Territorium ist überall (eBook)

Territorium kann ein physisches oder geistiges Gebiet sein. Wir brauchen Territorien und ihre Grenzen. Aber wo hört die Grenze auf? Wo fängt das Miteinander an?

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
192 Seiten
Ariston (Verlag)
978-3-641-27005-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Territorium ist überall -  Samy Molcho
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Das große Alterswerk des legendären Menschenverstehers

Jeder kennt das: Wir sitzen in der S-Bahn, und plötzlich setzt sich jemand neben uns, obwohl viele andere Plätze frei sind. Uns stört dieses Verhalten. Warum rückt uns jemand so nah? Wir fühlen uns unwohl, vielleicht ärgern wir uns sogar. Denn: Jeder Raum, den wir als unseren eigenen Bereich empfinden, wird für uns zum Territorium, das wir verteidigen. Konflikte und Spannungen sind die Folge. Genauso gereizt reagieren wir auf Eindringlinge in andere persönliche Bereiche: unsere Kompetenz, unser Wissen, unseren Glauben, unsere Hobbys oder unsere Ansichten.
Samy Molcho - einer der bekanntesten Körperspracheexperten weltweit - zeigt, dass territoriale Grenzen und Konflikte nicht nur auf physische Gebiete beschränkt sind, sondern sich auch auf unsere geistige und gedankliche Welt ausdehnen. Indem er uns bewusst macht, wie zentral »Territorium« für unsere Verfasstheit als Menschen ist, gibt er uns ein faszinierendes Mittel an die Hand, um unser Verhalten als Individuen, als Gemeinschaft, als ganze Gesellschaften, ja sogar bis hin zu Glaubenskriegen und internationalen Konflikten zu verstehen. Die ganze Welt ist Territorium, vom privatesten Umfeld bis zum globalen Kräftemessen. - Informativ, voller überraschender Erkenntnisse und tiefer Einsichten!

Samy Molcho, 1936 in Tel Aviv geboren, ist nach seiner internationalen Karriere als Pantomime und Regisseur als Erforscher und Wegbereiter der Analyse der Körpersprache bekannt. Seine Vorträge, Seminare und Bücher zur Körpersprache (u.a. 'Körpersprache der Kinder', 'Körpersprache des Erfolgs', 'Alles über Körpersprache') trugen das Thema ins allgemeine Interesse und Bewusstsein. 2007 erschien seine Autobiographie '...und ein Tropfen Ewigkeit. Mein bewegtes Leben.' Samy Molcho ist emeritierter Professor an der Universität für Musik und darstellende Kunst am Max-Reinhardt-Seminar in Wien.

Bevor wir uns eingehend mit der geistigen Welt und deren Territorien beschäftigen, möchte ich für ein besseres Verständnis an dieser Stelle noch einmal kurz die Frage klären: Macht es für uns einen Unterschied, ob wir uns in der realen oder in der geistigen Welt befinden?

Zuerst einmal nehmen wir die materielle Welt an uns selbst und um uns herum wahr: Damit meine ich unseren eigenen Körper und unsere Umwelt. Für diese Wahrnehmung nutzen wir unsere Sinnesorgane – Augen, Nase, Ohren und so weiter. Jedes Sinnesorgan macht die Gegenstände auf andere Art und Weise erfahrbar. Wir sehen mit den Augen äußere Formen und Farben; mit der Nase nehmen wir Geruch wahr; durch das Berühren von etwas mit unseren Händen ertasten wir Beschaffenheiten von Oberflächen wie Glätte, Rauheit oder Weichheit; und wenn wir etwas in die Hände nehmen, erfahren wir auch, ob es schwer oder leicht ist; wir nehmen etwas in den Mund und kosten, ob es vielleicht süß oder sauer ist. Unsere Sinnesorgane registrieren, dass etwas auf sie einwirkt, und leiten die Informationen zum Gehirn weiter. Dort fließen die verschiedenen Informationen aus unseren Sinnesorganen zusammen. Das Gehirn »baut« aus diesen Informationen und auf der Grundlage unserer Erfahrungen den Gegenstand sowie seine Eigenschaften. Die Sinnesorgane registrieren selbstverständlich auch Veränderungen und leiten sie zum Gehirn weiter. Es kategorisiert die Informationen, etikettiert die Ergebnisse und speichert sie ab. Unser Gehirn versteht zum Beispiel: Eine Zitrone ist gelb und sauer. Das heißt, mehrere Sinnesorgane wirken zusammen, um die Erfahrung »gelb« und »sauer« im Gehirn abzuspeichern – in diesem Beispiel die Augen und der Geschmackssinn.

Manchmal nimmt ein einziges Sinnesorgan etwas wahr, etwa einen Duft, manchmal wirken mehrere Sinnesorgane zusammen. Die erlebten Sinnesempfindungen werden im Gehirn gespeichert und bilden unseren Erfahrungsschatz. Wir lernen, ob das Erlebte für uns angenehm oder unangenehm ist. Die Zitrone ist sauer, unser Mund zieht sich zusammen, wenn wir von ihr kosten, und wir lernen, dass das unangenehm ist.

Für den Körper existieren Dinge nur dann, wenn sie eine Wirkung auf uns beziehungsweise auf unsere Sinnesorgane haben. Einen Ton, der höher ist als die Frequenzen, die unser Ohr wahrnehmen kann, registrieren wir zum Beispiel nicht. Hunde können Töne höherer Frequenzen hören als das menschliche Ohr. Manchmal wundert sich ein Hundebesitzer daher, wenn sein Hund scheinbar grundlos verrücktspielt. Der Hundehalter kann nicht wahrnehmen, warum das Tier so reagiert. Er kann das Geräusch einfach nicht hören. Umgekehrt versteht der Hund wohl nicht, warum sein Herrchen – oder Frauchen – so ruhig bleiben kann bei diesem Ton.

Passend dazu stelle ich Ihnen die Frage: Gibt es ein »Bumm«, wenn ein Baum auf einer einsamen Insel umfällt? Gibt es also ein Geräusch, auch wenn kein Ohr da ist, das es hören kann?

Und eine weitere Frage: Wenn Sie das Radio aufdrehen, hören Sie Musik oder den Radiosprecher. Wie funktioniert das eigentlich? Im Radiogerät sitzen ja keine Miniaturmenschen. Das Radiogerät empfängt elektromagnetische Wellen, wandelt sie in elektrische Signale um, verstärkt sie in einem Lautsprecher, und unsere Ohren können die akustischen Signale wahrnehmen. So wird der Klang produziert, den wir hören. Das heißt, das Gerät ist nur ein Übersetzer, eine Art Vermittler. Solange die elektromagnetischen Wellen keine Wirkung auf uns haben – sie also nicht hörbar gemacht werden –, existieren sie für uns nicht.

Sobald aber etwas auf unsere Sinne einwirkt, existiert es auch für uns. In unserer Welt nehmen wir nur Dinge wahr, die auf uns einwirken, aber auch solche, auf die wir einwirken. Wir können also eine Veränderung bei uns (wir schmecken die saure Zitrone) oder bei jemand anderem (das Baby strahlt, weil es die Mutter sieht) erkennen. Das nennen wir Realität, besser vielleicht Wirklichkeit – da ist die Wirkung schon im Wort enthalten. Jede Wirkung ist mit einer kleinen Veränderung verbunden. Es wird wärmer oder kälter, die Farbe oder die Form wechselt, etwas tut mehr oder weniger weh, etwas schmeckt süß oder sauer. Umgekehrt können auch wir auf etwas einwirken, weil es für uns existiert.

Dass physische Dinge auf uns einwirken, scheint noch leicht verständlich zu sein. Mir fällt ein Stein auf die große Zehe, und es tut weh. Ich esse einen Apfelstrudel, und er schmeckt hervorragend und erinnert mich gleichzeitig an meine Oma. Wirken wirklich nur physische Sachen auf uns? Wie ist das mit immateriellen, geistigen Dingen? Haben nicht auch sie eine Wirkung?

Werfen wir einen Blick in unsere Gehirnwindungen. Unser Gehirn ist eine Speicherplatte mit sehr hoher Kapazität. Es verfügt über ein großes Arsenal an Wissen und Erfahrungen. Es vergleicht ihm bekannte Wirkungen miteinander und liefert uns Bilder, Erlebnisse und Gefühle, die daran gebunden sind. Diese Informationen sind für uns nicht permanent präsent, wir würden nämlich verrückt werden, wenn ständig Tausende Gedanken in unserem Kopf herumschwirren würden. Diese gespeicherten Informationen sind aber jederzeit abrufbar, sobald wir einen Impuls erhalten. Es reicht schon aus, nur an eine bestimmte Situation zu denken. Dann vollzieht sich diese Situation vor unserem geistigen Auge, als ob sie real wäre. Es ist so, als ob jemand einen Knopf drücken und damit einen Prozess auslösen würde. Etwas existiert also in uns, weil es auf uns wirkt. Ob diese Wirklichkeit eine physische oder nur eine geistige Gestalt hat, spielt für unser Gehirn und für unseren Körper keine Rolle. Die deutsche Sprache bezeichnet etwas mit dem Wort Wirklichkeit, weil es wirkt.

Nehmen wir als Beispiel einmal das Gefühl der Angst. Angst zu haben, ist eine Erfahrung, die in unserem Gehirn gespeichert ist. Irgendwann haben wir die Information darüber, was uns Angst macht, im Gehirn abgespeichert. Aktivieren wir sie mit unseren Gedanken – und das muss nicht einmal eine aktuell vorhandene, also eine physische Gefahr sein, es reicht schon, nur an eine Angstsituation zu denken –, so stimuliert sie in unserem Körper alle Reaktionen, die für das Programm »Angst« gespeichert sind. Das Herz pumpt das Blut schneller in die Beine, und wir nehmen das Herzklopfen wahr, unsere Schweißdrüsen laufen auf Hochtouren und vielleicht zuckt unser Körper auch zusammen. Unabhängig davon, ob uns tatsächlich etwas bedroht, es wird Teil unserer Wirklichkeit, egal, ob es real oder nur in unseren Gedanken existiert. Das macht hier keinen Unterschied.

Bleiben wir bei der oben erwähnten Zitrone. Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie hätten eine Spalte der Zitrone im Mund und würden Ihr Gesicht im Spiegel beobachten. Was nehmen Sie wahr? Ihr Gesicht verzieht sich so, als ob Sie gerade tatsächlich eine Zitrone im Mund hätten. Allein der Gedanke daran, dass sie unangenehm sauer ist, reicht aus, um diese Reaktion Ihres Körpers beziehungsweise Gesichts auszulösen.

Ein anders Beispiel: das Wegschieben von etwas nicht real Vorhandenem. Sie haben sicher auch schon einmal einen Gedanken mit einer Handbewegung vor der Nase weggewischt, obwohl da gar nichts war. Wir denken an etwas, das wir nicht mögen, und wischen es weg, obwohl es physisch nicht da ist.

Unser Gehirn unterscheidet also nicht zwischen der realen, der physischen Welt und der anderen, viel größeren Wirklichkeit, der geistigen Welt. Wir erleben beide durch unsere Körperreaktionen und geben beiden Welten damit eine Gestalt.

Unser inneres Territorium

Beschäftigen wir uns jetzt wieder ein wenig mit uns selbst, mit unserem Innenleben. Wir haben schon gesagt, dass der Körper eine Außenseite – wie Haut, Haare und so weiter – und eine Innenseite – wie Herz, Niere und so weiter hat. Das innere Territorium umfasst aber auch den Bereich unserer Seele, unserer Gefühle und unserer Empfindungen. Dieser Bereich ist sehr intim und daher besonders schützenswert. Wir wollen nicht, dass andere, und schon gar nicht Fremde, einen Einblick in dieses innerste Territorium bekommen. Nur sehr engen und vertrauten Personen gewähren wir einen Blick dorthinein. Wir sind in dem Bereich sehr sensibel und reagieren oft sehr streng gegen das Eindringen in unser inneres Leben, in unsere Seele, in unser Gefühlsleben. Fragen können zum Beispiel als Eindringen in unsere innere Welt empfunden werden, vor allem peinliche oder indiskrete Fragen. Wir wollen das, was wir als inneres Territorium empfinden, für uns allein behalten und nicht mit anderen teilen, beziehungsweise wollen wir nur das preisgeben, wozu wir bereit sind.

Schlimm ist es, wenn jemand von unseren innersten, intimsten Gedanken und Träumen erfährt, ohne dass wir es wollen. Noch schlimmer ist es dann, wenn dieser Jemand die Kenntnis missbraucht und dieses Wissen in die Öffentlichkeit bringt – etwa in den sozialen Medien oder indem er anderen Leuten davon erzählt. Damit wird die Zahl der Personen, die plötzlich in unser privates Territorium eindringen, um ein Vielfaches größer. Eine große Anzahl von Menschen, die wir oft nicht einmal persönlich kennen, erobert unser innerstes Territorium – kein angenehmes Gefühl.

Die sozialen Medien sind heute sehr populär: Facebook, Instagram und Co. gewähren teilweise sehr intime Einblicke in unsere innerste Welt. Solange wir unsere Geschichten selbst veröffentlichen, ist das in Ordnung. Wir vergrößern bewusst den Kreis derer, die wir in unser Territorium einlassen, wir laden sie virtuell zu uns ein. Wir bekommen so auch das Gefühl, zu einer größeren Gruppe zu...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Ausdruck • Botschaft • eBooks • Erfolg & Erfolgscoaching • Gestik & Mimik • Grenzverletzung • Kommunikation • Kontakt • Körperhaltung • Körpersprache • Nonverbale Kommunikation • Pantomime • Psychologie • territoriale Grenzen • Verhalten
ISBN-10 3-641-27005-7 / 3641270057
ISBN-13 978-3-641-27005-6 / 9783641270056
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