Bella Musica (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
560 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-26842-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bella Musica -  Stefanie Gerstenberger
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Eine Kindergeige und der Name Anna Battisti: Mehr blieb der Halbitalienerin Luna nicht, als ihr Vater die Familie verließ. Mit ihm verschwand auch ihr Talent für die Musik. Auf den Spuren der Geige reist sie von München nach Italien, um mehr über ihre Wurzeln zu erfahren.

Cremona 1951: Anna Battisti, eine begabte junge Geigenbauerin, fertigt in der Werkstatt ihres Vaters kunstvolle Instrumente. Doch sie ist eine Frau - und darf das Familiengeschäft nach seinem Tod nicht weiterführen. Um einer Zwangsheirat zu entkommen, flieht sie mit nichts als ihrem Meisterstück nach Sizilien.

Nur der Ort auf der Insel, an dem sie sesshaft wurde, ist überliefert. Hier findet Luna heraus, wer ihre Großmutter war und lüftet das tragische Geheimnis, das ihre Familie seit drei Generationen umgibt.

Stefanie Gerstenberger, 1965 in Osnabrück geboren, studierte Deutsch und Sport. Sie wechselte ins Hotelfach, lebte und arbeitete u. a. auf Elba und Sizilien. Nach einigen Jahren als Requisiteurin für Film und Fernsehen begann sie selbst zu schreiben. Ihr erster Roman «Das Limonenhaus» wurde von der Presse hoch gelobt und auf Anhieb ein Bestseller, gefolgt von »Magdalenas Garten«, »Oleanderregen«, »Orangenmond«, »Das Sternenboot« und »Piniensommer«. Die Autorin wurde mit dem DELIA-Literaturpreis ausgezeichnet und lebt mit ihrer Familie in Köln.

1

Luna zog die Tür zum Ristorante auf. Sie hätte den hinteren Eingang nehmen sollen, doch sie war schon spät dran, und die Toilette neben der Küche war kaputt. Jetzt, wo sie es gekauft hatte, sollte sie das Ding in ihrer Handtasche schließlich auch benutzen. So war das immer; sie wusste, was sie tun musste, aber nicht, was sie wirklich wollte. Die Tür ging hinter ihr zu, und der kleine Windfang, in dem sie jetzt stand, fühlte sich an wie eine Falle. Doch sie hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, sondern öffnete die zweite Tür und betrat den Gastraum. Lorenzo saß mit zwei versprengten Mittagsgästen vorne an Tisch zwei, auf jung getrimmte Männer in den Fünfzigern, die sich darin sonnten, den Chef des angesagten Italieners im Glockenbachviertel persönlich zu kennen. Wir waren neulich wieder bei Lorenzo! Ihr müsst mal zu unserem Freund Lorenzo!

»Ah, das Fräulein Schwester! Bella, bella!«

›Das Fräulein Schwester‹. Luna schnaubte unwillkürlich. Wer redete denn noch so? Uralte Männer … Das nicht gerade dezent blondierte Haar des einen war definitiv zu lang, sein Hemd zu rosa. Luna taufte ihn Surferboy.

»Bella, wie immer.«

Luna schaltete auf ihr Geschäftslächeln um und tat ihnen den Gefallen. »Buon giorno, Dottori!« Jeder fühlte sich geschmeichelt über einen dottore, und niemand protestierte, auch wenn kaum einer diesen Titel wirklich verdient hatte.

Luna war müde, in den letzten Wochen war sie so müde, dass ihre Knochen davon wehtaten. Was willst du eigentlich hier, fragte eine Stimme in ihrem Kopf. Bist du überhaupt gut genug, um einen eigenen Laden zu haben? Keine Ahnung, vermutlich nicht, ach, lass mich doch in Ruhe! Lasst mich alle in Ruhe!

Was mit ihr los wäre, hatte Diamantino sie heute Morgen gefragt, als er sie verführen wollte und von ihr abließ, als Luna wieder keine Lust hatte. Ohne sauer zu werden, hatte er sich stattdessen darangemacht, die Daten von ihrem alten auf ihr neues Handy zu übertragen. Luna schüttelte den Kopf. Es gab Menschen, die hatten Spaß an diesem technischen Kram. Und sie? Woran hatte sie Spaß? Schlafen. Sich alleine in ihrem gemütlichen Bett vergraben und abzutauchen, nicht mehr da zu sein. Etwas anderes fiel ihr im Moment nicht ein, seit einiger Zeit schon war sie antriebslos. Lustlos. Planlos. Sie verstand sich selbst nicht mehr.

Er wird mich trotzdem heiraten, dachte Luna. Davon spricht er doch die ganze Zeit. Wir sind so gut wie verlobt, wir arbeiten zusammen, er ist unser sizilianischer Küchenchef, und ich koche als Souschefin neben ihm. Herd an Herd. Na also, das alles mache ich hier. Ist das nicht genug? Das muss genug sein. Sie seufzte. »Lorenzo! Hast du mal einen Moment?«

Lorenzo sprang sofort auf. Wahrscheinlich war er froh, von den beiden wegzukommen.

»Was machen wir mit Mamas Geburtstag?«, fragte sie, als sie zusammen hinter das Getränkebuffet traten, obwohl sie das gar nicht hatte fragen wollen. Sie tat neuerdings oft etwas, das sie nicht wollte, und seufzte aus diesem Grund gleich noch einmal. In den letzten Tagen tat sie das andauernd, auch Diamantino war das heute Morgen aufgefallen. Diamantino. Den sie abgewiesen hatte. Sollte eine Frau ihren Mann dauernd abweisen? Wohl kaum. Sie war nicht mehr nett zu ihm, und sie mochte diese Person nicht, die sie dann war.

»Hoffentlich gehen die bald«, raunte Luna und verdrehte die Augen. »Es ist vier Uhr! Haben die dich die ganze Zeit vollgequatscht?« Sie redeten Deutsch untereinander, deswegen flüsterte sie nur.

»Warum? Ist doch okay, sind doch Gäste. Was ist mit Mama?«, fragte Lorenzo dann wieder, gab sich aber selbst die Antwort: »Klar. Wir fahren hin, ist ja ein Sonntag! Margherita hat schon ein Geschenk besorgt, eine Leselampe für Mamas Schreibtisch im Wohnzimmer, Ellen hat eine schrecklich hübsche rote 66 gebastelt, Alice hat ihr geholfen. Ich besorge am Samstag noch Blumen, und du, was bringst du mit …? Kommt Diamantino auch? Natürlich kommt er.«

Luna biss die Zähne zusammen. Ihr Bruder war ein liebevoller Mensch, ausgeglichen, loyal, großzügig, und eigentlich sollte sie dafür dankbar sein. Er hatte alles schon geplant, ja, er freute sich darauf, mit seiner Familie an seinem einzigen freien Tag zwei Stunden durch den Sonntagsstau zu seiner sechsundsechzigjährigen Mutter nach Oberbayern zu fahren, um ihr zu gratulieren und eine Schreibtischlampe zu schenken.

»Espresso?« Er machte sich schon an der Maschine zu schaffen, weil er wusste, dass Luna vor Arbeitsbeginn ihren ersten und einzigen Kaffee des Tages trank. Klar, sie nickte. »Ich meine bloß …«

Was? Was wollte sie ihm eigentlich sagen? Das Ding schwelte immer noch in ihrer Handtasche vor sich hin. Sie wechselte den Schulterriemen auf die andere Seite. »Ich dachte nur …«

Er wandte sich ihr zu. Drei Jahre jünger als sie, war er mit seinen dreißig, dem Dreitagebart und den dunklen, kurz geschnittenen Haaren ein überdurchschnittlich gut aussehender Mann und überragte sie mit eins achtzig genau um fünfzehn Zentimeter. Die schwarze Schürze mit dem Logo des Lokals trug er eng um seine schmalen Hüften gewickelt. Typ Latin Lover aus der Averna-Werbung. Kein Wunder, dass halb München bei Lorenzo essen ging und die Frauen ihn anfassen wollten.

»Luna.«

»Ja?«

»Was ist los?«

»Nichts!«

Ein strenger Blick, so hatte er sie auch früher schon angeschaut, wenn sie ihm beim Spielen irgendwelche Lügen erzählt hatte, um ihn loszuwerden. Sie seufzte. »Ist das eigentlich schlimm? Hast du nie Angst gehabt, bevor du … also, ich habe keine Ahnung, ob ich das alles wirklich möchte!« In den letzten Tagen fühlte es sich an, als ob Diamantino ein Fremder ist, dachte sie, während sie Lorenzo beinahe flehend anschaute. Er ist ein Fremder, der neben mir im Bett liegt, den ich nicht kenne. Den ich gar nicht kennen will. Ist das normal? Nein. Ist es nicht.

»Wie? Hat er …? Hat Diamantino dir etwa ein konkretes Datum vorgeschlagen?«

»Ach, Mensch, nein!«

»Aber das wird er. Irgendwann.«

»Dafür sorgt schon seine Mutter!« Luna flüsterte den Satz nur und ließ den Blick nicht von der Schwingtür zur Küche, hinter der sie den Fremden pfeifen hörte. Sie kippte den Espresso in einem Schluck hinunter. Bitter und heiß. »Pina hat das schon alles geplant, organisiert, ausgerechnet und ausgemalt. Kirche, Standesamt, und ihr puffärmeliges Kleid von dem zahnlosen Schneider aus Catania, damals 1985, will sie auch für mich umarbeiten lassen.«

»Dai! Italienische Mütter sind so, sorellina. Die machen so was. Und die aus Sizilien erst recht, die können gar nicht anders.«

»Aber seine Schwestern! Die bekommen wir dann auch noch gratis dazu.«

»Ja, die sind allerdings …« Selbst der gutmütige Lorenzo konnte seine Abneigung gegen Diamantinos Schwestern nicht gänzlich aus seinem Gesicht wischen. »… schlimm.«

»Sage ich doch.«

»Du heiratest Diamantino, das ist ein Guter! Vertrau mir.« Lorenzo nahm sie in die Arme. »Besser noch: Vertrau dir selbst! Mit dem wirst du happy!«

Die beiden Typen vom Tisch glotzten hinüber zu ihnen, der mittägliche Wein hatte ihre Gesichter gerötet, sie grinsten. Hach, italienische Familienbande, herrlich, und wir mittendrin!

Ihr habt doch keine Ahnung. Hier stehen die bayerischsten Menschen vor euch, die ihr euch vorstellen könnt, dachte Luna. Die paar italienischen Gene sind tief in uns verschüttet, alles andere ist angelernt. Die Sprache, die Mentalität, la dolce vita, auf das ihr alle so steht. Bis auf unser Aussehen, da haben die Gene dann doch zugeschlagen. »Ich muss anfangen.« Luna wandte sich der Küchentür zu.

»Du siehst wirklich verdammt blass aus«, stellte Lorenzo mit einem Mal fest. »Wenn du willst, mach doch frei heute Abend. Es ist Dienstag, wir haben bisher nur drei Tische reserviert, Diamantino hat wieder Piero zur Probe da, der macht sich ganz gut, er kapiert schnell, und Adamo ist ja auch wieder zurück. Wenn wir nicht klarkommen, rufen wir dich an, okay?«

»Va bene.« Luna umarmte ihren Bruder kurz und machte, dass sie aus dem Lokal kam. Beim Hinausgehen streifte ihr Blick die rötlich-goldene Geige, die in einem Glaskasten über der Tür hing und dem »Il Violino« seinen Namen gab. Das kleine Instrument schaute irgendwie vorwurfsvoll auf sie herab. Schon seit Jahren tat es das. Ich habe euch alle so satt, dachte sie, und schämte sich sofort für ihre Feindseligkeit, fügte aber dennoch hinzu: und dich da oben auch, du halbe Portion.

Auf der Straße atmete sie tief ein und wieder aus, doch das unglückliche Gefühl, das sich seit ein paar Tagen in ihrem Brustkorb eingenistet hatte, blieb. Würde sie für immer in diesem grässlichen Zustand verharren? Das wäre...

Erscheint lt. Verlag 12.7.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1950er Jahre • Daniel Speck • Deutschland • eBooks • Familiengeheimnis • Familiensaga • Frauenromane • Gelateria Paradiso • Generationenroman • Italien • Liebesroman • Liebesromane • Musik • Romane für Frauen • Spiegel-Besteller-Autorin • Spiegel-Bestseller-Autorin • Violine
ISBN-10 3-641-26842-7 / 3641268427
ISBN-13 978-3-641-26842-8 / 9783641268428
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