Smalltalk (eBook)

Die Kunst des stilvollen Mitredens
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-11831-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Smalltalk -  Alexander Graf von Schönburg
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Sokrates' Satz «Ich weiß, dass ich nichts weiß» ist die zentrale philosophische Erkenntnis der Menschheit. Wie recht er hatte! Doch das Leben lässt sich meistern, auch wenn man mal nicht den wirklichen Durchblick hat. Solange Sie in der richtigen Situation das Richtige sagen. Mit Witz und scharfem Blick führt Alexander von Schönburg in die Königsdisziplin der Konversation ein - den Smalltalk. Als Experte für alle Fragen des stilvollen Auftritts lautet sein dringender Rat: Halten Sie sich an die geeigneten Themen! Nach der Lektüre dieses Buches plaudern Sie ganz nonchalant über das Gottesteilchen, schütteln dann ein paar flockige Sätze über den neuen Tarantino aus dem Ärmel und räsonieren anschließend wie selbstverständlich über die Lehren des Buddhismus. Alexander von Schönburg liefert eine charmante Handreichung für die Kunst der Konversation - und zugleich ein heiteres Glossar der Gegenwart. Er zeigt: Smalltalk ist als Kulturtechnik kaum zu überschätzen.

Alexander von Schönburg, Jahrgang 1969, war u. a. Redakteur der «FAZ» und Chefredakteur von «Park Avenue», seit 2009 ist er Mitglied der «Bild»-Chefredaktion. Seine Bücher «Die Kunst des stilvollen Verarmens» (2005), «Das Lexikon der überflüssigen Dinge» (2006), «Alles, was Sie schon immer über Könige wissen wollten, aber nie zu fragen wagten» (2008) und «Smalltalk» (2015) waren Bestseller. Alexander von Schönburg lebt mit seiner Familie in Berlin.

Alexander von Schönburg, Jahrgang 1969, war u. a. Redakteur der «FAZ» und Chefredakteur von «Park Avenue», seit 2009 ist er Mitglied der «Bild»-Chefredaktion. Seine Bücher «Die Kunst des stilvollen Verarmens» (2005), «Das Lexikon der überflüssigen Dinge» (2006), «Alles, was Sie schon immer über Könige wissen wollten, aber nie zu fragen wagten» (2008) und «Smalltalk» (2015) waren Bestseller. Alexander von Schönburg lebt mit seiner Familie in Berlin.

Die Eleganz der Ignoranz


Was man alles nicht wissen muss, um mitreden zu können

Sie haben dieses Buch gekauft, um in Gesellschaft den richtigen Ton zu treffen? Sie wollen wissen, wie man miteinander ins Gespräch kommt? Das ist schnell gesagt. Fragen Sie nie «Waren Sie schon im Urlaub?» oder «Was machen Sie beruflich?». Das ist an Spießigkeit nicht zu übertreffen. «Wo leben Sie?» geht eigentlich nur in Berlin. Hier unterhalten sich manche fast ausschließlich über diese Frage. Es hat immer noch ein wenig mit Weltanschauung zu tun, ob man im Osten, Norden oder Westen der Stadt wohnt (die aus dem Süden sieht man nie).

Unbedingt zu meidende erste Sätze sind außerdem:

  1. «Welches Sternzeichen sind Sie?»

  2. «Wann kommt denn Ihr Baby?»

  3. «Entschuldigen Sie, hatten wir schon einmal Geschlechtsverkehr?»

  4. «Kann man eine Geschlechtsumwandlung rückgängig machen?»

  5. «Haben Sie Kokain?»

Sonst ist fast alles erlaubt. Es kommt nur auf die Haltung an.

So. Nachdem nun der Ratgeberteil des Buches abgehakt ist, kann ich mich endlich seinem wahren Zweck widmen. In akademischen Kreisen kursiert ein Witz, der mir zu denken gibt: Erwischt ein String-Forscher seine Frau mit einem Professorenkollegen im Bett. Darauf der Kollege: «Ich kann alles erklären!»

Das Problem ist: Wir leben in einer Zeit, in der alles ständig erklärt wird und wir dennoch zunehmend ahnungslos sind. Sie wollen den Durchblick behalten? Geben Sie es auf! Mehr als das, was auf den folgenden dreihundert Seiten steht, müssen Sie nicht wissen. Dieses Buch ist ein im Zeitalter vollkommener Unübersichtlichkeit längst überfälliges Kondensat all der Themen, bei denen man heute mitreden können muss.

Wir sind wissdumm geworden. Überinformiert und doch ahnungslos. Es ist nicht nur die Menge der Informationen, es ist das Ausmaß von fundiertem Wissen, das langsam lästig wird. Vor ein paar Jahren war es noch etwas Besonderes, am Bahnhof oder Flughafen eine halbwegs aktuelle Ausgabe des «Economist» in die Hand zu bekommen. Heute schicken uns Apps die besten Hintergrundanalysen der Welt aus den seriösesten Quellen im Minutentakt aufs Handy. Und dann all die klugen Podcasts und Blogbeiträge. Und all die doofen Tweets, die man aber trotzdem immer wieder lesen will. Gerade läuft im Radio ein phantastisches Feature über Karl den Großen. Jede Woche erscheinen mindestens fünf Bücher, die man unbedingt haben will. Man kann sie per Mausklick bestellen, aber wann wird man sie lesen? Wir wissen, wann unsere Sonne zu scheinen begann und wann sie verglühen wird, wir kennen die Geschichte unseres Universums, die Beschaffenheit der Botenstoffe im Gehirn, wir wissen Bescheid über die Details der Politik in der Levante oder der Südukraine. Aber wir sind doch komplett ahnungslos. Es kommt ein Punkt, an dem man einsehen muss, dass man nicht unendlich viel Wissen anhäufen kann, dass man nicht alles, was interessant ist, erfahren wird.

«Wie der Körper nur eine bestimmte Menge von Nahrung verdauen kann, so kann unser Kopf nur eine bestimmte Menge von Wissen in sich aufnehmen.» So in etwa hat mir einmal Paris Hilton erklärt, warum das Informationszeitalter sie frustriert. Der Gedanke stammt aber nicht von ihr, sondern von einem anderen bedeutenden Denker – von Friedrich Nietzsche. Er (oder war es Paris Hilton?) sagte auch folgende Worte: «Um das Leben zu begreifen, muss man die Last des Allzuvielwissens abwerfen.»

Interessanterweise deckt sich das mit den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung. Ein Neugeborenes hat etwa doppelt so viele vernetzte Gehirnzellen wie ein Erwachsener. Lange haben Wissenschaftler gerätselt, warum uns die Natur in diesem Frühstadium des Lebens mit so einem Übermaß von Synapsen beschenkt – und sie ungefähr ab dem dritten Lebensjahr systematisch wieder kappt. Heute weiß man: Dadurch können Kinder in den ersten Lebensjahren besonders viel und schnell lernen. Spätestens ab dem vierten oder fünften Lebensjahr würden allzu viele Informationswege aber zur Belastung werden. Erst wenn sie unterbrochen werden, begreifen wir die Zusammenhänge und ordnen die Dinge ein. Erst die Priorisierung, die Beschränkung, befähigt uns zum Denken.

Wir sollten also endlich von dem zwanghaften Gedanken ablassen, immer Neues erfahren zu müssen. Die Sorge, irgendetwas Wichtiges zu verpassen, stammt noch aus einer Zeit, als Informationen rar und wertvoll waren. Heute muss unser Ziel sein, Informationswege stillzulegen, weniger zu wissen. Stattdessen sollte man versuchen, mehr zu verstehen. Christian Kracht hat recht, wenn er sagt, dass die Welt zu komplex geworden ist, um noch zu irgendetwas eine fundierte Meinung haben zu können. Paradoxerweise folgt daraus aber, dass wir wohl zu allem eine Meinung haben müssen – nur eben mit einer Demut, die uns jede Rechthaberei verbietet. Eine Haltung, die exakt der eines guten Smalltalkers entspricht. Nie recht behalten wollen, aber doch halbwegs originelle Thesen vertreten, um damit spielerisch Widerspruch herauszufordern, darum geht es beim Smalltalk, der, im amüsantesten Fall, von der Lust an der Zuspitzung lebt. Die Vereinfachung ist das einzig probate Mittel, mit den Ungereimtheiten unseres Daseins umzugehen.

Muss man gebildet sein, um gut parlieren zu können? Im Gegenteil, es ist eher hinderlich. In England ist «clever» so etwa das Unfreundlichste, was man über einen Menschen sagen kann. Wir auf dem Festland sind nicht ganz so streng, aber im Grunde gilt auch hier: Leute, die einen mit ihrer Klugheit und Bildung quälen, sind lästig.

Trotzdem: Smalltalk, Chit-Chat, la petite conversation de la table, das zweckfreie Plaudern, hat in Deutschland einen schlechten Ruf. Aber nur, weil man nicht einsehen will, dass es einen Unterschied zwischen Podiumsdiskussionen und gesellschaftlichem Geplauder gibt. Hier erstickt man sich entweder gegenseitig mit geisttötender Banalität, oder man ist versessen darauf, alles bis ins letzte Detail zu erörtern. Bei einer gelungenen Unterhaltung in gesellschaftlichem Kontext – bei einem Abendessen, auf einer Cocktailparty, einem Empfang – darf man jedoch getrost kühne Thesen aufstellen und damit andere zum Widerspruch auffordern. In anderen Situationen wiederum ist es angebracht, über nichts zu reden – und das mit großer Emphase, ganz im Sinne von Lord Goring in Oscar Wildes «Ein idealer Gatte»: «Ich liebe es, über nichts zu reden. Das ist das Einzige, wovon ich etwas verstehe.» Das Reden über nichts wird zu Unrecht geringgeschätzt. Dabei ist es eine lebenswichtige Fähigkeit. Ohnehin neigen wir dazu, die Bedeutung des gesprochenen Wortes in der menschlichen Kommunikation zu überschätzen. Das hat mir eine bereits erwähnte Person beigebracht, einer der gescheitesten Menschen, die mir je begegnet sind, Paris Hilton.

***

Es war jener Tag, an dem ich vielleicht mein schlimmstes Smalltalk-Desaster erleben musste. Als Gesellschaftsjournalist war ich zum ersten Mal in Hollywood. Die deutsche «Vanity Fair» hatte mich beauftragt, über die Oscar-Verleihung zu berichten. Ich kannte niemanden in der Stadt, landete aber – was ich zunächst als unfassbares Glück betrachtete – auf der legendären Pre-Oscar-Gartenparty der Modekönigin Diane von Furstenberg. Ich hatte meinen schönsten Sommeranzug an, trug meine Lieblingskrawatte, die Schuhe blitzten – und ich kannte keine Sau.

Je mehr ich mich bemühte, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, desto mehr merkte man mir genau dies an: dass ich mich bemühte. Dort drüben stand Rupert Murdoch. Ich schlich mich an, wartete auf einen passenden Moment und brabbelte etwas von der «Los Angeles Times», die damals zum Verkauf stand, und fragte keck, ob das nicht etwas für ihn sei. Er würdigte mich eines kurzen Blickes und antwortete knapp: «Nur Idioten kaufen heute noch Zeitungen!» Dann drehte er mir den Rücken zu, und ich sah Peter O’Toole. Die Rettung, dachte ich, der ist sicher nett. «I loved Lawrence of Arabia», sprach ich ihn an. «And?», gab er zurück, sah gelangweilt an mir vorbei und wandte sich ab. Ich versuchte es von da an mit Leuten, deren Gesichter ich nicht aus dem Fernsehen oder von der Leinwand kannte (was schwer war an diesem Nachmittag). Aber es half nichts. Alle gingen mir aus dem Weg oder ließen mich auflaufen. Am Ende fragte ich tatsächlich so idiotische Dinge wie «Where did you go on holiday?». Ich muss gewirkt haben wie Peter Sellers in «The Party» – ein etwas verlorener Idiot, nur dass ich nicht wie er im Film für Chaos und Aufruhr sorgte, sondern schlicht fürchterlich unsicher war. Die wesentlichen Dinge des Lebens vermitteln sich nun mal leider nonverbal. Unsicherheit wirkt in Gesellschaft toxisch. Keiner will mit dir zu tun haben – aus Angst, angesteckt zu werden.

Meine Rettung an diesem Nachmittag war ausgerechnet die große Philosophin Paris Hilton. Sie saß auf einer Bank mit ein paar schnatternden Freundinnen und war, als ich mich näherte, derart unbekümmert, dass sie sich nicht einmal an meiner Unsicherheit störte.

Mir war inzwischen alles egal, also ging ich auf die berühmteste Blondine der Welt zu und sagte: «Ich vergesse nie ein Gesicht, aber bei Ihnen will ich eine Ausnahme machen.» «My name is Paris Hilton», sagte sie leicht amüsiert, mit gespielter Empörung. «Ah, Hilton? Ich werde nächste Woche in New York sein und habe in einem Hilton ein Zimmer gebucht, dem Waldorf Astoria. Gibt es Zimmer, die ich meiden sollte?» Sie: «Im Waldorf Astoria? Da bin ich aufgewachsen. Ich würde...

Erscheint lt. Verlag 19.12.2014
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Knigge • Konversation • Stil
ISBN-10 3-644-11831-0 / 3644118310
ISBN-13 978-3-644-11831-7 / 9783644118317
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