Ein jegliches nach seiner Art (eBook)

Neue Geschichten vom Doktor und dem lieben Vieh
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01097-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein jegliches nach seiner Art -  James Herriot
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Vom Glück, ein Tierarzt in den grünen Hügeln von Yorkshire zu sein. Warmherzig und humorvoll erzählt James Herriot aus seiner Zeit als Tierarzt in der wilden Landschaft der Yorkshire Dales. Da ist der zähnefletschende Hund Puppy, der beim Anblick einer Tüte Pommes lammfromm wird. Und ein Dachs, dessen beste Freunde zwei Dobermänner sind ... Diese und viele weitere Begegnungen vom Tierdoktor und Bestseller-Autor James Herriot umfasst dieser fünfte Band der Reihe «Der Doktor und das liebe Vieh». «Das liebe Vieh ist um seinen Tierarzt zu beneiden.» Neue Zürcher Zeitung

Unter dem Pseudonym James Herriot verfasste der 1916 geborene britische Tierarzt James Wight unzählige warmherzige Tierarztgeschichten. Er wuchs in Schottland auf, studierte in Glasgow Tiermedizin und erhielt eine Assistentenstelle in den Nord Yorkshire Dales. Sein Sohn übernahm später die väterliche Praxis, während seine Tochter Ärztin wurde. James Herriot starb am 23. Februar 1995 in Thirsk/Nordengland.

Unter dem Pseudonym James Herriot verfasste der 1916 geborene britische Tierarzt James Wight unzählige warmherzige Tierarztgeschichten. Er wuchs in Schottland auf, studierte in Glasgow Tiermedizin und erhielt zunächst eine Assistentenstelle in den Yorkshire Dales. Sein Sohn übernahm später die väterliche Praxis, während seine Tochter Ärztin wurde. James Herriot starb 1995 in Thirsk, Nordengland. Dies ist der fünfte Band in der Reihe «Der Doktor und das liebe Vieh».

1


Früh am Morgen bin ich nie in Höchstform, schon gar nicht an so einem kalten Morgen im Yorkshire-Frühling, wenn der schneidende Märzwind von den Bergen herunterfegt und mir in die Sachen fährt, mich an der Nase und an den Ohren zwackt. Es war eine freudlose Tageszeit und besonders schlimm, zu dieser Stunde auf diesem gepflasterten Farmhof stehen und miterleben zu müssen, wie dank meiner Unfähigkeit ein schönes Pferd starb.

Es hatte um acht Uhr angefangen. Mr. Kettlewell rief an, als ich gerade mein Frühstück beendete.

«Ich hab hier einen schönen großen Wagengaul, und er hat überall Flecken gekriegt.»

«Ach ja, was für welche denn?»

«Tja, rund und flach; sie sind überall, am ganzen Körper.»

«Und es hat ganz plötzlich angefangen?»

«Ja, gestern abend war er noch gesund und munter.»

«Gut, ich schau ihn mir gleich einmal an.» Ich hätte mir beinahe die Hände gerieben. Nesselsucht. Gewöhnlich heilte die zwar spontan, aber eine Injektion beschleunigte den Prozeß, und ich hatte ein neues Antihistamin, das ich ausprobieren wollte – angeblich sollte es bei dieser Art Erkrankung genau das Richtige sein. Jedenfalls war dies eine Situation, in der man als Tierarzt leicht glänzen konnte. Der Tag ließ sich nicht schlecht an.

In den fünfziger Jahren hatte zwar der Traktor die meiste Arbeit auf den Farmen übernommen, doch es gab in der Gegend immer noch eine stattliche Anzahl von Zugpferden, und als ich auf dem Hof von Mr. Kettlewell ankam, begriff ich, daß dieses hier ein besonderes Pferd war.

Der Bauer führte es aus einer offenen Box auf den Hof. Ein herrlicher Shire, achtzehn Hand hoch, mit einem edlen Kopf, den er stolz schüttelte, als er auf mich zu schritt. Ich empfand so etwas wie Ehrfurcht, als ich die schwellende Kurve des Halses, den Körper mit dem mächtigen Brustkorb und die kräftigen Beine betrachtete, die oberhalb der starken Fesseln einen dichten Haarbehang hatten.

«Was für ein wunderbares Pferd!» stieß ich hervor. «Er ist ja riesig.»

Mr. Kettlewell lächelte in stillem Stolz. «Ja, eine richtige Schönheit. Hab ihn erst letzten Monat gekauft. Ich hab gern gute Pferde um mich.» Er war ein kleiner Mann, schon älter, aber noch rüstig, und einer meiner Lieblingsfarmer. Er mußte hoch hinauflangen, um dem Pferd auf den gewaltigen Hals zu klopfen, woraufhin es den Kopf an ihm rieb. «Friedlich ist er auch. Ganz ruhig.»

«Ja, es ist viel wert, wenn ein Pferd gutmütig ist und auch noch gut aussieht.» Ich ließ die Hand über die typischen Plaques auf der Haut gleiten.

«Tja, Urtikaria, kein Zweifel.»

«Was ist das?»

«Manchmal wird es auch als Nesselsucht bezeichnet. Es ist eine Allergie. Er hat vielleicht etwas Ungewöhnliches gefressen, aber es ist oft schwierig, die genaue Ursache zu bestimmen.»

«Ist es was Ernstes?»

«O nein. Ich habe da etwas zum Injizieren, das ihn bald wieder in Ordnung bringen wird. Sonst fehlt ihm doch nichts, oder?»

«Nein, er ist putzmunter.»

«Gut. Manchmal versetzt so eine Spritze die Tiere in Unruhe, aber dieser Bursche hier scheint ja vor Gesundheit zu strotzen.»

Als ich die Spritze mit dem Antihistamin füllte, dachte ich, daß ich nie wahrere Worte gesprochen hatte. Das mächtige Pferd strahlte Gesundheit und Wohlbehagen aus.

Es bewegte sich nicht, als ich ihm die Injektion gab, und ich wollte die Spritze schon weglegen, als mir etwas einfiel. Bei Urtikaria hatte ich immer ein Markenpräparat verwendet, und es hatte unfehlbar geholfen. Vielleicht sollte man es zusätzlich zum Antihistamin geben, nur zur Sicherheit. Ich wollte, daß dieses Prachtpferd ganz schnell wieder richtig in Ordnung kam.

Ich lief zu meinem Auto zurück, um die alte Reservespritze zu holen, und injizierte die übliche Dosis. Wieder achtete das große Tier gar nicht auf mich, und der Farmer lachte.

«Bei Gott, es macht ihm kein bißchen was aus, wie?»

Ich steckte die Spritze in die Tasche. «Nein, ich wünschte, alle unsere Patienten wären so. Er ist ein Pfundskerl.»

Dies, so dachte ich, war Tierheilkunde in ihrer schönsten Form. Ein leichter, problemloser Fall, ein netter Bauer und ein fügsamer Patient, ein bildschönes Pferd, das ich mir den ganzen Tag lang hätte anschauen können. Ich wollte gar nicht fort, obwohl ich noch andere Visiten vor mir hatte. Ich stand nur da und hörte mit halbem Ohr Mr. Kettlewell zu, der vom bevorstehenden Lammen erzählte.

«Na dann», sagte ich schließlich, «ich muß mich auf den Weg machen.» Ich wendete mich schon zum Gehen, als ich bemerkte, daß der Farmer verstummt war.

Er blieb eine Weile still, dann sagte er: «Er zittert ein bißchen.»

Ich betrachtete das Pferd. In den Beinmuskeln war der Anflug eines Tremors zu erkennen. Er war kaum sichtbar, doch während ich zuschaute, begann er sich allmählich nach oben auszubreiten, bis die Haut am Hals, der Körper und der ganze Rumpf zu vibrieren anfingen. Es war ein ganz leichtes Zittern, doch bestand kein Zweifel daran, daß es nach und nach stärker wurde.

«Was ist das?» sagte Mr. Kettlewell.

«Ach, nur eine kleine Reaktion. Es wird gleich vorbei sein.» Ich bemühte mich um einen lässigen Ton, aber so sicher war ich mir nicht.

Mit quälender Langsamkeit wurde aus dem Zittern ein Schütteln, das den gesamten Körper erfaßte, und dieses wurde, während der Farmer und ich schweigend dastanden, immer heftiger. Mir war, als hätte ich eine ganze Weile dort gestanden und versucht, eine gelassene und unbesorgte Miene zur Schau zu stellen, doch ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Diese plötzliche, unerklärliche Veränderung – es gab keinen Grund dafür. Mein Herz begann zu pochen, und mein Mund wurde trocken, als das Schütteln von schweren Spasmen abgelöst wurde, die den Körper des Pferdes erbeben und ihm die vor kurzem noch so klaren Augen vor Entsetzen fast aus dem Kopf quellen ließen, während ihm Schaum von den Lippen zu tropfen begann. Mein Hirn arbeitete fieberhaft. Vielleicht hätte ich diese Injektionen nicht zusammen geben dürfen, doch das konnte doch nicht diese grauenerregende Wirkung auslösen. Unmöglich.

Während die Sekunden verstrichen, hatte ich das Gefühl, es nicht länger ertragen zu können. Das Blut hämmerte mir in den Ohren. Sicher würde er sich bald erholen – es konnte doch nicht noch schlimmer werden.

Ich irrte mich. Beinahe unmerklich begann das riesige Tier zu schwanken. Zuerst nur ein wenig, dann immer heftiger, bis es sich von einer Seite zur anderen neigte wie eine mächtige Eiche im Sturm. Heiliger Bimbam, es war nahe daran umzukippen, und das wäre dann das Ende. Und dieses Ende mußte bald kommen. Die Pflastersteine erbebten unter meinen Füßen, als das große Pferd mit Getöse zu Boden ging. Ein Weilchen lag es noch dort auf der Seite, die Füße traten konvulsivisch in die Luft, dann war es still.

Das war’s. Ich hatte dieses Prachtpferd getötet. Es war unmöglich, einfach unglaublich, daß dieses Tier noch vor ein paar Minuten in all seiner Kraft und Schönheit dort gestanden hatte, bis ich mit meiner schlauen neuen Medizin gekommen war, und nun lag es da – tot.

Was sollte ich sagen? Tut mir schrecklich leid, Mr. Kettlewell, es ist mir einfach unbegreiflich, wie das geschehen konnte. Mein Mund ging auf, doch es kam nichts heraus, nicht einmal ein Krächzen. Und als sei ich ein Außenstehender, der ein Bild betrachtet, nahm ich das Rechteck der Hofgebäude mit den dunklen, schneegemaserten Bergen dahinter wahr, die sich unter einem tiefen Himmel erhoben, den beißenden Wind, den Bauern, mich selbst – und den reglosen Körper des Pferdes.

Ich fror bis auf die Knochen und fühlte mich hundeelend, doch ich mußte irgendeine Erklärung abgeben. Ich holte tief und zitternd Luft und wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als das Pferd ein wenig den Kopf hob. Weder ich noch Mr. Kettlewell sagten etwas, als das mächtige Tier sich auf die Brust wälzte, ein paar Sekunden lang um sich schaute und dann auf die Beine kam. Es schüttelte den Kopf und ging dann zu seinem Herrn. Die Besserung stellte sich genauso schnell und genauso unglaublich ein wie der verheerende Zusammenbruch, und der krachende Sturz auf den gepflasterten Hof schien ihm nicht geschadet zu haben.

Der Bauer reckte den Arm hoch und tätschelte dem Pferd den Hals. «Schauen Sie, Mr. Herriot, die Flecken sind so gut wie fort.»

Ich ging hinüber und sah es mir an. «Tatsächlich. Sie sind kaum noch zu sehen.»

Mr. Kettlewell schüttelte verwundert den Kopf. «Also wirklich, das ist ja eine wunderbare neue Methode. Aber ich verrat Ihnen was. Ich hoffe, Sie nehmen’s mir nicht krumm, wenn ich das sage, aber» – er legte mir die Hand auf den Arm und sah mir ins Gesicht – «ich denke, sie ist ein bißchen drastisch.»

 

Ich fuhr vom Hof und hielt an der windabgewandten Seite einer Bruchsteinmauer noch einmal an. Eine große Müdigkeit hatte mich überfallen. Derartige Erlebnisse taten mir nicht gut. Ich war nicht mehr der Jüngste – Ende Dreißig – und verkraftete derartige Schocks nicht mehr so wie früher. Ich drehte den Rückspiegel nach unten und sah mich an. Ich war ein wenig blaß, aber nicht so gräßlich blaß, wie ich mich fühlte. Dennoch ließen sich das Schuldgefühl und die Bestürzung nicht vertreiben, und auch nicht der ständig wiederkehrende Gedanke, daß es einfachere Mittel und Wege geben mußte, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, als die eines Tierarztes auf dem Lande. Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage in...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2024
Reihe/Serie Der Doktor und das liebe Vieh
Illustrationen Victor Ambrus
Übersetzer Silvia Morawetz
Zusatzinfo Zahlr. Ill.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte England • Humor • Kurzgeschichten • Tierarzt • Tiergeschichten • Yorkshire Dales
ISBN-10 3-644-01097-8 / 3644010978
ISBN-13 978-3-644-01097-0 / 9783644010970
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 27,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99