Sei stark wie ein Löwe! (eBook)
240 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00608-9 (ISBN)
Daniel Duddek, geb. 1985, ist Vater von zwei Kindern, ausgebildeter Erzieher, Coach, Autor, Entwickler des Anti-Mobbing-Programms 'Stark auch ohne Muckis? und der Show 'ErziehungsRevolution'; seit 2006 hat er mit über 30.000 Kindern und deren Eltern gearbeitet. Daniels Shows, Trainings oder Coachings helfen Eltern, neue Sichtweisen anzunehmen, die Kindern eine glückliche Kindheit ermöglichen und somit den Grundstein für eine starke Zukunft legen.
Daniel Duddek, geb. 1985, ist Vater von zwei Kindern, ausgebildeter Erzieher, Coach, Autor, Entwickler des Anti-Mobbing-Programms "Stark auch ohne Muckis" und der Show "ErziehungsRevolution"; seit 2006 hat er mit über 30.000 Kindern und deren Eltern gearbeitet. Daniels Shows, Trainings oder Coachings helfen Eltern, neue Sichtweisen anzunehmen, die Kindern eine glückliche Kindheit ermöglichen und somit den Grundstein für eine starke Zukunft legen.
Mobbing. Wo stehen wir als Gesellschaft?
Mobbing. Der undefinierbare Dämon
Erinnern Sie sich an die Horrorfilmabende Ihrer Jugend? Bei uns war es so: Wir saßen mit Freunden zusammen, tranken heimlich Alkopops, die zu trinken einem die Eltern eigentlich verboten hatten, und gruselten uns herrlich. Irgendwann kam immer jemand auf die Idee, sich vor einen Spiegel zu stellen und fünfmal «Candyman» zu rufen, woraufhin mindestens einer nicht mehr einschlafen konnte. Sie kennen den Film vielleicht noch: In diesem Horrorfilm aus den 90er Jahren taucht der sogenannte Candyman immer dann auf, wenn man seinen Namen in einen Spiegel sagt, und bringt dann denjenigen um, der ihn gerufen hat. Platt, aber effektiv.
In anderen Filmen dieses Genres wusste man hingegen häufig erst am Ende, wer der Dämon oder das Monster, sprich, wer «der Böse» ist. Ähnlich ist es, wenn es um Mobbing geht. Ein Wort wie ein Monster, wie ein Dämon, von dem man nicht weiß, wann er zuschlägt. Ein Wort, das unangenehme Assoziationen, Ängste und Befürchtungen weckt. Doch fangen wir vorne an.
Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung fühlt sich ein Viertel unserer Kinder und Jugendlichen an seiner Schule nicht sicher. Für die Studie wurden bundesweit 3448 Schüler zwischen acht und vierzehn Jahren befragt. Überrascht hat die Wissenschaftler dabei die Tatsache, dass unter ihnen der Anteil der Grundschüler besonders hoch ist: Dreißig Prozent der betreffenden Schüler und Schülerinnen gaben an, im Vormonat gehänselt oder ausgegrenzt worden zu sein. Dramatische Zahlen.
Um ehrlich zu sein: Mich überrascht dieses Ergebnis nicht. Seit 2008 arbeite ich in Grundschulen und Kitas und habe in diesen über zehn Jahren unzählige Geschichten von Mobbing, Hänseleien, Ausgrenzung und auch Gewalt gehört.
Und ich bin damit nicht allein: Jeder, der mit offenen Augen an Grundschulen unterwegs ist, sei es als Pädagoge oder Eltern, kennt Fälle von Mobbing. Wir haben also offenbar ein Mobbingproblem an unseren Schulen. Oder genauer gesagt, in unserer Gesellschaft. Und anders als beim Candyman müssen wir nicht fünfmal in den Spiegel rufen, um es heraufzubeschwören: Es ist bereits da. Und zwar in einem signifikanten Umfang. Deshalb sollten wir fünfmal besser hinschauen, um etwas zu ändern. Und das nicht nur bei den offensichtlichen, bei den schrecklichen Fällen. Denn auch das beobachte ich regelmäßig: Die ganz extremen Fälle gelangen in die Öffentlichkeit, der Aufschrei ist groß. Zumindest für eine gewisse Zeit steht das Thema auch bei den betroffenen Schulen im Fokus, es werden Redner in den Unterricht geholt, Gremien eingerichtet, Projekttage durchgeführt, Spendenläufe veranstaltet. Aber warum erst dann, wenn die Situation bereits eskaliert ist? Verstehen Sie mich nicht falsch: Ein guter Redner kann Impulse geben. Aber warum werden so selten konkrete, nachhaltige Handlungsschritte eingeleitet, die auch für die weniger schweren Fälle eine Besserung bewirken? Dabei ist es für die Bekämpfung von Mobbing ausschlaggebend, dass und wie darauf reagiert wird. Im besten Fall mit Bedacht, nicht mit Wut und Empörung. Sich über etwas zu empören, ist zwar eine normale und auch wichtige menschliche Reaktion, weil sie Missstände aufzeigt und verdeutlicht. Wenn dann aber keine langfristigen Strategien erarbeitet und vor allem kontinuierlich umgesetzt werden, bleibt es leider bei der reinen Empörung – bis zum nächsten schweren Fall.
Deshalb ist es essenziell, rechtzeitig Prävention zu betreiben und nicht erst zu handeln, wenn es die ersten Mobbingopfer gibt. Dafür muss klar sein, was Mobbing eigentlich ist.
Das Wort taucht immer wieder auf, oft verbunden mit schrecklichen Geschichten über Demütigungen, Schikanen und Hänseleien. Teilweise wird es fast inflationär benutzt. Es ist gefühlt in aller Munde – und das ist auch erst mal gut so. Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Schlagwort? Und reden wir alle über dasselbe, wenn wir über Mobbing reden?
Im digitalen Zeitalter öffnen wir der Einfachheit halber Wikipedia, und schon haben wir eine Definition gefunden: «Mobbing oder Mobben als soziologischer Begriff beschreibt das wiederholte und regelmäßige, vorwiegend seelische Schikanieren, Quälen und Verletzen eines einzelnen Menschen durch eine beliebige Art von Gruppe.» Unterschieden wird in der Fachliteratur häufig auch direktes (z.B. Drohungen, Schikanen, Hänseleien) und indirektes Mobbing (wie z.B. Ausgrenzen, Rufschädigung). Mobbing ist damit eine Form der Machtausübung, deren Ziel es ist, so die Psychologin Mechthild Schäfer, die seit vielen Jahren über das Phänomen forscht, den eigenen sozialen Status zu halten oder zu verbessern.
Wer sich näher auf die Wikipedia-Definition einlässt, wird feststellen, dass die Beschreibung unpräzise ist. Was ist «wiederholt»? Was «regelmäßig»? Wenn ich als Lehrer oder Pädagoge eine Situation beobachte, in der ein Kind über einen Zeitraum von einer Woche immer mal wieder von seinen Mitschülern beleidigt wird – ist das dann bereits «regelmäßig»? Oder ist es unnötig einzugreifen, weil es sich laut Definition nicht um Mobbing handelt, schließlich dauern die Beleidigungen ja noch nicht so lange an?
Wir sehen: Eine begriffsscharfe Definition ist schwierig. Mich treibt seit Jahren die Frage um, was genau Mobbing ist und was nicht, was zu normalen Streitigkeiten im Miteinander von Menschen gehört und was inakzeptables Verhalten ist. Ich bin inzwischen zu dem Schluss gekommen: Mobbing ist kein Zustand, sondern ein individuell gefühlter Prozess. Und das bedeutet für uns als Eltern, Lehrer, Pädagogen, dass wir nicht auf irgendwelche Definitionen schauen sollten, sondern vielmehr den betroffenen Personen zuhören und individuell reagieren müssen.
Machen wir es an einem Beispiel deutlich: Die elfjährige Julia wird täglich von einer Gruppe von Mitschülern beleidigt; außerdem verbreitet diese Lügengeschichten über das Mädchen. Das Ganze zieht sich bereits über einen Zeitraum von drei Wochen hin. Julia ist jedoch relativ entspannt. Sie hat mehrere Freunde auf der Schule, mit denen sie eine gute Zeit verbringt, und ihr gelingt es in den meisten Fällen, die Mitschüler und ihr abschätziges Verhalten zu ignorieren.
Auf der anderen Seite ist da Franziska; ebenfalls elf Jahre und auf derselben Schule. Franziska wird von denselben Leuten auf dieselbe Art und Weise wie Julia beleidigt und ausgegrenzt. Franziska kann mit dieser Situation aber nur sehr schlecht umgehen: Bereits nach drei Tagen geht sie mit Bauchschmerzen in die Schule. Nach einer Woche hat sie regelrecht Angst vor der Schule und versucht alles, um zu Hause bleiben zu können.
Und nun stellen Sie sich die Frage: Welches der Mädchen wird gemobbt? Julia? Franziska? Beide? Folgen wir lediglich der Definition, muss die Antwort «Nur Julia» lauten, denn sie wird bereits über einen längeren Zeitraum kontinuierlich schikaniert. Meine Antwort lautet jedoch: Franziska ist diejenige, die gemobbt wird. Denn Julia scheint, so jung sie ist, bereits einen Weg gefunden zu haben, mit den Beleidigungen der Mitschüler umzugehen und sich mental davon abzugrenzen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Das Verhalten der anderen Kinder ist in beiden Fällen weder angemessen noch akzeptabel und sollte von Eltern und/oder Lehrern thematisiert werden. Aber nur Franziska leidet bereits nach sehr kurzer Zeit massiv unter ihren Mitschülern, sie wird gemobbt: Mobbing, nun erklärt sich meine Aussage weiter oben vielleicht besser, ist eben kein Zustand mit klaren Kriterien, sondern ein individuell gefühlter Prozess. Mobbing kann man nicht in zwei Sätzen definieren. Bleiben Sie im Dialog mit Ihren Kindern und handeln Sie, wenn es nötig ist, und nicht erst dann, wenn irgendwelche Definitionen oder Standards greifen! Das bedeutet auch, sich nicht von solchen Festlegungen vorschreiben zu lassen, ab wann man tätig werden darf – und ab wann Kinder leiden «dürfen».
Denken wir zurück an die Horrorfilmabende. Der Grusel lag darin, dass wir das Böse nicht greifen konnten, nicht wussten, wann und in welcher Gestalt es zum Vorschein kam, und außerdem nur vage Hinweise auf seine Identität hatten. Der erste Schritt, um unsere Kinder gegen Mobbing zu wappnen, ist, weg von Vermutungen zu kommen und hin zu echten Dialogen miteinander. Kinder müssen gesehen und ernst genommen werden – ihnen muss aber auch gezeigt werden, dass sie selbst etwas an ihrer Situation ändern können. Lassen Sie uns dem Bösen die Zähne ziehen und es rational angehen.
Mit Mobbing konfrontiert zu sein, ist eine große Herausforderung. Und natürlich wünschen wir unseren Kindern, dass sie diesen Herausforderungen nicht ausgesetzt sind. Aber wir können sie nun mal leider nicht ausschließen, sie gehören in gewisser Weise zum Leben dazu. Ja, es wäre wünschenswert, wenn es kein Mobbing gäbe, und sicherlich sollten wir alles dafür tun, es einzudämmen und zu ächten. Nur leider ist es nicht realistisch, es gänzlich zu eliminieren. Die gute Nachricht: Herausforderungen können gemeistert werden. Es kommt auf die richtigen Strategien an.
Bestimmt kennen Sie Menschen, die in ihrem Leben schon mal vor großen Herausforderungen standen: Geldprobleme, Krankheiten, Trennung, Jobverlust oder Schwierigkeiten bei der Arbeit – das Leben ist leider nicht immer ein Spaziergang. Aber Sie kennen sicherlich auch Menschen, die gestärkt aus diesen krisenhaften Zeiten hervorgegangen sind, während andere unter der Last strauchelten. Wenn also manche Menschen die Herausforderung meistern und andere daran zerbrechen, scheint es nicht nur die Herausforderung an sich zu sein, um die es geht,...
Erscheint lt. Verlag | 18.8.2020 |
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Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Schlagworte | Anti-Gewalt-Coach • Bestsellerliste • Cybermobbing • Cyber-Mobbing • Duchsetzungsfähigkeit • Elternratgeber • Erziehung • Erziehungstipps • Kindererziehung • Kinder stärken • Mobbing • Mobbing an Schulen • Mobbing in der Schule • Mobbing Kinder • Mobbingopfer • Mobbing Schule • Pubertät • Ratgeber für Eltern • Schule • Schulkind • Selbstbewusstsein |
ISBN-10 | 3-644-00608-3 / 3644006083 |
ISBN-13 | 978-3-644-00608-9 / 9783644006089 |
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