Writers & Lovers (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
319 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-75699-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Writers & Lovers - Lily King
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Nach dem gefeierten Bestseller 'Euphoria' erzählt Lily King in 'Writers & Lovers' treffsicher, intelligent und mit ureigenem Humor die Geschichte einer ebenso starken wie zerbrechlichen jungen Frau - und von der Zerrissenheit zwischen den Zwängen der Gesellschaft und den eigenen Träumen von einem anderen Leben.
Als ihre Mutter plötzlich stirbt und Luke sie aus heiterem Himmel verlässt, verliert Casey den Boden unter den Füßen. Ohne wirklichen Plan landet sie mit einem Schuldenberg aus dem Studium in Massachusetts, wo sie beginnt, als Kellnerin zu arbeiten. Bei ihren Versuchen, sich aus einem Netz von Abhängigkeiten zu befreien, gerät sie immer wieder in Situationen mit Männern, die ihre Macht gegen sie ausspielen. Die einzige Konstante in ihrem Leben bleibt das Schreiben: Der Roman, an dem sie seit sechs Jahren arbeitet, wird ihr Fluchtort, ihr Schutzraum. Aber ist sie mit 31 Jahren nicht zu alt, um sich an den losen Traum eines Lebens als Schriftstellerin zu klammern? Ihre Entscheidung für das richtige Leben ist auch eine Entscheidung zwischen zwei Männern.

Lily King, geboren 1963, wuchs in Massachusetts auf und lebt heute mit ihrer Familie in Maine. Für ihre Romane erhielt sie zahlreiche Preise, u.a. den New England Book Award for Fiction und den Maine Fiction Award. Ihr Bestseller «Euphoria» (C.H.Beck 2015) wurde mit dem Kirkus Prize ausgezeichnet und von der «New York Times» unter die fünf besten literarischen Bücher des Jahres 2014 gewählt. <br> <br>Sabine Roth ist seit 1991 als Übersetzerin tätig. Sie hat u.a. Jane Austen, Henry James, Agatha Christie, John Le Carré, V.S. Naipaul, Elizabeth Strout Snicket übersetzt. Diese Übersetzung wurde gefördert durch ein Arbeitsstipendium des Deutschen Übersetzerfonds.

Der Brunch an diesem Sonntag ist die Hölle. Es regnet, womit die Terrasse wegfällt, und wir müssen zusätzliche Tische nach unten schleppen und sie in der engen Klubbar aufstellen. Wir sind schon am Ende, bevor wir aufmachen. Harry hat einen Typen aufgerissen, der in Harvard Design studiert, und die beiden verbringen den Tag im deCordova-Museum. Die Twisted Sister ist verkatert und stürmt Befehle blaffend die Treppen hoch und runter, als wären sie die Einzigen, die hier einen Finger krumm machen, während Mary Hand und ich schweigend sämtliche Tische decken und dekorieren. Yasmin ist krank, und Stefano, der Bereitschaft hat, hebt nicht ab. Alle schauen wir immer wieder ins Reservierungsbuch, ob die Zahlen seit dem letzten Mal nicht vielleicht doch zurückgegangen sind.

Die Gäste fallen alle gleichzeitig ein, hungrig und schlecht gelaunt. Unsere Klientel sind Leute, die sich für gewöhnlich nicht eben kasteien, aber sonntagmorgens haben sie sich oft alle Freuden versagt, und nicht nur die Katholiken, die nüchtern sein müssen, um die Hostie zu empfangen. Manche haben sogar mit der ersten Tasse Kaffee bis jetzt gewartet, und so kommen sie im Iris an, ausgehungert und nach Koffein lechzend.

Brunch bedeutet auch, dass ich mit Clark zusammenarbeiten muss, dem Frühstückskoch. Die ersten Male schien er mir ähnlich nett wie Thomas. Er rückte die Extraportion Romanesco heraus, die eine Frau zu ihren Krabbenpuffern verlangte, und nahm anstandslos ein zu durchgebratenes Lendensteak zurück. Er sagte, mit meinem langen Hals würde ich ihn an den Road Runner aus den Looney Tunes erinnern, und machte Beep-beep, wenn ich meine Bestellungen abholte. Aber dann, nach einem desaströsen Brunch vor einem Monat, bei dem ich meine Eier Benedict fallen lassen und einen Nizzasalat vergessen hatte und mein Körper surrte wie ein ganzer Bienenstock, fand er mich auf einer Milchkiste im Kühlraum, und als ich aufstehen wollte, ließ er mich nicht. Er fasste mir ins Haar und schnaufte mir über Gesicht und Hals. Er stank nach dem Tequila aus seinen Mexican Coffees.

«Blasen ist wahrscheinlich mehr deins als Kellnern, hm?» So, wie er grinste, musste dieser Spruch in der Vergangenheit tatsächlich schon gewirkt haben.

«Ganz sicher nicht», sagte ich, duckte mich unter seinem Arm hindurch und schob die schwere Tür auf.

Am nächsten Tag kam ich früher, um Marcus zu sagen, was passiert war.

Er lachte. «Großer Gott, Casey. Du bist mit einer so scheißernsten Miene hier reingekommen, dass ich schon dachte, du hättest wen umgebracht! Er hat einen Scherz gemacht. Glaub mir, Clark hat keine Schwierigkeiten, einen geblasen zu kriegen.»

Später hörte ich ihn und Clark in der Küche laut miteinander lachen.

Seitdem zahlt es Clark mir mit allen Mitteln heim.

Irgendwie landet alles bei mir. In nur einer Viertelstunde bekomme ich drei fünfköpfige Familien unten und zwei Zweiertische oben aufgedrückt, während Dana und Tony zu zweit eine Zwölfergruppe bedienen.

Fabiana teilt mir noch einen Dreiertisch zu. «Du Sadistin», flüstere ich, als ich mein Tablett mit Samosas und Bloody Marys an ihr vorbeitrage.

«Außer dir sind alle noch kaputt von gestern Nacht. Du hältst für uns die Fahne hoch.»

Von dem neuen Dreiertisch schauen zwei kleine Jungen zu mir herüber. Kinder leiden beim Brunch immer am meisten. Ihre Gesichter würden sich auf UNICEF-Plakaten gut machen. Aber sie müssen sich noch gedulden. Einer von meinen Fünfern unten wartet auf seine Hauptgerichte. Im Iris dürfen wir keine Tabletts für das Essen benutzen, nur die kleinen rot lackierten für die Getränke. Die Teller stehen schon lange genug unter der Wärmelampe, um sich ordentlich aufzuheizen, aber ich habe nicht die Zeit, ein Tuch zu holen. Ich lade mir vier auf den Unterarm und nehme den letzten in die linke Hand, trete die Küchentür auf und falle fast über einen der kleinen Jungen. Zwei Omeletts schlittern quer über die Teller, halten aber gerade noch rechtzeitig an.

«Entschuldigung, Miss», sagt er. Er trägt eine rote Fliege und ein orange-weiß kariertes Hemd. Sein widerspenstiges Haar ist mit einem nassen Kamm glatt gestriegelt und noch feucht. Sechs Jahre, vielleicht sieben. «Mein Dad hat heute Geburtstag.» Er streckt mir ein Bündel Geldscheine hin. «Kann ich für unser Essen bezahlen?»

«Kannst du. Aber erst, wenn ihr bestellt habt. Wenn wir wissen, wie viel es kostet.» Die Teller brennen sich in die Innenseite meines Arms.

Seine Mundwinkel zucken. Mehr als diese Sätze hat er nicht eingeübt, er hat keinen Plan B.

«Weißt du was?» Ich stelle den Teller in meiner Linken auf dem Tresen ab. «Gib’s mir ruhig jetzt gleich. Und wenn was übrig bleibt, kriegst du es von mir wieder. Ich bringe euch keine Rechnung. Klingt das gut?»

Er nickt, händigt mir das Geld aus und kehrt auf schnellem, wenngleich nicht ganz direktem Weg zu seinem Tisch zurück.

Die Familie unten in der Klubbar will noch Ketchup, einen Nachschlag Caesar-Dressing, einen Arnold Palmer und einen Pinot Grigio, aber als ich zurück in den zweiten Stock komme, kann ich die Jungen mit ihren Fliegen um den Hals nicht schon wieder ignorieren. Ich weiche Mary Hand aus, die ihrem Achter die Salate serviert, und bremse schwungvoll an ihrem Tisch.

Die Jungen sehen beide gleichzeitig von ihren Speisekarten hoch. Der Vater schaut nicht auf. Aber ich erkenne ihn trotzdem. Der Vater ist Oscar Kolton.

«Guten Tag allerseits.» Ich halte den Kopf nach rechts gewendet, zu den Jungen hin, und hoffe nur, dass ich ihre Getränkebestellung aufnehmen kann, bevor mein ganzes Gesicht glüht wie eine Tomate.

Schriftsteller zu bedienen wird mir regelmäßig zum Verhängnis. Vor ein paar Wochen saß Jayne Anne Phillips an einem meiner Tische, und sooft ich mich ihr näherte, lief ich flammend rot an. Ihr Himmlisches Tier ist so etwas wie meine Bibel. Als ich ihr und ihren beiden Freundinnen den Tee brachte, klapperten die Tassen auf ihren Untertassen, als ich sie abstellte. Ich werde Mary Hand bitten müssen, dass sie mir Oscar Koltons Tisch abnimmt.

«Tag», sagt der größere Junge, der mit dem Geld.

«Was darf’s sein? Heiße Schokolade, heißer Kaffee, heißer Tee?»

«Heiße Schokolade? Im Sommer?», sagt der Kleinere.

«Jetzt ist kein Sommer. Jetzt ist Herbst», korrigiert ihn sein Bruder.

«Oh, Entschuldigung», sage ich, «ich habe früher in diesem Wintersportort in New Mexico gearbeitet, und manchmal rutscht es mir immer noch so raus: heiße Schokolade, heißer Kaffee, heißer Tee.» Erst kommt das Erröten, dann das unkontrollierte Geplapper. «Ich kann sie auch kalt bringen, wenn ihr wollt.»

«Keine Schokolade», sagt Oscar, immer noch ohne aufzublicken zum Glück. «Für mich einen Kaffee. Schwarz.»

«Und für euch zwei?»

Schweigen. Natürlich wollen sie Schokolade.

«Zweimal Orangensaft», murmelt Oscar, dreht die Speisekarte um, nur um die Rückseite leer zu finden, und legt sie mit einem Stirnrunzeln wieder andersherum hin.

Mary Hand bekommt noch eine Sechsergruppe aufgebrummt, also kann ich ihn nicht auf sie abwälzen. Ich versorge den Tisch in der Klubbar mit seinen Getränken und Würzmitteln und laufe wieder nach oben, um ihnen O-Saft und Kaffee zu bringen. Sie haben ihre Speisekarten säuberlich an der Tischkante aufeinandergeschichtet. Ohne die Karten wissen sie nicht, wo sie hinschauen sollen. Ich stelle die Saftgläser vor die Messer der Jungen und schenke Oscar aus einer unserer versilberten Kannen Kaffee ein. Sie starren schweigend auf meine Hände. Selbst im Chaos und Krach des Sonntagsbrunches sticht mir der leere Stuhl ins Auge, dieses Loch, wo eigentlich die Mutter sein sollte.

Oscar greift nach der Tasse, ehe ich sie ganz vollgießen kann. Er trinkt einen großen Schluck und hält sie dann in beiden Händen vor sich. Ich muss daran denken, wie er sie während Silas’ Geschichte hinter dem Rücken hatte und niemand wusste, was das bedeutete.

«Jungs», sagt er.

«Ich hätte bitte gerne die Eier mit Würstchen und dann noch ein Brötchen und Obst», sagt der Große.

«Rühreier, Spiegeleier oder pochiert?»

Er sieht seinen Vater an.

«Pochiert ist wie gekocht, nur ohne die Schale. Das magst du eher nicht, das ist innen flüssig.»

«Rühreier bitte.»

«Und du?»

Der Kleinere guckt mich stumm an. Er hat seinen Text vergessen. Seine Augen füllen sich mit Tränen, und er versteckt das Gesicht in der Armbeuge.

Ich probiere es mit Raten. «Vielleicht Blaubeerpfannkuchen mit gebratenem...

Erscheint lt. Verlag 16.7.2020
Übersetzer Sabine Roth
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abhängigkeit • Belletristik • Beziehungen • Junge Frau • kellnern • Lily King • Literatur • Männer • Massachusetts • Mutter • Roman • Schreiben • Schriftstellerin • Schulden • Tod • Träume • Trennung • USA • Zerrissenheit • Zwänge
ISBN-10 3-406-75699-9 / 3406756999
ISBN-13 978-3-406-75699-3 / 9783406756993
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