Mythodrama-Therapie (eBook)

Geschichten als Mittel der Konfliktbewältigung bei Kindern und Jugendlichen
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
184 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-76027-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mythodrama-Therapie -  Allan Guggenbühl
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Wie können Geschichten im Rahmen von Beratung und Therapie von Kindern und Jugendlichen gezielt eingesetzt werden? Allan Guggenbühl zeigt in vorliegendem Fachbuch, wie Geschichten helfen können, schwierige Situationen zu bewältigen. Er stellt dazu das von ihm entwickelte Mythodrama ins Zentrum. Das Buch dient als Einführung in das Mythodrama. Es liefert Fachpersonen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, eine fundierte Anleitung, wie das Mythodrama in ihrer Arbeit eingesetzt oder Elemente davon verwendet werden können sowie welche Geschichten sich besonders dafür eignen.Allan Guggenbühl beschreibt anschaulich die sieben Schritte des Mythodramas:1. Schritt: Der Grund des Zusammenseins - Fokussierung2. Schritt: Die Spielphase - die Kunst der leichten Zerstreuung3. Schritt: Die Inszenierung - das Erzählen einer Geschichte 4. Schritt: gelenkte Imagination5. Schritt: Drama, Bild und lockere Rede - die Performance6. Schritt: Transfer7. Schritt: Blick auf mögliche konkrete ÄnderungenDas Mythodrama lässt sich in verschiedenen Settings anwenden, wie bei thematischen Therapiegruppen (Kinder oder Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien), der Arbeit mit jugendlichen Gewalttätern oder der Intervention bei Konflikten in Schulen. Das Verfahren hat sich bereits in der Schweiz, in Deutschland, in Österreich, in den USA sowie in China, Japan und Georgien bewährt und etabliert.

|19|1  Mut zum Halbchaos: Grundlage der Gruppentherapie


Zusammenfassung

Dieses Kapitel beginnt mit Fragen und Herausforderungen, mit denen Therapeuten im direkten Kontakt mit einem Kind oder Jugendlichen konfrontiert werden, wenn sie helfen und mit ihm arbeiten wollen. Anschließend führt es in die Grundlagen der Gruppenpsychotherapie mit Kindern und Jugendlichen ein. Vor allen beim Versuch, bei Konflikten zu helfen, kommt man oft an Grenzen, wenn man sich nur auf das Gespräch verlässt. Es braucht weitere Mittel, wenn wir Kindern oder Jugendlichen helfen wollen, ihre Herausforderungen und Probleme zu bewältigen. Es gilt, ihr Inneres zu erschließen und ihnen zu helfen, ihre Ressourcen zu entdecken. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden die Qualitäten und Möglichkeiten des Gruppensettings beschrieben. Die Gruppensituation und vor allem das Bewusstsein, unter sich zu sein, verändert bei vielen Kindern und Jugendlichen das Verhalten: Sie öffnen sich. Im Kapitel wird aufgezeigt, welche gruppendynamischen Entwicklungen und Gefahren zu berücksichtigen sind, anschließend werden die archetypischen Zusammenhänge der Gruppenpsychotherapie erläutert, die Voraussetzung für das Mythodrama sind.

1.1  Therapie mit Kindern und Jugendlichen


Ein Erstgespräch mit einem Jungen, den seine Eltern auf Wunsch der Schule bei mir angemeldet haben. „Ich weiß nicht, wieso ich hier bin“, teilt mir der Elfjährige mit und schaut nervös um sich. Sein Blick fällt auf ein Bild, das hinter mir an der Wand hängt. Ich frage ihn, wie es in der Schule gehe. „Sehr gut!“, entgegnet er mir und fügt hinzu, „ich bin der beste und beliebteste Schüler der ganzen Schule!“ |20|Und nach einer Pause: „Wo ist die Insel auf dem Bild?“ „In Schottland“, erkläre ich ihm. Nun wird der Knabe gesprächig: „Dort gibt es Monster in unterirdischen Kanälen!“, informiert er mich. Er wisse jedoch, wo sie sich verstecken!

Ein wenig später rede ich mit den Eltern. Sie sind verzweifelt. Natürlich würden sie ihren Sohn lieben, doch sein Verhalten zu Hause und in der Schule sei oft unerträglich. Die Spielzeuge seiner jüngeren Schwester habe er aus Wut im Fluss in der Nähe ihres Wohnorts entsorgt. Beim Essen weigere er sich kategorisch, das Aufgetischte zu berücksichtigen, und am Morgen brächten sie ihn oft nicht aus dem Bett, da er nicht in die Schule wolle. Den Lehrpersonen zufolge handle es sich bei ihm um einen intelligenten und vifen Jungen, doch sei er nicht steuerbar. Er ignoriere Anweisungen, sei während der Lektionen laut und werfe mit beleidigenden Sprüchen um sich. Die Schulleitung überlege sich, ihn auszuschließen, nachdem einige Eltern sich wegen ihm beklagt hätten. Die Eltern des Jungen wissen nicht weiter. Der Junge selbst ist jedoch überzeugt, dass alles in Ordnung sei. Was ihn störe, seien seine nervösen Eltern und die unfähigen Lehrpersonen …

Als Kinder- und Jugendpsychologe hat man oft mit Kindern oder Jugendlichen zu tun, bei denen die eigene Problemeinschätzung derjenigen ihrer Umgebung diametral entgegengesetzt ist und die nicht über ihre Probleme reden. Während Eltern und Lehrpersonen über das Verhalten oder den emotionalen Zustand besorgt oder sogar verzweifelt sind, erleben diese Kinder oder Jugendlichen sich selbst und ihre Situation als unproblematisch. Sie leiden, doch aus ihrer Sicht aufgrund der Umstände. Sie sehen in der Folge nicht ein, wieso sie zu einem Psychologen müssen.

Es gibt natürlich auch Kinder und Jugendliche, die selbst den Wunsch äußern, mit einer Außenperson über ihre Sorgen zu reden. Die Mehrzahl jedoch formuliert kein Problem oder keine Sorge, sondern ist einfach mal da und wartet auf das, was auf sie zukommt. Bei der Therapie von Kindern oder Jugendlichen handelt es sich meistens um eine verordnete Maßnahme. Die Eltern, die Schule oder Experten haben ihnen dazu geraten oder es bestimmt.

Im Gegensatz zu Erwachsenen haben Kinder und Jugendliche nur eine vage Vorstellung von der Arbeitsweise eines Psychotherapeuten oder Psychologen, auch wenn man ihnen vorher seine Funktion erklärt hat. Sie lassen sich auf etwas Unbekanntes ein und müssen in die Therapie eingeführt werden. Dies geschieht nicht nur über Informationen, sondern über eine emotionale Einstimmung und Anbindung. Sowohl in der Einzeltherapie wie auch in der Gruppentherapie gilt es, dem Kind oder Jugendlichen bewusst zu machen, dass man unabhängig von der Schuldfrage mit ihnen arbeitet. Es geht nicht um eine Nacherziehung, sondern |21|darum, herauszufinden, was in ihnen abläuft und wie es ihnen besser gehen kann. Ich selbst frage in der ersten Sitzung, wieso sie denken, dass sie bei mir sind. Die allermeisten Kinder und Jugendlichen antworten, dass die Eltern oder die Schule sie zu mir schicken. Einige erwähnen Schwierigkeiten, andere fühlen sich als Opfer und fast alle erkennen ihren Anteil nicht. Sie sind sich nicht gewohnt, sich selbst zu problematisieren. Praktisch alle Kinder und in einem leicht geringeren Ausmaß die Jugendlichen sind jedoch offen für neue Kontakte. Sie sind emotional ansprechbar und neugierig. Da sie meistens keine Ahnung haben, welches die deklarierten Gründe ihrer Anmeldung bei mir sind, schildere ich meinen Wissensstand des Problems. Reagiert das Kind oder der Jugendliche nervös oder betroffen, dann wende ich mich einem Thema zu, das sich spontan ergibt oder es bzw. ihn interessiert. Es geht darum, Töne auszutauschen und das Kind oder den Jugendlichen ankommen zu lassen.

Wenn ich eine Einzeltherapie beginne, dann nähere ich mich langsam dem Kind oder Jugendlichen an. Meine Worte und Reaktionen versuche ich ganz auf die Befindlichkeiten meines Gegenübers abzustimmen. Ich versuche mir vorzustellen, welches seine Sorgen und Interessen sind. Bei einem zwölfjährigen Jungen besprachen wir vor allem das Strafsystem seiner Schule, ein Mädchen klagte über ihre disloyalen Freundinnen und ein anderer Junge beschwerte sich über seine fordernde Mutter. Als Therapeut geht es für mich darum, hinzuhören. Gelingt es, ein Vertrauensverhältnis zwischen uns herzustellen, dann mache ich mir als Psychotherapeut Gedanken über die Form der Auseinandersetzung. Bei Kindern empfiehlt es sich, neben der Sprache eine Ebene einzuführen, mithilfe derer sie sich indirekt ausdrücken können. Es kann sich um das Sandspiel (siehe dazu Smith, 2012), um Puppentheater, Malen, freies Spiel oder Geschichten handeln. Welche Methode eingesetzt wird, hängt neben den fachlichen Kompetenzen des Therapeuten entscheidend auch von der Persönlichkeit und den Interessen des Kindes oder Jugendlichen ab. Nicht alle Kinder spielen gern oder wollen malen.

Einzeltherapie hilft einem Kind oder Jugendlichen, sein Selbstvertrauen zu stärken, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten und sich innerlich zu ordnen, um persönliche Herausforderungen besser zu bewältigen. In der Einzeltherapie internalisiert das Kind oder der Jugendliche mit der Zeit den Therapeuten oder die Therapeutin. Sie oder er wird zu einer inneren Ressource, an der sie sich orientieren können. Dies gibt ihnen Kraft, eigene Schwierigkeiten besser zu bewältigen, seien es eine Depression, Ängste oder Frustrationen.

Viele Probleme im Kindes- und Jugendalter betreffen jedoch den Außenbereich. Sie müssen sich in der Schule, bei Kollegen und auch in der Familie bewähren und mit entsprechenden Herausforderungen umgehen. Sie müssen sich als soziale |22|Wesen bewähren, lernen, sich in einer Gemeinschaft zu bewegen, durchzusetzen und abzugrenzen. Sie bewegen sich auf einer Bühne, auf der andere Codes und Regeln als zu Hause gelten. Es gilt sich anzupassen. Bei diesem Prozess vermischen sich eigene Sensibilitäten oder Probleme mit Anpassungsschwierigkeiten. Die Kinder oder Jugendlichen drohen ihre Schwierigkeiten zu externalisieren. Sie agieren Ängste, Unsicherheiten, Aggressionen oder Verzweiflung aus. Sie suchen nicht in sich selbst nach Zusammenhängen und Ursachen, sondern führen sie auf andere Personen oder Situationen zurück. Die Lehrperson ist „schuld“, die Kollegen sind „gemein“ oder die Eltern „unverständig“. Die Folge ist, dass sie mit Forderungen konfrontiert werden, die sie nicht verstehen. Die Schule, Kollegen und oft auch die Eltern verlangen, ...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2021
Zusatzinfo 1 Abbildung
Verlagsort Bern
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Gelenkte Imagination • jugendliche Gewalt • Konfliktintervention • Konfliktprävention
ISBN-10 3-456-76027-2 / 3456760272
ISBN-13 978-3-456-76027-8 / 9783456760278
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