Dünentraumsommer (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-943-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dünentraumsommer - Tanja Janz
Systemvoraussetzungen
8,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Eine Backstube im Reetdachhaus und eine neue Familie
Marieke zieht mit ihrem Sohn von der Großstadt ans friesische Meer. Für beide ist es eine Wohltat, einmal tief durchzuatmen, und die gemütliche Einliegerwohnung im Reetdachhaus von Berta Tetens wird ihnen ein neues Zuhause. Als Marieke die kleine Friesenküche betritt, kommt ihr eine Idee: Um die Senioren in St. Peter-Ording zusammenzubringen, gründet Marieke einen Kuchen-Club. Bald werden die »Oma-Kuchen« zum Kassenschlager, aber Marc Velthuisen, dem die hiesige Cafébar gehört, stört sich daran ...
»Herrliche Lektüre für den Strandkorb!« Neue Woche über Strandrosensommer



Tanja Janz wollte schon als Kind Bücher schreiben und malte ihre ersten Geschichten auf ein Blatt Papier. Heute ist sie Schriftstellerin und lebt mit ihrer Familie und zwei Katzen im Ruhrgebiet. Neben der Schreiberei und der Liebe zum heimischen Fußballverein schwärmt sie für St. Peter-Ording, den einzigartigen Ort an der Nordseeküste.

Prolog

St. Peter-Dorf an der Olsdorfer Straße gegen Mittag. Die milden Temperaturen des Spätfrühlingstags ließen schon den bevorstehenden Sommer erahnen.

Die Kirche St. Peter lag im ältesten Teil des Nordseebades St. Peter-Ording und war in Sichtweite eines der schönsten Strände Deutschlands. Manche sagten sogar, es wäre nicht nur der schönste Strand des Landes, sondern der schönste von der ganzen Welt. Einigkeit herrschte unter den Leuten zumindest darüber, dass es die größte Sandkiste der Republik und, mit einer Länge von zwölf und einer Breite von bis zu zwei Kilometern, einzigartig war.

Neben der aus Backstein gebauten Kirche stand ein hölzerner Glockenturm, der vor über zwanzig Jahren von freiwilligen St. Peteranern errichtet worden war. Das Gotteshaus war von einem kleinen idyllischen Friedhof umgeben, der auf den ersten Blick durch seine Wiesenfläche an einen Park erinnerte. Auf Bänken konnten Besucher Platz nehmen, um in der Nähe ihrer verstorbenen Angehörigen zu verweilen oder um nach dem Gottesdienst die besinnliche Stimmung noch etwas auf sich wirken zu lassen. Vogelgezwitscher und das leise Plätschern von Wasser aus einer Gießkanne, das waren die einzigen Geräusche, die Berta Tetens hörte.

»So, Hanni. Nun haben die Vergissmeinnicht wieder genug Wasser. Oder meinst du, ich sollte vorsichtshalber noch mal nachgießen?« Prüfend legte sie den Kopf schräg und blickte vom Grab zum blauen Himmel hoch, wo sie bloß ein paar Schleierwolken ausmachen konnte. »Es scheint heute nicht mehr zu regnen. Besser, ich hole noch etwas Nachschub«, entschied sie und ging mit ihrer Gießkanne zu der Wasserstelle, um sie erneut zu befüllen.

Jeden Tag kam sie hierher. Nach dem Tod ihres Vaters hatte sich ihre Mutter um die Grabpflege gekümmert. Als sie ein paar Jahre später ebenfalls gestorben war, hatten Bertas Schwester Hanni und sie die Pflege übernommen. Meistens hatten sie sich abgewechselt, manchmal waren sie auch zusammen zum Friedhof gegangen. Es hatte nie Streit darüber gegeben, wer sich wann um das Grab der Eltern zu kümmern hatte. In stiller Übereinkunft war es für sie beide eine Ehrensache gewesen, der Verantwortung gleichermaßen nachzukommen.

Doch dann war Hanni in jenem strengen Winter 2005 plötzlich von einem auf den anderen Tag schwer krank geworden. Eine hartnäckige Lungenentzündung hatte sie schachmatt gesetzt und sie zu absoluter Bettruhe verurteilt. Berta war froh gewesen, dass sie mit ihrer Schwester gemeinsam in dem großen Friesenhaus ihrer Eltern im Ortsteil Ording lebte, so hatte sie sich, so gut es ging, um Hanni kümmern können. Sie hatte sie an die Einnahme des verordneten Antibiotikums erinnert und ihr Tee und heiße Suppe mit viel Knoblauch gekocht, nach dem alten Familienrezept, von dem niemand mehr wusste, wer es geschrieben hatte, aber das Schmerzen und Fieber sehr gut linderte. Aber Hanni war es trotz ihrer Fürsorge immer schlechter gegangen, bis sie schließlich ins Krankenhaus hatte gebracht werden müssen. Dort war sie gleich in der ersten Nacht gestorben. Mit gerade mal sechsundfünfzig Jahren. Das war nun fast fünfzehn Jahre her. Seitdem lag sie in dem Familiengrab, gleich neben ihren Eltern.

Berta fragte sich, wie viele Jahre ihr wohl noch blieben und ob es jemanden geben würde, der sich nach ihrem Tod um das Grab kümmern würde. Sie war weder verheiratet, noch hatte sie einen Lebensgefährten. Richtige Freunde hatte sie auch nicht. Doch das war ja ihre eigene Schuld. Seit Hannis Tod hatte sie sich sehr zurückgezogen. Manchmal wurde sie von Ditte zum Kaffeekränzchen auf ihren Pferdehof eingeladen. Aber viel mehr passierte in ihrem Leben nicht.

Gedankenverloren drehte Berta den Wasserhahn zu und zuckte zusammen, als plötzlich die Glocke im Turm erklang. Dann schwangen die schweren Kirchtüren auf. Der Pastor trat heraus, gefolgt von sechs Männern, die einen Sarg trugen. Dahinter ging eine Frau, die ein schwarzes Kostüm und eine überdimensional große Sonnenbrille trug. Ihr rotes Haar und der ebenfalls rote Lippenstift leuchteten grell im Sonnenlicht. In ihrer Hand hielt sie eine einzelne hellrote Rose. Neben ihr her ging ein Mann im eleganten dunklen Anzug, mit würdevollem und ernstem Gesichtsausdruck. Jetzt erkannte Berta sie. Es waren Petter Grube, der hiesige Bestatter von St. Peter-Ording, und Gertrud, seine eigenwillige Lebensgefährtin und Dittes Freundin. Berta reckte den Hals, um zu sehen, ob noch jemand dem Sarg folgte. Doch da war niemand.

Die kleine Trauergesellschaft kam in ihre Richtung. Berta grüßte sie mit einem ernsten Nicken, dann blieben sie mehrere Meter von ihr entfernt vor einer frisch ausgehobenen Grabstätte stehen. Die Rede des Pastors verstand Berta nicht richtig, aber sie konnte den Blick nicht abwenden, als der Sarg ins Erdreich hinabgelassen wurde. Sie beobachtete, wie Gertrud die Rose ins Grab warf, ohne eine Miene zu verziehen, bevor sie auf den hohen Absätzen ihrer Pumps kehrtmachte.

Überrascht zuckte Berta zusammen, als ihr klar wurde, dass Gertrud zielstrebig auf sie zu kam. Berta ließ das restliche Wasser auf den schwarzen Erdboden laufen.

»Moin, Berta!« Neben ihr blieb Gertrud stehen und nahm die Sonnenbrille ab.

»Moin, Gertrud.« Berta stellte die Gießkanne hinter den Grabstein. »Keine große Trauergesellschaft heute, was?«

Gertrud zuckte die Schultern. »Der Leichenschmaus fällt jedenfalls aus. Außer der Mitarbeiterin von der Sterbeversicherung hat sich keiner bei Petter gemeldet.«

»Wen hat es denn getroffen?«

»Den alten Erich Knoll – Gott hab ihn selig.« Gertrud bekreuzigte sich und warf einen dramatischen Blick zum Himmel. »Hatte keine Familie mehr, der alte Mann. Wahrscheinlich hat er alle überlebt, und die anderen haben schon vor ihm ins Gras gebissen. Hundertunddrei war er. Stell dir das mal vor.« Sie holte einen Klappspiegel aus ihrer Jackentasche und warf einen prüfenden Blick hinein.

»Ein trauriges Ende. Wenn nach so einem langen Leben niemand zur Beerdigung kommt, um Abschied zu nehmen«, sagte Berta betroffen.

»Tja.« Gertrud klappte geräuschvoll den Spiegel zusammen und verstaute ihn wieder in ihrer Jackentasche. »Er hat sein Ende ja nicht mitbekommen. Das ist der Vorteil, wenn man tot ist«, stellte sie ungerührt fest und setzte die Sonnenbrille wieder auf. »Ich muss zurück zu Petter. Sehen wir uns demnächst bei Ditte?«

»Bestimmt.« Berta rang sich ein Lächeln ab und schaute Gertrud nach, die mit wippenden Hüften zurück zu ihrem Lebensgefährten marschierte, der sich mit den Sargträgern und dem Pastor unterhielt. Beerdigungen waren Gertruds große Leidenschaft, das wusste jeder im Ort. Keiner war so gut über Erbschaftsstreitigkeiten informiert wie sie.

Seufzend zupfte Berta einige Blätter aus der Muschelzypresse, die der Wind hierher getragen haben musste. Dabei stellte sie sich ihre eigene Beerdigung vor. Wer würde hinter ihrem Sarg hergehen? Als ihr niemand einfiel, machte sich ein beklemmendes Gefühl in ihrem Magen breit. Nein, sie wollte nicht so enden wie Erich Knoll. Wenn sie sich ausmalte, dass Gertrud und Petter Grube aus reinem Pflichtgefühl hinter ihrem Sarg hergingen … Nein. Das wäre entsetzlich.

Wenn Hanni doch noch da wäre. Sie waren glücklich gewesen und hatten oft zusammen gebacken. Unzählige Torten hatte sie mit Hanni für Kirchenfeste gebacken, im Chor hatte sie damals gesungen, war sogar zu Tanz-Tees gegangen und hatte den Ruf einer guten Tänzerin gehabt. Doch das war ihr nach Hannis Tod irgendwie alles abhandengekommen. Stattdessen hatte Berta sich in dem Friesenhaus verkrochen, und das Leben war an ihr vorbeigezogen. Sie hatte nichts hören oder sehen wollen. Jetzt konnte sie sich gar nicht erinnern, wann sie das letzte Mal einen Kuchen in der großen Backstube gebacken hatte. Dabei hatte das Backen eine lange Tradition in ihrer Familie.

Früher hatte jeden Tag ein frischer Kuchen zur Kaffeezeit auf dem Küchentisch gestanden. Im Frühling hatten sie meistens Rhabarber- oder Brombeerkuchen gegessen. Im Sommer hatten Berta und Hanni oft mit ihrer Mutter zusammen fruchtigen Erdbeer-, Kirsch- oder Pflaumenkuchen gebacken und draußen im Garten genossen. Im Herbst, wenn die Tage langsam kürzer wurden, war die beste Zeit für Holunderbeerentorte, das hatte ihre Mutter oft gesagt. Und im Winter hatten neben Apfel-Ingwer- auch Kastanien-Schoko-Torten auf dem Tisch gestanden. Doch besonders hatte Berta Oma Irmgards köstlich saftigen Karottenkuchen geliebt, den es das ganze Jahr über gegeben hatte und von dem sie als Kind nie genug hatte bekommen können. Doch das war schon sehr lange her.

Seit dem Tod von Oma Irmgard hatte es nie wieder in der Backstube vom Reetdachhaus nach Karottenkuchen geduftet. Es war, als hätte ihre Oma den Duft und den Geschmack des Kuchens für immer mit ins Grab genommen. Zwar hatte das Rezept einmal in einem alten Backbuch existiert, das Oma Irmgard wie ihren Augapfel gehütet hatte, doch das war seit Jahrzehnten verschollen. Ihre Mutter hatte zwar weiter gebacken, sie hatte sich jedoch vehement geweigert, diesen speziellen Kuchen zu machen, obwohl sie das Rezept dazu auswendig gewusst hatte.

Berta seufzte. Warum erinnerte sie sich nach all den Jahren jetzt plötzlich daran? Und was hätte sie darum gegeben, noch einmal mit ihrer ganzen Familie am Kaffeetisch sitzen zu können. Wehmütig wischte Berta sich übers Gesicht.

Mit einem Mal fuhr eine tüchtige Brise durch die Krone der knorrigen schiefen Buche am Friedhofsweg. Berta kniff die Augen zusammen und beobachtete das Spiel der Blätter. Ihr lautes Rascheln nahm sie als Zeichen.

Auf dem Heimweg stand ihr Entschluss fest: Mit der...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2020
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte bücher für frauen • Deutsche Autoren • Ferien • Frauenroman • Freundinnen • Inselroman • kuchentratsch • Küstenroman • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Meer • Roman • Romance • Roman Frauen • Romantische Bücher • Schicksal • Sommer • St. Peter-Ording • tanja janz bücher • tanja janz mit dir auf düne sieben • tanja janz strandrosensommer • Urlaubsbücher • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-95967-943-2 / 3959679432
ISBN-13 978-3-95967-943-5 / 9783959679435
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99