Ich bin bekloppt ... und ich bin nicht der Einzige (eBook)

Mein Weg aus der Psychokrise
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
224 Seiten
Mosaik bei Goldmann (Verlag)
978-3-641-24655-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich bin bekloppt ... und ich bin nicht der Einzige -  Kester Schlenz
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»Ich dachte: Alter, das war´s jetzt mit dir! Du bist am Ende.« Bestseller-Autor Kester Schlenz hat erlebt, was Hunderttausende kennen und worüber die meisten nicht gern reden: Er hatte eine schwere psychische Krise und brauchte professionelle Hilfe. Mit allem nötigen Ernst, aber in seinem gewohnt trocken-humorvollen Stil berichtet er von seiner verzweifelten Suche nach dem geeigneten Therapeuten, einem längeren stationären Aufenthalt, bemerkenswerten Begegnungen mit anderen Mitpatienten und seinem teilweise skurrilen Weg zurück ins »normale« Leben. Ein schonungslos offener Bericht eines Betroffenen und ein Mutmach-Buch für alle, die psychische Probleme haben.

Kester Schlenz war bis vor kurzem noch Redakteur und Ressortleiter beim Magazin Stern. Jetzt ist er Rentner, lehnt diese Bezeichnung aber für sich ab, weil sie ihm zu sehr nach »alter Knacker« klingt. Schlenz ist Autor zahlreicher Sachbücher, darunter die Besteller 'Mensch, Papa! Vater werden - das letzte Abenteuer' und 'Alter Sack, was nun?'. Außerdem schreibt er mit seinem Kumpel Jan Jepsen erfolgreiche Krimis.

VORWORT


»Was? Ein Buch über deine psychischen Probleme? Mach das bloß nicht!«
Warum ich es trotzdem gemacht habe


Liebe Leserinnen und Leser,

ich weiß natürlich nicht, warum Sie das hier gerade lesen. Ich vermute mal, dass Sie das Thema beschäftigt. Vielleicht kennen Sie jemanden, der psychische Probleme hat. Vielleicht sind Sie selbst betroffen. In beiden Fällen fragen Sie sich sicherlich, ob dieses Buch vielleicht für Sie oder andere geeignet ist, denen es nicht gut geht. Deshalb sage ich gleich mal, was Sie hier bekommen: Dieses Buch ist kein klassischer Ratgeber, sondern ein Erfahrungsbericht. Ich bin kein Experte, ich bin ein Betroffener. Aber vieles, was mir widerfahren ist, erlebt jeder, der eine psychische Krise durchmacht. Die Probleme, die Muster, sind oft sehr ähnlich. Vor allem die Verzweiflung, die Hilflosigkeit und die Angst, dass es nie aufhört. Ich habe da einiges an Erfahrungen gesammelt. Auf die meisten hätte ich liebend gern verzichtet. Aber das Leben weigert sich eben gelegentlich, die Bahnen zu nehmen, die man gern befahren möchte. Und dann biegt man, ohne es zu wollen, ab – in seine ganz persönliche Hölle.

Ich hatte ernsthafte psychische Probleme, Ängste und Depressionen. Ich habe diese Probleme eigentlich immer noch, aber ich komme heute besser mit ihnen klar. Meine Krankheit bezeichnet man gewöhnlich als Hypochondrie. Das klingt für viele nicht besonders schlimm, weil der Begriff umgangssprachlich so häufig etwas neckisch für Leute benutzt wird, die sich ab und an mal Sorgen um ihre Gesundheit machen und häufig zum Arzt gehen. »Ach, du Hypochonder«, heißt es dann, wenn jemand mal Stiche in der Brust hat und dann kurz darüber räsoniert, ob er vielleicht Herzprobleme hat. Das ist keine wirkliche Hypochondrie. Ich rede von einer ernsten Angsterkrankung. Ich rede von der Angsthölle in meinem Kopf, die mich beinahe an nichts anderes mehr denken ließ und mir den Schlaf und die Lebensfreude raubte und die mich am Ende zu einem depressiven Zwangskranken machte, der von Arzt zu Arzt rannte und alle möglichen Vermeidungsrituale entwickelte, um der Angst zu entkommen. Nach außen gab ich den erfolgreichen Journalisten und lustigen Kerl, innen tobte ein verzweifelter Kampf in meinem Gehirn.

In diesem Buch erzähle ich, was ich erlebt habe, wie mich die Angst holte und nicht mehr verließ und was das mit mir, meiner Familie und meinem Leben machte. Ich lasse Sie sozusagen in meinen Kopf gucken. Ich bin nichts Besonderes. Aber das, was ich erlebt habe, machen, wie gesagt, viele durch, die psychisch krank sind.

Ich habe verzweifelt nach dem richtigen Therapeuten gesucht. Ich habe Einzel- und Gruppentherapien gemacht. Ich bin falsch und ich bin richtig behandelt worden. Ich habe es ohne und mit Medikamenten versucht. Und ich bin vor zwanzig Jahren drei Monate in einer psychosomatischen Klinik gewesen. Was ich dort mit mir und anderen erlebt habe, ist das zentrale Kapitel dieses Buches. Denn in diese Welt kann man normalerweise nicht schauen. Aber man kann viel von ihr lernen. In diesen drei Monaten habe ich fast die ganze Bandbreite dessen erlebt, was einem als psychisch Kranker widerfahren kann: totale Verzweiflung, Angst, Wut, Trauer, das Gefühl, am Ende zu sein. Aber ich habe eben auch gelernt, den Weg hinaus aus dem Dunkel zu finden. Ich war ganz unten. Und doch ging es irgendwann wieder bergauf. Damals konnte ich das nicht glauben. Es war unvorstellbar für mich, dass ich eines Tages wieder zu Hause bei meiner Familie sein würde, wieder arbeiten, weiter Bücher schreiben und sogar Ressortleiter beim Magazin Stern werden würde. »Niemals« hätte ich gesagt und mir selber weiter leidgetan. Dass das alles doch geklappt hat, dass ich mein Leben zurückbekommen habe und dass ich mit Krisen heute besser umgehen kann, dafür bin ich unendlich dankbar.

Ich habe dafür mit mir und anderen schwer gerungen. Ich habe Freunde unter meinen Mitpatienten gefunden, die ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses waren. Von ihnen möchte ich hier auch erzählen. Die Namen sind natürlich geändert, die Personen verfremdet. Ich will niemanden outen. Auch die Namen der Therapeuten und der der Klinik sind nicht die wirklichen. Ich will vom Grundsätzlichen erzählen, und dieses Grundsätzliche habe ich so erlebt. Ich will erzählen, wie wir in der Klinik miteinander umgegangen sind und was das mit mir und den anderen gemacht hat. Mitzuerleben, wie es anderen Menschen geht, die auch krank sind, sich gegenseitig zu helfen und den Fokus auch mal von sich zu nehmen und das eigene Leid zu relativieren – das war eine wichtige und heilsame Erfahrung für mich.

Jedes Schicksal ist einzigartig. Jeder ist auf seine eigene Weise krank. Aber es gibt so etwas wie ein gemeinsames Grundrauschen des Leidens. Diese Trennung zwischen dir und der Welt der Gesunden. Das Gemeine am seelischen Schmerz ist, dass man sich oft unter Gesunden so allein fühlt. Die anderen, die sind alle so gut drauf. Du möchtest auch so gut drauf sein. Aber du hast Angst, Depressionen oder Panikattacken. Dieses Buch soll zeigen: Du bist nicht allein. Es geht vielen so. Sehr vielen. Und es gibt Hilfe. Dieses Buch erzählt, wie ich und andere diese Hilfe fanden. Es erzählt, wie es sich anfühlt, »krank im Kopf« zu sein. Und es soll zeigen, wie vielfältig und beinahe irrwitzig psychische Probleme sein können und warum Humor helfen kann.

Ja, da, wo es geht, soll dieses Buch auch Spaß beim Lesen machen. Klingt sonderbar, aber manchmal war ich eben auch verdammt sonderbar und die anderen in der Klinik auch. Erst in der Nachbetrachtung ist mir klar geworden, wie bescheuert manche unserer Verhaltensweisen waren, wie skurril die Wege sind, die sich die Psyche sucht, um bestimmte Gefühle nicht zuzulassen. Denn darum geht es sehr oft: um verdrängte, unangenehme, angstmachende Gefühle, die man nicht aushalten will und doch aushalten muss, wenn man gesund werden will. Uns hat damals in der Klinik das gemeinsame Lachen über unsere »Spinnereien« oft geholfen. Wenn ich mal besser drauf war, habe ich manchmal gedacht: »Mann, in welchem Film bin ich hier eigentlich?« Das entsprechende Kapitel in diesem Buch hat denn auch den Untertitel »Kester flog übers Kuckucksnest«, angelehnt an die Tragikomödie »Einer flog über das Kuckucksnest«, verfilmt mit Jack Nicholson. So wie der fühlte ich mich auch oft, etwa als ich einer Zwangspatientin mit Messie-Syndrom dabei assistierte, eine der vielen Kisten von ihrem Dachboden ungeöffnet in einen Müllcontainer zu schmeißen. Ihr Mann hatte die Kiste extra vorbeigebracht. Es war die Hölle für Ina. Obwohl sie eigentlich wusste, dass es Unsinn war, behauptete sie, dass in der Kiste womöglich ihr Pass, ihre Geburtsurkunde und eventuell auch Bargeld liegen würde und sie deshalb da dringend noch mal reinschauen müsste. Der Zwang tat ihr fast körperlich weh. Sie hat es dann nicht getan und die Kiste mit allergrößter Überwindung weggeschmissen. Und sie ist auch nicht nachts noch mal zum Müllcontainer geschlichen, um doch noch mal die Kiste zu durchwühlen – so wie früher zu Hause. Ina hat durchgehalten, obwohl es ihr so schwerfiel. Skurril, oder? Für Ina war diese Übung einer der vielen Schritte, um gesund zu werden. Wir halfen uns bei solchen so genannten Expositionen gegenseitig. Nur, weil wir einander so gut verstanden und unsere eigenen Dämonen zähmen mussten, konnten wir das machen, ohne die anderen einfach nur bescheuert zu finden und sie auszulachen. Natürlich waren meist auch Therapeuten bei den Expositionen anwesend. Aber gelegentlich übten wir auch auf eigene Faust. Der AIDS-Phobiker konnte prima dem Mitpatienten mit den sozialen Ängsten helfen und die Frau mit dem Waschzwang dem Depressiven, der sich zu nix mehr aufraffen wollte. Solche Geschichten finden Sie auch in diesem Buch.

Als ich beschloss, es zu schreiben, haben mir meine Frau Gesa und mein jetziger, großartiger Therapeut (ja, ich gehe immer noch zu einem) zugeraten und einige Freunde vehement abgeraten. »Bist du wahnsinnig?«, fragten sie. »So etwas Intimes macht man doch nicht öffentlich. Du bist Redakteur beim Stern und ein erfolgreicher Buchautor. Das wird dein öffentliches Bild beschädigen. Das kannst du nicht machen.«

Eigentlich bestärkte mich diese Reaktion in meinem Entschluss. Die Warnungen waren ja sehr lieb gemeint. Man wollte mich sozusagen vor mir selbst schützen, wie es so schön heißt. Aber ich hatte die Nase voll von der Rumdruckserei und dem Schweigen. Ja, es ist mit den »Psycho-Sachen« nicht mehr so schlimm wie früher. Heute kann man in aufgeklärteren Kreisen schon mal sagen, dass man zu einem Therapeuten geht, ohne dass man gleich als Irrer abgestempelt wird. Trotzdem ist das Thema für viele immer noch tabu, weil es mit Schwäche gleichgesetzt wird. Über Rückenprobleme, Arthrose, hohen Blutdruck, selbst über schwere körperliche Krankheiten kann man reden. Aber der Satz »Ich bin psychisch krank und muss eine Therapie machen« geht den meisten Betroffenen nicht über die Lippen.

Ich will mit diesem Buch helfen, das Tabu ein kleines Stück weiter aufzuweichen. Es ist mir egal, dass einige jetzt vielleicht denken: »Na, guck an, der Schlenz hat einen an der Waffel und schreibt auch noch drüber. Der Mann ist gesellschaftlich erledigt.« Die sollen sich gehackt legen. Geht mir sonst wo vorbei! Für euch ist dieses Buch nicht. Ich kenne so viele, die psychische Probleme haben und darüber lange nicht geredet haben. Ich schreibe jetzt drüber. Und jeder, der will, kann es lesen. Gut, ich gebe zu: Ich habe dafür etliche Jahre gebraucht. Es hilft, dass ich schon älter bin und mir eigentlich nicht mehr so viel passieren kann. Feuern werden sie mich beim...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Angst • Depressionen • eBooks • Einsamkeit • Gesundheit • Medizin • Panikattacken • Psychiatrie • Psychopharmaka • Psychotherapie • Therapeut • Therapeutensuche • Zwangsstörung
ISBN-10 3-641-24655-5 / 3641246555
ISBN-13 978-3-641-24655-6 / 9783641246556
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