Sing (eBook)

Neue Stories

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
160 Seiten
marixverlag
978-3-8438-0628-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sing -  Amy Hempel
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Amy Hempel ist die Meisterin der Kurzform. In ihren Short Stories geht sie unsere geheimen Ängste und Wünsche an, beschwört unsere Menschlichkeit und verpflichtet uns zu Leidenschaft. Hempels Charaktere sind greifbar und lebendig, immer unvergesslich, mit gebrochenen Herzen und von Trauer verfolgt. Genau wie sie schrecken auch wir vor der Wahrheit zurück, flüchten uns in bequeme und fiktive Ausschmückungen, um ihre Gefahren zu vermeiden. Doch Amy Hempels Geschichten ermöglichen es, die Wahrheit zu überleben, für sie und von ihr zu singen. Das Geheimnis liegt in der Qualität des Liedes.

Christian Lux, geboren 1978 in Essen, studierte Buchwissenschaft und Literatur, danach Herausgeber, Übersetzer und Verleger. Seit Jahren betätigt er sich als Vermittler angloamerikanischer Literatur. Für den marixverlag übersetzte er zuletzt Stevie Smith, Roman auf gelbem Papier (2018) und Nina X (2019) von Ewan Morrison. Annette Kühn, geboren 1981, Studium der Buchwissenschaft und Literaturwissenschaft in Mainz, lebt und arbeitet als freie Übersetzerin, Drehbuchautorin und Designerin in Wiesbaden. Übersetzungen u. a.: H. D., MeeresGarten. Gedichte (2008), Baron Noir, Staffel 1. Canal+, TV-Serie (FR 2017), Alan Sepinwall, Die Revolution war im Fernsehen (2013).

Christian Lux, geboren 1978 in Essen, studierte Buchwissenschaft und Literatur, danach Herausgeber, Übersetzer und Verleger. Seit Jahren betätigt er sich als Vermittler angloamerikanischer Literatur. Für den marixverlag übersetzte er zuletzt Stevie Smith, Roman auf gelbem Papier (2018) und Nina X (2019) von Ewan Morrison. Annette Kühn, geboren 1981, Studium der Buchwissenschaft und Literaturwissenschaft in Mainz, lebt und arbeitet als freie Übersetzerin, Drehbuchautorin und Designerin in Wiesbaden. Übersetzungen u. a.: H. D., MeeresGarten. Gedichte (2008), Baron Noir, Staffel 1. Canal+, TV-Serie (FR 2017), Alan Sepinwall, Die Revolution war im Fernsehen (2013).

Sing | Das verwaiste Lamm | Full-Service Tierheim | Puppentornado | Ich bleibe bei Syd | Die Schickane | Greed | Fort Bedd | Vier Anrufe in der letzten Stunde | Der richtige Griff | Die zweite Runde | Mondregenbogen | Äquivalent | Der Ruhewagen | Wolkenland

Full-Service Tierheim


Sie kannten mich als jemanden,
der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte.
– Leonard Michaels, »In the Fifties«

Sie kannten mich als jemanden, der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte – und dem das gefiel. Und als jemanden, der lieber das tat, als ins Kino zu gehen oder zu einem Abendessen mit einem Freund. Sie kannten mich als jemanden, der zwei Abende die Woche kam, der um vier kam und bis nach zehn blieb, und der wusste, dass das nicht genug war, denn »genug« gab es im Tierheim von Spanish Harlem nicht, das von der Stadt betrieben wurde, die die Mittel kürzte.

Sie kannten uns als diejenigen, die die Euthanasie-Liste nach den Hunden absuchten, die am nächsten Morgen getötet werden sollten, die die Todeszellen-Hunde mitnahmen, meistens waren es Pitbulls, die sie mitnahmen auf einen letzten Spaziergang, die ihnen gutes Futter brachten, ihre Zwinger säuberten und ihre Betten machten, mit Strandhandtüchern, Badematten und Scooby-Doo-Fleecedecken, die noch warm vom Trockner waren. Sie kannten mich als jemanden, der ihre Betten nach einem anstrengenden Abend nicht mehr so ordentlich machte, der an den Künstler dachte, den seine Tochter in seinem Atelier besuchte, auf ein Bild zeigte, das sie mochte und dann fragte, »Warum hast Du sie nicht alle so gut gemacht?«

Sie kannten uns als diejenigen, die Schweineohren auf ihre Kopfkissen legten, wie Schokolade in einem guten Hotel. Sie kannten uns als entschiedene Vegetarier, die ihnen gekochtes Fleisch mitbrachten – gegrillte Pute, rohes Roast Beef, Schinken in Honig mariniert –, um das Dosenfutter abzurunden, das wir ihnen auch brachten und das immer noch besser war als das, was sie dort bekamen. Sie kannten uns als diejenigen, die sie fütterten, wenn sie wach waren, anstatt sie nachts um 2:00 Uhr für die Fütterung zu wecken, wie ein Direktor das Nachtpersonal angewiesen hatte, das er für unterbeschäftigt hielt.

Sie kannten mich als jemanden, der kein Spanisch sprach, der nur »Sí, sí« sagen konnte, wenn jemand über einen Hund beim Spazierengehen »Que lindo!« sagte. Und die, wenn sich ein Schlägertyp zu schnell näherte, sagte »Das ist ein süßes Kerlchen«, schau, wie wir ein weiteres Stereotyp explodieren ließen, in einem Viertel, das sich von sich selbst erholt.

Sie kannten uns als diejenigen, die keine Zeit für eine Diskussion darüber hatten, ob die Liebe zu Tieren auch bedeutet, dass man sich nicht um Menschen schert: Eine von uns tat es! Evelyne, eine Kinderärztin, die missbrauchte Kinder behandelte.

Sie kannten uns als diejenigen, die Tetanus- und Tollwutimpfungen bekamen – letztere immer noch in Serie, aber nicht mehr in den Bauch –, und die ihre Kratz- und Bisswunden mit Krazy-Kleber verschlossen – nicht die medizinische Variante, sondern die, die man im Baumarkt findet, anstatt sich in der Notaufnahme nähen zu lassen, wo wir die Hunde hätten melden müssen, die dann eingeschläfert werden würden.

Sie kannten uns als diejenigen, die ihre zugewiesenen Namen diskutieren wollten, wenn sie aufgenommen wurden, die sagten, »Wer wird denn einen Hund namens Nixon adoptieren?« Und als Nixons Name geändert wurde – zu Dahmer – wurden wir wieder wütend, bis wir es gut sein ließen, als er am Ende O.G., Original Gangster, genannt wurde. Es gab in einem der Trakte immer ein »Baby«, sodass die Angestellten auf die Karte am Zwinger schreiben konnten: »Mein Baby gehört zu mir, ist das klar!« und sie hörten endlich damit auf, den Namen »Precious« zu vergeben, nachdem ein älterer Mitarbeiter über einen alten, stattlichen Rottweiler sagte, »Ich hasse diesen verdammten Namen, aber er ist ein guter Hund.« (Oft hatten sie aber auch ein gutes Händchen; sie nannten einen kleinen braun-weiß-cowboy-farbenen Pit, der sich für einen von den großen Hunden hielt, Man Man.)

Sie kannten mich als jemanden, der keine Latexhandschuhe und foliendünne Kittel trug, wenn er die Hunde in der Krankenstation versorgte, als jemanden, der nur Handschuhe trug, wenn ein Hund seine Tollwutmarke verschluckt hatte und ich in seinem Kot danach suchen musste. Sie kannten mich als jemanden, der einem Pitbull einen Kauknochen bestrichen mit Erdnussbutter gab und ihn, nachdem der Hund ihn ausgespuckt hatte und wiederhaben wollte, abwusch und dem Hund wiedergab, damit er … den Vorgang innerlich abschließen konnte.

Sie kannten uns als diejenigen, die ihre Finger in die Mäuler steckten, um eine Uhr, ein Telefon, einen roten Fahrradreflektor herauszuholen, an dem der Hund lutschte wie an einem Hustenbonbon. Sie kannten mich als jemanden, der mit einem Schlauch stinkenden Kot aus Käfigen spritzte, der die metallenen Wände mit Scheuermittel reinigte und die Metallböden mit Trifectant perforierte, jener sirupartigen, gelben chemischen Lösung, die mit dem Dreck zusammen schäumte, und der dann den Zwinger trocken rieb, und die spürbare Verbesserung mochte – wie, wenn man einen Vorgarten mäht oder ein T-Shirt bügelt – und damit seine Unruhe in den Griff bekam.

Sie kannten mich als jemanden, der anfangs noch einem Tiermedizin-Techniker von der guten Nachricht erzählte, dass drei Hunde aus der morgendlichen Liste von zwölfen gerettet worden waren, worauf der Techniker erwiderte, »das kommt ungelegen – ich habe schon zwölf Spritzen vorbereitet«.

Sie kannten uns als diejenigen, die dem anderen Tiermedizin-Techniker vielfach dankten, dem, der abgemahnt wurde, weil er sich geweigert hatte Charlie zu töten, den Pitbull, der weniger als 24 Stunden später von einer Familie adoptiert wurde, die uns dann Bilder ihrer fünfjährigen Tochter schickten, schlafend auf Charlie. Es war eine Geschichte wie aus einem Kinderbuch, oder vielleicht einem deutschen Kinderbuch. Und wir dankten dem Techniker weiterhin, bis er gefeuert wurde, weil er zwei Hunde fälschlicherweise getötet hatte, in deren sechsstelliger ID-Nummer ein Zahlendreher war. Er bemerkte den Fehler nicht, doch ebenso wenig bemerkte es der Zwingerarbeiter, der die falschen Hunde gebracht hatte und seinen Job noch hatte.

Sie kannten uns als diejenigen, die sie großartig fanden mit ihren weit auseinander stehenden Augen und ihren kraftvoll muskulösen Körpern, ihrem Sinn für Humor und ihrem Temperament, mit der Art, wie sie selbst in diesem Haus des Horrors »die ersten, die tanzten, und die letzten, die gingen« waren, mit der Art, wie Ruhe über sie kam, wenn sie ihre Köpfe in unsere Bäuche drückten, wenn sie auf unseren Schößen saßen. Sie kannten uns als diejenigen, deren Begeisterung für sie spürbar war, Rebecca verliebte sich in sie »auf den ersten, den zweiten, den dritten Blick«, Yolanda pflegte sie auch mit ihren gebrochenen Fingern im Gips, Joy und die anderen kamen mit ihrer Fachkenntnis und Wärme. Sie kannten uns als diejenigen, die manchmal einen Chihuahua ausführen mussten – »wie mit einer Ameise spazierengehen«, sagte Laurie – als Abwechslung. Sie kannten uns als diejenigen, die es nicht kümmerte, wenn sie in unseren Kaffee sabberten, die Pappbecher ableckten, wenn wir kurz nicht hinsahen. Sie kannten uns als diejenigen, die ehrenamtlich arbeiteten, für die es eine sinnvoll verbrachte Stunde war, wenn sie einen in Decken gehüllten Hund streichelten, dessen Kopf nicht von unserem Knie wich, und der am nächsten Morgen getötet werden würde.

Sie kannten mich als diejenige, die am wenigsten Fachkenntnis besaß, und deren Fehler von jenen gesehen wurden, die es besser wussten.

Sie kannten mich als eine, die gerne den Ausdruck »die beste Version von« gebrauchte – etwa bei »Behandelt Chanels Räude und ihr werdet die beste Version von ihr sehen« –, aber die den Begriff »Komfortzone« nicht mochte und der Meinung war, dass man sich aus ihr heraus bewegen sollte.

Sie kannten mich als eine, die sich bei kleinen Hunden nicht sicher war, weil sie mit großen Züchtungen aufgewachsen war und wusste, wie man sie lesen musste, doch immer noch ängstlich war bei Presa Canarios, der Molosser-Züchtung der Kanarischen Inseln, mit ihren dunklen Bullaugen und dem blutunterlaufenen Schlafzimmerblick. Ich hatte in San Franscisco gelebt, als zwei von ihnen aus einem schicken Apartmentkomplex ausbrachen und eine Freundin von mir töteten, die gerade nach ihrer Post schaute und ihre Tür nicht schnell genug aufschließen konnte, bevor die Attacke begann.

Sie kannten mich als diejenige, die einen von dieser Sorte »Arschloch« nannte, als er mich umwarf und ich in einen Stahlbolzen fiel, was mir eine blutende Wunde direkt über einem Auge einhandelte. Sie kannten mich als jemanden, der sie über die Rolle aus dickem Schlauch in der vollgestopften Garage laufen ließ, der einmal die Woche von einem der Direktoren im Vorstand benutzt wurde um sein Auto zu waschen, für das die Stadt bezahlte. Er kam nie ins Gebäude hinein.

Sie kannten uns als diejenigen, die einen lebensgroßen Pferdekopf aus...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2020
Reihe/Serie marix Literatur
Übersetzer Christian Lux, Annette Kühn
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adoption • Affäre • Alice Munro • Ambassador Award • Amy • Amy Hempel • Ängste • Auto • Dein letzter Tag • die Ernte • Dir zu Füßen • Ernest Hemingway • Film • Frauenhaus • Frederick Barthelme • Gefahr • Geheimnis • Gier • Hempel • Hunde • Kino • Kurze Geschichten • Kurzgeschichten • Küste • Lamm • Leben • Leidenschaft • luxbooks • Marie Kondo • Meer • Neue Stories • PEN/Malamud Award • Puppen • Raymond Carver • Rea Award • Reasons to live • Reise • Schauspieler • Schikane • Short • short shorts • Short Stories • Sing • Sing to it • Stories • Strandhaus • The Dog of the Marriage • Tierheim • Tornado • Trauer • Tumble Home • Wahrheit • Was uns treibt • Wolkenland
ISBN-10 3-8438-0628-4 / 3843806284
ISBN-13 978-3-8438-0628-2 / 9783843806282
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