Majas Buch (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
351 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98638-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Majas Buch -  Sabine Kornbichler
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Was, wenn alles ganz anders ist, als du dein ganzes Leben geglaubt hast? Ein fesselnder Roman um eine Frau, deren Leben aus den Fugen gerät... Die Journalistin Ellen Bertram soll in Südtirol den bekannten Maler Philip Sanden interviewen. Sie verliebt sich in den beeindruckenden Künstler, der vom Alter her ihr Vater sein könnte.  Als Ellen nach Hause fährt, ahnt sie nicht, dass sie Philip nie wieder sehen wird, denn ihr Geliebter kommt bei einem Bergunfall ums Leben. Um ihrer ungeborenen Tochter später ein Bild von ihrem Vater zu vermitteln, macht sie sich auf die Suche nach dem wahren Philip, der sich offenbar hinter seinen Kunstwerken versteckte.  Sie lernt einen Mann kennen, der ganz anders war als der, den sie geliebt hat, und erkennt, dass es manchmal wehtut, hinter die Fassade zu blicken...

Sabine Kornbichler, geboren 1957, wuchs an der Nordsee auf und arbeitete in einer Frankfurter PR-Agentur, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Schon ihr Debüt »Klaras Haus« war ein großer Erfolg, ihr Kriminalroman »Das Verstummen der Krähe« wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Sabine Kornbichler lebt und arbeitet als Autorin in der Nähe von München.

Sabine Kornbichler, geboren 1957, wuchs an der Nordsee auf und arbeitete in einer Frankfurter PR-Agentur, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Schon ihr Debüt "Klaras Haus" war ein großer Erfolg, ihr Kriminalroman "Das Verstummen der Krähe" wurde für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Sabine Kornbichler lebt und arbeitet als Autorin in der Nähe von München.

2


Als ich in mein Auto stieg, traf mich fast der Hitzschlag. Der Wagen hatte in der prallen Sonne gestanden und war aufgeheizt wie ein Backofen. Da ich es immer noch nicht geschafft hatte, eine Klimaanlage einbauen zu lassen, klebten mir im Nu meine Sachen am Körper. Da nützte auch der Fahrtwind nichts, der durch die hinuntergedrehten Scheiben ins Auto wehte. Zum Glück hatte ich mich für einen weißen Anzug mit weiter Hose und einem ebensolchen Oberteil entschieden. So fühlte ich mich zwar verschwitzt, sah jedoch nicht so aus. Trotz der inzwischen dreißig Grad machte ich auf dem Weg nach Wiesbaden kurz bei meinem Computerladen halt, um mir für meinen Laptop ein Kabel zu besorgen, das in italienische Telefonsteckdosen passte. Während sich Lilly gern gegen alle möglichen Katastrophen wappnet, sind es bei mir die Eventualitäten meines Jobs, die mich ausreichend vorsorgen lassen.

Kurz vor drei hielt ich vor Philip Sandens Atelier, einem weißen Haus mit Erkern und einem zylindrischen Glasdach. So ungewöhnlich, wie es zwischen den anderen Villen auf diesem Hügel aussah, war es wirklich nicht zu übersehen. Die kleinen Ecktürmchen, die bei den umliegenden Häusern stilgetreu erhalten waren, hatten bei dem Haus, vor dem ich nun stand, offensichtlich dem Lichtbedürfnis des Malers weichen müssen. Links neben dem Eingang fand ich eine blank polierte Messingtafel mit Klingel und Namen des Hausbesitzers. Auf mein Läuten hin tat sich die schwere alte Holztür vor mir auf.

»Frau Bertram?«

Mir gegenüber stand eine Frau, die ich auf Anfang fünfzig schätzte. Ihrem aschblonden, kinnlangen Haar hatte sie einen modernen Zickzackscheitel verpasst. Kluge graublaue Augen, stellte ich fest, in einem ebenmäßigen, klassisch schönen Gesicht. Ihr Äußeres setzte nahtlos den stilvollen Rahmen des Hauses fort.

»Ja.« Ich streckte ihr meine Hand entgegen.

Ihr fester Händedruck entsprach ihrem sicheren Auftreten. »Constanze Frohwein«, stellte sie sich vor. »Ich bin die persönliche Assistentin von Philip Sanden. Kommen Sie bitte herein.«

Ich folgte ihr durch eine angenehm kühle, offene Halle mit Marmorfußboden zu einer eisgrauen Sitzgruppe. Auf einem niedrigen Tisch, der von drei großzügigen Sofas eingerahmt wurde, lagen verschiedene Kunstzeitschriften und Kataloge.

Sie bat mich Platz zu nehmen. »Möchten Sie etwas trinken?«

»Gerne. Bei der Hitze am liebsten Mineralwasser«, kam ich ihrer nächsten Frage unaufgefordert zuvor.

Während sie sich um die Getränke kümmerte, sah ich mich in Ruhe in dem riesigen Raum um. Die hohen Wände waren nur sehr spärlich, dafür jedoch umso wirkungsvoller bebildert. Ich nahm an, dass es sich um Kunstwerke des Hausherrn handelte. Mit meinem Laienblick konnte ich nichts anderes erkennen, als dass es sich um abstrakte Kunst handelte. Ich konnte die Bilder weder einordnen, noch traute ich mir eine Wertung zu. Sie sprachen mich jedoch in ihrer Farbintensität und offensichtlichen Dynamik sehr an. Es war, als würde der gesamte Raum von ihrer Energie gespeist.

Das unüberhörbare Klackklack der Absätze von Frau Frohwein ließ mich in ihre Richtung schauen. Sie kam quer durch die Halle mit einem Tablett zurück. Ich nutzte die Zeit, um meinen optischen Eindruck von ihr zu vertiefen. Die Farbe ihres überaus feminin geschnittenen, ärmellosen Kostüms erinnerte mich an Elfenbein und bildete einen gelungenen Kontrast zu ihrer sonnengebräunten Haut. Nachdem sie mir Wasser eingeschenkt hatte, setzte sie sich mir gegenüber.

»Ich habe Ihnen ein paar Unterlagen über das Werk von Philip Sanden zusammengestellt.« So selbstverständlich, wie sie seinen Namen aussprach, zählte sie zu jenen persönlichen Assistentinnen, die ihren Chefs auf gleicher Ebene gegenüberstehen und sie nicht auf ein Podest stellen. »Sie können sich das Material mitnehmen, wenn Sie wollen.« Dabei zeigte sie auf einen bemerkenswerten Stapel auf dem Tisch zwischen uns. Allem Anschein nach war bereits viel über ihn geschrieben worden.

»Ich würde es gern kurz sichten«, ging ich auf ihr Angebot ein. »In dem Porträt für die Roberta geht es jedoch eher um den Menschen Philip Sanden, weniger um den Künstler.«

»Glauben Sie, dass Sie das trennen können?« Sie sah mich schmunzelnd an. In ihrem Blick erkannte ich die Überzeugung, dass ich mich auf dem Holzweg befand, wenn ich die menschlichen Züge ihres Chefs wiedergeben wollte, ohne auf seine künstlerischen Anteile einzugehen. »Schließlich kommt er in seinen Bildern zum Ausdruck.«

»Menschen kommen vor allem in ihren Überzeugungen zum Ausdruck, in ihren Ängsten, Leidenschaften und Marotten, in ihrem Verhältnis zu ihrer Umwelt, im Umgang mit anderen Menschen.« Ich nahm den obersten Katalog vom Stapel, der anlässlich einer Ausstellung von Philip Sanden gedruckt worden war. »Natürlich ist er auch in seinen Bildern erkennbar«, fuhr ich unbeirrt fort, »aber bei der Interpretation lässt jeder Betrachter sich selbst einfließen. Und schon ist das Bild von dem Menschen dahinter verfälscht, es ist ein subjektives.«

Sie schien in Ruhe abzuwägen, was sie gerade gehört hatte, um dann schließlich in einem spöttischen Unterton zu kontern. »Und Sie trauen sich ein objektives Bild zu?«

Wie immer, wenn jemand meine Kompetenz infrage stellte, lehnte ich mich amüsiert lächelnd zurück. Ich kenne all die Tricks und Einschüchterungsversuche, die darauf abzielen, mich zu verunsichern. Nur funktioniert das bei mir nicht. Ich bin in einem so stabilen Gefüge aufgewachsen, dass es weit mehr als ein paar hochgezogene Brauen oder spöttische Untertöne braucht, um mein Selbstbewusstsein ins Wanken zu bringen. »Sonst hätte ich den Auftrag der Roberta nicht angenommen«, antwortete ich ihr gelassen.

»Na dann …«, sagte sie vage.

Ich hatte sie nicht überzeugt, das spürte ich, aber es störte mich nicht weiter. Eines der Credos meiner Eltern lautet, dass nur zählt, wovon man selbst überzeugt ist. Es sei nicht wichtig, andere zu überzeugen, außer man ist Politiker oder Missionar. Mit diesem Satz bin ich aufgewachsen, er hat mich davor bewahrt, jedes Mal in einer Verteidigungsstellung zu landen, wenn meine Fähigkeiten angezweifelt werden. Und das empfinde ich als ein wertvolles Geschenk. Es hilft, den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Natürlich habe ich mir damit nicht nur Freunde gemacht, denn was in meinen Augen ein gesundes Selbstvertrauen ist, sehen manche Menschen als unangenehmen Größenwahn an. Oder einfach als unweiblich. In welcher Schublade ich bei Frau Frohwein landete, war noch nicht abzusehen. Ich hatte sie zwar nicht überzeugt, aber sie schien auch keine vorschnellen Schlüsse daraus zu ziehen. Und dafür erntete sie in meinem Brett einen Stein der Anerkennung.

Ich legte die Unterlagen zurück und bat sie um eine ausführliche Vita von Philip Sanden, ein paar ausgewählte Fotos seiner Bilder sowie um ein Porträtfoto von ihm. Während sie mir die beiden ersten Dinge umgehend aus einem kleinen Nebenzimmer holte, versprach sie, mir das Porträtfoto zu schicken, da sie vor ein paar Tagen neue Abzüge bestellt habe, diese jedoch noch nicht eingetroffen seien. Anschließend folgte ich ihr auf eine kurze Führung durch Galerie und Atelier. An die Halle grenzte ein weiterer großer Ausstellungsraum, in dem sich außer acht riesigen, farbstarken Ölbildern nur vier graue Sessel befanden, die zum Niederlassen und Verweilen einluden. Auch in diesem Raum spürte ich die Energie, die die Bilder ausströmten. Ich konnte nirgends ein Preisschild entdecken, also fragte ich sie danach.

»Die Bilder sollen unbeeinflusst wirken, der Preis muss zunächst einmal nebensächlich sein«, erklärte sie mir mit einer Mimik, aus der tiefe Überzeugung sprach.

»Und ist er tatsächlich eine Nebensache?«, fragte ich mit einem Hauch Ironie.

»Nicht immer«, gab sie lächelnd zu.

Nachdem sie mir für einige der Bilder die Preise genannt hatte, wunderte ich mich über ihre Definition einer Nebensache. Unter vierzigtausend Mark war hier nichts zu haben.

Im ersten Stock liefen wir über knarrendes Parkett durch drei miteinander verbundene Räume. Der puristische Stil setzte sich konsequent fort: Es gab nichts Überflüssiges, nur ausdrucksstarke Leinwand und ausgewählte Sitzgelegenheiten. Philip Sanden hatte offensichtlich weder Angst vor Größe noch vor leerem Raum. Er musste nichts sinnlos füllen. Ich spürte den interessierten Seitenblick von Constanze Frohwein.

»Beeindruckend«, antwortete ich bereitwillig auf ihre unausgesprochene Frage. Und damit meinte ich nicht nur die Bilder, sondern die gesamte Komposition.

Sie schien damit zufrieden und lotste mich eine weitere Treppe hinauf ins eigentliche Atelier, das in gleißendes Licht getaucht war. Von dem riesigen Raum unter dem Glaszylinder war offensichtlich noch ein separater Raum abgeteilt.

Frau Frohwein war meinem Blick gefolgt. »Das ist ein Privatraum.«

Zum Glück gab es hier oben eine perfekt funktionierende Klimaanlage. Neugierig sah ich mich um. Ich hatte ein Durcheinander von Staffelei, Farben, Pinseln und an die Wand gelehnten Bildern erwartet, einen Fußboden voller Farbkleckse und künstlerische Unordnung. Entweder war jedoch die Vorstellung, die ich im Kopf hatte, ein fürchterliches Klischee, oder aber das, was ich hier sah, war die Ausnahme. Der gesamte Raum strömte eine geordnete Ästhetik aus. Es gab mehrere Staffeleien mit unfertigen Bildern, ein dunkelbraunes Ledersofa und rundherum Bücherregale. Aber es gab nichts, was achtlos herumlag. Es fiel mir schwer, mir den Menschen vorzustellen, der hier Tag für Tag arbeitete. Mir fehlten die persönlichen Dinge, die wie Mosaiksteine Teile vom Ganzen sind. Und genau das machte mich...

Erscheint lt. Verlag 3.2.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Familiengeheimnis • Geheimnis • Klaras Haus • Künstler • Liebesroman • Pschologische Spannung • Romane für Frauen • spannende Romane • Südtirol • Verstummen der Krähe
ISBN-10 3-492-98638-2 / 3492986382
ISBN-13 978-3-492-98638-0 / 9783492986380
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