Putzt euch, tanzt, lacht (eBook)

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2020 | 1. Auflage
309 Seiten
Otto Müller Verlag
978-3-7013-6274-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Putzt euch, tanzt, lacht -  Karin Peschka
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Fanni ist stellvertretende Abteilungsleiterin in einem kleinen Supermarkt in der Provinz. Sohn und Tochter sind erwachsen, der Mann arbeitet zufrieden dem Ruhestand entgegen. Die wenigen Jahre bis zur eigenen Pensionierung lassen sich an einer Hand abzählen. Doch Fanni sieht sich so: einbetoniert in einer Landgemeinde ohne Ambitionen, festgefahren zwischen Alltag und Routine. Als der Tod einer Freundin sie aus dem Gleichgewicht wirft, geschieht, was nicht geplant war: Fanni läuft weg. Fährt weiter, statt die geplante Therapie zu beginnen; Sitzungen gegen die Trauer, gegen die Absenzen, die sie heimsuchen, für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Auf den Wegen und Umwegen ihrer Flucht trifft Fanni ihre Jugendliebe Ernst wieder und schließt neue Freundschaften mit Tippi, Berlin, dem Ehepaar Ohnezweifel, Marek und Velten. Kurzerhand gründet die ungleiche Truppe eine divers ausgerichtete Wohngemeinschaft auf der Pinzgauer Alm von Fannis Eltern, um einer gemeinsamen Mission zu folgen, der man sich (per Statut) verschrieben hat. Mit untergründigem Humor und viel Sprachwitz skizziert Karin Peschka in ihrem neuen Roman eigenwillige Figuren und erzählt mit großer Intensität von skurrilen Freundschaften, dem Umgang mit Verlusten und alternativen Lebensentwürfen.

Karin Peschka geboren 1967, aufgewachsen in Eferding, Oberösterreich, als Wirtstochter. Besuchte die Sozialakademie Linz und lebt seit 2000 in Wien. Arbeitete u. a. mit alkoholkranken Menschen und mit arbeitslosen Jugendlichen, aber auch mehrere Jahre im Bereich Onlineredaktion und Projektorganisation. Karin Peschka publizierte in diversen Anthologien und schrieb Kolumnen für oe1.ORF.at. 2008 erschien in der Edition Neuhauser Kunstmühle ihr Kunstbuch 'Sterntaler' (mit Michael Hedwig). Ihr Debütroman 'Watschenmann' wurde 2019 für die Bühne adaptiert und im Wiener Volkstheater aufgeführt.

Karin Peschka geboren 1967, aufgewachsen in Eferding, Oberösterreich, als Wirtstochter. Besuchte die Sozialakademie Linz und lebt seit 2000 in Wien. Arbeitete u. a. mit alkoholkranken Menschen und mit arbeitslosen Jugendlichen, aber auch mehrere Jahre im Bereich Onlineredaktion und Projektorganisation. Karin Peschka publizierte in diversen Anthologien und schrieb Kolumnen für oe1.ORF.at. 2008 erschien in der Edition Neuhauser Kunstmühle ihr Kunstbuch "Sterntaler" (mit Michael Hedwig). Ihr Debütroman "Watschenmann" wurde 2019 für die Bühne adaptiert und im Wiener Volkstheater aufgeführt.

In der Ferne suchen


So hatte etwas Neues begonnen: Ich war nicht zur Therapie erschienen, zum vereinbarten Erstgespräch. Ich war einfach weitergefahren, hatte mich – im Wortsinn – unbemerkt von und aus meiner Familie entfernt. Sieben Jahre vor dem Ruhestand, ein siebenundfünfzigjähriges, ein altes Mädchen in einem alten Auto. Das Bernhard gut gepflegt hatte, mit Lackstiften die Rostschäden überdeckt, sich um den jährlichen Service gekümmert, den Ölwechsel.

Als ich damals auf der A1 Richtung Westen Ausfahrt für Ausfahrt ignorierte und damit jede Möglichkeit zur Umkehr, zum Abtun der Idee als idiotisch, ein dummer Ausrutscher, was hatte ich mir dabei nur gedacht. Stellte ich mir zur rechten Zeit vor, wie mein Mann an diesem feuchtkalten Tag nach Hause kam. Wie jeden Tag würde er seinen Autoschlüssel auf die Ablage im Vorzimmer legen. Die Schuhe hatte er bereits draußen ausgezogen, auf dem raufaserigen Abstreifer, um keinen Schmutz hereinzutragen. Um in Socken das Haus zu betreten, die Schuhe in der Hand, auf das Zeitungspapier würde er sie stellen, links, seine standen immer links. Es war frisches Zeitungspapier, vorbereitet von ihm (aufgefaltet, hingelegt) am Morgen, bevor er in die Arbeit gefahren war, die er noch siebeneinhalb Jahre zu ertragen hätte, so seine wiederkehrende Rede.

Denn gab es Regen, Schnee, Hagel, bereits fallend oder angekündigt, war die Einfahrt sandig wegen der Baustelle (was sie war, als ich dem Heim nicht mehr traute und ihm den Rücken kehrte, der Mann beschwerte sich damals oft, die Bauarbeiter würden keine Ordnung halten, zudem Material verschwenden), legte er am Morgen eine neue Doppelseite Zeitungspapier vor den Schuhschrank im Vorzimmer. Und warf die alte, beschmutzte Doppelseite auf dem Weg zu seinem Auto in die Papiertonne. Zuvor schüttelte er Erdbrocken und anderen Dreck in die Mülltonne, die daneben stand. Wahrscheinlich, ich nehme es an, tut er das alles immer noch: Mein Mann (der frühere, alte), liebte keine Veränderungen, und ich weiß genau, dass es bis heute so ist.

Als ich an jenem Abend nicht nach Hause kam, hatte er sich sein Essen selbst gemacht, hatte in der Küche gegessen, das Geschirr in die Abwasch gestellt und war gleich zu Bett gegangen. Das war vor etwas mehr als zwei Jahren gewesen, wir unterhalten uns gerade darüber.

Wir haben uns getroffen, um über uns zu sprechen, darüber, was passiert ist (mea culpa?). Wir sitzen in einer Pizzeria in der Nähe des Betriebes, in dem Bernhard seiner Pensionierung entgegenarbeitet. Es ist später Nachmittag, dunkel, weil Dezember, aber trocken, ich denke an die Zeitung. Als er mich nach dem Auto fragt, möchte ich ihm erzählen, es sei ohne seine Fürsorge einfach auseinandergefallen, in alle Einzelteile zerbrochen. Stattdessen bringe ich das Gespräch wieder zurück auf den Tag meiner – nun, was war es? Meiner Flucht?

„So früh bist du ins Bett gegangen?“

„Ich hatte Kopfschmerzen, das habe ich dir schon erzählt.“

„Und ich nicht daheim.“

„Ich hab gehofft, wenn ich was esse.“

„Was hast du gegessen?“

„Ein Butterbrot mit Honig, dazu schwarzen Tee.“

„Das klingt nach Frühstück.“

„Stimmt. Aber manchmal hilft der Tee und etwas im Magen zu haben.“

„Hat nicht geholfen.“

„Nein. Ist schlimmer geworden.“

„Und ich nicht daheim.“

„Ja.“

Er hatte ein starkes Schmerzmittel genommen, sich die Zähne geputzt, die Jalousien spaltdicht heruntergelassen, er, der Lichtempfindliche, und sich ins Bett gelegt, sein Tablet auf Nachtmodus gestellt, eine Radiosendung über

„Worüber?“

„Das weiß ich noch genau: Die lange Reise unserer Zugvögel.“

„Ausgerechnet.“

„Ausgerechnet.“

angehört, und war im schwachen Schein des abgedunkelten Tablets eingeschlafen.

„Einmal dachte ich, die Tür geht.“

„Dass ich heimgekommen bin?“

„Ja. Mir ist eingefallen, ich hätte einen Zettel schreiben sollen, von wegen, lieg schon im Bett.“

„Hast du nicht?“

„Nein. Aber du hättest meine Schuhe bemerkt.“

„Klar.“

„Und vorher das Auto.“

„Hast du es nicht in die Garage gestellt?“

„Ging nicht. Die Mischmaschine stand davor, und noch was, ich glaube, Paletten mit Ziegeln.“

„Stimmt, die sind geliefert worden. Ich hab vergessen aufzupassen, tut mir leid.“

„Schon gut.“

Am Morgen nach dieser Nacht war ihm das Kopfweh hinter die Augen geschlüpft, hatte eine leise Müdigkeit zurückgelassen, ein Lauern, jederzeit bereit, erneut heftig aufzupochen. Er war im Bett geblieben, im abgedunkelten Zimmer, schlief wieder ein. Was verschwunden war und trotzdem nicht fehlte, blieb ich. Nein. Umgekehrt: Was verschwunden blieb, war ich. War die Frau.

„Ich hätte dir einen Zettel schreiben sollen: Bitte sei leise, mir geht es nicht gut.“

„Oder: Bitte sieh nach mir, es geht mir nicht gut.“

„Mir war sehr übel. Hätte sein können, ich muss mich übergeben und erstick dran.“

„Aber du bist nicht erstickt.“

„Wenn ich bemerkt hätte, dass du nicht nach Hause gekommen bist, wäre ich vor Angst gestorben.“

„Du übertreibst. Du hättest mich angerufen, mein Telefon war immer auf Empfang.“

„Ich hätte mir zumindest große Sorgen gemacht, die Kinder auch.“

Unsere Kinder waren keine Kinder mehr, als ich das Erstgespräch beim Therapeuten versäumte, als ich am Gesundheitszentrum vorbeifuhr, nicht in dessen Parkplatz eingebogen war, als ich das Autofenster auf der Fahrerseite erst einen Spalt öffnete, dann ganz, dann auch das auf der Beifahrerseite, dann alle Knöpfe gedrückt hielt, bis vier Fenster geöffnet waren und ich schneller wurde, immer schneller, bis ich auf die Autobahn auffuhr, mich in die Rasenden einordnete, einem massigen LKW vor die Kühlerhaube schnitt, im Herbstdunkel sich grelles Scheinwerferlicht in die Autoinnenkälte blinkte und das Gehupe mir ins Ohr, die Finger ganz steif, das Gesicht eishart, trotz Mantelkapuze, trotz Schal.

Unsere Kinder waren da schon längst erwachsen gewesen.

Friedl, unser Sohn, hat seine Masterarbeit abgeschlossen und lebt mit seiner Familie in Bregenz, mit einem Fuß in der Schweiz, sagt er. Manchmal schreibt er mir. (Hallo Mutter, das Baby kommt bald, falls du es kennenlernen möchtest. Deine anderen Enkel scheinen dich nicht mehr zu interessieren. Komm nicht unangemeldet. F.)

Ines, unsere Tochter, mein früh verheiratetes Ebenbild, war ein Wir geworden aus freien Stücken. Zuerst bei den Schwiegereltern im Kinderzimmer ihres Mannes. Später auf zweiunddreißig Quadratmetern im Nachbarort, Wohnküche, Schlafzimmer, Bad. Schwor auf Verzicht, auf Minimalismus, auf Tiny Housing. Verachtete bei jedem Besuch alles, auch das früher Geliebte. Die Glasvitrine mit der gesammelten Keramik. (So viel Geschirr. Wann brauchst du das? Wann kochst du für mehr als zehn Leute?) Das große Bad mit Badewanne und begehbarer Dusche. (Stromverschwendung, Wasserverschwendung, Verschwendung von Lebensraum.) Die Bücherwand. (E-Books, Mama, E-Books! Was ist dir wichtiger? Wald oder Papier?) Und so weiter.

Der Sand in der Einfahrt war die Schuld unserer Tochter gewesen. Nicht des Schwiegersohns, der wäre in der kleinen Wohnung geblieben, drei Kilometer Wegdistanz zwischen ihnen und uns. Alles, was ihm fehlte, war ein Garten. Die Idee der Tochter: ihm ein Hochbeet schenken. (Ihr habt doch Platz. Und wir teilen.)

Aus dem Hochbeet war ein Rohbau geworden, aus dem Tiny Housing, aus der Idee der Reduktion, Sand in der Einfahrt und eine Mischmaschine vor der Garage, aus drei Kilometern Entfernung fünf Meter Nähe. Als ich das Gesundheitszentrum rechts liegen ließ, war das Hochbeet hinter dem Dixi-Klo für die Bauarbeiter längst verkümmert.

Ich frage Bernhard – weniger als fünfeinhalb Jahre hat er noch bis zum Ruhestand – nach dem Rohbau.

Denn zwei Monate, bevor ich unterkühlt einem LKW-Fahrer fast unter die Räder schlüpfte (das Gehupe und Geblinke riss mich aus der Starre, ich schloss die Fenster, beruhigte mich), zwei Monate davor hatten unsere Tochter und unser Schwiegersohn die Trennung erwogen.

„Ein hübsches Haus ist daraus geworden, so, wie sie es wollten.“

„Und sie haben sich nicht getrennt.“

„Sie streiten...

Erscheint lt. Verlag 25.2.2020
Verlagsort Salzburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Freundschaft • Hütte • Pinzgau • Verlust • WG • Wohngemeinschaft
ISBN-10 3-7013-6274-2 / 3701362742
ISBN-13 978-3-7013-6274-5 / 9783701362745
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