Die Welt gehört uns - Eine unmögliche Freiheit - (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
448 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-28129-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Welt gehört uns  - Eine unmögliche Freiheit - -  Julia Kröhn
Systemvoraussetzungen
12,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Eine Liebeserklärung an die Kraft der Bücher! Die neue Reihe der SPIEGEL-Bestsellerautorin und Historikerin Julia Kröhn.
Frankfurt, 1965: Zwanzig Jahre hat Ella erfolgreich das »Bu?cherreich« geführt, doch nun herrscht Zwist: Ihre deutlich jüngere Schwester Luise hat die schnulzigen Bu?cher satt. Ihr Kopf ist voller neuer, unerhörter Ideen, zu denen sie der charismatische und politisch aktive Student Thilo anstiftet. Zunächst steht Ella diesen ablehnend gegenüber. Doch dann bringt Luise sie dazu, ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit aufzuschlagen. Ella erinnert sich wieder, was sie einst als Verlegerin angetrieben hat: der Glaube, dass Bücher Menschen aufrütteln und die Welt verändern können. Werden sie ihr nun auch helfen, endlich ihr Glück zu finden?

»Die Buchhändlerinnen von Frankfurt« von Julia Kröhn:
1. Die Gedanken sind frei
2. Die Welt gehört uns

Die große Leidenschaft von Julia Kröhn ist nicht nur das Erzählen von Geschichten, sondern auch die Beschäftigung mit Geschichte: Die studierte Historikerin veröffentlichte - teils unter Pseudonym - bereits zahlreiche Romane, die sich weltweit über eine Million Mal verkauft haben. Ihr größter Erfolg hierzulande war »Das Modehaus«, ein Top-20-SPIEGEL-Bestseller; zuletzt widmete sich Julia Kröhn ihrem Herzensthema: den Büchern. In ihrer Dilogie »Die Buchhändlerinnen von Frankfurt« erzählt sie die Geschichte einer Verlagsbuchhandlung aus der Perspektive zweier Schwestern, von der Nachkriegszeit bis zur Studentenrevolte. In ihrem neuen Roman »Papierkinder« errichtet sie den historischen Kinderrechtlerinnen Emma Döltz, Clara Grunwald und Eglantyne Jebb ein fiktionales Denkmal in Form eines mitreißenden Romans.

1. KAPITEL


»Nein«, sagte Lilo Brinkmann bedauernd, »heute werde ich kein Buch kaufen.«

Ella blickte sie verwundert an. Lilo war nicht nur ihre beste Freundin, sondern auch ihre treueste Kundin. Sie hatten an der großen Theke des Bücherreichs geplaudert, und eben hatte Ella sich abwenden, aus den Regalen einige Bücher ziehen und deren Lektüre empfehlen wollen. Sie wusste genau, was Lilo gefiel. Als vor zwei Jahren Angélique, die Rebellin erschienen war, hatte Lilo den Roman ebenso begeistert verschlungen wie die kürzlich erschienene Fortsetzung Angélique und ihre Liebe. Der neue Band der Reihe würde auf sich warten lassen, aber Ella hatte schon eine Idee, was sie ihr stattdessen schmackhaft machen konnte: Mit Cathérine von Juliette Benzoni würde sie nichts verkehrt machen und ebenso wenig mit den Verkaufsschlagern von Konsalik und Simmel.

Doch Lilo schüttelte energisch den Kopf. »Du weißt doch, Ella: Mit dem Lesen ist es so ähnlich wie mit meinen geliebten Marzipanpralinen. Am Abend sagt man: Ich lese nur noch eine Seite. Dabei weißt du genau, wie es endet: Bald ist Mitternacht vorbei, man kann immer noch nicht aufhören, und am nächsten Tag wird man nicht mal unter der eiskalten Dusche wach.«

Ella musste unwillkürlich an ihre Mutter denken, die das Lesen mit dem Genuss von heißer Schokolade verglichen hatte, aber sie vermied, sie zu erwähnen. Lilos Mutter Hertha, mit der die unverheiratete Tochter bis zuletzt zusammengelebt hatte, war erst vor wenigen Monaten verstorben, und Ella wollte nicht an die Trauer ihrer Freundin rühren. »Pralinen kann ich dir nicht anbieten, die bekommst du im Feinkostladen nebenan.«

»Aber ich darf doch nichts Süßes essen! Erinnerst du dich nicht an das Buch, das ich letztens bei dir gekauft habe?«

Ella musste kurz nachdenken, ehe ihr einfiel, dass nicht nur Liebesromane zu Lilos bevorzugter Lektüre gehörten, sondern auch Ratgeber wie Dr. Donald G. Cooleys Wunderkur.

Schon begann Lilo den täglichen Speiseplan vorzubeten, den sie dem Buch entnommen hatte und an den sie sich nun sklavisch hielt: Ihr Tag begann mit einem pochierten Ei und einer Scheibe Knäckebrot. Zum Mittagessen wurden frischer Spinat, Orange und Magermilch aufgetischt. Das Abendessen bestand aus Gemüsebrühe oder gegrilltem Fisch.

Als Lilo ansetzte, die Kalorientabelle, die am Ende des Buchs angehängt war, herunterzurattern, hob Ella abwehrend die Hand. Sie selbst ließ sich in einem Stehcafé in der Schillerstraße oft eine Mohnschnecke oder ein Stück Streuselkuchen schmecken – da wollte sie gar nicht wissen, wie ihre kleinen Sünden zu Buche schlugen.

»Außerdem habe ich mir die in der Wunderkur empfohlenen zwei Körperbürsten gekauft«, sagte Lilo. »Mit der einen reibt man sich unter heißem Wasser ab, mit der anderen unter kaltem.«

Ella verstand nicht recht, warum man hierfür nicht ein und dieselbe Bürste verwenden konnte. Aber viel wichtiger war die Frage: Wie konnte man freiwillig auf ein neues Buch verzichten, nur weil man keine Praline dazu essen durfte?

»Dann und wann wird eine Praline doch gestattet sein«, versuchte Ella das Thema umzulenken.

»Nein, nein, ich verzichte auf ein neues Buch.«

Seufzend verabschiedete Lilo sich. Als sie einen letzten Blick auf die übervollen Regale warf, schien es, als würde sie im letzten Moment doch noch schwach werden. Aber dann spiegelte ihre Miene die Entschlossenheit eines Priesters wider, der ein für alle Mal der Versuchung abschwört.

Sobald ihre Freundin den Laden verlassen hatte, sah Ella sich wohlwollend in ihrem Bücherreich um. Manchmal dachte sie, sie müsse die Buchhandlung etwas übersichtlicher gestalten, aber insgeheim mochte sie es, dass man keinen Schritt tun konnte, ohne ein Buch zu berühren.

An beiden Seiten des schmalen Verkaufsraums reichten die Regale bis zur Decke. Nicht nur diese waren randvoll, auch die kleinen Tischchen davor. Und ganz hinten bedeckten mehrere Stapel, die sie noch nicht einsortiert hatte, den Boden. Obwohl das Angebot der Buchhandlung eine große Bandbreite bot – Biografien und Reiseliteratur waren ebenso erhältlich wie wissenschaftliche Werke und Lyrik –, fand Ella sich doch in jenen programmatischen Worten wieder, die Lothar Blanvalet, dem Verleger der Angélique-Reihe, zugeschrieben wurden. Seine Bücher, so hatte er einmal erklärt, würden dem Entspannungsbedürfnis eines breiten Publikums entsprechen, ohne dass dabei das notwendige Niveau außer acht gelassen werde.

In der kleinen Schmökerecke konnte man seit Kurzem in Bücher hineinlesen. Ella hatte einen Winkel der Buchhandlung leer geräumt und vor einer Wand mit grün-weißer Schmucktapete einen Schaukelstuhl aufgestellt. Der Platz fehlte ihr natürlich für Regale, und oft überlegte sie, ob sie ihr Bücherreich nicht doch vergrößern sollte. Sie könnte das Stockwerk darüber mieten oder jene Räumlichkeiten einbinden, die man über den Hinterhof erreichte, die einst den zur Buchhandlung gehörigen Verlag ihrer Eltern beherbergt hatten und die sie nach dessen Auflösung an einen Weinhändler vermietet hatte. Aber dann sagte sie sich, dass gerade die heimelige Enge ihren Reiz hatte.

Bald ließ sie ihren Blick nicht mehr über die Regale schweifen, sondern Richtung Uhr.

Luise hatte eigentlich um siebzehn Uhr da sein wollen, um Ella in der Buchhandlung abzulösen, schließlich galt es, im kleinen Büro dahinter diverse Dinge zu erledigen. Die Remittenden – jene unverkäuflichen Exemplare, die man zurück an den Verlag schickte – warteten darauf, verpackt zu werden. Außerdem musste sie ein paar Abrechnungen erledigen, um des Papierwusts auf dem Schreibtisch Herr zu werden.

Endlich ertönten Schritte.

»Wo bleibst du denn …«

Als Ella ihre Schwester – für sie insgeheim immer noch die kleine Schwester, obwohl Luise sie um einen halben Kopf überragte – genauer musterte, blieb ihr das »so lange« in der Kehle stecken. Stattdessen platzte aus ihr heraus: »Wie siehst du denn aus?«

Sie verstand, dass Luise mit ihrem Kleidungsstil betonen wollte, ganze zwanzig Jahre jünger als Ella zu sein. Nie hatte Ella sie getadelt, weil ihre Faltenröcke etwas kürzer, die Pfennigabsätze etwas höher waren und sie, wenn sie zum Tanzen ging, ein Rüschenwunder namens Petticoat trug. Im Gegenteil: Ella war immer die Erste, die die schmale Taille, die sie selbst den geliebten Mohnschnecken geopfert hatte, bewunderte. Doch ein Petticoat bedeckte wenigstens die Knie, dieses formlose Hängerchen aber, das man unmöglich als ordentliches Kleid bezeichnen konnte, reichte gerade mal über die Hälfte der Oberschenkel. Das Blumenmuster erinnerte an die Tapete in der Schmökerecke, allerdings waren die Farben so grell, dass es in den Augen wehtat. Und Luises Lidschatten war auch erstaunlich farbenfroh. Noch nie hatte Ella ihre Schwester so stark geschminkt gesehen, noch nie mit derart hochtoupierten Haaren. Am Hinterkopf hatte sie sich einen lockeren Pferdeschwanz gebunden, doch etliche Strähnen fielen ihr ums Gesicht.

»Ist das eine Buchhandlung oder ein Bestattungsunternehmen?«, gab Luise trotzig zurück.

Ella war nicht sicher, wann genau ihre Schwester sich diesen Tonfall angewöhnt hatte.

»Ich meine ja nur, ob dein Auftritt hierzu passt?« Sie deutete auf das graue Kleid samt weißer Schürze, das Ella wie fast alle Buchhändlerinnen bei der Arbeit trug und das sie selbst als ihre Uniform bezeichnete.

Kurz wurde Luises Miene noch verdrossener. Dann nahm sie die eigene Schürze vom Haken und band sie sich missmutig um, aber sie erklärte umso entschiedener: »Ich gehe nicht mehr dorthin.«

»Dorthin?«, fragte Ella, obwohl sie wusste, was gemeint war.

Für insgesamt acht Wochen sollte Luise ergänzend zur Buchhändlerlehre die sogenannte Schule der Frauen besuchen, wo junge Damen nicht nur Einblick in Warenkunde und Verkaufstechnik erhielten, sondern auch diverse Benimmregeln gelehrt wurden. Ella wusste, dass neben angehenden Verkäuferinnen auch Mannequins diese Kurse besuchten. Doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass man dort lernte, sich derart auffällig zu schminken. Sie verkniff sich eine harsche Entgegnung und fragte vermeintlich amüsiert: »Warum denn nicht? War heute wieder mal ein Beamter der Frankfurter Kriminalpolizei eingeladen, der über Heiratsschwindel referierte?«

Sie hatten letztens gemeinsam darüber gelacht, aber heute war Luise nicht nach Lachen zumute.

»Eine Hauswirtschaftslehrerin hat über Gefriertruhen, die sie liebevoll Spartruhen genannt hat, gesprochen. Und besonders begeistert hat sie geschildert, wie man Schweinehälften zerlegt.«

Ella konnte nicht anders, als loszuprusten, aber aus Luises schmalen Augen blitzte Verärgerung.

»Du bist die Letzte, die sich darüber lustig machen darf«, zischte sie. »Schließlich entspricht dieser Unsinn doch dem Frauenbild, das du hier propagierst.«

»Propagierst?« Ella konnte sich nicht erinnern, einen Begriff wie diesen jemals aus Luises Mund vernommen zu haben.

Luise trat prompt zu jenem Bücherregal, aus dem Lilo vorhin ihren Diätratgeber gezogen hatte. Sie nahm ein Buch heraus und hielt es hoch wie eine Anklageschrift. »Du verkaufst ja auch so etwas!« Schon begann sie, mit künstlicher Stimme ein Kapitel aus dem Praktischen Haushaltsbuch von Gertrude Oheim zusammenzufassen. »Richtig tolle Tipps werden einem da gegeben! Zum Beispiel, das...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2023
Reihe/Serie Die Buchhändlerinnen von Frankfurt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1960er Jahre • 1968 • 2023 • 60er Jahre • 68er • Bestsellerautorin • Bücher • Bücher über Bücher • Buchhändlerfamilie • Buchhändlerin • Buchhandlung • Buch über Schwestern • Buchverlag • Carmen Korn • Daniel Speck • Deutsche Geschichte • Deutschland • eBooks • Exil • Familiensaga • Frankfurter Buchmesse • Frauenromane • Heidi Rehn • Historikerin • Historische Romane • Ines Thorn • Israel • Jaffa Road • Liebesromane • Nachkriegsdeutschland • Nachkriegszeit • Nazi Verfolgung • Neuerscheinung • Nürnberger Prozesse • Revolte • Romane für Frauen • Sandra Lüpkes • Spiegel Bestseller Autorin • Studentenrevolution • Verbotene Liebe • Verlag • Verlagsbuchhandlung
ISBN-10 3-641-28129-6 / 3641281296
ISBN-13 978-3-641-28129-8 / 9783641281298
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99