Die Eisbaronin (eBook)

Zu neuen Ufern Roman
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2021 | 1. Auflage
480 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-26419-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Eisbaronin -  Nicole C. Vosseler
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Hamburg 1867. Die Eisbarone sind längst zur Legende geworden. Ihr Eis aus dem hohen Norden reist inzwischen um die halbe Welt und kühlt sogar den Champagner im Buckingham Palace. Doch die nachfolgende Generation hat eigene Pläne für die Zukunft. Christians Tochter Cathrin kennt das Geschäft von klein auf und fürchtet, dass die Tage des Eishandels gezählt sind. Mit aller Macht drängt sie in die Firma, um neue Wege einzuschlagen. Auch Grischas Sohn Jakob, der erst seit Kurzem in Hamburg ist, hat revolutionäre Geschäftsideen. Gemeinsam wollen Cathrin und Jakob auch noch die andere Hälfte der Welt erobern ...

Nicole C. Vosseler, am Rand des Schwarzwalds geboren und aufgewachsen, finanzierte sich ihr Studium der Literaturwissenschaften und der Psychologie mit einer Reihe von Nebenjobs. Bereits früh für ihre Kurzprosa, für Essays und Lyrik ausgezeichnet, wandte sie sich später dem Schreiben von Romanen zu. Ihre Bücher wurden bisher in neun Sprachen übersetzt. Nicole C. Vosseler lebt in Konstanz, in einem Stadtteil, der ganz offiziell »Paradies« heißt. Wenn sie nicht in ihrem Schreibstudio am Seerhein an einem ihrer Romane arbeitet, reist sie mit der Kamera um die Welt, wo sie trotz ihrer Höhenangst auch mal einen Vulkan besteigt und auch sonst das Abenteuer sucht.

2

Es hätte ein ganz gewöhnliches Familienfrühstück sein können, an diesem Sonntag in Hamm. Eines der Dörfer im Speckgürtel Hamburgs, wo die Villen gut betuchter Bürger nach und nach die Bauernhäuser verdrängten.

Henny Petersen hatte lange gezaudert, ob es nicht noch zu kühl war, dann aber doch nach dem Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche die Tafel draußen decken lassen. In der Sonne strahlte das Porzellan mit der Säulenfassade der Villa um die Wette, und der Duft von Kaffee und Eiern und noch warmen Rundstücken mischte sich mit dem des frischen Grases und der Frühlingsblumen.

Die Kinder waren bereits vom Tisch entlassen, vom Ufer des Teichs sprudelten ihre Stimmen herüber. Aufmerksam beobachtet von ihrer Mutter Jette, falls Thalia, mit vierzehn Jahren die Älteste, die Aufsicht über ihre Geschwister vernachlässigen sollte. Claudius und Viktoria waren schon recht vernünftig, aber gerade Nesthäkchen Richard war ein ziemlicher Racker.

Mit knorrigen Fingern zerrupfte Großmutter Pohl die nächste Scheibe Hefezopf und tunkte Fetzen für Fetzen in ihren Milchkaffee. Fürsorglich zog Henny das wollene Tuch enger um die Schultern ihrer betagten Mutter und erntete dafür ein zahnloses Lächeln.

Cathrin lag die Idylle schwer im Magen. Genauso behaglich hatten sie und Marie bei Katya und Thilo am Tisch gesessen, keine drei Wochen war es her, und nichts, absolut nichts hatte ahnen lassen, dass sie Thilo niemals wiedersehen würden.

Nichts in ihrem Leben hatte sie darauf vorbereitet. Nicht der Tod von Großvater Pohl damals, von dem ihr nur wenige Erinnerungen geblieben waren, bevor ihn im Kontor ein Schlaganfall ereilt hatte. Zwei Monate, ehe er in den Ruhestand gehen und sich mit seiner Mathilde noch etwas von der Welt ansehen wollte, die er nur von Schiffspapieren und Zollerklärungen auf seinem Schreibtisch her kannte.

Es war auch nicht dasselbe wie bei Cathrins geliebtem Opa Arno Petersen, der ihr immer vorgekommen war wie ein gutherziger Riese aus einem Märchen. Tapfer hatte er sich gegen das Verwittern gestemmt, selbst als er schon dalag wie ein morscher Baum; fast fünfzehn Jahre war es jetzt her.

Mit Thilo hatte sie den Mann verloren, den sie als ihren eigentlichen Vater betrachtete. Ein solch unermesslicher, tiefgreifender Verlust für Cathrin, dass sie nicht wusste, wie sie ihn je verwinden sollte. Der sie hier an diesem Tisch überdeutlich spüren ließ, wie allein sie inmitten ihrer Familie war.

Sie blickte zu Marie, die das ganze Frühstück damit zugebracht hatte, an einem einzigen weich gekochten Ei zu löffeln. Kaum hörbar vor sich hin summend, ging sie jetzt ganz darin auf, mit ihren Elfenfingern die Schale in unzählige Stückchen zu zerbrechen und auf dem Teller zu einem gleichmäßigen Muster zu arrangieren.

Ihre dreiunddreißig Jahre sah man Marie nicht unbedingt an, ihr eigentümliches Wesen indes schon, spätestens auf den zweiten oder dritten Blick. Geistig minderbemittelt, lautete oft genug das Urteil Fremder, vorschnell gefällt. Maries Welt war bunter, facettenreicher, lauter, intensiver; eine beständig herandonnernde Brandung aus Sinneseindrücken, die ihren wachen Verstand durcheinanderwirbelte. Davor konnte sie sich nur abschotten, das hatte Cathrin früh verstanden.

Unvermittelt hob Marie den goldblonden Kopf von ihrer Puzzlearbeit. Ihre blauen Augen ließen tief blicken, in dieselbe uferlose Trauer hinein, die auch Cathrin empfand. Ein seltener Augenblick schwesterlicher Innigkeit, bevor Marie sich wieder dem Mosaik aus Eierschalen widmete, auf der Suche nach Ordnung in dieser furchterregend chaotischen Welt.

Hausmädchen Mine trat mit einer Kanne frischen Kaffees an den Tisch, bei Ludger Niebuhr machte sie den Anfang. Obwohl Jette in jeder Hinsicht eine glänzende Partie gewesen war, hatte Maries bloße Existenz ihre Chancen seinerzeit geschmälert. Zu groß waren die Befürchtungen potenzieller Schwiegereltern gewesen, so etwas könnte womöglich erblich sein.

Ludger Niebuhr hatte sich davon nicht abschrecken lassen. Deutlich älter als Jette, hatte er nicht nur Geschäftserfahrung und eigenes Vermögen mit in die Ehe gebracht, sondern auch die nötige Reife, um mit Jettes Launen und Allüren umzugehen. Die Brauen buschig, der grau melierte Backenbart üppig, erinnerte er an einen missgestimmten Straußenvogel, fand Cathrin.

»Menschlich war es gewiss eine nachvollziehbare Entscheidung. Schließlich hat er Katya stets auf Händen getragen«, ließ Ludger sich jetzt vernehmen und griff zu der nachgefüllten Tasse, ohne Mine in irgendeiner Form zu beachten. »Trotzdem halte ich eine solche Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der Firma für bedenklich.«

Die Nachwehen der Beerdigung: Thilos Testament, in dem er jeder der drei Petersen-Schwestern die gleiche großzügige Summe vermacht hatte. Dass Maries Geld von Katya treuhänderisch verwaltet werden sollte und nicht etwa von Christian und Henny, hatte schon für hochgezogene Brauen gesorgt. Ludger nahm es dazu persönlich, dass er keinerlei Zugriff auf Jettes Erbteil haben sollte oder auch nur ein Mitspracherecht; eine Schmach für einen Mann wie ihn.

Vermutlich verbiss er sich deshalb wie ein Terrier in die Tatsache, dass Katya nun mit Thilos Anteilen die Hälfte von Petersen & Voronin in ihren Händen hielt. Cathrins Vater kaute genauso schwer daran, auch hier zogen Christian Petersen und Ludger einmal mehr an einem Strang.

»Wem hätte Thilo seine Anteile denn sonst vermachen sollen?«, fragte Cathrin herausfordernd. »Grischa? Oder Vater? Das Ergebnis wäre doch dasselbe gewesen.«

In gewohnter Freundlichkeit, aber eine Spur lauter als nötig, bedankte sie sich bei Mine für das Nachschenken. Zu subtil für Ludger, für solche Zwischentöne war er taub.

»Mein liebes Kind«, sprach er Cathrin ungeachtet ihrer fast fünfundzwanzig Jahre an. »Die Leitung eines solchen Unternehmens bedeutet eine große Verantwortung. Jede Entscheidung, die es zu treffen gilt, kann folgenschwere Konsequenzen nach sich ziehen, auf Jahre hinaus. Jegliche Sentimentalität ist da fehl am Platz.«

»Weder Katya noch Thilo haben sich jemals sentimental gezeigt, wenn es um das Geschäft ging«, hielt Cathrin dagegen, Jettes warnenden Blick ignorierend. »Katya hat das Unternehmen mitbegründet, der Eishandel war überhaupt erst ihre Idee. Sie hatte darin schon jahrelange Erfahrung, als du noch die Schulbank gedrückt hast.«

»Müssen wir das denn ausgerechnet heute …«, begann Henny, zaghaft bemüht, den Sonntagsfrieden zu wahren.

Ludger ließ sich davon nicht beirren. Für ihn war eine Auseinandersetzung erst dann beendet, wenn er den Gegner auf seine Seite gezogen hatte.

»Bei allem Respekt, verehrte Schwägerin«, widersprach er Cathrin. »Thilo hätte besser daran getan, die Last der Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen.«

»Zu viele Köche verderben den Brei«, gab Cathrin patzig zurück.

Ganz und gar nicht wie die abgeklärte Geschäftsfrau, die sie sein wollte. Trotzdem sah sie voller Genugtuung, dass sie Ludger an seinem empfindlichsten Punkt getroffen hatte, seiner Eitelkeit.

»Mit Verlaub, das sehe ich anders. Ein zusätzlicher Mann in der Geschäftsführung hätte der Firma mehr als gutgetan.«

Daher wehte der Wind also: Ludger hatte selbst auf Thilos Anteile gehofft. Das Testament hatte Katya mit einem Schlag doppelt so reich, doppelt so mächtig gemacht, wer hätte nicht an ihrer Stelle sein wollen.

»Du wirst doch ohnehin bald Vaters Position übernehmen«, entgegnete Cathrin.

»Was er sich auch mehr als verdient hat«, warf Jette ein.

»Das stelle ich doch auch gar nicht in Abrede«, wehrte Cathrin ab. »Es geht mir nur darum …«

»Weißt du«, schnitt Jette ihr das Wort ab, »du solltest solche Dinge denjenigen überlassen, die etwas davon verstehen.«

»Ich bin mit dem Geschäft groß geworden«, verteidigte sich Cathrin. »Von klein auf war ich mit Thilo im Kontor, mit Grischa auf den Schiffen und in Zollbüros. Ich habe mit Katya unser Eis in Norwegen geholt und sogar die Webereien und Manufakturen in Indien besucht. Das ist weitaus mehr, als Ludger von sich behaupten kann.«

»Ein nettes Steckenpferd«, erwiderte Jette geschmeidig. »Aber vollkommen nutzlos. Du hättest dich lieber mal mit Nadelarbeiten beschäftigt oder um sonstige hausfrauliche Fertigkeiten bemüht. Dann würdest du nicht immer noch am Rockzipfel von Papa und Mama hängen. In deinem Alter.«

Cathrin kümmerte es herzlich wenig, ob sie verheiratet war oder nicht; dass Jette, durch und durch Tochter ihrer Mutter, es ihr bei jeder Gelegenheit unter die Nase rieb, hingegen schon. Die zwölf Jahre, die sie trennten, hatten sich über die Zeit zu einer Kluft zwischen Generationen ausgedehnt. Unvereinbare Vorstellungen und Werte, an denen sie sich wie Streichhölzer rieben und genauso leicht entzündeten.

Schweigend verfolgte Christian Petersen den hitzigen Wortwechsel der beiden, einmal mehr erstaunt über diese drei so unterschiedlichen Töchter, die aus ihm und Henny hervorgegangen waren. Jette in ihren Farben von Milch und Honig, die mit Ende dreißig gerade in voller Blüte stand. Verwöhnt, aber diszipliniert und dazu noch scharfsinnig, selbstbewusst in ihrer Ehe wie der Mutterschaft. Marie, dieses versponnene Elfenkind, für das sie einen sicheren Hort geschaffen hatten, in dem sie aufblühen und ihrer künstlerischen Begabung nachgehen konnte.

Und Cathrin.

Aus einer Laune der Natur heraus war sie äußerlich ganz nach Thilo, seinem Bruder, geraten. Die Erbanlagen eines gemeinsamen Vorfahren,...

Erscheint lt. Verlag 20.12.2021
Reihe/Serie Die Eisbaronin-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Band 3 • bestseller taschenbuch • eBooks • Familiensaga • Frauenromane • Historische Romane • Historischer Roman • kleine geschenke für frauen • Liebesromane • Neuerscheinung 2021 • Neu Taschenbuch 2021 • Reihe • Roman • Romane für Frauen • Weihnachtsgeschenk
ISBN-10 3-641-26419-7 / 3641264197
ISBN-13 978-3-641-26419-2 / 9783641264192
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