Das Haus an der Herengracht (eBook)

Roman | Eine junge Frau zwischen Liebe und Vernunft in Amsterdams Goldenem Zeitalter
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77645-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus an der Herengracht -  Jessie Burton
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Amsterdam, 1705: Thea Brandt ist gerade achtzehn geworden und will endlich tun und lassen, was sie will. Sie liebt das Theater und nach den Vorstellungen besucht sie heimlich ihren Geliebten, Walter, den Kulissenmaler der Schouwburg. Doch als Tochter einer verarmten Kaufmannsfamilie, die nach und nach ihren Hausrat verkaufen muss, um sich über Wasser zu halten, wird von Thea erwartet, 'eine gute Partie' zu machen. Auf einem Ball stellt ihre Tante ihr Jacob van Loos vor, einen wohlhabenden Sohn aus gutem Hause. Eine Heirat mit ihm würde Thea nicht nur vor einem Leben in Armut bewahren, sondern ihr und ihrer Familie auch einen Platz in der feinen Gesellschaft sichern, der ihr bislang verwehrt war - Thea ist unehelich und hat auffallend dunkle Haut. Thea muss sich entscheiden: Rettet sie ihre Familie - oder folgt sie ihrem Herzen?

In ihrem fulminanten neuen Roman führt Jessie Burton uns durchs Goldene Zeitalter Amsterdams und erzählt von einer leidenschaftlichen jungen Frau, die ihren Weg selbst bestimmen will.



<p>Jessie Burton, 1982 in London geboren, hat Englisch und Spanisch in Oxford sowie Schauspiel an der Central School of Speech and Drama studiert. Ihr erster Roman <em>Die Magie der kleinen Dinge</em> (2014) wurde mehrfach ausgezeichnet, derzeit wird er von BBC One fürs Fernsehen verfilmt. 2016 erschien ihr neuer Roman <em>Das Geheimnis der Muse</em>. Ihre Bücher wurden in 38 Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller. Jessie Burton lebt in London.</p>

II


Gegen halb zwölf sind Thea und Cornelia mit flatternden Schals und unter heiterem Geplauder abgezogen, und Nella und Otto bleiben allein zurück. Erschöpft von den Anstrengungen des Geburtstagsfrühstücks kommen die beiden, nachdem sie sich angekleidet haben, wieder in dem noch unaufgeräumten Salon zusammen. Das Haus um sie herum ist still und leer, Lucas, vollgefressen mit Rührei, schläft tief und fest, ein Kissen auf ein Kissen gebettet. Nella blickt auf die kahlen Wände und das spärliche Feuer. Sie haben dieses Zimmer seit Monaten nicht mehr genutzt – es lässt sich schwer heizen: Es ist zu groß, zu viele kahle Flächen. Ende Dezember sind die Kanäle zugefroren, und man spürt in dem Raum, wie sich die Stadt da draußen verhärmt zurückgezogen hat.

Ins Freie zu gehen, kostet Überwindung: Regen durchnässt die Kapuzen, der Wind packt einen mit eisigen Händen. Nella sehnt sich nach helleren Vormittagen, längeren Nachmittagen, danach, dass sie ihren abgenutzten Pelzkragen wieder in die Truhe aus Zedernholz legen kann. Das kostbare Brennholz wird nach der Feier heute Morgen auf einen kleinen Haufen geschrumpft sein, aber normalerweise macht man ja nur in der Küche Feuer. Es wäre sinnlos, dieses ganze kahle Gebäude zu beheizen, das zu groß ist und in dem es überall hallt, weil sie viele Möbel und auch die Wandbehänge verkauft haben. Sie haben noch Torf, der aber schrecklich qualmt. Nella sehnt sich nach dem Frühling.

»Ich glaube nicht, dass wir das zu ihrem Neunzehnten noch einmal machen«, bemerkt sie. »Hast du den Ausdruck auf ihrem Gesicht gesehen?«

»Es hat ihr gefallen«, sagt Otto.

Nella wechselt das Thema. »Wir sollten uns öfter hier drin sehen lassen«, sagt sie. Sie starrt durch die großen Fenster. »Damit die Nachbarschaft weiß, dass bei uns alles in Ordnung ist.«

»Dieses Theater ist so ermüdend.«

»Das ist mir wohl bewusst.«

»Wir müssen sparsamer wirtschaften. Wieder ein Gulden für Wachskerzen.«

»Es ist ihr Geburtstag«, sagt Nella, aber sie weicht Ottos Blick aus. Sie will nicht zugeben, dass sie selbst es war, die diese Kerzen haben wollte: Sie sollten ihr in Erinnerung rufen, wie es war, als das ganze Haus mit dem Duft von Honig erfüllt war. »Weißt du noch«, sagt sie zögernd, denn Otto schwelgt nicht gern in Erinnerungen an die Vergangenheit, »wie wir Rosenöl verbrannt haben?«

»Haben wir das?«

»Das beste, das es in der Stadt gab, von einem Händler, der es aus Damaskus mitbrachte. Wir haben sämtliche Räume damit parfümiert.« Nella schweigt eine Weile. »Ich bedaure es nicht. Oder vielleicht doch?« Sie fuchtelt hilflos herum. »Weil wir jetzt unsere Bilder verkaufen, damit wir den Metzger bezahlen können.«

Otto seufzt erneut, und Nella schüttelt eines der verbliebenen Kissen auf, dass es staubt. Sie setzt sich, das Kissen auf ihrem Schoß, als wollte sie es wiegen wie ein Kind, und streicht mit den Handflächen über die geschnitzten Löwenköpfe des Stuhls, die vertrauten mit Akanthusblättern umkränzten Mähnen. Sie schließt die Augen, zeichnet mit den Fingerspitzen die hölzernen Nüstern nach und schickt ein Stoßgebet zu Gott, aber auch – warum nicht? – an Aphrodite: Lass es heute Nacht gelingen. Mach, dass sie einem gefällt.

Sie öffnet die Augen und sieht, dass Otto sie anschaut. Sein Blick ist missbilligend. »Ich weiß, dass du nicht auf den Ball gehen willst«, sagt sie.

»Du wirst mir ja wohl nicht weismachen wollen, dass du die Gesellschaft von Clara Sarragon angenehm findest.«

»Was ich angenehm finde, ist unerheblich. Was im Besonderen Clara Sarragon betrifft, so will ich möglichst wenig mit ihr zu tun haben. Wir gehen um Theas willen dorthin.«

»Damit sie angestarrt und hinter vorgehaltener Hand über sie getuschelt wird? Mein ganzes Leben lang habe ich mich bemüht, alles zu tun, damit mein Kind kein Schaustück wird. Sie werden sie zu einem machen. Und wir werden diejenigen sein, die daran schuld sind.«

»Es könnte etwas Gutes sein, wenn die Leute auf sie aufmerksam werden. Thea ist schön, eine vollendete Schönheit. Sie verdient eine Chance.«

»Eine Chance auf was?«

Nella wagt es nicht, das große Wort auszusprechen: Heirat. Otto starrt in den leeren Kamin, sein Mund ist ein Strich. »Du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn die Leute auf jemanden wie mich und wie Thea ›aufmerksam werden‹«, sagt er. »Es ist nicht so, wie du denkst.«

Nella hütet ihre Zunge. Amsterdam ist eine Hafenstadt, voller Menschen verschiedenster Art. Da sind die Hugenotten, protestantische Franzosen, die vor den mörderischen Verfolgungen durch Katholiken aus ihrer Heimat geflohen sind; sie wurden ihrer Handwerkskunst wegen in dieser stets pragmatischen Stadt willkommen geheißen, denn sie verstehen es, die Seide, die aus dem Osten hereinkommt, zu schönen Kleidern zu verarbeiten, in denen die Amsterdamer herumstolzieren können. Und dann gibt es noch all die anderen Migranten, Deutsche, Schweden, Engländer, Dänen, die im Haushalt arbeiten oder auf dem Bau. Reiche portugiesisch-jüdische Kaufleute, die Plantagen in Brasilien besitzen, bauen sich Häuser in der Nähe des Goldenen Bogens; überall in der Gegend hört man die unverständlichen melodischen Laute ihrer zwei Sprachen. Am Hafen leben Männer aus Java und Japan – Seeleute, Ärzte, Händler, Reisende, die allerlei Krimskrams verkaufen. Und es gibt Jugendliche beiderlei Geschlechts aus Afrika, aus Ländern, deren Namen Nella noch nie gehört hat: Sie erledigen Besorgungen aller Art und unterhalten bei Festen mit ihrer Musik die Gäste.

Und trotz der exotischen Vielfalt, die in der Stadt zu beobachten ist, erlebt Nella immer wieder, dass die Leute die Köpfe drehen, dass ihre Blicke an Thea hängen bleiben, wenn ihr Kopftuch sich löst und ihre krausen Locken hervorspringen, die zugleich kühn und subtil von Theas Herkunft künden. Sie hat tiefbraune Augen und ockerfarbene Haut, die im Sommer dunkler wird, während Nella und Cornelia rosa anlaufen. Nella hat die Leute starren sehen, aber sie hat ihre Blicke nicht am eigenen Leib gespürt, und das hat achtzehn Jahre lang eine Grenzlinie zwischen ihr und Otto gezogen.

»In dieser Stadt steht man immer unter Beobachtung«, sagt er. »Die eine Hand mahnt zum Frieden, die andere kratzt mit den Fingernägeln, um aufzudecken, was unter der Oberfläche liegt. Also erinnere dich daran, wie es für sie ist.«

»Ich weiß es wohl. Wir haben unser Bestes getan. Welche Wahl haben wir denn, Otto? Willst du, dass wir sie ständig verstecken? Das einzige Neugeborene, das wir alle jemals haben werden, und es gab kein Stück Klöppelspitze an der Haustür, um anzuzeigen, dass wir ein Mädchen bekommen haben.«

Er sieht sie an. »Wir?«

Sie ignoriert seinen Einwurf. »Kein Vaterschaftshäubchen für dich, keine Späße mit anderen Männern und kein Schulterklopfen. Keine Gnadenfrist bei den städtischen Steuern. Kein Festmahl, keine Musik, kein Tanz. Keine Vorstellungszeremonie, bei der man die Kleine am Fenster hochgehalten hätte, damit die Nachbarn uns gratulierten und sagten, wie schön rundlich und wohlgeraten sie ist.« Nella zögert. »Auch keine Mutter.«

Sie ist zu weit gegangen, und jetzt ist Theas Mutter bei ihnen im Zimmer, Marin, die hoch aufgereckt dasteht und sie mit ihren milden grauen Augen ansieht. Marin, die bei Theas Geburt gestorben ist, die sie wie Schiffbrüchige in einem fremden Meer zurückgelassen hat, allein mit einem Säugling, ohne Karte, ohne Kompass, ohne jegliche Ahnung, was aus ihnen allen werden soll. Sie haben in Gegenwart anderer Leute nie darüber gesprochen, wer Theas Mutter war. Soweit die Stadt weiß, ist Thea mutterlos und von etwas dunklerer Hautfarbe, ein Geheimnis, das sie unter keinen Umständen jemals lüften würden. Sie haben nie jemandem genauere Erklärungen geliefert, und es hat nie jemand welche verlangt, aber es ist für Nella immer wieder erstaunlich, wie Eigentümlichkeiten von Marin in Thea neu zum Vorschein kommen, wenn...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2023
Reihe/Serie Herengracht-Saga
Sprache deutsch
Original-Titel House of Fortune
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 18. Jahrhundert • aktuelles Buch • Amsterdam • bücher neuerscheinungen • Die Magie der kleinen Dinge • Goldenes Zeitalter • Historischer Roman • insel taschenbuch 4963 • IT 4963 • IT4963 • Neuerscheinungen • neues Buch • Puppenhaus • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-458-77645-1 / 3458776451
ISBN-13 978-3-458-77645-1 / 9783458776451
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