Es ist immer so schön mit dir (eBook)

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00744-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Es ist immer so schön mit dir -  Heinz Strunk
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Eine katastrophale Liebe Er war mal Musiker. Jetzt ist er Mitte vierzig und im Großen und Ganzen nicht unzufrieden. Seine Freundin hat ein geregeltes Einkommen, und das Ein-Mann-Tonstudio wirft auch ein bisschen was ab. Die Träume von der künstlerischen Karriere sind längst begraben. Sie schmerzen nicht mehr. Da lernt er Vanessa kennen, Schauspielerin, jung, strahlend schön. Zuerst versteht er gar nicht, warum sie sich fu?r ihn interessiert. Er verliebt sich in sie. Er verlässt seine Freundin. Ist er jetzt mit Vanessa zusammen? Es wird immer größer: das Glück und das Chaos. Sie ist beides fu?r ihn. Und er kommt nicht los von dieser Frau und ihren Abgründen. Liegt das am Ende gar nicht an Vanessa, sondern an ihm selbst?

Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Bevensen geboren. Seit seinem ersten Roman Fleisch ist mein Gemüse hat er 14 weitere Bücher veröffentlicht. Der goldene Handschuh stand monatelang auf der Bestsellerliste; die Verfilmung durch Fatih Akin lief im Wettbewerb der Berlinale. 2016 wurde der Autor mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis geehrt. Seine Romane Es ist immer so schön mit dir und Ein Sommer in Niendorf waren für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Der Schriftsteller, Musiker und Schauspieler Heinz Strunk wurde 1962 in Bevensen geboren. Seit seinem ersten Roman «Fleisch ist mein Gemüse» hat er 14 weitere Bücher veröffentlicht. «Der goldene Handschuh» stand monatelang auf der Bestsellerliste; die Verfilmung durch Fatih Akin lief im Wettbewerb der Berlinale. 2016 wurde der Autor mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis geehrt. Seine Romane «Es ist immer so schön mit dir» und «Ein Sommer in Niendorf» waren für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Erster Teil Zuvor erwogene Möglichkeiten haben sich zerschlagen


Eins


Leichter Schneefall hat eingesetzt, der Balkon ist bedeckt von einer dünnen Schicht, Schnee wie Staub. Der Schnee schluckt den Schall, es ist still wie in der Tiefsee, in Panic Rooms, in der arktischen Nacht. Er horcht auf seinen Atem. Hält die Luft an, zählt. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig. Wie es wohl wäre, ein Leben mit angehaltenem Atem zu führen? Kann man sich nicht vorstellen. Kann sich kein Mensch vorstellen.

 

Es riecht nach Zigarettenrauch. Julia ist auf dem Balkon, die Tür zum Schlafzimmer steht einen Spaltbreit offen. Eine letzte Zigarette und ein letztes Glas im Stehen. Allerdings steht Julia nicht, sie sitzt, auf einer leeren Getränkekiste, und ein Glas hat sie auch keins in der Hand.

Er hat das Rauchen schon lange aufgegeben. Aufgeben ist das richtige Wort. Wann eigentlich genau? Keine Ahnung. Wenn man nicht mehr weiß, wann man aufgehört hat, ist das ein gutes Zeichen, dann ist man endgültig drüber hinweg und auf dem Stand eines Nierauchers. Nieraucher, kein Nichtraucher, eine sinnvolle Unterscheidung. Der Nichtraucher ist ein Raucher, der sich den Genuss versagt, aber nichts lieber täte, als eine zu dampfen; der Nieraucher hat noch nie geraucht, ergo weiß er auch nicht, was er verpasst.

 

Julia kommt ins Schlafzimmer und legt sich zu ihm. Sie hat sich gründlich die Hände eingeseift, die Zähne geputzt, den Mund ausgespült, das Gesicht gewaschen. In einem Jahr will sie auch aufhören. Pünktlich zu ihrem Vierzigsten. Immer noch von Kälteschauern geschüttelt, macht sie «brrr, huu, kalt, kalt, kalt» und schmiegt sich an ihn. Ihre Haut fühlt sich eisig und klamm an.

«Geht das? Oder zu kalt?»

«Ja, geht, sogar ganz angenehm. Mir ist nämlich ganz heiß.»

Sie nimmt ihre Wasserflasche vom Nachttisch und trinkt in kleinen, spitzen Schlucken. Da liegen sie ganz friedlich, die Schatten auf ihren Gesichtern laufen ineinander.

«Das wäre mal wieder geschafft.»

Was meint sie? Das Wochenende? Was sonst. Wann genau ist das Wochenende eigentlich geschafft, vorbei, ganz offiziell? Punkt null Uhr? Oder schon eher, wenn der Sonntagabend im Flimmern und Flackern des Fernsehers versickert? Früher gesellte sich zum Flimmern und Flackern noch das Rauschen, aber das wurde abgeschafft, wie der Sendeschluss.

Für ihn ist das Wochenende gefühlt seit etwa einer Stunde vorbei. Gestern so, heute so und morgen noch mal ganz anders. Als Kind ist man verrückt aufs Leben, wünscht sich, die Zeit möge stillstehen, geht aus Angst, etwas zu verpassen, noch nicht mal zur Toilette. Das Leben bestand ausschließlich aus Anfängen, und nichts hatte ein Ende. Jetzt ist es ihm ganz recht, dass die Zeit rasch vergeht.

Ohne Ehrgeiz die Tage verdämmern, durch Zufälle dahin geraten, wo man ist. Sich treiben lassen, zunehmende Stimmungen, abnehmende Stimmungen, nach nicht durchschaubaren Mustern …

Wenn sein Hirn erst mal zu plappern angefangen hat, hört es so schnell nicht wieder auf. Es produziert dann fast ausschließlich nutz-, wert- und sowieso lose Gedanken, als hätte es eine Extrawindung, die ausschließlich dafür reserviert ist. Denken und brüten, bis ihm alles über den Kopf wächst und die Verwirrung nicht mehr überschaubar ist. Also Ruhe jetzt, finito, silenzio, cut.

 

«Nimm mich doch mal in den Arm.»

Ihr Atem trifft seine Nasenlöcher. Unter dem Zahnpastageruch hängt, kaum wahrnehmbar, eine vergorene Note.

«Nichts lieber als das.»

«Wann liest du mir eigentlich mal wieder was vor?»

«Jetzt gerade nicht. Ich hab irgendwie Kopfschmerzen.»

Er hat praktisch nie Kopfschmerzen. Nur heute, ausnahmsweise. Das Pochen ist unregelmäßig, es kommt und geht.

«Du hast doch sonst nie Kopfschmerzen.»

«Die sind ja auch nur ganz leicht. Gehen bestimmt gleich wieder weg.»

«Aber nächsten Sonntag.»

«Was?»

«Na, vorlesen.»

«Ja, machen wir.»

«Versprochen?»

«Versprochen.»

«Wir haben es doch gut miteinander.»

«Ja, haben wir.»

Da liegen wir hier, denkt er. Da liegen wir hier nun. Da liegen wir hier rum. Julia fröstelt immer noch.

«Ich fand es heute fast am schönsten.»

Sie hat die Angewohnheit, vor dem Einschlafen das Wochenende Revue passieren zu lassen. Ein Ritual. Sie geht alle Stationen noch mal ab, detailverliebt, haarklein, klein-klein, klitzeklein, sich vergewissernd, ob er es ähnlich schön fand wie sie. Der schöne Spaziergang, der schöne Besuch, das schöne Kochen, der schöne Abend gerade eben, den sie puzzelnd und lesend verbracht haben. Aus irgendwelchen schrägen Gründen hat sie das Puzzeln wiederentdeckt. Sie puzzelt, er liest. Puzzeln ist eigentlich wie Basteln, denkt er, der Heimwerker werkelt, der Denksportler rätselt, unerbittlich und grausam. Allrounder, Bastler, Hobbymenschen: Leute, mit denen etwas nicht stimmt.

Sie erzählt auf eine ganz eigene, ungelenke, fast kindliche Art und Weise, Grammatik egal. Es plätschert wie Wasser.

«Oder was meinst du?»

Er nickt. Er könnte etwas sagen, aber er begnügt sich mit Nicken und vergisst, dass man das in der Dunkelheit nicht sehen kann.

«Hallo?»

«Ach ja, sorry, ich nicke die ganze Zeit, ich pflichte dir in allen entscheidenden Punkten bei.»

«Dann ist ja gut.»

Es war gewiss genauso schön wie das letzte und vorletzte und wie alle noch folgenden Wochenenden. Man könnte das kommende und vergangene und das vorvergangene und das Wochenende vor einem Jahr übereinanderlegen, käme in etwa immer das Gleiche bei raus. So ist das mit dem Leben und den Wochenenden: Die Kreise werden kleiner, sie nähern sich dem Radius null.

«Oder hat dir was nicht gefallen?»

Langsam nervt es.

«Doch, doch, alles okay, ich bin nur müde.»

«Entweder man hat Kopfschmerzen, oder man ist müde. Beides auf einmal geht nicht.»

Das saß. Da hat sie recht.

«Die Müdigkeit überlagert den Schmerz. Der ist ja auch nur ganz leicht, hab ich doch schon gesagt.»

«Überlagert, überlagert. Da hast du dich ja geschickt aus der Affäre gezogen.»

Affäre? Welche Affäre? Sie wendet den Kopf in seine Richtung, schaut ihn durch aus der Mitte der Iris verrutschten Pupillen an. Sie hebt die Augenbrauen und verdreht die Augen ins Weiße, eine Miene, die einmal zu dem Satz «Ich glaub, es hackt» gehörte, jetzt aber alles Mögliche bedeuten kann. «Na ja, macht ja nichts. Ich war seit glaube ich zwanzig Jahren nicht mehr im Zoo.»

Wie kommt sie denn jetzt dadrauf?

«Das heißt, du möchtest demnächst mal wieder hin? Können wir machen.»

In den Zoo! Was soll er denn im Zoo?

Während sie weiterredet, beginnt sein Rücken feucht zu werden. Unangenehm. Er hört sie wie durch einen weichen Brei. Zwischendurch sagt er: hm, ja, ach so, genau. Tempo rausnehmen, ausbremsen, ausschleichen. Es funktioniert; langsam versiegt der Redefluss.

«Ja gut, dann mal gute Nacht.»

«Wünsche ich dir auch.»

«Und gute Besserung.»

«Weshalb noch mal?»

«Na, wegen den Kopfschmerzen.»

«Ach so.»

«Ja genau, ach so.»

Er drückt sie an sich. Bis sie endgültig eingeschlafen ist, trägt er die Verantwortung für sie.

Ich war seit glaube ich zwanzig Jahren nicht mehr im Zoo. Der Satz hängt noch in der Luft, wie Wärme, wie Rauch.

Er gähnt mit geschlossenem Mund, um sie nicht zu wecken. Die liebe Julia, denkt er, so ein lieber Mensch. Wenn doch nur alles etwas einfacher wäre. Er etwas einfacher wäre. Dann würden sie zusammen in diesem Zimmer wohnen, bis sie sich in Staub auflösen und zu Boden rieseln. Der Mondschein dringt weiß und wässrig ins Zimmer. Nackt wie ein weißes Loch, der Mond. Sie beginnt leise zu schnarchen. Behutsam löst er die Umarmung, sie dreht sich auf den Rücken.

Nach einer Weile mischt sich in das Schnarchen ein Pfeifen und eine Art breiiges Röcheln, Nachwirkungen einer verschleppten Grippe. Er dreht sie vorsichtig auf die Seite. Das Schnarchen verstummt, das Pfeifen bleibt. Es zieht sie zurück in die Rückenlage. Man kann sie drehen und wenden, wie man will, denkt er, nützt alles nix. Sie murmelt etwas Unverständliches und greift seine Hand. Immer noch kalt. Wie kann man nur schlafen mit so kalten Flossen.

Irgendwas riecht komisch. Ist sie das? Aber wonach riecht es? Kartoffelbrei? Nein, Kartoffelbrei riecht anders. Feuchter Zement. Auch nicht. Spuren von Lösungsmittel. Ach egal. Wie er wohl für ihre Nase riecht? Julia betont oft, dass sie seinen Geruch mag. So soll es bleiben. Bekanntlich lassen sich die Leute in langjährigen Partnerschaften gehen. Gott bewahre, so weit wird er es nicht kommen lassen, wenn er eines weiß, dann das.

Sie drückt im Schlaf ihre Füße gegen seine. Kalt wie ein Stück Fleisch, das man aus dem Kühlschrank genommen hat. Immer die armen Füße, taub und kalt und schwer. Kalte Hände, kalte Füße, schöne Grüße, schießt ihm durch den Kopf. Das ist ja mal wieder besonders sinnlos, denkt er. Vielleicht lässt sich der Satz so lange im Kreis denken, bis ich...

Erscheint lt. Verlag 20.7.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Altersunterschied • Bestsellerautor • Beziehung • Beziehungsdrama • Beziehungsgeschichte • Der goldene Handschuh • Deutscher Buchpreis • Deutscher Buchpreis 2021 Longlist • Fleisch ist mein Gemüse • Freundin • Geschlechterkrieg • Hamburg • Humor • humorvolle Bücher • humorvoller Roman • Lustige Bücher • Musiker • Psychische Belastung • Roman • Roman Neuerscheinung 2021 • Trennung • Witziges Buch
ISBN-10 3-644-00744-6 / 3644007446
ISBN-13 978-3-644-00744-4 / 9783644007444
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