Zusammen ist es Freundschaft (eBook)

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2022 | 1. Auflage
352 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491279-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zusammen ist es Freundschaft -  Mikael Bergstrand
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Wahre Freundschaft kennt kein Alter und keine Herkunft: Der neue berührende Roman des schwedischen Bestsellerautors Mikael Bergstrand Die  junge Dalia stammt Aleppo und lebt mit ihrer Familie auf dem heruntergekommenen Campingplatz, sie spielt ausgezeichnet Fußball,  und will genauso gut sein wie die Jungs. Seit einem Schicksalsschlag hat Ingemar Modig sich von der Welt verabschiedet, er lebt allein und ist einsam. Mit Dalias Hilfe findet Ingemar ins Leben zurück und Dalia ihren Platz in einem neuen Land. Mit Leichtigkeit und Humor erzählt Mikael Bergstrand in seinem berührenden Roman »Zusammen ist es Freundschaft« über aktuelle Themen wie Zuwanderung, Flucht und Vertreibung,  und dass wahre Freundschaft unser Leben einfach reicher macht.  

Mikael Bergstrand, 1960 in Malmö geboren, arbeitete als Journalist für die  Zeitung »Sydsvenskan«. Er berichtete vom Balkan und  aus Neu-Delhi, von dort kehrte er nach  vier Jahren wieder nach Schweden zurück. Der Autor hat mehrere Romane und Kriminalromane veröffentlicht und lebt heute an der südschwedischen Küste in Rörum.      

Mikael Bergstrand, 1960 in Malmö geboren, arbeitete als Journalist für die Zeitung "Sydsvenskan". Er berichtete vom Balkan und aus Neu-Delhi, von dort kehrte er nach vier Jahren wieder nach Schweden zurück. Der Autor hat mehrere Romane und Kriminalromane veröffentlicht und lebt heute an der südschwedischen Küste in Rörum.

Mit Leichtigkeit und Humor erzählt Mikael Bergstrand in seinem berührenden Roman [...] über aktuelle Themen wie Zuwanderung, Flucht und Vertreibung.

1


Er begriff sofort, dass nichts mehr zu retten war. Das Auto schlingerte außer Kontrolle weiter, egal, wie verzweifelt er das Lenkrad herumriss. Ehe das Unvermeidliche geschah, brannte sich der Gedanke in seinem Herzen ein: hier und jetzt. Und für immer. Dass er sich diesen Fehler selbst zuzuschreiben hatte, sich und keinem anderen.

Stille. Der Geruch der Angst. Der Geschmack von Metall im Mund. Die Angst, bei der sich jeder Muskel in seinem Körper wie zur Gegenwehr anspannte.

Dann kam das Geräusch. Von zerfetztem Autometall, von zersplitterndem Glas. Seine eigene Stimme, die mitten in einem Schrei brach. Das Blut sah er erst später. Als alles vorüber war.

Als die wirkliche Hölle losbrach.

 

Ingemar Modig fuhr mit Schweißperlen auf der Stirn aus dem Schlaf hoch. Es war eine Minute vor acht, Mittwoch, der 21. März. Das Datum spielte für ihn allerdings eigentlich keine Rolle. Es hätte auch Freitag, der 3. August, oder Sonntag, der 18. November, sein können. Ingemar Modig erwachte nämlich immer zu diesem Zeitpunkt, jeden Morgen. Immer um eine Minute vor acht, unmittelbar ehe der weiße Radiowecker aus abgenutztem Kunststoff von 07:59 auf 08:00 umsprang und mit seinem aufdringlichen Geklingel loslegte. Das bedeutete, dass ihm zwischen dreiundvierzig und neunundfünfzig Sekunden blieben, um seine Arme und Beine von der schweißnassen Decke zu befreien, die Nachttischlampe anzuknipsen und auf den richtigen Knopf am Radiowecker zu drücken, den dritten von links. Immer rechtzeitig, bevor die Nachrichten begannen. Bisher war ihm dieses Manöver stets gelungen, seit er sich vor fast acht Jahren diese seltsame Morgenroutine zugelegt hatte, und deshalb mochte der tiefe Seufzer der Erleichterung, den er nun folgen ließ, möglicherweise ein wenig theatralisch wirken.

Aber nichts hätte weniger zutreffen können. Für Ingemar Modig war es blutiger Ernst. Wenn es ihm nicht gelänge, das Wecksignal zu verhindern, würde es nämlich jemand anderes tun.

Und sterben.

Wenn er nur hätte sicher sein können, dass er selbst es war, auf den der Tod mit frisch gewetzter Sense wartete, falls er zu spät aufwachte, hätte er sich damit vermutlich abfinden können. Nicht, dass er lebensmüde gewesen wäre, nein, das nicht. Aber übertrieben verliebt ins Dasein war er auch nicht. Und ein letztes Mal ausschlafen? Es gab ja wohl schlimmere Wege, um diesen jämmerlichen, Erde genannten Planeten zu verlassen? Aber Ingemar Modig konnte eben nicht wissen, ob er selbst sterben würde oder ein Mensch, der auf irgendeine Weise mit ihm verbunden war. Das war der eigentliche Kern des Problems. Denn was, wenn er es wüsste? Das wäre doch viel zu einfach, und dann hätte sein morbides Ritual keinen Sinn mehr. Seine Bußübung.

Warum er nicht einfach darauf verzichtete, den Wecker zu stellen? Weil das gepfuscht wäre. Und mit Pfuschen kam man auf Dauer nicht durch.

In der fünften Klasse hatte Ingemar Modig einmal in einer Geschichtsklausur geschummelt. Er hatte vorher nicht genug gebüffelt, und deshalb hatte er einen Spickzettel mit den Jahreszahlen aller schwedischen Könige seit Gustav Vasa bei sich. Er presste das kleine Papierstück in seiner feuchten Faust zusammen und versuchte auszusehen, als ob er über eine der Fragen nachdächte, als der Lehrer seinen strengen Blick durch das Klassenzimmer schweifen ließ. Als sich Ingemar nach einigen Minuten nervösen Wartens ein Herz fasste und unter der Bank auf seinem Knie die Faust öffnete, musste er feststellen, dass sein Schweiß den Zettel mehr oder weniger aufgelöst hatte. Die sorgfältig notierten Namen und Jahreszahlen waren zu einem verschwommenen Bleistiftfleck zerflossen, und nur Fragmente von Buchstaben und Ziffern waren noch zu erkennen. Er erschrak dermaßen, dass er in Atemnot geriet und schließlich heftig loskeuchte. Der Lehrer kam mit zunächst besorgter Miene angelaufen, durchschaute dann aber den Betrugsversuch. Auf die Demütigung vor der ganzen Klasse folgten ein blauer Brief an die Eltern und am Abend vonseiten des Vaters eine heftige Tracht Prügel mit dem Gürtel. Jeder Schlag brannte wie Essig in einer offenen Wunde, aber das Schlimmste war das Gefühl, sich selbst betrogen zu haben. Durch Lug und Trug die Kontrolle über sein Leben verloren zu haben.

Eine verständliche Erklärung, wieso ein nicht gestellter Wecker Pfuschwerk wäre, ging jedoch über seinen Verstand. Und dabei war Ingemar Modig ja eigentlich ein ungeheuer gescheiter Mensch und gar nicht unbegabt für so logisch ausgeprägte Wissensgebiete wie zum Beispiel Mathematik und deutsche Grammatik.

»Ich bin, du bist, er sie es ist«, murmelte er vor sich hin.

Dann streckte er die Arme aus, versuchte, so gut das ging, seinen krummen Rücken zu strecken, und gähnte kurz. Seine Schlafanzugjacke klebte an seinem Körper wie ein zu enger, nasser Regenmantel, obwohl er nun im Bett saß.

Der Fleck auf dem Laken war nicht so triefnass wie der große Kreis aus heißem Urin, der ihn in seiner Kinderheit geweckt hatte, aber dennoch benutzte er einen Plastiküberzug für die Matratze, obwohl das ja eigentlich kontraproduktiv war, weil es die nächtlichen von Albträumen und Medikamenten hervorgerufenen Schweißausbrüche verstärkte. Alles aus Liebe zur Hygiene. Die Bettwäsche konnte man ja jeden Tag waschen, anders als die Matratze.

Ingemar Modig stand mit zitternden Beinen auf. Er fror jetzt plötzlich. Bibbernd streifte er die Schlafanzugjacke ab, zog den dicken Bademantel aus Frotté fest um seinen Leib zusammen, stieg in die vor dem Bett stehenden Filzpantoffeln und schlurfte ins Badezimmer. Dort war es jetzt fast unerträglich heiß. Der kleine Heizkörper mit der abblätternden Farbe, der neben der Toilette stand, hatte nämlich keine Zwischenstufe. Er heizte gar nicht oder mit voller Kraft. Damit musste Ingemar Modig leben.

Der Spiegel über dem Waschbecken konnte dagegen keine direkten Horrormeldungen vermitteln. Für einen zweiundsechzig Jahre alten einsamen Frührentner mit schweren Zwangsvorstellungen und sozialen Phobien sah Ingemar im Gegenteil geradezu proper und ausgeglichen aus, auf eine fast provozierende Weise, wenn er das selbst so sagen durfte. Er hatte noch immer jede Menge Haare auf dem Kopf, und die grauen Einsprengsel waren leicht zu zählen.

Ingemar Modig feuchtete einen Kamm an und zog ihn nach hinten durch seinen welligen Schopf, so dass die Stirn mit ihren markanten Linien freilag. Ansonsten hatte er kaum Falten, nur einige attraktive Linien, wenn er die Augen zusammenkniff, und ein paar dünne Furchen um den Mund, wie eine Erinnerung an seine Vergangenheit als starker Raucher. Er hatte mit Paffen aufgehört, als er in diese Wohnung gezogen war. Es war unhygienisch und verschmutzte nicht nur die Lunge, sondern machte die Finger so hässlich nikotingelb. Nein, an seinem Äußeren gab es nicht viel auszusetzen. Die Nase war gerade und makellos, und die Wangen waren rosig von der vielen frischen Luft. Wenn rein ästhetisch gesehen überhaupt irgendetwas abwich, dann die Haut am Hals. Die hing unter dem Kinn ein wenig lose, ungefähr wie bei einem jungen, aber bereits schlachtreifen Puter. Dick war er auch nicht, eher neigte er zur Magerkeit, was vom eifrigen Putzen und von den langen Spaziergängen kam, denen er den Großteil seiner wachen Stunden widmete, obwohl er stark hinkte. Es gab sicher hier und da eine Frau, die ihn auf den ersten Blick für einen richtig gutaussehenden Mann halten würde. Mit krummem und schiefem Rücken, aber doch gutaussehend. Auf jeden Fall aus einer gewissen Entfernung und von vorn betrachtet. Wenn er stillstand.

Ingemar Modig zog seine feuchte Schlafanzughose und den Bademantel aus, dann stülpte er sich die Duschhaube mit dem Sonnenmuster über den Kopf und setzte sich in die alte Badewanne mit den langen Roststreifen im Emaille. Er mochte das laufende Wasser nicht direkt in die Haare spritzen lassen. Es wäre, als ob es ihm auch in den Schädel flösse. Als ob sich das Wasser einen Weg durch seine Poren und durch die Haarbälge in die Kopfhaut und dann weiter durch das verschlungene Tunnelsystem des Gehirns bahnte. Wenn man alle Gespenster aus dem Gehirn hätte spülen können, ungefähr wie der Klempner verstopfte Rohre freispülte, wäre das ja eine wunderbare Methode zur schnellen Genesung gewesen. Aber es kam ihm eher vor, als ob sich das Wasser dort drinnen sammeln und alt und faulig werden würde. Die Duschhaube war wirklich ein Segen, trotz des albernen Musters.

Ingemar schrubbte sich am ganzen Leib sorgfältig mit Seife und Badebürste und im Gesicht mit einem Waschlappen, ehe er sich mit der Handbrause abspülte. Diese Prozedur wiederholte er dreimal, danach putzte er sich drei Minuten lang die Zähne und rasierte sich sorgfältig, obwohl sein Bartwuchs so gut wie nicht vorhanden war. Die zu rasierende Fläche teilte er in drei Bereiche: Wangen, Kinn und Hals. Der kleine Schnurrbartfleck auf der Oberlippe wurde in einem miterledigt. Der zählte gewissermaßen nicht. So war es einfach. Und wenn er gezählt hätte, dann wäre diese begrenzte Hautpartie wohl zu den Wangen gerechnet worden, oder genauer gesagt, als eine Verlängerung der Wangen. Und dann waren es ja, im Prinzip jedenfalls, weiterhin drei Bereiche.

Danach trocknete er sich gewissenhaft mit dem großen Badetuch ab, auf das ein Bild eines Hundes gedruckt war, und das er in dem inzwischen stillgelegten Tiergeschäft hier in Borstafors gekauft hatte. Er hatte sich einen Hund zulegen wollen, zur Gesellschaft, aber daraus war nichts geworden. Die Vorstellung von den vielen Hundehaaren, die in Fußbodenritzen stecken...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2022
Übersetzer Gabriele Haefs
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Afghanistan • Almuth Schult • berührender Roman • Bestseller • Culture-Clash • Einsamkeit • Fake News • Flucht • Flüchtlinge • Flüchtlingsschicksal • Frauen-Fußball • Freundschaft • Fußball • Geschenkbuch • Grenzen überwinden • gute unterhaltung • Heldinnen • Kopftuch • Marta • Megan Rapinoe • Mental Health • Schweden • Spitzenfußballerin • Syrien • Trost • Vertreibung • Zusammensein • Zuwanderung
ISBN-10 3-10-491279-3 / 3104912793
ISBN-13 978-3-10-491279-0 / 9783104912790
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