Die Kranichfrau (eBook)

Warum ich meine Hochzeit absagte und andere Liebeserklärungen

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Verlag C.H. Beck oHG - LSW Publikumsverlag
978-3-406-79832-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kranichfrau - Cj Hauser
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Ende dreißig, single, kinderlos - und endlich nicht mehr fremdbestimmt. In «Die Kranichfrau» erzählt CJ Hauser, wie aufreibend und befreiend es war, die Erwartungen anderer endlich hinter sich zu lassen. Es ist ein Buch über Liebe, Scham und Scheitern, über falsche Glücksvorstellungen und echtes Begehren. Berührend, selbstironisch und so gnadenlos ehrlich, dass es bisweilen eine therapeutische Wirkung entfacht.
In der Hoffnung auf ein Happy End unterwirft sich CJ Hauser ihrem Freund mehr und mehr. Bis sich allmählich Fragen aufdrängen: Welche Rolle nehme ich in Beziehungen ein und warum? Wieso akzeptiere ich es, mehrmals betrogen worden zu sein? Wie breche ich Geschlechterzuschreibungen, die mir vorgelebt wurden, radikal auf? CJ cancelt die kurz bevorstehende Hochzeit und begibt sich auf eine Expedition zur Beobachtung des Schreikranichs, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob sich Liebe und Selbstachtung überhaupt vereinbaren lassen. Und entdeckt, dass es den Aufwand lohnt, endlich mal die persönlichen Bedürfnisse von denen anderer zu trennen. Mit einem aufrichtigen, ungeschönten Blick ins eigene Leben beginnt CJ, sich selbst neu auszuloten und darüber zu schreiben. «Die Kranichfrau» ist die imponierende Geschichte einer Emanzipation - und zugleich eine kluge und witzige Abhandlung über die Liebe im 21. Jahrhundert.

CJ Hauser lehrt Kreatives Schreiben und Literatur an der Colgate University, New York, hat bereits zwei Romane veröffentlicht und schreibt regelmäßig Texte für «The Guardian », «The New York Times und 'The Paris Review'.

Erster Akt: Die Handwerker


Du erinnerst dich daran, dass sie eine Mauer neben seinem Haus bauten. Du warst immer zu schnell und hast fast die Einfahrt verpasst, dann hast du die Männer mit ihren Steinen gesehen, hast zurückgesetzt und bist nach rechts abgebogen. Es kommt dir so vor, als wäre eure Liebe ewig gewesen, aber während eurer gesamten Beziehung wurde diese Mauer gebaut, wie lang kann es also wirklich gewesen sein?

Der Junge trug im Winter Hawaiihemden. Sein Mund war immer in Bewegung. Er hatte einen trotteligen Hund mit kurzen Beinen, der sich ständig verlief, und einmal, noch bevor ihr euch kanntet, hatten deine Eltern ihn am Straßenrand gefunden und zu ihm zurückgebracht. Er konnte wie Freddie Mercury singen. Er konnte wie Paul McCartney singen. Er konnte wie Tom Waits singen. Du warst sechzehn und vollkommen wehrlos.

Er hatte typische Jungs-Angewohnheiten, sammelte Star-Wars-Figuren, pupste unter der Decke und verstellte seine Stimme auf eine bescheuerte Art und Weise, wenn man gerade ernste Gespräche mit ihm führen wollte. Er hatte typische Erwachsenen-Angewohnheiten, sein kaputter Rücken zwang ihn, orthopädische Schuhe zu tragen, und er war abhängig von Schmerzmitteln. Wenn er nicht schlafen konnte, fuhr er mit dem Auto seiner Mutter im Schritttempo durch die Nebenstraßen und hörte Wagner.

Er nahm dich mit an den See. Ihr habt gemeinsam auf dem Rettungsschwimmer-Hochstuhl gesessen, und er sagte, dass er dich liebe, und es war alles sehr romantisch, bis euch auffiel, dass zehn Meter entfernt ein anderes Pärchen gerade im Sand fickte. Ehrlicherweise war es trotzdem ganz schön romantisch. Ehrlicherweise sind dir Rettungsschwimmer-Hochstühle noch immer heilig.

Ihr hattet abgemacht, bei jedem Spielzeugladen, an dem ihr vorbeikommt, anzuhalten. Ihr habt euch mit Bällen abgeworfen, Kuscheltierkinder adoptiert und versucht, eure schlaksigen Teenagerkörper in die Rennautobetten aus Plastik zu quetschen, bis jemand euch rausschmiss. So war die Abmachung. Ihr durftet erst gehen, wenn mindestens eine Person euch angeschnauzt hatte.

Er brachte dich in unangenehme Situationen. Vergaß dich auf Partys seiner Freunde, sodass du selbst gucken musstest, wie du nach Hause kommst. Seinetwegen gab es viel Streit mit deinen Eltern. Im Restaurant behauptete er jedes, wirklich jedes Mal, es sei dein Geburtstag, nur um ein Kuchenstück abzugreifen, selbst dann, wenn er am Ende ohnehin die Zeche prellte. Wenn du weintest, fragte er dich, ob ein Eis nicht alles wiedergutmachen könne. Als wären die Probleme von Mädchen so einfach zu beheben. Du hast ihn geschlagen und verflucht, aber dann fuhr er mit dir zum Carvel am Highway, das 24 Stunden geöffnet hatte. Und er platzierte dich mit einem Vanillesofteis mit bunten Streuseln auf einer Picknickbank inmitten der Abgase, und während die Autos an euch vorbeirasten, sagte er: «Gib’s zu, dir geht’s schon besser, oder?» Dann schlugst du ihn noch einmal.

Seine Mutter unterrichtete in der Mittelstufe Darstellendes Spiel. Ihre Shakespeare-Theatergruppe probte auf einer Farm im Ort, die zu wenige Kühe hatte, um ein guter Milchbetrieb zu sein, aber genug Hektar Land, um den Sommernachtstraum genau so aussehen zu lassen, wie er aussehen sollte, als sie ihn dort aufführten. Dir gefielen die Stellen, wo die jungen Liebenden sich im Wald verirrten, sich stritten und küssten, aber du verstandst die Handwerker nicht, die andere Hälfte des Stücks, wo die Zimmermänner und Kesselflicker, die Handwerker, versuchten, ihre eigene Aufführung innerhalb der Aufführung auf die Bühne zu bringen. Die Handwerker waren weder jung noch hübsch, und das Stück, das sie auf die Beine stellten, war sehr schlecht. Es hieß Pyramus und Thisbe. Darin spielte ein Mann eine Frau, und eine Frau spielte eine Wand, und sie sprachen die ganze Zeit über das schreckliche Gebrüll eines Löwen. Du fandest das alles belanglos. Er fand diese Szenen am besten, und du fragtest dich, was du nicht kapierst.

Du hattest einen Autounfall und musstest ins Krankenhaus. Er besuchte dich, obwohl deine Eltern ihn nicht mochten. Er brachte dir ein dreckiges Absperrhütchen mit, das er auf der Straße geklaut hatte und in dessen Öffnung er Wildblumen gesteckt hatte. Das hieß, Ich liebe dich. Das hieß, Sei vorsichtig.

In seinem Haus gab es eine Sauna und einen Pool und eine Sammlung afrikanischer Masken. Ihr zwei habt in der Sauna gesessen, dann seid ihr draußen über den Rasen gerannt und nackt ins Wasser gesprungen. Ihr habt herumgespritzt, er jagte dich unter den wehenden tibetischen Gebetsfahnen in den Bäumen, und wenn er dich gefangen hatte, drückte er sich an dich, bis du es nicht mehr ausgehalten hast, und dann nahm er dich mit hinein und legte dich auf den Boden und fickte dich, während du in die geschnitzten Holzgesichter dieser Masken starrtest. Er war dein Erster, und der Sex fühlte sich immer sicher und immer gut an, und das, diese Sicherheit und dieses Gute, sollte sich im Nachhinein als tödlich erweisen.

Und dennoch, müsstest du diese Dynamik vergleichen, dann hätte er sich wahrscheinlich als Jean Renault in Luc Bessons Léon, der Profi gesehen, und dich als seine Mathilda, seine traurige, blutjunge Natalie Portman. Mit dem Unterschied, dass ihr beide tatsächlich zusammen im Bett wart. Mit dem Unterschied, dass zwischen euch nur ein Jahr lag. Du weißt, dass du diesen Film nicht mehr mögen solltest, jetzt, da du alt bist und zu viel Wissen angesammelt hast, aber du siehst dir das Mädchen immer noch gerne an – siehst ihn gerne an, wie er sie ansieht –, auf eine Weise, die so fragwürdig ist, wie einen zerquetschten Pfirsich schön zu finden. Man sollte diesen Pfirsich weder essen noch er sein wollen. Dieser spezielle Ouroboros sollte sich im Nachhinein ebenfalls als tödlich erweisen.

***

Du musstest nur ein Stoppschild ignorieren, dann konntest du innerhalb von zehn Minuten bei ihm sein. Wenn du die Einfahrt nicht verpasst hattest. Wenn du nicht warten musstest, bis alle Männer, die die Mauer bauten, Werkzeug und Steine von der Straße geräumt hatten.

Als der Junge aufs College ging, sagte er dir, dass er Angst habe, dabei warst du doch diejenige, die er zurückließ, mit Eltern, die wahnsinnig sauer waren, weil du Sex gehabt hattest. Mit all den Kämpfen, weil du diese Beziehung verteidigen musstest, die du noch nicht einmal mehr hattest, jetzt, da er weg war. Du warst unglaublich wütend, und es gab niemanden, der dich verstand, also machtest du ihn zu deinem Fixstern. Zu der Erzählung, die dich ausmachte. Es musste eine Erzählung sein, die etwas bedeutete, denn wozu war das sonst alles gut?

Für die meisten Menschen war das, was ihr hattet, nicht mehr als eine Teenager-Schwärmerei, aber das war es nicht. Sogar jetzt denkst du manchmal an die hochtourige Intimität, die zwischen euch herrschte, und fragst dich, ob jemand Älteres so etwas heil überstanden hätte. Du behauptest nicht, dass das einzigartig war, nur, dass es da war.

Der Junge klang weit weg, wenn er dich aus dem College anrief, auch wenn er nur in Kalifornien war. Manchmal war er komisch drauf und entschuldigte sich dann und sagte, es seien nur die Pillen die Pillen die Pillen. Er sagte, er wolle aufhören, und du halfst ihm dabei, und dann tat er es auch. Er spülte die Pillen die Toilette hinunter, und du hast gehört, wie er sie hineinwarf, ein Pling, ein Rauschen. Du hast dich gefragt, ob es tatsächlich stimmte, schließlich studierte er Schauspiel. Einige Tage später wusstest du allerdings, dass er Ernst gemacht hatte, dass er wieder auf Entzug war, weil er kalt und verletzend war und die ganze Zeit Frank Zappa hörte.

Ein Jahr später, im Sommer, bevor du aufs College gingst, machtest du mit ihm Schluss, weil du es satthattest, dich immer zusammenreißen zu müssen, die Avancen der Jungs um dich herum, die einfach nur mit einer Flasche Bourbon mit dir auf einem Felsen sitzen, den Sternen Namen geben und dich dabei ein bisschen begrapschen wollten, nicht zu erwidern. Später, am College, kamen die Jungen alle von katholischen Privatschulen und fragten tatsächlich um Erlaubnis, bevor sie dich berührten. Damals wusstest du das nicht zu schätzen. Sie planten ihre Dates, die sie auch Dates nannten, minutiös, ...

Erscheint lt. Verlag 26.1.2023
Übersetzer Hanna Hesse
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abhandlung • Begehren • Bericht • C.J. Hauser • Emanzipation • Ende dreißig • falsche Glücksvorstellungen • Frauen • Geplatzte Hochzeit • Geschichte • Identität • Kinderlos • Liebe • paradoxe Ansprüche • Scham • Scheitern • Single
ISBN-10 3-406-79832-2 / 3406798322
ISBN-13 978-3-406-79832-0 / 9783406798320
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