Mischa und der Meister (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
368 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-32142-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mischa und der Meister -  Michael Kumpfmüller
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In seinem neuen Roman stellt sich Michael Kumpfmüller eine ganz und gar »unmögliche« Frage: Was würde geschehen, wenn Jesus für ein paar Tage zurück auf die Erde käme, ins Hier und Jetzt der Stadt Berlin? Die Antwort: Es würde alles ganz anders, schön und erfreulich, wie es in Wirklichkeit kaum ist - und auch im Roman nicht von Dauer. Wenn man göttlichen Beistand anruft, hat das normalerweise keine Folgen. Nicht so bei Mischa und Anastasia, Studenten der Slawistik, vernarrt in die russische Literatur und - wie sie feststellen werden - ineinander. Sie laden Jeschua ein, und Jeschua nimmt die Einladung an. Aber das ist nicht die einzige Überraschung: Jeschua zeigt sich irdischer als gedacht, vollbringt kein einziges Wunder und steckt doch alle Menschen, denen er begegnet, mit Liebe an. Und die grassiert bald in der ganzen Stadt, was in Kürze eine Bande von Teufeln auf den Plan ruft. Denn für sie sind Freundlich- und Glückseligkeit ein Alptraum. »Mischa und der Meister« ist ein wunderbar leichtfüßiger, herrlich grotesker und komischer Roman über das Heilige und das Teuflische und die unstillbaren Sehnsüchte und Begierden der Menschen, die zu allen Zeiten dieselben sind.

Michael Kumpfmüller, geboren 1961 in München, lebt als freier Autor in Berlin. Im Jahr 2000 erschien mit dem gefeierten Roman »Hampels Fluchten« seine erste literarische Veröffentlichung, 2003 sein zweiter Roman »Durst« und 2008 »Nachricht an alle«, für den er vor dem Erscheinen mit dem Döblin-Preis ausgezeichnet wurde. »Die Herrlichkeit des Lebens« wurde 2011 zum Bestseller und von der literarischen Kritik hochgelobt. Mittlerweile ist der Roman in 27 Sprachen übersetzt und 2024 unter der Regie von Georg Maas und Judith Kaufmann verfilmt worden. Zuletzt erschienen bei Kiepenheuer & Witsch die Romane »Tage mit Ora« (2018), »Ach, Virginia« (2020) und »Mischa und der Meister« (2022).

Michael Kumpfmüller, geboren 1961 in München, lebt als freier Autor in Berlin. Im Jahr 2000 erschien mit dem gefeierten Roman »Hampels Fluchten« seine erste literarische Veröffentlichung, 2003 sein zweiter Roman »Durst« und 2008 »Nachricht an alle«, für den er vor dem Erscheinen mit dem Döblin-Preis ausgezeichnet wurde. Bei seiner Veröffentlichung im Jahr 2011 wurde der Roman »Die Herrlichkeit des Lebens« zum Bestseller und von der literarischen Kritik hochgelobt. Mittlerweile ist er in 24 Sprachen übersetzt worden. Zuletzt erschienen seine Romane »Die Erziehung des Mannes« (2016), »Tage mit Ora« (2018) und »Ach, Virginia« (2020).

2 Sprechen Sie nie mit Unbekannten


Mischa war ein miserabler Wohnungssucher. Meistens suchte er gar nicht, sondern träumte das Suchen mehr, und ergatterte er ausnahmsweise einen Besichtigungstermin, ging er entweder nicht hin oder wusste schon an der Haustür, dass es bestimmt nichts wäre, fand an der Küche oder den Lichtverhältnissen etwas auszusetzen und war nicht selten der Erste, der kopfschüttelnd nach Hause ging.

»Wenn ich schreiben will, brauche ich eigene vier Wände«, hatte er sich und dem Onkel erklärt, doch weder Mischa noch der Onkel glaubten richtig daran, zumal man sich im Alltag gut verstand, ab und zu eine Meinungsverschiedenheit, aber kein Grund, viel Geld für eine eigene Wohnung auszugeben.

Mischa war wie oft spät dran, nach den vielen Aufregungen des vergangenen Tages hatte er lange träumend im Bett gelegen, bevor er sich endlich aufraffte und nach Schöneberg in die Gleditschstraße begab.

Die Wohnung befand sich im rechten Seitenflügel, zweiter Stock links, und hörte sich nicht sonderlich vielversprechend an. Bereits aus der Ferne sah Mischa die Menschentraube vor dem Eingang, die sich soeben in Bewegung setzte und wenig später in gespielter Ruhe in die Wohnung ergoss, die aus einem einzigen Zimmer bestand, dazu Küche, Bad, winzig und deutlich abgewohnt, Wände, Böden; von Fenstern und Türen blätterte der Lack ab.

Mischa zählte an die dreißig Interessenten. Das Gedränge war entsprechend groß, man sah Leute nicken und andere, die den Kopf schüttelten, nach fünf Minuten waren zwei Drittel weg.

In letzter Sekunde bemerkte er die Frau.

Sie war mindestens zehn Jahre älter als er, Mitte dreißig vermutlich, groß und schlank, überaus gepflegt, wie er unweigerlich dachte, jemand, der sich zu kleiden wusste und in hellen, geschmackvoll eingerichteten Räumen bewegte, was die Frage aufwarf, warum sie eine schäbige Wohnung in der Gleditschstraße besichtigte, die noch dazu im Seitenflügel lag.

Auch die Frau schaute zwei-, dreimal in seine Richtung, wechselte ein paar Worte mit dem Makler, der sich womöglich ebenfalls wunderte.

Irgendwie französisch sah sie aus, ein bisschen wie die junge Stéphane Audran in den Filmen von Chabrol, die Mischa mochte, aber wie sich herausstellte, sprach sie ein makelloses Hochdeutsch.

Unten auf der Straße kam sie auf ihn zu und bot ihm eine Zigarette an.

»Sie sehen aus, als wäre heute so ein Tag«, erklärte sie und meinte: um zu rauchen, als würde sie wissen, dass Mischa allenfalls Gelegenheitsraucher war, aber nach diesem Fehlschlag soeben, warum nicht, ja, gern.

Sie holte eine Packung Pall Mall aus ihrer Handtasche und gab ihm Feuer.

»Ach ja, der Wind«, sagte sie, denn es wehte ein kräftiger Wind, da war es mit Zündhölzern schwierig, es bedurfte mehrerer Anläufe, bis sie endlich Feuer gaben.

Und so rauchten sie, sprachen über das Rauchen, Wind und Wetter, die Wohnungsfrage.

Wie lange sie denn bereits suche, wollte Mischa wissen.

Und darauf sie: »Nein, nein, ich suche nicht, ich bin nur hier, um mich mit dir zu unterhalten.«

Sie lächelte, als sie das sagte, offenbar hatte sie eine spezielle Art von Humor, stellte sich nun auch vor und nannte ihren Vornamen: »Luna.«

»Mischa«, sagte Mischa.

Er mochte ihr Muttermal unten am Kinn, ihren Blick, der auf ihm ruhte und sehr wohlwollend war, etwas fragend, weil sie erkennbar fror und daher vorschlug, sich zum Aufwärmen wenige Straßen weiter in ein Café zu setzen.

Keine zehn Minuten später saßen sie im Gottlob. Mischa hörte von dem Café zum ersten Mal, während Luna offenbar schon da gewesen war und Prosecco und ein Glas heißes Wasser bestellte und für Mischa ein zweites Frühstück, das aus Espresso und Bitter Lemon bestand.

Mischa war selbstverständlich eingeladen und musste nun jede Menge Fragen beantworten, seine Wohnsituation betreffend, was er studierte, die Arbeit beim Onkel, der ein Russe war, so, so, mit russischem Essen kenne sie sich einigermaßen aus.

»Vielleicht magst du mir bei Gelegenheit etwas zusammenstellen und bringen, ich habe ewig nicht russisch gegessen, früher natürlich dauernd.«

Mischa verstand nicht.

»Mein Mann ist Russe«, erklärte sie. »Vielmehr war er das. Ich meine, er lebt, ist jedoch nicht mehr mein Mann, was dich sicher brennend interessiert.«

»Das tut mir leid«, sagte Mischa.

Und die Frau: »Das muss dir gewiss nicht leidtun, es ist ja niemand gestorben, im Gegenteil – ich bin überhaupt erst am Leben, seit er das Weite gesucht hat und sich wer weiß wo herumtreibt, während ich mit einem hübschen jungen Mann im Café sitze und mich jede Minute amüsiere.«

So formulierte sie es.

Am Ende lud sie ihn zu einem kleinen Ausflug ein.

»Jetzt gleich habe ich einen Termin, doch heute Abend, wenn du Zeit und Lust hast, sagen wir um sieben, könnten wir uns weiterunterhalten.«

Für abendliche Ausflüge schien das Wetter nicht günstig, fand Mischa, aber wie sich herausstellte, wollte sie vor allem eine Kleinigkeit essen und das nächtliche Berlin studieren.

Auf den Fernsehturm wollte sie.

»Ich weiß, ich weiß, machen bloß Touristen«, sagte sie. »Aber warte ab, hoch oben in den Lüften über dem Alexanderplatz ist es wirklich schön.«

»Ich bestelle uns einen Tisch«, erklärte sie. »Eingeladen bist du auch. Allerdings man muss Einladungen ja nicht annehmen.«

Sie tauschten Telefonnummern, für den Fall, dass einem von ihnen etwas dazwischenkäme.

»Mischa«, sagte sie und winkte der Kellnerin, um zu bezahlen.

Die nächsten Stunden brachte Mischa irgendwie hin, räumte im Schostakowitsch neue Ware in die Regale, freute sich vage, obwohl er bis zur letzten Minute versucht war, abzusagen.

Zehn vor sieben stand er am Fuß des Fernsehturms und beobachtete bei Nieselregen den Publikumsverkehr. Für den Lift brauchte man Tickets, das hatte er nicht gewusst, und als er kurz davor war, welche zu kaufen, entdeckte er sie drinnen hinter der Glastür, wie sie mit zwei Karten winkte.

»Ich bin leider jemand, der regelmäßig zu früh ist«, sagte sie entschuldigend, worauf Mischa sofort annahm, er sei zu spät gekommen, und seinerseits eine völlig unnötige Entschuldigung murmelte.

Sie trug einen teuren schwarzen Mantel mit Kapuze und erklärte, dass es auch für sie das erste Mal sei, es könne also viel schiefgehen, was sie offenbar nur so sagte.

Die Liftfahrt dauerte keine Minute. Es gab einen merklichen Ruck, und es zog sie nach oben. Ein Gruppe Koreaner oder Japaner machte unverständliche Bemerkungen zum rasanten Tempo, während Luna, halb an die Liftwand gelehnt, Mischa versonnen anlächelte, wartete, bis alle raus waren, und ihn ins Restaurant führte.

Und dort drehte sich alles.

Das hatte Mischa gelesen und zwischenzeitlich vergessen: dass sich das ganze Restaurant drehte und sich bei den Touristen ebendeshalb großer Beliebtheit erfreute; man aß und fuhr mit Blick auf die Stadt unablässig im Kreis, und die Stadt war ein funkelndes Spielzeug und gleichzeitig nah und fern und schön.

Für einen Augenblick freute sich Mischa wie ein Kind. Luna hatte es geschafft, in letzter Minute zwei Plätze am Fenster zu ergattern, bestellte noch im Stehen eine Flasche Crémant und sagte: »Und da haben wir uns nun also tatsächlich getroffen und sitzen im Berliner Himmel.«

Mischa war damit fürs Erste beinahe überfordert, denn er hatte vieles zu bestaunen, zuallererst dieses dauernde Gedrehtwerden, dazu die weit unten ausgebreitete Stadt, die jede Minute eine andere wurde, Luna natürlich, die in der Karte blätterte und, wie ihm vorkam, einen leicht schwefelhaften Geruch verströmte.

Essen wollte sie nur eine Vorspeise, das Duo vom Lachs, und als Nachspeise die lauwarme Birnentarte, während Mischa sich für die Kartoffelsuppe nach Kaiser-Wilhelm-Art entschied und als Hauptgang für das Rindfleisch in Burgunder.

Als das erledigt war, entstand eine kleine Pause, man stieß ein zweites Mal an und plauderte recht munter los, wobei sich beide abwechselnd duzten und siezten, bis sich Mischa mitten im Satz an den Kopf schlug und sagte, dass er seine Geschenke vergessen habe.

»Ich habe etwas für Sie.«

»Für dich«, korrigierte Luna. »Ich würde gerne Luna für dich sein. Hallo Luna. So bitte sag zu mir.«

Er nickte und lächelte und überreichte ihr eine Flasche Krimskoye-Rosé, die der Onkel verkaufte, und dazu eine Handvoll bunte Bonbons, die nicht besonders schmeckten und dafür sehr russisch aussahen.

»Weil du doch mit einem Russen verheiratet gewesen bist.«

»Hör mir auf mit den Russen«, gab sie zurück.

...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2022
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte ach • Bulgakow • Die Erziehung des Mannes • Die Herrlichkeit des Lebens • Dostojewski • Freundschaft • Heiland • Humor • jeschua • Kumpfmüller neuer Roman • Liebesgeschichte • Liebesroman • Liebe und Versöhnung • Rückkehr Jesus • Russische Literatur • Tage mit Ora • Teufel • Virginia • Wiederkunft Jesu Christi
ISBN-10 3-462-32142-0 / 3462321420
ISBN-13 978-3-462-32142-5 / 9783462321425
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