder weinen.

»So hab ich das nicht gemeint. Ach, zum Teufel, ich weiß ja nicht mal recht, was ich gemeint hab!«

»Wissen Sie es nicht, oder wollen wir nur euphemistisch sein?« Das rief keine Reaktion hervor, und so setzte sie sich auf die Kante ihres weißen Bettes.

»Bitte«, sagte sie, »setzen Sie sich, und rauchen Sie eine Zigarette, wo ist eigentlich Ihr Drink geblieben?«

Er setzte sich neben sie. »Den hab ich draußen in der Bar gelassen. Ganz schön ruhig hier nach dem Radau da draußen.«

»Wie lange sind Sie schon bei der Marine?«

»Acht Monate.«

»Gefällt es Ihnen?«

»Es geht nicht drum, ob’s einem gefällt oder nicht … Ich hab schon viel gesehen, wo ich sonst nie hingekommen wär.«

»Warum haben Sie sich dann dazu gemeldet?«

»Weil sie mich eingezogen hätten und ich gedacht hab, die Marine ist mehr nach meinem Geschmack.«

»Ist sie es?«

»Na ja, ich sag mal so, das Leben da ist nichts für mich, ich mag’s nicht, von andern rumkommandiert zu werden. Sie vielleicht?«

Sie gab keine Antwort, sondern steckte sich stattdessen eine Zigarette in den Mund. Er hielt ihr ein Streichholz hin, und sie ließ ihre Hand die seine streifen. Seine Hand zitterte, und die Flamme war nicht sehr ruhig. Sie machte einen Lungenzug und sagte: »Sie würden mich gerne küssen, stimmt’s?«

Sie beobachtete ihn scharf und sah, wie langsam Röte sein Gesicht überzog.

»Warum tun Sie es dann nicht?«

»Weil Sie kein Mädchen von der Sorte sind. Ich hätt Angst, ein Mädchen wie Sie zu küssen, und überhaupt machen Sie sich ja bloß lustig über mich.«

Sie lachte und blies den Rauch in einer Wolke zur Decke. »Hören Sie auf, das klingt ja wie etwas aus einem uralten Melodram. Was ist eigentlich ›ein Mädchen von der Sorte‹? War nur so eine Idee. Ob Sie mich küssen oder nicht, hat nicht die geringste Bedeutung. Ich könnte es erklären, aber wozu? Am Ende würden sie mich womöglich noch für eine Nymphomanin halten.«

»Ich weiß ja nicht mal, was das ist.«

»Ach, zum Teufel, genau das meine ich. Sie sind ein Mann, ein richtiger Mann, und ich habe diese verweichlichten Schwächlinge wie Les so satt. Ich wollte einfach mal wissen, wie es wäre, mehr nicht.«

Er beugte sich über sie. »Sie sind schon komisch«, sagte er, und sie lag in seinen Armen. Er küsste sie, und seine Hand glitt ihre Schulter hinab und presste sich auf ihre Brust.

Sie entwand sich und versetzte ihm einen heftigen Stoß, und er fiel der Länge nach auf den kalten, grünen Teppich.

Sie stand auf und sah auf ihn hinunter, und sie starrten sich an. »Sie sind Dreck«, sagte sie. Dann schlug sie ihm in das verdutzte Gesicht.

Sie machte die Tür auf, hielt inne, zog ihr Kleid zurecht und ging zurück zu der Party. Er blieb noch einen Moment auf dem Boden sitzen, stand dann auf und fand den Weg in die Diele, und dann fiel ihm ein, dass er seine Mütze in dem weißen Zimmer vergessen hatte, aber es war ihm egal, er wollte nur noch hier raus.

Die...

Erscheint lt. Verlag 10.7.2013
Übersetzer Heidi Zerning
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • Anthologie • Erzählungen • Gesellschaft • Humor • Klassiker • komplett • Literatur • Romane • Sammlung • Truman Capote • USA • Werkausgabe • Werke
ISBN-10 3-0369-9260-X / 303699260X
ISBN-13 978-3-0369-9260-0 / 9783036992600
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