Sisi. Die Sterne der Kaiserin (eBook)

Roman

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
416 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-27196-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sisi. Die Sterne der Kaiserin -  Mara Andeck
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Ein faszinierender Blick aufs Leben der legendären Kaiserin - aus Sicht ihrer Friseurin und engsten Vertrauten Fanny Angerer
Wien 1863. Bei einer Premierenaufführung am Wiener Burgtheater wird Kaiserin Elisabeth auf die kunstvolle Frisur der Hauptdarstellerin aufmerksam. Sie verlangt, deren Friseurin zu sprechen, und bietet ihr kurzerhand eine Stelle bei Hofe an. So gelangt die junge Fanny Angerer, uneheliche Tochter einer Hebamme, an die prunkvolle Hofburg. Von nun an widmet sie sich jeden Morgen drei Stunden lang der Haarpflege der Kaiserin, die schon bald ihre intimsten Geheimnisse mit ihr teilt. Doch als Fanny sich Hals über Kopf verliebt und den Dienst quittieren will, droht Sisi ihre Friseurin und engste Vertraute zu verlieren ...

Mara Andeck, geboren 1967 in Freiburg, hat in Dortmund Journalismus und Biologie studiert, beim WDR in Köln volontiert und danach als Wissenschaftsjournalistin gearbeitet. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Stuttgart und schreibt Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Kapitel 1


April 1863

Burgtheater am Michaelerplatz

Sind Sie zufrieden?« Wie immer nach dem Frisieren bleibe ich hinter Zerline Gabillon stehen und senke demütig den Blick.

Ein goldener Spiegel. Davor eine Diva mit Lampenfieber, hinter ihr ich. Das ist, wie ich weiß, eine hochexplosive Mischung.

Und eigentlich erübrigt sich meine Frage, es ist nämlich viel zu spät für Änderungen an der Frisur, selbst wenn die Gabillon unzufrieden wäre. Die Vorführung beginnt in zehn Minuten, sie spielt die Hauptrolle, und sie steckt noch nicht einmal in ihrem Kostüm. Sie muss das Ergebnis meiner Arbeit also hinnehmen, das weiß sie so gut wie ich.

Aber es gibt auch nichts daran auszusetzen. Ich habe in den vergangenen drei Stunden alles gegeben, was in meiner Macht steht, um die widerspenstige Mähne der Schauspielerin in einen wahren Traum von Frisur zu verwandeln. Ihr ehemals fahlrotes Haar habe ich mit einem Sud aus Walnussschalen getönt. Die glanzlose, borstige Krause habe ich mit einem heißen Eisen zu einer fließenden Pracht geglättet und mir dabei mehrfach die Finger verbrannt, während die schöne Zerline bequem auf ihrem Frisiersessel thronte und die Briefe ihrer Verehrer las. Und obwohl mein Rücken sich bereits nach einer Stunde anfühlte, als würde er in der Mitte zerbrechen, habe ich die Haare anschließend aufwendig geflochten, mit künstlichen Haarteilen aufgepolstert und zu einer raffinierten neuen Frisur hochgesteckt, für die ich seit Wochen jeden Abend am Kopf meiner protestierenden Schwester geübt habe.

Die Mühe hat sich mehr als gelohnt, das sehe ich im Spiegelbild, als ich den Blick hebe. Das Haar der Gabillon glänzt im Kerzenlicht wie Rosenholz. Ihre nicht sehr hohe Stirn wird durch eine geflochtene Haarkrone optisch gestreckt, sodass ihre missmutige Miene auf einmal geradezu edel wirkt. Und sogar die scharfe, hakenförmige Nase der Diva, die normalerweise wie der Schnabel eines Geiers hervorragt, erscheint durch die weich fallenden Seitensträhnen mit einem Mal stolz und aristokratisch.

Trotzdem muss ich natürlich ergebenst um eine Beurteilung meines Werkes bitten, das gehört sich so. Zerline Gabillon ist die derzeit berühmteste Hofschauspielerin des kaiserlichen Burgtheaters – und ich bin, nun ja, Fanny.

Eine insgeheim sehr stolze Fanny allerdings. Meine im Kerzenlicht fast schwarzen Augen sprühen vor Freude über meine Leistung, auch das verrät mir das Spiegelbild, und schnell senke ich den Blick wieder. Es ist nicht gut, Zerline Gabillon durch Selbstbewusstsein zu provozieren. Sie hat klare Vorstellungen, was dem Personal zusteht. Gute Laune gehört nicht dazu.

Wie immer lässt sich die Diva mit ihrer Antwort Zeit. »Nun …«, beginnt sie schließlich, hält aber noch einmal inne und beugt sich vor, um sich besser im Spiegel betrachten zu können.

Nervös beobachte ich, wie Zerline Gabillon ihr Haupt erst nach links, dann nach rechts dreht, skeptisch eine Augenbraue hochzieht und zuletzt an einer Strähne über dem Ohr herumzupft. Ich benötige all meine Disziplin, um nicht zischend einzuatmen. Wenn sie jetzt eine der Flechten lockert, ist alles zerstört, und die Premiere wird mit Verspätung beginnen müssen. An einem Abend wie diesem eine Katastrophe! Und das wird auf mich zurückfallen, vielleicht kostet es mich sogar meine Stellung. Kann sie denn nicht erkennen, dass sie besser aussieht denn je? Und endlich in ihr Kostüm steigen? Gustl, die Ankleiderin, wartet bereits im Hintergrund, die Robe über dem Arm, und tritt vor lauter Anspannung von einem Fuß auf den anderen.

»Es ist … interessant«, sagt die Gabillon endlich und wendet sich dann an Gustl. »Wo ist mein Kostüm?«

Ich bin also in Ehren entlassen. Keine Kritik ist schon genug gelobt, so lautet das unausgesprochene Motto der Gabillon. Und an Premierentagen wie heute, wenn sie besonders nervös ist, muss ich eine solche Bemerkung schon fast als einen Ritterschlag betrachten.

Also lächele ich, knickse, säusele: »Ich dank’ recht schön« und entferne mich so ehrerbietig, wie es mir möglich ist.

Kaum habe ich das Garderobenkammerl verlassen, ist es allerdings vorbei mit meiner Beherrschung. Ich raffe meine Röcke mit beiden Händen und renne ausgesprochen undamenhaft los. Wenn ich noch rechtzeitig auf meinen Beobachtungsposten kommen will, ist es jetzt höchste Zeit. Im Theater munkelt man seit Tagen, die Kaiserin wolle die heutige Premiere besuchen. Und ich muss sie einfach sehen. Ich warte schon so lange auf diesen Moment.

Ja, ich weiß, wir haben Ihre Majestät schon bei der letzten Erstaufführung erwartet, und da ist sie dann doch nicht gekommen. Aber das bedeutet nicht, dass es heute wieder so sein wird. Im Gegenteil, es steigert die Chancen sogar. Alle sagen, dass die Kaiserin das Theater liebt, irgendwann muss sie einfach erscheinen. Sie ist schließlich nach ihrem langen Kuraufenthalt schon eine ganze Weile zurück in Wien.

Ich husche einen dunklen Gang entlang, haste über eine schmale Stiege hinter der Bühne in die erste Etage und bremse meinen Schritt. Jetzt nicht auffallen!

Direkt gegenüber der Kaiserloge gibt es eine Nische, die kaum jemand kennt, sie ist mein Ziel. Dort kann ich im Schatten der Logenbrüstung stehen und die Kaiserfamilie auf der anderen Seite des Saals vis-à-vis beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Bisher war die Kaiserin allerdings nie dabei.

Eigentlich darf an dieser Stelle niemand stehen, aus Sicherheitsgründen. Ich könnte ja ein böser Mensch sein, eine Spionin oder sogar eine Attentäterin. Aber in meinem schwarzen Kleid verschmelze ich mit dem Hintergrund, als wäre ich gar nicht da. Und die Kaiserin ist mit mir sicherer als ohne mich, mir entgeht nämlich nichts.

Ich habe es von langer Hand vorbereitet, dass ich hier heimlich stehen darf. Seit dem ersten Tag meiner Arbeit am Theater habe ich mich mit dem alten Josef befreundet, dem Platzanweiser, der über diese Etage wacht. Er drückt immer ein Auge zu, wenn ich mich hinaufschleiche, sobald sich kurz vor Vorstellungsbeginn die Gänge geleert haben. Auch heute lächelt er fast unmerklich, als er mich entdeckt, dann wendet er sich ab und tut, als müsste er ein nicht vorhandenes Stäubchen von seiner Livree wischen.

Atemlos erreiche ich mein Versteck, drücke mich tief in die Nische und überzeuge mich mit einem raschen Blick, dass die Kaiserloge noch leer ist.

Ich liebe diese Minuten kurz vor Vorstellungsbeginn. Alle sitzen schon auf ihren Plätzen, und unter mir kann ich ehrwürdige Herren im Frack und schöne Damen in schimmernden Seidenroben bewundern, die reden, lachen oder sich gegenseitig unauffällig durch ihre Operngläser beobachten. Der goldene Kronleuchter an der Decke bringt mit seinem warmen Schein das Gemälde auf dem Theatervorhang zum Leuchten. Es zeigt den Gott Apollo im Kreise farbenfroh gewandeter Hirten. Am oberen Rand ist weinroter Samtstoff in Bögen drapiert, was so vornehm und prächtig aussieht, dass ich beim Anblick jedes Mal eine Gänsehaut bekomme. Die Luft duftet nach den Veilchen- und Rosenessenzen der Damen, das Orchester spielt leise Walzermelodien, um die Konversation anzuregen, und ich kann mit jeder Faser meines Körpers spüren, dass ich mich hier in der kaiserlichen Hofburg befinde, nur durch einen Gang von den Gemächern der Kaiserfamilie getrennt. Was für ein erhabenes Gefühl.

Wo die Kaiserin wohl jetzt ist? Durchschreitet sie gerade ebenjenen Gang? Oder kommt sie wieder nicht?

Ich lasse meinen Blick noch einmal über das Publikum schweifen. Sind vielleicht schon Operngläser auf die Loge gerichtet?

Nein, es gibt keinerlei Anzeichen, dass das Kaiserpaar von den feinen Herrschaften erwartet wird. Alle sind ganz und gar mit sich selbst beschäftigt. Und ein Diener des Hofzuckerbäckers Demel durchwandert noch immer die Gänge des Parketts und ruft mit leiernder Stimme: »Gefrorenes! Limonade! Mandelmilch!«

Plötzlich ertönt eine Glocke. Aber es ist nicht die, die normalerweise den Beginn der Vorstellung ankündigt, sondern eine mit hellerem, feinerem Ton, die nur ganz leise im Orchestergraben angeschlagen wird. Das Gemurmel verebbt, der Zuckerwerkverkäufer huscht aus dem Saal. Der Dirigent gibt seinen Musikern mit dem Taktstock ein Zeichen, und die Musik bricht ab. Dann erhebt sich das Orchester wie ein einziger Mann von den Stühlen. Alle versinken in einer tiefen Verneigung. Sofort folgt das Publikum dem Beispiel der Musiker, sogar ich oben in meiner Nische raffe reflexartig meinen Rock und sinke in einen Hofknicks.

Als ich mich wieder aufrichte, setzt mein Herz einen Schlag aus. Sie sind da. Beide. Die Kaiserin wirkt viel jünger, als ich es erwartet habe, und der Kaiser sieht neben ihr kleiner aus als auf all den Postkarten der kaiserlichen Familie. Er ist wie immer in Uniform, heute ist es eine in hellem Blau, und seine Brust ist mit Orden reich geschmückt. Der dünne, gekrauste Backenbart, den er seit einiger Zeit trägt, steht ihm leider gar nicht gut zu Gesicht, ohne gefiel er mir besser. Die Kaiserin hingegen ist zauberhaft schön. Viel strahlender als noch vor zwei Jahren.

Damals fuhr sie in einer Kutsche durch die Straßen Wiens und sah hinter den Scheiben blass und aufgedunsen aus. Trotz ihrer damals erst dreiundzwanzig Lebensjahre wirkte sie alt und verbraucht. Und sie weinte, da bin ich sicher, obwohl ich in all dem Gedränge am Straßenrand nur einen kurzen Blick auf sie werfen konnte. Man munkelte seinerzeit so manches über die Gründe. Krankheit. Eheprobleme. Streit mit der Schwiegermutter.

Heute allerdings ist...

Erscheint lt. Verlag 23.11.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • eBooks • Frauen Freundin • Geschenk Weihnachtsgeschenk • historisch • Historische Persönlichkeit • Historische Romane • Kaiserreich • K&K • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • Österreich • Roman • Romane • Taschenbuch • Wahre Begebenheit • Wien
ISBN-10 3-641-27196-7 / 3641271967
ISBN-13 978-3-641-27196-1 / 9783641271961
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