Kampf um Vorherrschaft (eBook)

Eine deutsche Geschichte Europas 1453 bis heute

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014
896 Seiten
DVA (Verlag)
978-3-641-14010-6 (ISBN)

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Kampf um Vorherrschaft - Brendan Simms
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500 Jahre Machtkämpfe um die Mitte Europas
In einem großen, umfassenden Wurf erzählt Brendan Simms die Geschichte Europas seit dem 15. Jahrhundert. Er beschreibt sie als Geschichte ständig wechselnder Machtverhältnisse und Rivalitäten, des Kampfs der großen und kleinen europäischen Länder um Einfluss sowie der Begehrlichkeiten entfernterer Mächte wie des Osmanischen Reiches oder der USA - vor allem aber schildert er sie als Geschichte der Auseinandersetzung um die Mitte des Kontinents, vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nation bis zum wiedervereinigten Deutschland. Brendan Simms' großartige Darstellung wird von vielen bereits mit Spannung erwartet und lädt gerade in diesen Tagen zu kontroversen Diskussionen ein.

Brendan Simms, geboren 1967, ist Professor für die Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Cambridge. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geopolitik Europas und die Geschichte Deutschlands im europäischen Kontext. Er publiziert in Zeitschriften und Zeitungen zu aktuellen geo- und europapolitischen Themen und ist Autor zahlreicher Bücher, die breite Beachtung fanden, darunter »Die Briten und Europa. Tausend Jahre Konflikt und Kooperation« (2018) und »Hitler. Eine globale Biographie« (2020).

Vorwort zur deutschen Ausgabe

»Wie Deutschland in der Welt steht, was in der Welt geschieht, wie die anderen sich zu Deutschland verhalten, das ist für Deutschland um so wesentlicher, als seine ungeschützte geographische Lage in der Mitte es den Auswirkungen von der Welt her mehr aussetzt als andere europäische Länder.«

Karl Jaspers1

»Was an Deutschland nicht stimmt, ist, dass es zu viel davon gibt. Es gibt zu viele Deutsche, und Deutschland ist zu stark, zu sehr mit industriellen Ressourcen ausgestattet.«

A. J. P. Taylor2

Das vorliegende Buch ist keine Geschichte Deutschlands, sondern eine deutsche Geschichte Europas. Im Mittelpunkt stehen das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das die heutige Bundesrepublik, die Niederlande, große Teile Belgiens, Österreich, die Schweiz, Böhmen und Mähren sowie einen großen Teil Norditaliens umfasste, der ihm folgende Deutsche Bund sowie die Staaten, die wiederum diesem nachfolgten, das zweite deutsche Kaiserreich, das »Dritte Reich« und die Bundesrepublik Deutschland sowie, in einem weiteren Sinn, die Europäische Union.

In der Zeitspanne seit 1450 lag die zentrale Rolle der deutschen Frage zumeist gewissermaßen in der Natur der Sache. Deutschland befindet sich in der geographischen Mitte des Kontinents und wurde mehr als jedes andere Territorium von Heeren durchquert, die manchmal für Dinge kämpften, die mit ihm selbst nur am Rande zu tun hatten. Die Franzosen wollten verhindern, dass die Habsburger den Einkreisungsring schlossen, den sie in Flandern, Burgund und Spanien um Frankreich gelegt hatten. England betrachtete Deutschland als Stütze seiner Position in den Niederlanden, deren Besitz es Frankreich oder Spanien erlauben würde, auf kürzestem Weg zur englischen Südküste zu gelangen. Spanien benutzte das Heilige Römische Reich als Ausfallstor, um sowohl Frankreich als auch die rebellischen Holländer anzugreifen. Schweden strebte nach einer Pufferzone in Norddeutschland, um sich vor Angriffen über die Ostsee zu schützen. Und das Osmanische Reich versuchte, mit einem letzten verheerenden Angriff auf Deutschland die westliche Christenheit niederzuringen, bis es im späten 17. Jahrhundert vor den Mauern Wiens zurückgeschlagen wurde.

Für Europa beunruhigend war darüber hinaus das enorme demographische, wirtschaftliche und militärische Gewicht Deutschlands. Mit Ausnahme des entlegenen Zarenreichs war es stets der größte und bevölkerungsreichste europäische Staat. Seine Städte und Manufakturen bildeten schon lange vor der Industrialisierung den Kern der europäischen Wirtschaft, und der Rhein war die Hauptverkehrsader des Kontinents. Zudem war Deutschland für die Qualität seiner Soldaten bekannt, von denen viele als Söldner im Ausland dienten. Daher waren die europäischen Mächte darauf bedacht, diese Ressourcen entweder sich selbst zu sichern oder aber wenigstens ihren Rivalen vorzuenthalten. Es wurde zu einem Axiom der europäischen Politik, dass Deutschland, wie ein schwedischer Diplomat es in der Mitte des 16. Jahrhunderts ausdrückte, »ein gemäßigter und bevölkerungsreicher Teil der Welt mit einem kriegerischen Volk« sei und »dass kein Land unter der Sonne besser dafür geeignet [sei], eine Universalmonarchie und absolute Vorherrschaft in Europa zu errichten«.3 Schließlich war das Heilige Römische Reich die Quelle der ultimativen politischen Legitimität in Europa. Das Kaisertum hatte Vorrang vor allen anderen Monarchien und besaß zumindest theoretisch das Recht, die Ressourcen Deutschlands und sogar des ganzen Kontinents für gemeinsame Ziele einzusetzen. 1519 beispielsweise konkurrierten bei der Kaiserwahl die drei mächtigsten Fürsten um die Krone: Franz I. von Frankreich, Heinrich VIII. von England und Karl (V.) von Burgund, der sich durchsetzte. Das Streben nach der Kaiserkrone war bis zu den Napoleonischen Kriegen, als Napoleon ernsthaft erwog, sich zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs zu krönen, ein wesentlicher Antriebsfaktor der europäischen Politik. Selbst die osmanischen Herrscher waren, seitdem sie durch die Eroberung von Konstantinopel ihren Anspruch angemeldet hatten, von dem Verlangen besessen, die Kaiserwürde zu erlangen. All dies machte das Heilige Römische Reich zum Kampfplatz Europas.

Gleichzeitig war Deutschland Schauplatz heftiger innenpolitischer Auseinandersetzungen. Im Innern stand der Kaiser den großen Fürsten gegenüber, die ihrerseits untereinander zerstritten waren. Das deutsche Parlament, der Reichstag, in dem die weltlichen und geistlichen Fürsten und die Reichsstädte vertreten waren, war schon lange kein wirkungsvolles Forum für das Gemeinwohl mehr. So stießen 1453 nach dem Fall von Konstantinopel verzweifelte Bitten von Ungarn und Kroaten um Hilfe im Kampf gegen die vorrückenden Türken auf taube Ohren. Trotz aller Reformversuche durch Kaiser, Beamte und Intellektuelle blieb Deutschland ein fragmentierter politischer Raum. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts teilte die Reformation die westliche Christenheit in Katholiken einerseits und Lutheraner und Reformierte andererseits und spaltete das Heilige Römische Reich in zwei Teile. Und die Militärverfassung des Reiches, die dazu gedacht war, den Frieden in Deutschland aufrechtzuerhalten und Angreifer abzuschrecken, vermochte weder das eine noch das andere zu gewährleisten.

Aus all diesen Gründen waren die großen europäischen Friedensverträge hauptsächlich deutsche Regelungen. Im Kern des Westfälischen Friedens von 1648, von dem die gesamte moderne internationale Ordnung ihren Namen erhielt, stand die Befriedung Mitteleuropas. Dies war insofern irreführend, als die Verträge von Münster und Osnabrück, um einen weiteren Bürgerkrieg zu verhindern, der die Außenwelt zum Eingreifen veranlassen und sich zu einem europäischen Flächenbrand auswachsen könnte, keineswegs den Fürsten die Unverletzlichkeit ihrer Staaten garantierten, sondern vielmehr ihre Möglichkeiten einschränkten, willkürliche Maßnahmen gegen die eigenen Untertanen zu ergreifen. Zur Beilegung von Streitigkeiten wurden Reichsgerichte geschaffen. Religiöse Probleme sollten eher durch Kompromisse als durch Mehrheitsentscheidungen gelöst werden. Darüber hinaus erlangten im Westfälischen Frieden zwei Staaten, Schweden und Frankreich, die förmliche Anerkennung als Garantiemächte des Heiligen Römischen Reichs und damit der Territorialordnung Mitteleuropas. Im späten 18. Jahrhundert erhielt auch Russland dieses Privileg. Dieser Zusammenhang zwischen innerer Befriedung und europäischem Gleichgewicht kam auch in der Wiener Schlussakte von 1815 zum Ausdruck, mit der die Periode der Revolutions- und der Napoleonischen Kriege beendet wurde. Durch sie wurde ein Deutscher Bund mit gemeinsamen politischen, juristischen und militärischen Institutionen geschaffen, von dem man hoffte, er werde stark genug sein, um den inneren Frieden aufrechtzuerhalten und äußere Aggressoren abzuschrecken, aber zu schwach, um selbst nach der Hegemonie streben zu können.

Auch anderswo in Europa prägte der Kampf um Deutschland die Innenpolitik. In England beispielsweise wurde die Herrschaft der Stuarts nachhaltig delegitimiert, weil sie es versäumten, die Protestanten in Deutschland zu unterstützen, was schließlich zu dem Bürgerkrieg führte, der Karl I. den Kopf kostete. Trotz heftiger Bruderkonflikte in der Heimat kämpften bis zu hunderttausend Briten im Dreißigjährigen Krieg; jüngste Ausgrabungen haben gezeigt, dass ihre Knochen über ganz Mitteleuropa verstreut sind. Im 18. Jahrhundert gab es in Großbritannien kein Thema, das mehr Regierungen an die Macht oder zu Fall gebracht hätte als der Zustand des Heiligen Römischen Reichs. Tatsächlich war vor 1760, wenn Briten vom »Empire« sprachen, stets Deutschland gemeint, und nicht das eigene Kolonialreich. In Frankreich bereitete die erbärmliche Unfähigkeit der Bourbonen, die französischen Interessen im Heiligen Römischen Reich und in Osteuropa zu verteidigen, der Revolution den Boden, die ihre Monarchie stürzen sollte.

Über vierhundert Jahre lang war Deutschland in erster Linie ein Objekt der europäischen Politik. Im Dreißigjährigen Krieg wurde es durch die Bürgerkriegserfahrung traumatisiert und dadurch gedemütigt, dass fremde Heere – spanische, dänische, schwedische, französische, um nur die wichtigsten zu nennen – nach Belieben durch sein Territorium ziehen konnten. Die Bevölkerung des Heiligen Römischen Reichs schrumpfte von 21 auf etwas mehr als 13 Millionen Menschen – ein weit größerer Verlust, als ihn irgendein Konflikt vorher oder nachher verursacht hat. Die Lage mitten in Europa hatte sich für Deutschland beinahe als Todesurteil herausgestellt. Danach blieb es, wie der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz beklagte, »der Ball, den einander zugeworfen, die um die Monarchie gespielt, Deutschland ist der Kampfplatz, darauf man um die Meisterschaft von Europa gefochten«. In den Revolutions- und Napoleonischen Kriegen war Deutschland erneut das Hauptopfer; es war umkämpft, wurde geteilt und von beiden Seiten als Rekrutenreservoir für ihre Heere genutzt. Der Friedensvertrag von 1815 setzte einen Schlusspunkt unter die Kämpfe, änderte aber nichts daran, dass Deutschland dem Diktat des europäischen Gleichgewichts unterworfen war.

Die beiden Lösungen der deutschen Frage, das Heilige Römische Reich ebenso wie der Deutsche Bund, hatten vieles für sich. Das Heilige Römische Reich war in seinen vielen guten Augenblicken ein vergleichsweise angenehmer Ort, um dort zu leben. Es zog rechtliche Konfliktlösungen militärischen vor, und es war ein Vorreiter auf dem...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2014
Übersetzer Klaus-Dieter Schmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Europe. The Battle for Supremacy, 1453 to the Present
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Außenpolitik • Deutsches Reich • Deutschland • eBooks • Europa • Frankreich • Geschichte • Heiliges Römisches Reich deutscher Nation • Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, Karl V., Machtpolitik, Deutschland, Deutsches Reich, Frankreich, Außenpolitik, Russland, Europa, Napoleon • Karl V. • Kolonialismus • Machtpolitik • Napoleon • Russland
ISBN-10 3-641-14010-2 / 3641140102
ISBN-13 978-3-641-14010-6 / 9783641140106
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