Angabe der Person (eBook)

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2022 | 1. Auflage
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01464-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Angabe der Person -  Elfriede Jelinek
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Die «Lebensbilanz» der Literatur-Nobelpreisträgerin - und eine große Geschichte über Schuld und Schulden. Ein steuerliches Ermittlungsverfahren, das zwar inzwischen längst eingestellt wurde, das aber selbst intimste E-Mails auswertete, wird für Elfriede Jelinek zum Anlass, auf ihre «Lebenslaufbahn» zurückzublicken Erstmals erzählt sie literarisch die Geschichte des jüdischen Teils ihrer Familie. In die persönlichen amtlichen Angaben schieben sich Berichte über das Schicksal von Verwandten, die während der Nazizeit aus Österreich fliehen mussten, die deportiert und ermordet wurden. Zugleich führt der private Finanzfall auch zum Nachdenken über globale Kapitalströme. Wie sehr profitieren Staaten bis heute von enteignetem jüdischem Vermögen? Wie viele NS-Größen wurden umgekehrt nach 1945 anstandslos entschädigt? Und was sind aktuelle Steuersparmodelle oder handfeste Betrugsskandale, von Cum-ex-Geschäften bis zu Wirecard? So autobiografisch wie allgemeingültig, so sarkastisch wie wütend rechnet Jelinek in Angabe der Person nicht nur mit sich, sondern auch mit einer Gesellschaft ab, die sich eher für die Täter als für ihre Opfer interessiert - und verfolgt die weit verzweigten Wege des Geldes als eines der größten Geheimnisse in der modernen Wirtschaft.  Erstmals erzählt sie literarisch die Geschichte des jüdischen Teils ihrer Familie. In die persönlichen amtlichen Angaben schieben sich Berichte über das Schicksal von Verwandten, die während der Nazizeit aus Österreich fliehen mussten, die deportiert und ermordet wurden. Zugleich führt der private Finanzfall auch zum Nachdenken über globale Kapitalströme. Wie sehr profitieren Staaten bis heute von enteignetem jüdischem Vermögen? Wie viele NS-Größen wurden umgekehrt nach 1945 anstandslos entschädigt? Und was sind aktuelle Steuersparmodelle oder handfeste Betrugsskandale, von Cum-ex-Geschäften bis zu Wirecard? So autobiografisch wie allgemeingültig, so sarkastisch wie wütend rechnet Jelinek in Angabe der Person nicht nur mit sich, sondern auch mit einer Gesellschaft ab, die sich eher für die Täter als für ihre Opfer interessiert - und verfolgt die weit verzweigten Wege des Geldes als eines der größten Geheimnisse in der modernen Wirtschaft.

Elfriede Jelinek, geboren 1946 und aufgewachsen in Wien, hat für ihr Werk eine Vielzahl von Auszeichnungen erhalten, darunter den Georg-Büchner-Preis und den Franz-Kafka-Literaturpreis. 2004 wurde ihr der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Elfriede Jelinek, geboren 1946 und aufgewachsen in Wien, hat für ihr Werk eine Vielzahl von Auszeichnungen erhalten, darunter den Georg-Büchner-Preis und den Franz-Kafka-Literaturpreis. 2004 wurde ihr der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Ein Plüschtier vielleicht, mit einer Sporttasche, mir doch egal, irgendwann wird es schon wieder gehen:

Wir messen und zählen, wir wägen und nehmen mit einem Löffelchen etwas raus und geben etwas andres rein, und schon haben wir Sie! Aber wir haben Sie ja immer in der Hand, wir sind die Staatsmacht, das proklamiere ich hier ohne Bedenken, weil ich nicht zu ihr und auch sonst nirgendwo dazugehöre und eine Macht brauche, zu der ich aufsehen und von der ich mich unterjochen lassen kann, das ist der angenehme Teil daran. Der Staat ist nicht unser Feind, wir sind seiner. Außer Sie sind Liechtensteiner, dort können Sie als diskrete Geldanlage beim Fürsten eine Lebensversicherung abschließen, Ihr Leben müssen Sie deswegen nicht abschließen, das kommt erst noch, das ist der Witz dabei; ja, sehr diskret. Der Anleger muß bei einer Bank kein legitimiertes Konto eröffnen, die Versicherungsgesellschaft eröffnet ein Konto zum Beispiel auf Lebensversicherung Polizze Nr. soundso, Nummer folgt sogleich, wenn auch nicht hier, ich bin nicht so blöd, Ihnen die zu sagen. Auf dieses Konto können Sie als Anleger eine Einmalanlage einzahlen, die gehört dann nur Ihnen, und ich gehör nur einer allein, nur mir. London sogar noch besser, und es wird noch viel besser, wenn das Geld erst mal weg ist aus unsrem Gesichtskreis! Schon geschehn. Es ist weg und nur noch für wenige sichtbar. Bloß ihr Anführer schreit noch herum. Es kann nur besser werden, ist aber jetzt schon sehr gut. Eine Steueroase? Jein. Nicht-Domizilanten müssen eventuell in einem Land, in dem sie die Gewinne erwirtschaften, Steuern bezahlen. Viele von ihnen zahlen aber, halten Sie sich fest, obwohl es recht gemütlich weitergeht!, weltweit überhaupt keine Steuern, weil sie völlig legal Offshore-Gesellschaften in Nullsteuer-Oasen verwenden. Und noch dazu, das ist eine Fleißaufgabe, nirgends aufhältig sind. Wer würde die auch aushalten! Sie sind einfach nirgendwo. Fliegende Holländer, die aber nicht zwingend Holländer sein müssen. Sie haben Geld? Dann wissen Sie eh, was Sie damit machen können: Sie können mich mal! Ihr Geld kann mehr!, es kann irgendwo, aber praktischerweise auch gleich problemlos in den nahezu eigenen, ganz eigenen Offshore Limiteds auf den Kanalinseln steuerschonend verpackt und verräumt werden, außerdem auf der Isle of The Man, der berühmten Menscheninsel, denn nach ihnen ist sie benannt, nach dem Menschen und seinem Sohn, jeder und sein Sohn wollen dorthin, eine Insel, die jeder ist, jeder einzelne, ja, und in Gibraltar, kein Wunder, daß die Britannier das behalten wollen wie sich selbst. Und jetzt haben sie sich, jetzt haben sie ihren eigenen Staat ganz für sich allein, ist das nicht fein? Der Staat. Braucht ihn jemand? Wer braucht den schon? Man braucht ihn, um sein Geld in einem total andren Staat anzulegen, denn gäbe es keinen Unterschied zwischen dem einen und dem andren Staat, wüßten Sie ja nicht, wohin mit Ihrem Geld. Das Geld selbst weiß ja nichts. Es ist dumm. Der Staat ist eine Macht, er hat keine Zähne mehr, aber wenn er jemanden sieht, der ihm nicht schmeckt, dann zieht er sofort sein Gebiß aus dem Glas und setzt es sich ein, damit er jeden, den er will, fressen kann. Wir sind die Staatsmacht, sagt er, oje, und ich bin nicht bißfest. Aua, jetzt hat er mir ein Stück herausgerissen, das ich noch gebraucht hätte, eine Hälfte fehlt mir eh schon. Was, der andre Staat will sie auch? Machen Sie was draus! Sie können sich umworben fühlen! Jetzt streiten sie sich wieder endlos. Na sowas, Ihr Testament lebt! Jetzt wollen wir es mit Sinn in einem Trust erfüllen, der wird der einzige sein, der Ihnen traut. Ich traue mich nichts, und ich traue niemand. Ich trauere höchstens ab und zu. Mir glaubt man höchstens, daß es mich gibt. Sonst glaubt man mir nichts.

 

Dem Tennisspieler haben Sie auch nicht geglaubt, der war in Monaco und gleichzeitig im Zweitmonaco München, anderer Staat, wo er aber ebenfalls nichts gezahlt hat; die beiden hat er vielleicht verwechselt, ja, München, dort war er, dort, wo seine Wasserspülung rauschte wie der Wildbach, und das haben die Steuermänner dann genau gemessen. Das muß man, wenn man richtig steuern will. Abwägen, zählen, messen. Wieviel Wasser so ein Klo verbraucht! Das ist einfach unmöglich, wenn man nicht dort wohnt. Es sind ja keine Elfen, die die Spülung betätigen. Es wurde ein Urteil gefällt, viele Bäume wurden gefällt, auf die der Borkenkäfer schon wartete, und ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, ich glaube, ich gehör nur mir allein. Das habe ich bereits gesagt, das zahlt mir niemand noch mal. Ja, aber dafür müssen Sie auch was zahlen. Der Staat muß die Hand aufhalten, in jedem Land eine, der Leviathan, vor dessen Macht jede Hand sofort abfällt, außer sie will ihm etwas reichen, damit es noch reicher wird, dieses Ungeheuer. Also ich, ich kann gut ohne Staat leben, ja, ohne Gesetz auch, ohne alles kann ich leben, dazu müßte ich allerdings allein auf der Welt sein, was mir gut gefiele. Doch nach der Epidemie werde ich gewiß nicht als einzige übrigbleiben. Das wird nicht passieren.

 

Hören Sie, der Sie von Verlangen, Furcht und Vernunft bestimmt werden, wie Wikipedia es Ihnen bestimmt hat, hören Sie zu, denn dieses Staatsungeheuer wird nicht auf Sie hören, dafür hören Sie jetzt auf mich: Vergessen Sie, wo Ihre Skier liegen, die Sie vorhin weggeschmissen haben, bei der Flucht im Kleinbus hätten sie gestört, die treuen, teuren Sportgeräte, ex und hopp, sie sind nicht verschwunden, Ihre Skier, die haben jetzt nur andere. Das ist wie mit dem Geld. Sie wollten natürlich die Hände frei haben, dort unten in jenem Tale, welches dem Berge folgt und wo die Menge den andren Mengen in die Après-Ski-Bars folgt, wo sie sich auch etwas abholen können, frage nicht. Da kann man nichts machen. Nur die Steuerbehörden können da noch was machen. Nur die können sogar meinem leeren Gerede noch etwas entnehmen. Sagen Sie jetzt nichts, denn auch wenn Sie glauben, Sie bringen etwas zu Ihrer Verteidigung vor, werden wir Ihnen nicht glauben. Nur der Zeit können wir glauben, sonst niemandem, das hat der Tennisspieler damals nicht gewußt. So, die Zeit ist jetzt verjährt, der Tag ist vertagt, die kurze Aufenthaltsdauer auch verfallen, die lange, die drei Jahre längerer Aufenthalt sind es nicht, diese Jährlinge ziehen wir auf und berechnen wir Ihnen voll. Sie leben beim Ehemann und aus, weil er Ihr Mann ist und aus, da kann das Licht absterben, der Tag vergehn. Ich höre ein Heulen über den Himmel kommen, eher ein Röhren, nein, eher ein Röhrchen mit Spucke, ein Anzeige-Täfelchen mit Rotz, nein, es ist die Stimme dieser berühmten Sängerin, die eine Röhre hat, aus der es sprudelt, und sie singt: Ich gehör nur dir. Und von da, von hier, von wo?, keine Ahnung, lächeln wir zu Ihnen herunter und freuen uns schon, daß wir das öffentlich tun können, bald, Sie werden es noch erwarten können. Wir sehen uns dann beim Prozeß, sagt der Herr Staatsanwalt, der auch gerne berühmt wäre, aber irgendwie langt es nie dafür. Daran bin aber doch ich nicht schuld! Beim Prozeß sehen wir uns wieder, wir freuen uns schon! Derzeit sehen wir Sie nicht, wir haben Sie sogar noch nie gesehen, dann aber sehen wir Sie endlich, Sie müssen dort nämlich persönlich erscheinen, und dann werden wir, in strahlendes Licht getaucht, miteinander in den Spalten der vielen Blätter, die es gibt, und in einer leckeren Soße aus Elektronen uns auflösen, so wie es wutschäumend das Badesalz der Erde macht, das wir sind, und wir werden alle sauber sein, aber nicht mehr atmen können und verschwinden, ein jeder anders als der andere, drücken Sie, wischen Sie, wir erscheinen oder verschwinden, ganz nach Belieben, wir erscheinen mit total anderen und neuen Bildern, man weiß schon nicht mehr, wohin man schauen soll.

 

Die Toten kann man nicht essen, die Lebendigen schon. Oder unter unseren Augen eingehen, das können sie, in einem bunten Weltblatt, welches aus Deutschland angereist ist, bis es dann gemerkt hat, daß es immer noch in Deutschland war. Höre ich bei diesem Wort Menschen schreien? Wieso schreien die so? Eine Lawine von schreienden Menschen? Wir kehren gemeinsam vom Berge zurück, sprach Abraham zu seinem Sohn, warum sind wir dann überhaupt raufgestiegen, wenn wir ohnedies wieder runtermüssen, das fragen sie sich und tragen dann das Surfbrettl zur Welle im Eisbach hin, ja, genau, ich und mein Sohn, sprach Abraham, doch vorher sprach Gott zu ihm und hat ihm erklärt, daß er das Opfer gar nicht annehmen würde, alles andre ist gegen die Juden gerichtet und kann hier nicht weiter verbreitet werden, weil es schon zu weit verbreitet wurde. Alles ist gegen die gerichtet, sogar ihr Geld kehrt um, in einen Schweizer Tresor, wo es auf Nimmerwiedersehn verschwindet, seine Besitzer sehen wir ja auch nicht wieder, ich aber, ich aber, der Herr Anwalt eines Staates, der so verbrecherisch ist, daß er ständig einen Anwalt braucht, ich werde durch Sie einen strahlenden Aufstieg und eine noch strahlendere Talfahrt hinlegen, eine Schußfahrt sogar, ohne Schuß, so, da ist er jetzt, im Tal, der Herr Staatsanwalt, sogar, grüß Gott, ohne daß er aufgestiegen wäre. Die Zukunft hat gesprochen, ich greife mir vor, finde dort aber nichts, die ganze Zukunft ist weg, Sie haben sie glatt verloren, tut mir echt leid. Er spricht, viel mehr können wir Menschen alle nicht, außer denjenigen, die auch noch Sport betreiben, und ich muß mich doch sehr wundern, daß das nicht das Vierte ist, das jeder Mensch können muß, um sein Inneres mobil zu halten wie sein Fahrrad: jawohl, sprechen, genau!, das ist es. Sprechen sollte man unbedingt können. Und der Herr Staatsanwalt spricht nicht, denkt es sich aber, er denkt...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2022
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Cum-Ex • Deutschland • Familie • Finanzamt • Finanzskandal • Identität • jüdische Familie • Kapital • Kapitalismus • Literatur-Nobelpreis • Literaturnobelpreisträger • Literatur-Nobelpreisträgerin • Nationalsozialismus • Nobelpreis für Literatur • Nobelpreisträger Literatur • Österreich • Österreichische Literatur • Roman Österreich • Steuerhinterziehung • Steuerprüfung • Steuerverfahren • Wirecard
ISBN-10 3-644-01464-7 / 3644014647
ISBN-13 978-3-644-01464-0 / 9783644014640
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