Das Antiquariat an der Seine (eBook)

Roman
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2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46450-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Antiquariat an der Seine -  Lorenza Gentile
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Eine Italienerin in Paris - Neuanfang nicht ausgeschlossen. Poetisch und mit liebevollem Humor erzählt der Roman »Das Antiquariat an der Seine« von Selbstfindung, einem Familiengeheimnis und der Kult-Buchhandlung »Shakespeare & Company« in Paris. Äußerlich ist die 30-jährige Italienerin Oliva Villa immer perfekt gestylt und auf dem besten Weg in das ideale Vorstadt-Leben, nebst attraktivem Verlobten. Von der Leere in ihrem Inneren ahnt niemand etwas. Als Oliva eine Einladung ihrer exzentrischen Tante Vivienne erhält, die vor 16 Jahren von einem Tag auf den andern aus ihrem Leben verschwand, zögert sie nicht lang und fährt nach Paris. Doch vor der berühmten Buchhandlung »Shakespeare & Company«wartet sie vergeblich auf Vivienne. Immer wieder scheint Oliva ihre Tante in den nächsten Tagen knapp zu verpassen - dafür begegnen ihr Bücher, Gedanken und das Leben selbst mit all seinen Möglichkeiten ... Der Sinnsuche-Roman der italienischen Autorin Lorenza Gentile eroberte in Italien direkt die Bestseller-Liste und sprüht vor Lebensfreude. Mit seiner Heldin Oliva auf der Suche nach sich selbst und dem zauberhaften Flair der 100 Jahre alten Buchhandlung»Shakespeare & Company« ist »Das Antiquariat an der Seine« wunderbar inspirierende Unterhaltung für die Leser*innen von Elena Molini, Jackie Fraser oder Nina Georges »Lavendelzimmer«.

Lorenza Gentile wurde 1988 in Mailand geboren. Ihre Leidenschaft für Literatur und für das Theater entstand schon in der Kindheit, die sie in Florenz und Mailand verbrachte. Sie studierte Drama und Theaterwissenschaften an der Goldsmiths University, London, und besuchte die internationale Theaterschule Jacques Lecoq in Paris. 'Während meines Studiums nahm ich viele schlechte Gewohnheiten an, glücklicherweise aber gab ich eine gute, die ich hatte, niemals auf: das Schreiben.'

Lorenza Gentile wurde 1988 in Mailand geboren. Ihre Leidenschaft für Literatur und für das Theater entstand schon in der Kindheit, die sie in Florenz und Mailand verbrachte. Sie studierte Drama und Theaterwissenschaften an der Goldsmiths University, London, und besuchte die internationale Theaterschule Jacques Lecoq in Paris. "Während meines Studiums nahm ich viele schlechte Gewohnheiten an, glücklicherweise aber gab ich eine gute, die ich hatte, niemals auf: das Schreiben."

2.


Als ich klein war, kam Tante Vivienne oft zu Besuch. Sie brachte jedes Mal einen riesigen Koffer aus Paris mit, voll mit antiquarischen Büchern und Kleidung, die meine Mutter für reichlich geschmacklos hielt. Bunte Socken, breitkrempige Hüte, lange, mit Perlen bestickte Röcke, Paillettenhosen, Pelzjacken … ich war verrückt danach.

Vivienne war schlank und voller Energie. Sie hatte haselnussbraune Augen und lange Wimpern, zartrosa geschminkte Lippen und trug ihre blonden Haare zu einem kurzen Bob geschnitten, der später weiß wurde. Als junge Frau hatte sie als Model gearbeitet und wurde zum Gesicht der Werbekampagnen von Orangina, Chinotto und dem Bialetti-Standmixer. Ständig hatte sie Liebeskummer. Die Männer, in die sie verliebt war, erwiderten ihre Gefühle nämlich nie. Deshalb steckte sie all ihre Energie in immer neue Projekte und Hobbys.

In ihrer astrologischen Phase verkündete sie, dass nicht nur Sternzeichen und Aszendent von Bedeutung wären, sondern das ganze Astralhoroskop für die einzelnen Personen in Betracht gezogen werden müsse. Die Strenge meines Vaters kam davon, dass er mit Jupiter im Steinbock geboren ist, und das große Problem von Nonna Renata war Uranus im siebten Haus. In dieser Phase war sie stets blau gekleidet, trug silberne Kreolen an den Ohren und lange Halsketten mit eingefassten Anhängern aus Halbedelsteinen.

Dann kam die Zeit des Umweltaktivismus, die nach ihrer ersten Afrikareise begonnen hatte. Auf einmal war sie Vegetarierin, trug selbst in der Stadt Kleidung, als würde sie gleich auf Safari gehen, und hatte eine wahre Obsession für die Geschichten von Karen Blixen. Kaum war sie von ihrer Reise zurückgekehrt, reiste sie gleich wieder ab, um eine Elefantenfamilie in der Serengeti zu retten, und ließ dafür das Weihnachtsessen ausfallen.

Mein Vater hielt sie für launenhaft und oberflächlich, aber ich fand das ganz und gar nicht. Sie ging vollständig und voller Euphorie in jeder ihrer Phasen auf und brachte von ihren nicht enden wollenden Entdeckungsreisen zu anderen Welten neue wichtige Lektionen mit. Sie studierte weiterhin die Stellung der Planeten für die Menschen, die ihr am Herzen lagen, und sie blieb Vegetarierin, zumindest bis zum letzten Mal, als wir uns gesehen haben.

Mit meiner Tante konnte ich als Kind die gefährlichsten Dinge tun: mit den Händen über ein offenes Feuer streichen, den einhändigen Handstand versuchen und die elektrische Küchenmaschine benutzen. Wir unterhielten uns unterwegs mit wildfremden Menschen, verirrten uns in den Straßen von Mailand und färbten uns mit Haarfarbe aus dem Supermarkt die Haare blau.

Sie war gegen alles Mögliche, gegen Tafelsilber, Verschwendung, Gefängnisse, Videospiele, Benimmregeln, Anglizismen oder die Ehe. Und sie hatte von allem ihre eigenen Vorstellungen: »Das Reisen muss dich verändern, sonst ist es nur Tourismus!«, »Die Menstruation ist kein Grund, sich zu schämen!«, »Scheitern ist immer auch eine Chance!«, »All unsere Übel haben ihren Ursprung in der industriellen Revolution!«. Es schien mir, als würde jede ihrer Gesten ein Echo erzeugen und die Welt enthüllen, als ob es die Realität nur geben würde, um ihr als Resonanzboden zu dienen.

Sie brachte mir bei, die Leute, die sich über meinen Namen lustig machten, zum Schweigen zu bringen. Mein Name ist das einzige Extravagante im Leben meiner Eltern. Das kam so: Nach dem Verlust meines Bruders konnten meine Eltern keine Kinder mehr bekommen. Als sie in Cefalù Urlaub machten, knieten sie sich in der Kirche Santa Oliva vor der Statue der Heiligen aus Palermo nieder und baten um ihre Gnade. Neun Monate später kam ich auf die Welt. Ganz offenbar war ich ein Wunder, man musste mich einfach so nennen.

»Es ist ein wunderschöner Name«, tröstete mich meine Tante. »Weißt du, was du zu deinen Klassenkameraden sagen kannst? Dass er aus dem Lateinischen kommt. ›Könnt ihr Latein?‹, musst du fragen. Und wenn sie Ja sagen, sagst du: ›Veni, vidi, vici.‹ So bringst du sie zum Schweigen.«

Genauso habe ich es gemacht. Und es hat funktioniert. Manchmal.

Als ich älter wurde, wurde Tante Vivienne zu meiner Vertrauten. Flaschenspiele, Knutschflecken, erste Küsse – ich konnte sie immer um Rat fragen. Da sie kein Telefon besaß, beschrieb ich ihr meine Dilemmas per Post. Sie antwortete mit Zitaten von Martin Luther King, Buddha, Madonna und Sätzen aus der Bibel. Es waren Weisheiten, die mir immer geholfen haben, insbesondere das fröhliche Motto »Allegria« des Showmasters Mike Bongiorno.

Vivienne war meine einzige und liebste Tante.

Das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben, befand sie sich in ihrer romantischen Phase. Sie trug gotisch anmutende Ohrringe, las Lord Byron und Shelley, pries das Erhabene, verkündete die Notwendigkeit einer unmittelbaren Naturverbundenheit und verteidigte das Ideal der Freiheit.

Sie spielte mir Schubert, Strauss, Wagner, Tschaikowski und Mahler vor. Sie war aus Paris gekommen, weil es Nonna Renata immer schlechter ging, doch anstatt Wache an ihrem Krankenbett zu halten, beschloss sie, mit mir nach Ligurien zu fahren, »um mich das Meer zu lehren«. Das war Januar 1995. Ich war vierzehn Jahre alt.

Das Meer kann man nur im Winter lehren, erklärte sie mir, und deshalb mussten wir sofort los. Wir wollten einen Tagesausflug machen und sind am Ende zwei volle Tage geblieben. Als wir zurückkamen, war meine Großmutter tot.

Mein Vater hatte Vivienne ganz aufgelöst in sein Arbeitszimmer zitiert. Eine gefühlte Ewigkeit sprachen sie dort so leise hinter verschlossenen Türen, dass ich, sosehr ich auch die Ohren spitzte, nichts hören konnte. Meine Tante verließ noch am selben Abend in aller Eile, und ohne ein einziges Wort zu sagen, unser Haus. Meine Eltern und ich haben beim Abendessen schweigend auf unsere Teller gestarrt. Es fühlte sich an wie ein zweiter Trauerfall. Als ich meinen ganzen Mut zusammennahm und fragte, was eigentlich passiert war, sagte mein Vater, dass er etwas über meine Tante erfahren hätte. Genauer gesagt, er habe etwas in ihrem Koffer gefunden. Etwas, das so ernst war, dass wir nie wieder Kontakt zu ihr aufnehmen durften und so tun sollten, als hätte sie nie existiert.

Meine Tante? Nie existiert? Ich verstand kein Wort und konnte mir einfach nicht erklären, wodurch solch eine extreme Reaktion gerechtfertigt war. Doch nur durch ein Verbrechen, sagte ich mir. Ich stellte mir eine Waffe vor, Schmiergeldzahlungen mit gestohlenem Geld, falsche Dokumente … Aber wäre die Tante dazu wirklich in der Lage? Sie, die an die reine Liebe glaubte, an Pazifismus und den Weltfrieden? Sie, die eher gehungert hätte, als sich eine Hähnchenbrust auf den Grill zu legen? Nein, es musste irgendeine andere Erklärung geben. Etwas, was außerhalb meiner Vorstellungskraft lag.

An jenem Abend vor so langer Zeit fand ich in meinem Zimmer ein französisches Taschenwörterbuch auf dem Bett. Darin lag ein Stadtplan von Paris, auf dem ein Post-it-Zettel klebte: Veni, vidi, vici. Ich warte auf dich. Viv.

Das war der Anfang von vielen Dingen. Mein Vater hatte aufgehört, fröhlich zu sein. Abends verkroch er sich stets in sein Arbeitszimmer und starrte aus dem Fenster in die Nacht hinaus. Meine Mutter war zunehmend gebrechlich, immer in gereizter Stimmung und eigentlich nie zufrieden.

Nachdem ich monatelang nicht herausfinden konnte, was meine Tante Schlimmes angestellt hatte, gab ich auf. Ich fing an zu zweifeln. In gewisser Weise verabscheute ich sie. Sie hatte die Spielregeln zu Hause geändert und kam nicht mehr zurück. Sie war einfach verschwunden.

Eines Morgens leistete ich vor meinem Spiegelbild im Wohnzimmerfenster, das zum Garten hinausgeht, einen feierlichen Schwur: Niemals würde ich die Menschen um mich herum so sehr enttäuschen. Und niemals würde ich mit irgendjemandem über sie sprechen. Doch dann verbrachte ich viele Stunden damit, Petit Choux, Eclairs, Tartes Tatin und Macarons zu backen, und lernte Französisch mit einem heimlich gekauften Grammatikbuch. Zu Hilfe nahm ich dabei das kleine Wörterbuch, das sie mir geschenkt hatte.

Als meine Tante noch da war, schien mir alles möglich zu sein. Die Welt war bunter, und ich fühlte mich nie allein. Und irgendwo, vielleicht auch weit weg, in Paris, in Afrika oder am Nordpol, gab es einen Menschen, der mich verstand. Ohne sie wusste ich weder, wem ich mich anvertrauen konnte, noch, mit wem ich meine Zeit verbringen sollte. Ich war wieder ein Nichts geworden.

Also begann ich, ihr Briefe zu schreiben. Eine Antwort erhielt ich jedoch nie. Sie hat anscheinend ihre Adresse geändert. Was mein Vater über sie herausgefunden und warum sie sich nie wieder gemeldet hat, blieb ein Geheimnis. Es war die zweite tiefe Wunde unserer Familie.

 

Die Mittagspause ist fast um. Es ist sehr wichtig, wiederhole ich immer wieder in Gedanken, ich erwarte dich nächste Woche bei Shakespeare and Company …

Wie jeden Montag hänge ich mir um Punkt ein Uhr meine Sporttasche um und verlasse das Büro. Spontan beschließe ich, noch schnell einen Kaffee zu trinken und einen kleinen Umweg zu machen. Ich gehe in meine Lieblingsbar, die von einer freundlichen chinesischen Familie betrieben wird. Der Ort wirkt unpersönlich und steril, aber ich mag ihn, weil niemand hierherkommt, und wegen des Sohnes der Besitzer, der sich nur von Snacks und Limo zu ernähren scheint. Der Glückliche! Einmal hat er mir ein Stück weiße Schoko mit Kirschen angeboten. Es war sehr schwer, aber ich konnte der Versuchung...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2023
Übersetzer Annette Lardschneider-Pedicini
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-426-46450-0 / 3426464500
ISBN-13 978-3-426-46450-2 / 9783426464502
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