Schleichwege zur Klassik (eBook)

Musik aus fünf Jahrhunderten neu entdecken | Der ideale Einstieg in die klassische Musik
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2024 | 1. Auflage
133 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-78138-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schleichwege zur Klassik -  Gabriel Yoran
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Sieben Jahre Klavierunterricht, zwei Musikprofis als Eltern und trotzdem hat Gabriel Yoran klassische Musik lange nicht interessiert. Bis er seinen eigenen Zugang gefunden hat: Streaming statt Konzertsaal, weniger bekannte Werke statt der immer gleichen großen Namen, persönliche Metaphern statt komplizierter Theorie. Nun nimmt uns Gabriel Yoran mit auf seine Schleichwege zur Klassik.

Wieso wir Dirigent:innen immer ins Gesicht schauen sollten, weshalb Kissen mal zum Konzertsaal gehörten, was das schrulligste Instrument des Orchesters ist und warum man von Musik Gänsehaut bekommt. Mit diesem Buch - inklusive über 100 Musikbeispielen zum Streamen direkt über QR-Code - schlägt die Welt der klassischen Musik ganz neue Töne an.



Gabriel Yoran, geboren 1978 in Frankfurt am Main, ist Unternehmer und Autor. Mit achtzehn gründete er sein erstes Unternehmen. Er promovierte über Spekulativen Realismus bei Graham Harman an der European Graduate School. Zuvor studierte er Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK Berlin. Als Autor widmet er sich so unterschiedlichen Themen wie Kochen und klassischer Musik. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen und Autor diverser Sachbücher, zudem schreibt er für den <em>Merkur</em>, <em>Zeit Online</em>, <em>Krautreporter </em>und die <em>taz</em>.

2Was Sie über Klassik nicht wissen müssen


Die Darstellung von klassischen Musikern im Film ist häufig eine Katastrophe. Meist sind es wahnsinnige Typen mit wehendem Haar, die nur die Kunst kennen und sich im echten Leben nicht zurechtfinden. Auf Profiniveau zu musizieren, ist aber in erster Linie sehr viel Arbeit. Vormittags Orchesterproben, nachmittags daheim üben und dann mehrmals die Woche abends Konzert. Die Berufskrankheiten sind schmerzhaft, denn die Arbeitsgeräte sind keine ergonomischen Glanzleistungen. Und wenn man Jahrzehnte neben den Posaunen, Hörnern und Trompeten auf der Bühne sitzt, ist zumindest ein Ohr irgendwann nicht mehr zu gebrauchen.

Und Musik nur zum Spaß hören – das können Profimusiker oft auch nicht mehr. Meine Eltern zählen mit, warten angespannt auf ihren Einsatz – selbst wenn da nur irgendeine Opernaufnahme in einem italienischen Lokal läuft. Musik hören von CDs oder Schallplatte hieß bei uns daheim »Musik abhören«, das sagt schon einiges. Diese sehr merkwürdige Arbeit, bei der du mit rund hundert Leuten stundenlang auf Bruchteile von Sekunden und vor Publikum immer perfekt abliefern musst – das hinterlässt Spuren.

Wenn es schon für die Profis schwer ist, wie sollen Laien da klarkommen? Tatsächlich ist die Frage, wie man den Weg in die Klassik ebnen kann, erst seit ein paar Jahren in Deutschland ein größeres Thema. Ein Grund dafür: Klassik bedeutete die längste Zeit auch Klasse. Ein furchtbarer Dünkel, ein nerviges Gewese um das Wesen dieser Musik. Als etwas, das sich einem entweder erschließt oder eben nicht. Als etwas, das man nicht vermitteln kann, wenn man da nicht reingewachsen ist. Die Klassik wird in Deutschland auch E-Musik oder Ernste Musik genannt (im Gegensatz zur U-Musik, der Unterhaltungsmusik). Diese Begriffe waren als GEMA-Tarifstufen entstanden, sind ziemlich verstaubt und nicht sehr hilfreich, aber ihre schiere Existenz verweist auf ein historisches Problem bei der Vermittlung klassischer Musik in Deutschland: das starke Bedürfnis, Linien zu ziehen, abzugrenzen. Zu sagen, was und wer dazugehört und was und wer nicht. Kein Wunder, dass viele Leute Klassik für eine Geheimwissenschaft halten.

Aber das soll uns jetzt egal sein.

http://kraut.re/VnY1Tatsächlich sind viele vom Bildungsbürgertum als Tradition hochgehaltene Kulturtechniken relativ jung. Die Musealisierung der klassischen Musik gehört dazu.So hat man erst im 19.Jahrhundert angefangen, in andächtiger Stille im Konzert zu sitzen. Davor waren Konzerte mehr oder weniger wilde Veranstaltungen , während derer geredet, gegessen oder mit Kissen geworfen wurde. Der Konzertsaal selbst ist eine Erfindung des 19.Jahrhunderts!

Und in ein Konzert zu gehen, muss nicht teuer sein. Popkonzerte sind im Schnitt viel teurer, zumindest in Deutschland, wo viele klassische Orchester bezuschusst werden. Es gibt wohl kein Land auf der Welt, wo man so gute Orchester und Ensembles so günstig hören kann wie in Deutschland. Und man muss meist nicht mal weit anreisen, denn es gibt fast überall Orchester. Die besten Musikschaffenden der Welt kommen nach Deutschland, weil es für sie das Gelobte Land ist. Und außerdem gibt es http://kraut.re/eBmuin letzter Zeit immer mehr informelle Konzerte, an ungewöhnlichen Orten, draußen, und natürlich (wie meist) ohne Kleiderordnung. In den Niederlanden kommt eine App namens Wolfgang zum Einsatz, die einem im Konzert live zur Musik anzeigt, was da gerade passiert. Und es gibt die Veranstaltungen professioneller Musikvermittler wie Arno Lücker. Er moderierte acht Jahre lang die Reihe »2×hören« am Konzerthaus Berlin. Dort werden Stücke zweimal gespielt und dazwischen eine knappe halbe Stunde darüber gesprochen. Lücker sagt, man sehe dem Publikum die gesteigerte Intensität beim wiederholten Anhören förmlich an. Und genau darum geht es: die Intensität des Zuhörens zu vergrößern.[1] 

Was ich mit »Intensität des Zuhörens« meine? Ich kann gut nachvollziehen, wenn jemand sagt: Klassik finde ich langweilig. Natürlich ist etwas langweilig, das man nicht versteht. Was ist langweiliger als ein Buch in einer fremden Sprache? Und wenn ich mir hundertmal einen altaramäischen Text anschaue, wird er sich mir nicht erschließen. So ähnlich ist das mit der klassischen Musik. Wie soll man zu etwas eine intensive Beziehung aufbauen, das man gar nicht versteht?

Dazu kommt die vorherrschende Überzeugung, man müsse in einem klassikaffinen Haushalt groß geworden sein, um den Zugang zu bekommen. Aber das stimmt nicht: 43Prozent derjenigen, die heute klassische Musik hören, hatten als Kind gar keinen Kontakt dazu.

http://kraut.re/7G02http://kraut.re/3dSrhttp://kraut.re/abw9Studien belegen steigende Konzertbesucherzahlen . Und in der repräsentativen Umfrage der Zeitschrift Concerti aus dem Jahr 2016 antworteten 31Prozent der Befragten, dass sie klassische Musik »sehr gern« oder »auch noch gern hören«. Das kann natürlich auch einfach heißen, dass sie nicht sofort weiterskippen, wenn im Autoradio auf Klassik Radio der Imperial March aus Star Wars läuft. Und nichts gegen Star Wars! Filmmusik ist für viele der erste Berührungspunkt mit sinfonischer Musik, also Musik, die von einem rund hundert Personen starken Sinfonieorchester gespielt wird. Filmmusik ist zwar keine klassische Musik, aber ohne sie klänge auch Filmmusik ganz anders.

http://kraut.re/e88aTatsächlich sind die bekanntesten Filmmusiken meist Variationen romantischer und spätromantischer Musik. Klassische Musikerinnen und Musiker blicken deshalb manchmal etwas verächtlich auf Filmmusik, weil es oft Rip-offs sind. Wie viel von John Williams ist eigentlich Wagner, Korngold, Chopin oder Tschaikowski? Ziemlich viel .

http://kraut.re/bkwJVor allem aber hat Filmmusik mehrere unfaire Vorteile gegenüber der Klassik: Sie wird mit den besten Musikvideos ausgeliefert, die wir kennen, nämlich Kinofilmen. Wir denken, Filmmusik macht, dass wir uns gruseln oder uns freuen oder mit den Helden und Heldinnen mitfiebern. Aber ich glaube, es funktioniert andersrum: Filme machen, dass wir wissen, was wir bei der Musik empfinden sollen. Die Marimba-Akkorde am Anfang von American Beauty – beim ersten Sehen des Films bedeuten sie noch nicht viel, aber wenn wir den Film kennen und die Musik erneut anhören, werden die Bilder vor unserem inneren Auge wieder lebendig und mit ihnen die Konflikte, der Witz, das ganze Drama. Wir wissen dann, was wir fühlen sollen, woran wir uns erinnern sollen. Aber in der Klassik, wie soll das da gehen? Es gibt meist keine Handlung, keine Geschichte, in Konzerten meist auch keinen Gesang.

Ein Musikvideo würde sicher helfen, aber die gibt es nur selten und auch nur für einige wenige Superstars, die bei den großen Labels unter Vertrag sind. Man kann sich aber behelfen. Ich habe das durch Zufall herausgefunden. Was hilft, ist ein Satz, eine Formulierung.

Bei mir lief das so: Irgendwann zitierten meine Eltern beim Abendessen ihren damaligen Chef, den Dirigenten Eliahu Inbal, der bei einer Orchesterprobe sagte: »Bei Mahler guckt selbst bei den schönsten Stellen der Teufel um die Ecke.« Dieser Satz wurde mein Schlüssel erst zur Musik Gustav Mahlers und dann zur gesamten klassischen Musik.

Mahler gehört eigentlich nicht zur Klassik im engeren Sinn. Die (Wiener) Klassik ist in der Musik eine Epoche von ungefähr 1780 bis 1825. Danach begann die Romantik. Es sind zwei aufeinanderfolgende kunstgeschichtliche Epochen. (Es gibt diese Epochen auch in der Literatur und der Malerei, wo sie absurderweise zeitlich anders liegen, aber das ist eine andere Geschichte.) Mahlers Musik spielt am Übergang zwischen Spätromantik und Moderne, fast hundert Jahre nach dem Höhepunkt der Klassik.

Wer also sagt, Klassik ist vorbei, der hat auf eine Art Recht. Tatsächlich gibt es diesen Gedanken, es passiert da nichts mehr, weil schon alles gesagt ist. Nicht wenige klassisch ausgebildete Musikprofis glauben tatsächlich, dass...

Erscheint lt. Verlag 27.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik
Schlagworte aktuelles Buch • Bücher Neuererscheinung • Bücher Neuerscheinung • Classic-Nerds • Filmmusik • John Williams • Klassik verstehen • Klassische Musik • Komponistinnen • Konzertsaal • Krautreporter • Moderne Musik • Musical • Musikgeschichte • Musiktheorie • Musikunterricht • Neuererscheinung • neuerscheinung 2024 • neues Buch • Oper • Orchester • Star Wars • Streaming
ISBN-10 3-458-78138-2 / 3458781382
ISBN-13 978-3-458-78138-7 / 9783458781387
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