Die Winterfrauen (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-26599-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Winterfrauen -  Tracy Buchanan
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Eine Familie, die eine Lüge verbirgt. Und eine Liebe, die nur mit der Wahrheit leben kann.
Ambers Leben an der Küste Englands ist eintönig - bis an einem eiskalten Wintertag eine junge Frau vor Ambers kleinem Geschenkeladen auftaucht. Sie weiß nicht, wer sie ist und was mit ihr geschehen ist, doch Amber verspürt eine Verbindung zu der Namenlosen und beschließt, ihr zu helfen. 1989: Die Dokumentarfilmerin Gwyneth ist unabhängig und furchtlos, ihr Beruf hat sie an die entferntesten Ecken der Welt geführt. Doch als sie in den verschneiten Highlands fast ums Leben kommt, lässt sie sich von den McCluskys helfen. Gwyneth ist fasziniert von der Familie, vor allem von Dylan, dem rätselhaften und charismatischen Sohn. Aber die McCluskys verbergen ein Geheimnis, dass die Verbindung zwischen Gwyneth und Dylan gefährdet - und Gwyneth Leben für immer verändern wird.

Von verschneiten Bergen über mystische Unterwasserwälder und spektakuläre Küstenlandschaften auf der ganzen Welt: Entdecken Sie auch die anderen Romane von Tracy Buchanan, in denen sie uns immer wieder zu den schönsten Orten der Welt mitnimmt!

Tracy Buchanan lebt als Schriftstellerin in England. Wenn sie nicht gerade schreibt, liebt sie es, durch Wälder zu streifen, einsame Strände zu erkunden und mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrem Hund Brontë auf Städtetrips zu gehen.

1
Amber


Winterton Chine

12. Dezember 2009 

Der Winter in The Chine, wie die Einheimischen den Ort nennen, kann brutal sein. Eisige Winde fegen von Osten über den Ärmelkanal, fallen tosend in das Tal ein, das in die Landschaft gemeißelt ist, während die Bäume darüber steif von Eis sind. Trotzdem vereist der Strand fast nie, bis auf die zwei strengsten Winter seit Beginn der Aufzeichnungen: den Winter 1962 und den, in dem das Mädchen zum ersten Mal in das Leben von Amber Caulfield tritt.

An diesem Morgen erwägt sie, zusammengerollt unter der Decke liegen zu bleiben, statt das zu tun, was sie an sechs von sieben Tagen in der Woche tut: zum Strand hinunterzugehen und ihren Souvenirladen aufzumachen.

»Nein«, sagt sie streng zu sich selbst, während sie nach einem Handtuch greift und Richtung Dusche geht. »Ich brauche die Einnahmen, und die Wände müssen auch noch gestrichen werden.« Der Winter in Winterton Chine ist nicht nur wegen des Ostwinds hart, im Winter bleiben auch die Touristen weg, die den größten Teil von Ambers Kundschaft ausmachen. Sie hofft jedoch, dass sie mit einem frischen Anstrich und ein paar weiteren Renovierungsarbeiten den Laden für den kurzen Ansturm während des alljährlichen Weihnachtsmarkts attraktiv machen kann, der in gut einer Woche beginnt.

Sie duscht, zieht eine dicke Leggins und einen langen schwarzen Pullover an und dreht ihr rotes Haar im Nacken zu einem Knoten zusammen. Als sie, noch mit dem Zuknöpfen ihres langen schwarzen Mantels beschäftigt, hinaustritt, trifft die Kälte sie wie ein Vorschlaghammer. Sie reibt an den Stümpfen ihrer linken Hand, die von der Erinnerung an einen anderen kalten Winter schmerzen, und geht Richtung Strand. Von ihrer Wohnung aus sind es nur fünf Minuten die gewundene Straße hinunter, die das Zentrum von The Chine bildet. Beim Gehen winkt sie den vertrauten Gesichtern zu, die ihr begegnen: ein paar Mütter, die ihre Kinder in die Schule bringen, Jim vom Zeitschriftenladen, ein Busfahrer, der die Leute für einen weiteren Arbeitstag zum Bahnhof bringt und im Vorüberfahren grüßend die Hand hebt.

Der Strand, ein schmaler Streifen Sand, beginnt am Ende der Straße. Oberhalb liegt ein Wald. Eine lange, gerade Promenade führt am Strand entlang, der bei Hundebesitzern sehr beliebt ist. An der Promenade stehen dreißig pastellfarbene Strandhütten, von denen drei Ambers Souvenirladen beherbergen. Sie betrachtet die kleinen Eiszapfen, die an den Dächern der Hütten hängen, und schüttelt den Kopf. Keine Chance, dass sich heute jemand an den Strand wagt. Nächste Woche wird sich das ändern, hat sie beschlossen, vor allem wenn die Leute die neuen Farben sehen, in denen sie den Laden streichen wird. Mit leicht erzwungenem Enthusiasmus geht sie auf die Hütten zu.

Der Laden liegt genau in der Mitte der Strandhütten, eine rosa Hütte, eine babyblaue und eine grüne. Na ja, sie war einmal grün, jetzt ist eine Hälfte knallrot. Amber hat sich für eine kühnere Farbwahl entschieden, um mehr Leute anzulocken. Die anderen Hütten sind in den nächsten Tagen an der Reihe, die rosafarbene wird leuchtend gelb, die babyblaue smaragdgrün werden. Ein Zaun aus weißen Holzpalisaden umschließt die Hütten und macht deutlich, dass alle drei zusammengehören. Sie hat sich noch nicht entschieden, ob sie den auch streichen soll. Über der mittleren Hütte hängt ein Schild: Geschenke Caulfield, gegründet 1955.

Ambers Großvater hat das Geschäft eröffnet und es an seine Töchter vererbt, an Ambers Mutter und Tante. Die beiden haben sich allerdings vor acht Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen. Sie waren der Auffassung, dass Amber jetzt an der Reihe sei. Der Laden befriedigt ihren Wunsch nach einer kreativen Aufgabe. Für den Dezember hat sie ein weihnachtliches Ambiente geschaffen, mit Hirschmotiven und Schneeszenen, mit Tannenzweigen und Lichtern in Form von Eiszapfen und den Werken ortsansässiger Künstler in den Regalen. An trockenen Tagen stellt Amber weitere Werke auf der Veranda aus, auf vier Kisten, die sie in den Farben der Hütten gestrichen hat. Sie erregen die Aufmerksamkeit der Leute am Strand und in dem nahen Café und locken in den Sommermonaten viele Touristen an, die ein Andenken mit nach Hause nehmen wollen.

Aber im Winter ist es ruhig. So ruhig, dass Ambers Mutter vorgeschlagen hat, sie solle nur noch in den Sommermonaten öffnen und sich für den Winter irgendwo einen Job suchen. Doch Amber mag den friedlichen Strand, das Gefühl des beißenden Windes im Gesicht. Es erinnert sie daran, dass sie da ist, dass sie trotz allem, was ihr als Kind zugestoßen ist, überlebt hat.

Sie reibt noch einmal ihre kaputte Hand, bevor sie die Schlösser an den drei Klappläden aufschließt und sie mit der gesunden Hand aufstößt. Sie beugt sich hinunter und schaltet die Lichterketten an, die an der Decke jeder Hütte befestigt sind, dann stellt sie draußen eine Tafel auf, die Wundervolle Winter-Schnäppchen ankündigt.

Sie zieht ihren Stuhl heraus, setzt sich darauf und schließt die Augen, um einen Moment der Ruhe zu genießen, bevor sie mit dem Streichen beginnt.

»Hab ich dich erwischt, wie du bei der Arbeit schläfst!«, ertönt eine vertraute Stimme. Sie dreht sich um und sieht ihre Mutter Rita und ihre Tante Viv den Strand hinunterkommen, eingepackt in ihre Wintermäntel. Das rote Haar, das ihrem so ähnlich ist, weht im Wind. Sie haben einander untergehakt und tragen beide hohe, pelzgefütterte Stiefel, Wollmäntel, die bis zu den Waden reichen, und bunte Schals, die ellenlang erscheinen. Sie behaupten, altersmäßig sechs Jahre auseinander zu sein, doch Amber fragt sich manchmal, ob sie nicht insgeheim Zwillinge sind.

»Ihr habt mich eigentlich nicht erwischt, denn ich hab ja gar nicht versucht, meine Pause zu verheimlichen«, sagt Amber weiterhin mit geschlossenen Augen, um den beiden ihren Standpunkt klarzumachen.

»Hier, das wird dich wachmachen«, sagt ihre Mutter und reicht ihr einen Plastikbecher mit dampfendem heißem Kaffee. »Mit etwas Lebkuchengewürz, um dir die Frage zu ersparen.«

Amber lächelt, als sie den Kaffee entgegennimmt. »Danke. Wird mir heute das Vergnügen zuteil, dass ihr beide mir Gesellschaft leistet?«, fragt sie, als sie daran nippt und den leichten Lebkuchengeschmack genießt, den sie zu dieser Jahreszeit in ihrem Kaffee so liebt.

»Hör dir ihren Sarkasmus an, Rita«, sagt ihre Tante Viv und schüttelt den Kopf. »Du solltest dein Kind wirklich besser im Griff haben.« Das spitzbübische Funkeln in ihren blauen Augen verrät, dass sie es scherzhaft meint.

»Kind«, sagt Amber und schüttelt den Kopf. »In fünf Jahren werde ich vierzig.«

Rita zuckt zusammen. »Erinner mich bloß nicht daran. Besser du gibst keine Party; Len, der die Straße runter wohnt, hält mich immer noch für fünfzig.«

Viv lacht. »Für fünfzig? Mit den Falten!«

»Falten sind die neuen Grübchen, weißt du das nicht?«, meint Rita affektiert. Sie lachen.

»Aber mal ernsthaft«, sagt Amber, »wollt ihr wie letzte Woche hier herumhängen und die Kunden vergraulen?«

Die beiden älteren Frauen sehen sich entsetzt an. »Wir? Die Kunden vergraulen? Wir haben den Laden dreißig Jahre lang betrieben.«

Amber muss einfach lächeln. In Wahrheit liebt sie die Gesellschaft ihrer Mutter und ihrer Tante. Der Tag vergeht mit ihnen schneller, wenn nicht viel los ist. Und während manche Kunden die beiden exzentrischen Rothaarigen, die vor dem Laden lachen und Witze reißen, ein bisschen beängstigend finden, finden die meisten sie reizend. Oft verkaufen sie sogar selbst etwas, wenn auch zum halben Preis, ohne sich erst mit Amber abzusprechen.

»So, so«, sagt Viv und sieht sich um, »welche Kunden sollten wir denn vergraulen?«

Amber verdreht die Augen, während sie in den hinteren Teil der Hütte geht, um die rote Farbe zu holen.

»Du solltest mit dem Laden auf eBay gehen«, fährt Viv fort.

»Oder auf Etsy! Das ist das Neueste, weißt du?«, stimmt Rita ein.

»Ich habe dir schon Millionen Mal gesagt, dass ich nicht online gehen werde«, sagt Amber, während sie mit der gesunden Hand vorsichtig den Deckel von der Farbe zieht. »Die Leute müssen die Sachen anfassen, sie riechen. Das gehört alles zum Kauferlebnis dazu.«

Viv greift nach einem kleinen, mit Muscheln besetzten Spiegel und schnüffelt daran. »Für mich riecht der nach verrotteten Krabben.«

»Von dem Farbgeruch mal ganz abgesehen«, fügt Rita hinzu und rümpft die Nase. »Ich weiß nicht, warum du nicht bei den Pastelltönen bleibst.«

Amber stemmt die Hand in die Hüfte und mustert ihre Tante von oben bis unten. »Na klar. Danke für die Unterstützung.«

Viv lacht und nimmt ihre Nichte in den Arm. »Komm, du weißt doch, dass wir nur Witze machen.«

»Wann macht ihr mal keine Witze?« Amber schüttelt missbilligend den Kopf. Es stört sie eigentlich nicht. Die Neckereien, die Witze und der Sarkasmus gehören zu der Freundschaft der drei Frauen. Manchmal machen die beiden sie wahnsinnig. Doch Amber weiß nicht, wo sie ohne ihre dauernde Anwesenheit heute wäre. Die beiden sind alles an Familie, was sie, die in Winterton Chine geboren und aufgewachsen ist, je gekannt hat. Ihr Vater, ein Lastwagenfahrer, ist ein paar Monate nach ihrer Geburt abgehauen.

»Er hat sich so schon immer beklagt, dass er sich mit zwei verrückten Rotschöpfen herumschlagen muss«, sagte ihre Mutter immer. »Und dann kamst du, noch ein Rotschopf, und hast dir nächtelang die Seele aus dem Leib geschrien.« Einige hätten das...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2021
Übersetzer Hanne Hammer
Sprache deutsch
Original-Titel The Family Secret
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Beverly Jensen • Die Meerestochter • Die Mitternachtsschwestern • Dokumentarfilmerin • dunkles Geheimnis • eBooks • Englische Küste • Familiengeheimnis • Familiensaga • Frauenromane • Herrenhaus • Highlands • Kate Morton • Liebesromane • Lucinda Riley • Neuerscheinungen 2021 • Roman auf zwei Zeitebenen • Schottland • tragische Liebe • unglückliche Liebe • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-641-26599-1 / 3641265991
ISBN-13 978-3-641-26599-1 / 9783641265991
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