Landgeschichten (eBook)

Der neue Roman des Kultautors von 'Stadtgeschichten'
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-02082-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Landgeschichten -  Armistead Maupin
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Armistead Maupins «Landgeschichten» ist ein Gesellschaftsroman, der das bunte Lebensgefühl San Franciscos in die ländichen Cotswolds bringt. Durch seine Texte bricht Maupin seit den Siebzigern mit lakonischem Witz kulturelle Grenzen auf.  Mona Ramsey aus San Francisco hätte nie gedacht, dass aus ihr einmal Lady Mona Roughton werden würde. Als Alleinerbin eines charmanten britischen Anwesens sorgt sie für ordentlich Wirbel in der ländlichen Gesellschaft der Cotswolds. Um ihr Landgut über Wasser zu halten, hat Mona zusammen mit ihrem Adoptivsohn Wilfred die Türen von Easley House für zahlende Gäste geöffnet. Die Freude über den bevorstehenden Besuch ihres alten Freundes Michael Tolliver wird getrübt durch die Ankunft eines amerikanischen Ehepaars, das ein dunkles Geheimnis umgibt. Mona muss all ihren Charme und ihren Erfindungsreichtum einsetzen, um die Dinge vor dem jährlichen Mittsommernachtsfest in Ordnung zu bringen. Für Fans von Armistead Maupin und diejenigen, die es werden wollen - Monas Abenteuer im England der 1990er-Jahre sind kultig, amüsant und queer. Der zehnte Band der «Stadtgeschichten»-Reihe kann unabhängig gelesen werden. Erstmals in den Siebzigerjahren erschienen, hat Armistead Maupin sich mit seinem «Stadtgeschichten» Zyklus sowohl über soziale als auch über sexuelle Barrieren hinweggesetzt, noch bevor die LGBTQIA+ Community überhaupt so genannt wurde. Er lässt seine heterosexuellen und queeren Charaktere gleichermaßen Herzschmerz und Triumph, atemraubenden Schrecken und erfreuliche Zufälle erleben. Das Ergebnis ist eine funkelnde und süchtig machende Sittenkomödie.

Armistead Maupin, geboren 1944 in Washington, studierte Literatur an der University of North Carolina und arbeitete als Reporter für eine Nachrichtenagentur. Er schrieb für Andy Warhols Zeitschrift Interview, die New York Times und die Los Angeles Times. Seine Geschichten aus San Francisco, die berühmten «Tales of the City», verfasste er über fast zwei Jahrzehnte als täglichen Fortsetzungsroman für den San Francisco Chronicle. Maupin lebt mittlerweile in Großbritannien.

Armistead Maupin, geboren 1944 in Washington, studierte Literatur an der University of North Carolina und arbeitete als Reporter für eine Nachrichtenagentur. Er schrieb für Andy Warhols Zeitschrift Interview, die New York Times und die Los Angeles Times. Seine Geschichten aus San Francisco, die berühmten «Tales of the City», verfasste er über fast zwei Jahrzehnte als täglichen Fortsetzungsroman für den San Francisco Chronicle. Maupin lebt mittlerweile in Großbritannien.  Michael Kellner, 1953 in Kassel geboren, war, früher im Leben, Buchhändler und Verleger und übersetzt u.a. William S. Burroughs, Allen Ginsberg, Armistead Maupin und Atticus Lish. Er lebt in Hamburg. Agnes Krup, geboren 1962 in Hamburg, ist eine deutsch-amerikanische Schriftstellerin, Übersetzerin und Lektorin. Ihr erfolgreiches Debüt "Mit der Flut" erschien 2017, darauf folgten die Romane "Sommergäste" sowie"Leo und Dora". Nach vielen Jahren in New York lebt sie heute in Berlin.

1. Das Herrenhaus wartet schon


Dem Reiseführer zufolge hatten sie bereits das «legendenumwobene Herz von England» erreicht, aber Rhonda Blaylock sah durch das Zugfenster nicht mehr als einen wässrigen grünen Schleier, während der Zug durch die Landschaft rumpelte.

«Im Herrenhaus werden wir es nett und kuschelig haben», sagte sie aufmunternd zu ihrem Ehemann, der angesichts des Wetters bereits muffelig wurde. Sie war begeistert, dass ihr das Wort «Herrenhaus» so selbstverständlich über die Lippen kam. Sie hatte zuvor nie die Gelegenheit gehabt, es laut auszusprechen, wenn man mal das Herrenhaus Barbecue nicht mitzählte, wo sie und Ernie ihre Silberhochzeit gefeiert hatten, zu Hause in North Carolina. Jetzt waren sie aber unterwegs zu einem echten Herrenhaus – erbaut in der Regierungszeit von Königin Elisabeth I. –, und sie konnte ihre Begeisterung kaum zügeln.

«Hast du ihnen gesagt, dass wir kommen?», brummelte Ernie und presste sein Gesicht missmutig gegen das Fenster.

«Natürlich.» Sie hatte vom Bahnhof in Oxford nur aus diesem Grunde dort angerufen. «Ein Mann mit wohlklingender Stimme sagte, dann würde er sich gleich mal dranmachen, unsere Bettpfannen vorzuwärmen.»

Er drehte sich um und starrte sie mit offenem Mund an. «Was will er?»

Sie kicherte über ihren Lapsus. «Bettwärmer … oder so was. Das haben sie früher für Gäste gemacht, wenn sie das Bett aufschlugen. Ich glaube, es war der Butler.»

«Warum?»

«Er nannte sich Wilfred. Kein Nachname.»

«Ich dachte, Butler werden immer mit Nachnamen angeredet.»

Ernie war einfach auf Krawall gebürstet, aber darauf ließ sie sich gar nicht erst ein. Das hier war nicht die teuerste Unterkunft ihrer Tour durch zehn europäische Städte (dieser Titel gebührte einem noblen Marriott in Paris), aber es war diejenige, von der Rhonda geträumt hatte, seit sie eine Postkarte bekommen hatte, mit der ihre Zahlung per Diners-Club-Kreditkarte bestätigt worden war. Auf der einen Seite war eine idyllische Tuschezeichnung von Easley House; auf der anderen fand sich eine persönliche Nachricht von der Lady des Gutshauses. «Willkommen in meinem Haus», hieß es dort, von Lady Roughton höchstselbst (in nicht weniger als rosafarbener Tinte). «Wir sehen Ihrem Besuch höchst freudig entgegen.»

In Rhondas Ohren klang das herzlich und persönlich. Nicht nur freudig, sondern höchst freudig wurden sie erwartet, wie eine alte Freundin von der Highschool, die sie in ihrem Cottage in Nags Head begrüßte. Doch hier handelte es sich um eine englische Aristokratin, eine völlig Fremde, deren Familie fast fünfhundert Jahre in diesem Haus gewohnt hatte. Diese lässige Liebenswürdigkeit schien weit über das Nötige hinauszugehen, auch wenn sie die Blaylocks tausend Pfund für einen dreitägigen Aufenthalt kostete.

Sie war so froh, dass sie über die Kleinanzeige in der Zeitschrift Southern Living gestolpert war. Dies würde etwas ganz Besonderes werden.

 

Wie angewiesen stiegen sie in Moreton-in-Marsh aus, einem idyllischen Dorf, das aus dem rotgoldenen Kalkstein der Cotswolds erbaut war. Der Wind und der peitschende Regen setzten ihren Taschenregenschirmen schwer zu und boten Ernie Anlass für eine weitere Tirade.

«Im Black Bear bekommst du erst mal einen heißen Rum», sagte sie zu Ernie und hakte sich bei ihm ein, während sie sich die Straße entlangkämpften und das Gepäck hinter sich herzogen. Wilfred hatte ihr von dem Pub erzählt und auch, dass man beim Barkeeper einen Fahrer nach Easley House bestellen sollte.

Als sie den Pub erreicht und den Regen abgeschüttelt hatten, taten sie genau das.

«Der Fahrer heißt Colin», sagte der Barkeeper. «Wird in zwanzig Minuten hier sein. Ein Glatzkopf mit großen schwarzen Augenbrauen. Die zwei Grog sind gleich fertig. Wie wär’s mit ein paar hübschen Schottischen Eiern aufs Haus, während ihr wartet?»

«Was ist das?», fragte Ernie misstrauisch.

Bevor der Barkeeper nur ein Wort sagen konnte, klärte Rhonda ihn auf. «Das ist ein hart gekochtes Ei in paniertem Hackfleischteig, der gebraten wird. Komm schon, Ernie, so Sachen magst du doch.» Sie hatte erst vor Kurzem in einem englischen Liebesroman von Schottischen Eiern gelesen, und es amüsierte sie, diese jetzt im echten Leben angeboten zu bekommen. «Wir nehmen zwei», ließ sie den Barkeeper wissen. «Und kümmern Sie sich nicht um das Gesicht, das mein Mann zieht. Er hat in letzter Zeit zu viel gearbeitet.»

Ernie hatte den größten Teil des Jahres seine Anwaltstätigkeit ruhen lassen, um Jesse Helms’ Kampagne zur Wiederwahl in North Carolina zu unterstützen. Es war eine erschöpfende Erfahrung gewesen, aus der er missmutiger als normal hervorgegangen war. Natürlich hatte der Senator gewonnen (der Senator gewann immer), aber nach der Wahl hatte er nicht mal einen Dankesbrief an Ernie geschickt, geschweige denn ihn zum Lunch in die Senats-Cafeteria eingeladen, worauf Ernie gehofft hatte. Seitdem, hatte Rhonda bemerkt, war ihr Mann zunehmend reizbar geworden, was den Umgang mit Dienstpersonal betraf – sei es ihre gewissenhafte Hausangestellte Alva oder dieser nette Barkeeper oder der Kellner in London im Simpson’s-in-the-Strand, der das Roastbeef nicht so tranchiert hatte, wie Ernie es bevorzugte.

Der Barkeeper warf ihnen ein schiefes Lächeln zu und stellte die Eier vor ihnen ab. «Sie sind also Freunde von Lady Roughton?»

«Nein», antwortete sie. Sie war begeistert, für eine Freundin von Lady Roughton gehalten zu werden, und fragte sich kurz, ob wohl ihr Montaldo’s-Regenmantel und der Fuchsjagd-Schal von Hermès diesen Eindruck hervorgerufen hatten. Sie musste es einfach fragen: «Warum glauben Sie, dass wir Freunde sind?»

Der Barkeeper wischte den Tresen und zuckte mit den Achseln. «Sie sind doch Amerikaner, oder?»

Ernie kniff die Augen zusammen. «Ja, und zwar stolze.»

Rhonda warf ihrem Mann einen missbilligenden Blick zu, bevor sie dem Barkeeper antwortete. «Ist Lady Roughton mit vielen Amerikanern bekannt?»

Ein weiteres Achselzucken. «Ich vermute schon. Schließlich ist sie selbst Amerikanerin.»

«Sie ist Amerikanerin? Ich dachte, ihre Familie reicht zurück bis in elisabethanische Zeiten?»

«Tut sie auch. Aber sie kam vor zehn Jahren und heiratete Lord Teddy. Dann starb das arme Schwein, und sie musste den Laden schmeißen. Obwohl sie das scheinbar mag. Sie hat mir gesagt, das sei offenbar ihr Schicksal. Läge in der Familie. Keine Ahnung, was es damit auf sich hat … nun ja.»

«Dann kennen Sie sie?»

«Alle kennen sie. Sie kommt ins Dorf zum Einkaufen.» Er pausierte kurz. «Ihr seid also keine Freunde, sondern Feriengäste?»

Rhonda murmelte etwas Zustimmendes und fühlte sich irgendwie beschämt.

 

Colin, der glatzköpfige Fahrer mit den buschigen Augenbrauen, war ein wortkarger Mann. Während der zwanzigminütigen Fahrt vom Pub nach Easley House sagte er kaum ein Wort, selbst dann nicht, als Rhonda sich anerkennend über die Landschaft äußerte: die vorbeiziehenden Auen, die Kapelle am Wegesrand, deren Fenster im Regen rosarot aufleuchteten, eine uralte Holzscheune, marode, aber irgendwie doch schlicht schön. Jedes Cottage, das sie unterwegs sahen, war aus dem gleichen rotgoldenen Kalkstein erbaut worden, den sie schon im Dorf gesehen hatten. Diese Einheitlichkeit sorgte dafür, dass irgendwie alles mit allem zusammenzugehören schien, die verstreute Nachkommenschaft des großen Hauses höchstselbst, das plötzlich am Ende eines Hohlwegs vor ihnen auftauchte.

Bei dem Anblick schnappte Rhonda nach Luft. «Oh, Ernie, schau bloß.»

«Ich sehe es», sagte ihr Gatte.

Easley House war ein weitläufiges, zweistöckiges Gebäude mit hohen Giebeln, die in ein steiles Dach schnitten. Durch die vielen Jahre und das Wetter war der Kalkstein hier nachgedunkelt und hatte jetzt einen vielfältigen Grauorangeton angenommen, wie das Fell eines Tigers. Der Dachfirst war mit Zinnen wie auf einem Hochzeitskuchen geschmückt, und das Eingangstor war so imponierend, dass man es aus großer Entfernung erkennen konnte. Während Colin in eine Zufahrt an der Seite des Hauses mit tiefen Spurrillen einbog, sah sie, wie sich Rauch aus einem gewaltigen Schornstein kringelte. Rhonda fühlte ihr Herz schneller schlagen, als sie sich vorstellte, in das imposante Haus einzutreten.

«Wie kommen wir jetzt zum Eingangstor?», fragte sie, während Ernie das Gepäck auslud.

«Das Eingangstor wird nicht benutzt.»

«Von Gästen, meint er», sagte Ernie.

«Nein, Sir. Niemand benutzt es. Es ist zugenagelt. Lady Mo sagt, es macht nur Ärger.»

«Wer?»

«Lady Roughton heißt Mona. Einige von uns nennen sie Lady Mo.»

«Nein, ist das niedlich. Wie Lady Di. Glauben Sie, es würde sie stören, wenn wir sie …?»

«Was sind wir Ihnen schuldig?», fragte Ernie, den das Geplauder ungeduldig machte.

«Genau zehn Pfund», sagte der Fahrer.

Ernie fischte einen Schein aus der Brieftasche und gab ihn dem Fahrer. «Danke, Colin. Und wie in drei Teufels Namen kommen wir jetzt da rein?»

«Gleich hier, Sir.» Er zeigte auf eine unscheinbare Tür vor dem Auto. «Gehen Sie einfach den Gang entlang, bis Sie in eine große Halle kommen. Dort liest Sie dann jemand auf.»

Also ratterten sie und Ernie mit ihrem Gepäck durch einen muffigen Flur, an dessen Wände Gartengeräte und rostige Fahrräder gelehnt waren.

Ernie grunzte hörbar. «Tausend Pfund», murrte er.

«Psssst», fuhr sie ihn an und legte den...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2024
Reihe/Serie Stadtgeschichten
Übersetzer Michael Kellner, Agnes Krup
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1980er • 80er Jahre • 90er • Adoption • Aristokratie • Bücher Neuerscheinungen 2024 • Familienmodelle • found family • Freundschaft • Freundschaftsroman • Gegenwartsliteratur • Gesellschaftspolitik • Gesellschaftsroman • Humor • humorvolle Romane • Lesbische Liebe • lgbtqia+ • Liebesgeschichten • lustige bücher für erwachsene • Neunziger Jahre • Queerer Liebesroman • queere Unterhaltungsliteratur • Scheinehe • Schwules Leben • Stadtgeschichten Netflix • Tales of the City • Wahlfamilie • Zeitgenössische Literatur
ISBN-10 3-644-02082-5 / 3644020825
ISBN-13 978-3-644-02082-5 / 9783644020825
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