McKinsey kommt Molières Tartuffe (eBook)

Zwei Theaterstücke
eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
160 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-40107-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

McKinsey kommt Molières Tartuffe -  Rolf Hochhuth
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
»Der Mann hat ein Gespür für Themen ...« Marcel Reich-Ranicki »Der Mann hat ein Gespür für Themen ...« Marcel Reich-Ranicki Über vier Millionen Arbeitslose in Deutschland. Das ist ein Skandal. Und Rolf Hochhuth gehört nicht zu denen, die wegschauen. Bankvorstände, die zweistellige Millionengehälter einstreichen, Milliardengewinne erzielen und Tausende auf die Straße setzen, sind ihm ein Greuel. Und das sagt er auch. Den Mächtigen, die seine Kritik trifft, ist das sehr peinlich - und ihren feinsinnigen Freunden in der Kulturindustrie natürlich erst recht. Das Ergebnis solcher Konflikte findet sich in diesem Band: ein kleines Gedicht von 16 Zeilen, ein Schauspiel, das vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe endet, und ein zweites, das an die Zensur zu Zeiten von Molière erinnert.

Rolf Hochhuth, geboren am l. April 1931 in Eschwege, gehört zu den engagiertesten deutschen Schriftstellern. Mit seiner Frage nach der moralischen Verantwortung politisch Handelnder löste er heftige Diskussionen, aber auch wichtige Veränderungen in der Bundesrepublik aus. Zu seinen bekanntesten Werken gehören: >Der Stellvertreter< (1963), >Soldaten< (1967), >Eine Liebe in Deutschland< (1978), >Juristen< (1979), >Alan Turing< (1987).

Rolf Hochhuth, geboren am l. April 1931 in Eschwege, gehört zu den engagiertesten deutschen Schriftstellern. Mit seiner Frage nach der moralischen Verantwortung politisch Handelnder löste er heftige Diskussionen, aber auch wichtige Veränderungen in der Bundesrepublik aus. Zu seinen bekanntesten Werken gehören: ›Der Stellvertreter‹ (1963), ›Soldaten‹ (1967), ›Eine Liebe in Deutschland‹ (1978), ›Juristen‹ (1979), ›Alan Turing‹ (1987).

ERSTER AKT

Mercedes kauft die Oerlikon-Waggonfabrik


»... unsere Demokratie, die an einem schweren Geburtsfehler leidet: sie bestimmt nur die staatliche, nicht auch die wirtschaftliche Ordnung. Demokratie impliziert Gleichheit der Rechte. Die Bürgerinnen und Bürger sind jedoch nur vor den staatlichen Gesetzen gleich, vor den ›Gesetzen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung sind sie jedoch krass ungleich. Hier entscheidet nicht die Mehrheit, sondern das Eigentum. Deshalb war unsere bürgerliche Demokratie von allem Anfang an nur eine halbe. Und diese Hälfte schrumpft zusehends, je mehr die undemokratische Wirtschaft die demokratische Politik dominiert.«

Arnold Künzli in der ›Basler Zeitung‹ vom 20. 9. 1996

 

»Stellen Sie sich vor, Coop und Migros würden fusionieren. Kein Mensch käme auf die Idee zu behaupten, damit entstünde mehr Wettbewerb, das Gegenteil träfe zu. Mit Fusionen werden Konkurrenten beseitigt. Hält der Trend an, wird der Kapitalismus am Schluss seine eigene Marktwirtschaft killen. Sie wird mangels frischer Wettbewerbsluft ersticken.

Am Fusionshochzeitstag lachten die United Banks Switzerland-Mächtigen, wo immer sie gefilmt oder fotografiert worden waren, ihre unbändige Freude ins Publikum. Dabei kostet die Fusion 13 000 Arbeitsplätze oder vielleicht noch mehr, davon 7000 in der Schweiz. Seither beschäftigt mich der Gedanke, weshalb die Herren sich nicht einmal bemühten, zumindest so etwas wie Betroffenheit zu mimen. Sind sie herz- und gefühllos? Das würden beide bestimmt bestreiten. Meine Erklärung: Das System zwingt sie zum Erfolg um jeden Preis – was immer Erfolg bedeuten mag.«

Helmut Hubacher in der ›Basler Zeitung‹ vom 9. 1. 1998

Im ICE, zweite Klasse. Zwei oder drei – je nach Breite der Bühne – der großen Fenster, vor denen je ein Tisch mit je vier Plätzen an jeder seiner Längsseiten. Am mittleren allein sitzen Hildegard und Kurt sich gegenüber. Die Rampe begrenzt den (zu schmalen) Gang durch den Waggon, das heißt: Die Sessel der Reisenden stehen so nahe wie möglich an der Rampe, fast so nah wie der Souffleurkasten.

Das sanfte Rauschen des schönen Zuges lenkt gar nicht vom Dialog ab; auch nicht der – oft grandiose – Landschaftsfilm bei machtvollem Sonnenlicht, der hinter den Fenstern abrollt, so daß die Illusion erweckt wird, man fahre in Höchsttempo auf der reizvollen Strecke Basel – Karlsruhe. Die Schnelligkeit, mit der die schwarzwaldnahen Hügel, Felder, Weinberge, Weiden, Wälder, Ortschaften zwischen Freiburg und Baden-Baden vorübergehen und zurückbleiben, verhindert, sich auf sie als einzelne einzulassen; das heißt, durch sie dekonzentriert zu werden. Das betrifft ebenso die zwei, die hier reden und einander zuhören, wie die Zuschauer.

Wo das Theater Geld genug hat, kann ein Mitfahrer, können auch mehrere Statisten an dem Tisch (oder an den zwei Tischen) gezeigt werden, die links und rechts neben dem hier mittleren Tisch noch zu sehen sind... lesende Statisten oder auch ein schlafender, auch ein rauchender... vor allem zwei mit Kopfhörern, Musikkonsumenten. Ein Buch, selbstverständlich, lesen wenige, höchstens Zeitung... auch einer oder einige durch den Waggon Gehende, Frauen wie Männer.

 

HILDE, Ende Vierzig, elegantes mohnrotes Reisekostüm, Rock. Sie lacht: Wieso sollte es mich stören – rieche sogar gern Rauch im Haar meines Freundes...

KURT, etwa fünfzig, unterwegs zu seinem Arbeitsplatz als Bundesrichter. Er lacht: Meine Schadenfreude war unzähmbar, daß die Grünen aus Landtagen rausgeflogen sind, nach ihrer Forderung, Benzin müsse das Doppelte kosten! Daß auch kleine Leute Auto fahren wollen, ja müssen, ist diesen Ökofundis ein wildfremder Gedanke.

HILDE: Auch wirtschaftlich blöde: Schon vor dreißig Jahren lebte jeder sechste Deutsche von der Autoindustrie oder ihren Zulieferern.

KURT, der seine Pfeife gestopft und angezündet hat: Ein kolossaler Erfolg für Sie, Hilde, daß die Regierungshörigen in Karlsruhe gezwungen waren, Ihre Verfassungsklage überhaupt anzunehmen – Ihr persönlicher Sieg!

HILDE: Meine Argumente enthalten keinen Vorwurf; wie ein Lebewesen abstirbt, so die Verfassung: Die vor einem halben Jahrhundert das Grundgesetz schrieben, können in ihrer Angst vor einer neuen politischen Diktatur eine wirtschaftliche überhaupt nicht im Blick gehabt haben, denn die Wirtschaft lag in Trümmern...

KURT, nickt amüsiert, lacht: Jede Generation starrt kurzsichtig auf das, was ihr auf den Nägeln brennt. Die 1948 dem Volk das Plebiszit verwehrten, fürchteten, Volksabstimmungen machten geneigt, Diktaturen zu errichten!

HILDE, lacht ihn aus: Sie werden doch nicht geglaubt haben, die hätten das ehrlich gemeint! Einige hatten doch persönlich fünfzehn Jahre früher dem Hitler sein Ermächtigungsgesetz beschert und setzten die Lüge in die Welt, das Volk habe den Führer gemacht. Kurt nickt ernst.

HILDE, wieder ihr ansteckendes Lachen, das sie charakterisiert: So auch mit der Fünf-Prozent-Klausel: Nur Jaspers – ein Philosoph! hat rebelliert als einziger, daß die Fünf-Prozent- Klausel nachträglich ins Grundgesetz reingemogelt wurde.

LAUTSPRECHER DES ICE: Verehrte Fahrgäste, wir erreichen in wenigen Minuten Offenburg. Dort haben Sie 11 Uhr 58 Anschluß an einen InterRegio nach Hausach, Hornberg, Triberg und Villingen, Bahnsteig drei.

KURT: Ja, der Jaspers. Gäb’s die Klausel nicht, wäre Ihre Partei längst im Bundestag! Dann könnten die Arbeitslosen mitreden, statt daß nur über sie geredet wird.

 

Geräusch des bremsenden, in den Bahnhof einfahrenden, ziemlich abrupt haltenden Zuges, dann der sich öffnenden Türen.

 

HILDE: Das Grundgesetz ist veraltet, weil es zwar regelt, daß wir allein vor dem Gesetz gleich sind. Nicht aber vor der Wirtschaft, die heute jeden viel stärker im Griff hat. Alle dreißig Jahre sind andere Mächte obenauf. Wenn Don Carlos ausruft: ›Geben Sie Gedankenfreiheit!‹ war das todesmutig in seiner Zeit. Zweihundert Jahre später müßte er rufen: Zähmt die Wirtschaft!

KURT, lacht: Don Carlos hätte es aber heute schwerer als der frühere, weil die Mächte nicht mehr nur einen Kopf haben, wie damals der König von Spanien, heute ist die Macht: Banken und Konzerne – eine Hydra, der einzelne wehrloser.

HILDE: Meinte schon Voltaire: Er werde lieber von einem Löwen regiert als von zweihundert Ratten! Bin neugierig, wir haben nun als Finanzminister einen Sozi, wird der verhindern, daß weiterhin Mercedes null Gewinnsteuern zahlt?

KURT: »Verhindern«? – Erst der Sozi hat’s doch ermöglicht: hat Mercedes erlaubt, weil die Chrysler kauften, Verlustvorträge bis zu 11 Milliarden zu konstruieren! Noch Jahre keinen Pfennig Steuer zu zahlen, völlig pervers: Mercedes hat einen Milliardenkonzern dazugewonnen, doch darf das verbuchen als Verlust – während jeder einzelne, der auch nur das Haus seiner Eltern erbt, dafür natürlich Steuern zahlt.

 

Die ›Stuttgarter Zeitung‹ meldete am 17. 3. 1999: »Detaillierte Angaben über die Steuerzahlungen von Daimler-Chrysler in den letzten Jahren sind nicht zu erhalten.

Der Verlustvortrag von 11,9 Milliarden DM (1997) wurde im Zuge der Fusion mit Chrysler aufgelöst und auf zukünftige Jahre verteilt, so daß er weiterhin steuerlich genutzt werden kann.«

 

HILDE, nickt: Der Witz, Sindelfingen einst die reichste Gemeinde, weil da neben Mercedes auch IBM noch sitzt, wurde zu einer armen, weil die zwei Giganten ihre Milliardengewinne nicht versteuern!

 

Ein Mann, etwa siebzig, und seine etwa zwanzigjährige Enkelin sind zugestiegen – man hört die Türen sich automatisch schließen. Sie belegen die vier Sessel nebenan mit sich und ihrem Gepäck, ohne die Sprechenden abgelenkt zu haben.

 

KURT, lacht: Trifft auch auf Starnberg zu, die Gemeinde, in der die meisten Millionäre wohnen – weil die keine Steuern zahlen,...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2009
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Literatur Romane / Erzählungen
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft
Schlagworte Belletristik • Dramen • eBook • Fusionen • Gesellschaftskritik • Lyrik • Massenentlassungen • Politisches Theater • Schauspiel • Theaterstücke • Werksschließungen • Wirtschaftsliberalismus • Zensur
ISBN-10 3-423-40107-9 / 3423401079
ISBN-13 978-3-423-40107-4 / 9783423401074
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 185 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Melanie Vonthien

eBook Download (2023)
epubli (Verlag)
6,99