Die Tankstelle am Ende des Dorfs (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
300 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76424-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Tankstelle am Ende des Dorfs -  Lars Mytting
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»Eigentlich erzählt dieses Buch nicht von Autos, sondern vom Sinn des Lebens und der Liebe.« Dagens Naeringsliv

In Erik Fyksens Tankstelle gibt es kein Bistro und auch keine gigantische Waschanlage wie bei der Konkurrenz und das Sechziger-Jahre-Design, in dem Eriks Freundin die Tankstelle stilecht renoviert hat, bevor sie ihn verließ, ist auch nicht jedermanns Sache. Dafür weiß Erik alles über Autos, die er mit Hingabe repariert, und kann noch für das ungewöhnlichste Modell Ersatzteile besorgen, und sei es beim örtlichen Schrottplatzbesitzer. Für Tüftler und Bastler ist der Ort zur »Tankstelle des Glücks« geworden, in dem nicht nur der fahrbare Untersatz auf Touren gebracht wird, sondern gleich das ganze Leben verhandelt wird. Nur schade, dass die Landstraße begradigt werden soll und dann nicht mehr an der Tankstelle vorbeiführen wird. Erik muss eine Entscheidung treffen.

Ein Männerverstehbuch, das in Norwegen zum Kultroman wurde.



Lars Mytting, geboren 1969, stammt aus F&aring;vang im norwegischen Gudbrandsdalen. Im Insel Verlag erschienen au&szlig;erdem der Bestseller <em>Der Mann und das Holz. Vom F&auml;llen, Hacken und Feuermachen</em> und der Roman <em>Die Birken wissen&rsquo;s noch</em> sowie die zwei Romane <em>Die Glocke im See</em> und <em>Ein R&auml;tsel auf blauschwarzem Grund</em>, die zusammen mit <em>Astrids Verm&auml;chtnis</em> eine Trilogie bilden.

Landstraße 220


Erik Fyksen dehnte sich, drückte die Schultern in seiner Arbeitsjacke durch, tippte die Summe für dreiundvierzig Liter Super in die Kasse und ging nach draußen zum Mobil-Schild.

Über ihm stand das rote Pegasuspferd, eingefangen hinter vergilbtem Plexiglas. Die Flügel waren ausgebreitet, auf dem Sprung in den Himmel, bereit, sich von der toten, schwarzen Schicht aus Fliegen und Staub am Boden der Leuchtreklame zu erheben und mit langsamen Flügelschlägen zu dem Sternbild emporzugleiten, dem es entstammte. Zwei Scheinwerfer rollten durch die Zigeunerkurven. Dann raste der Wagen mit Vollgas über die Tallaksenebene, während sich auf dem Lack das Tal spiegelte und die Sonnenstrahlen auf dem Chrom und den silbernen Buchstaben PONTIAC GTO glitzerten.

Als der Wagen die Steigung erreichte, hörte Erik, wie der Motor die Tonlage wechselte. Der Luftwiderstand bremste das Auto, und der Auspuff bekam einen ungeduldigen, hämmernden Klang.

Es gibt durchaus Gründe, rote Amerikaner zu kaufen, dachte er. Und es gibt Gründe, sie wieder zu verkaufen.

Erik warf seinem Exwagen einen Gruß zu, sah den Pontiac langsam in Richtung Zentrum vorbeigleiten und die roten Rückleuchten im Dunst der Abgase verschwimmen. Der Fahrer blinkte, bog auf den Platz vor dem Restaurant Rangen, rollte neben einen silbergrauen Thunderbird, ließ den Achtzylinder im Leerlauf noch einmal aufheulen und hielt an.

Erik kontrollierte die Zapfsäulen. Irgendetwas stimmte nicht. Die Schweigsamkeit der Kunden war auffällig. Zwar waren sie von Natur aus wortkarg, aber in ihren Blicken lag eine unausgesprochene Frage, und überdies waren sie stiller als sonst und gingen jedem Gespräch aus dem Weg.  

Aber nein. Mit den Zapfsäulen war alles in Ordnung. Es lief nirgendwo Benzin aus. Keine Graffiti an der Seitenwand, keine schlafenden Fernfahrer, und auch alle Buchstaben in Annor Kraftstoffe und Automobile leuchteten. Es war auch noch zu früh dafür, dass jemand an der Einfahrt zur Tankstelle mit seinem Auto kreiselte und die Reifen qualmen ließ, sodass sich auch darüber niemand aufregen konnte. Und den Jungs, die ihre Musik so laut laufen ließen, dass die Hutablagen bebten, hatte er schon vor langer Zeit deutlich gemacht, dass eine Tankstelle kein Szenetreff ist. Eher so etwas wie ein Gemeindezentrum. Man war willkommen, aber unter gewissen Bedingungen. Jeder durfte gerne die Rampe benutzen, ohne zu fragen, nicht aber die Motoren aufheulen lassen, im Auto hocken und Bier trinken.

Hinter sich hörte er einen Volvo. Åge Rudi kam mit seinem Kombi, wie gewöhnlich mit einer Leiter auf dem Dach und dem Laderaum voller Klempnerutensilien.

»Ich muss ständig Kühlwasser nachfüllen«, beklagte sich Rudi. »Dabei ist der Garagenboden trocken.«

Erik öffnete die Motorhaube, nahm den Öldeckel ab und fuhr mit dem Mittelfinger den Rand entlang.

»Sieh mal hier«, sagte er. Er hatte gelbbraunen Schlamm an seinem Finger. »Die Kopfdichtung ist kaputt, du hast Kühlwasser im Öl. Das sieht dann so aus.«

»Teuer?«, fragte Rudi.

Diese Frage kannte Erik zur Genüge und auch den Wunsch, es so billig wie möglich zu machen. »Dauert schon ein paar Stunden«, sagte er. »Es lohnt sich, dabei auch gleich die Ventile durchzusehen. Aber du weißt ja. Hast du zurzeit viel zu tun?«

»Wieso?«

»Die Rohre für den Hochdruckreiniger müssten verlegt werden«, sagte Erik.

»Eine Hand wäscht die andere?«, fragte Rudi.

»Komm heute Abend gegen sechs.«

»Abgemacht«, sagte Rudi und legte den ersten Gang ein. »Du hast keine Kunden, Fyksen, du hast einen Fanclub! Also sieh zu, dass du dich halten kannst.«

Da war es wieder. Dass du dich halten kannst. Wohlwollend, aber wie eine Andeutung.

Erik nahm die Tageszeitung Gudbrandsdølen aus dem Ständer. Er spürte die Narbe in seiner Handfläche kribbeln. Seltsam, die hatte er das letzte Mal vor Jahren gespürt.

Wie der Gudbrandsdølen aus sicherer Quelle erfahren hat, soll die Landstraße 220 in den kommenden Jahren an der Ortschaft Annor vorbeigeführt werden. Die Planung sieht neue Brücken oberhalb des Zentrums und unterhalb der Zigeunerkurven vor, eine verbreiterte, sechs Kilometer lange Straßentrasse auf der anderen Talseite und eine Anbindung an die alte Straße samt einer Erneuerung der Strecke bis zur E6. Auch eine Neunziger-Zone scheint nicht ausgeschlossen.

»Im Zentrum kommt es immer wieder zu gefährlichen Verkehrssituationen«, betont Gemeindeingenieur Ole Muriteigen. »Und bei den Jugendlichen ist die Unsitte eingerissen, zwischen dem Restaurant an der Bushaltestelle und der Mobil-Tankstelle hin- und herzurasen, mit alten ausrangierten amerikanischen Straßenkreuzern Schleudermanöver zu fahren oder nachts mit Motorrädern illegale Rennen zu veranstalten.«

Da war sie also, die Erklärung des Tages, dachte Erik. Wenn der Verkehr da langging, war er bis Ostern pleite, spätestens bis Weihnachten. Seine Schulden waren ins Unermessliche gestiegen, als er mit Elise die Mobil-Tankstelle restauriert hatte, er hatte noch die nächsten neunzehn Jahre abzuzahlen. Sollte er noch einmal Schulden machen, um auf der anderen Seite des Tales eine Tankstelle wie diese aufzubauen? Unvorstellbar, erst recht bei dem Bankdirektor, der derzeit das Sagen hatte.

Erik ging in die Werkstatt, atmete den Duft von Gummi und Öl ein und sah, wie sich Tor-Arne beim Auswuchten der Reifen abmühte.

»Haste heut schon Zeitung gelesen?«, fragte Erik.

»Den Sportteil der VG«, antwortete Tor-Arne und zog das Band fest, das seinen Pferdeschwanz zusammenhielt. »Und natürlich die Autoanzeigen.«

»Dann ist dir unsere Todesanzeige noch nicht aufgefallen?« Erik hielt ihm den Gudbrandsdølen hin.

Der Abzieher fiel klirrend auf den Boden. »Das ist doch nicht wahr«, sagte Tor-Arne. »Das kann doch, verdammt noch mal, nicht wahr sein!« Er riss die Zeitung an sich und las laut:

Ein anderer Vorteil, insbesondere für die Tagespendler nach Ringebu und Vinstra, liegt in der Umfahrung der berüchtigten Zigeunerkurven, die bei erhöhter Geschwindigkeit und aus dem Fluss aufsteigendem Nebel sommers wie winters gefährlich sein können.

Erik blickte auf das Bild unter dem Artikel. Aufgenommen mitten im Winter. Ein Ford Escort, der sich bei der Manufaktur um einen Laternenpfahl gewickelt hatte. Mitten auf der Straße lagen ein geplatzter Einkaufsbeutel und zwei Milchtüten. Aus dem Schneewall am Straßenrand ragten die Kufen eines Tretschlittens hervor.

Im letzten Jahr musste einem 73-jährigen Mann ein Bein amputiert werden, nachdem er bei Eisglätte angefahren worden war, las Tor-Arne. Er legte die Zeitung weg und setzte sich auf eine Felge.

»Da stimmt doch was nicht«, sagte Erik. »Natürlich war das mit dem Fuß von Gustav Smidesang ein verdammter Mist, aber das war wirklich der erste richtige Unfall hier im Zentrum, an den ich mich erinnern kann.«

Draußen hupte jemand. Ragnar Karlstad stand mit seinem Mercedes-Taxi an der Dieselzapfsäule. Erik notierte den Betrag im Rechnungsbuch, gab ihm ein Zeichen loszufahren und stellte das Zählwerk der Säule auf null. Ein silbergrauer Mitsubishi Pajero wartete bereits. Der Wagen sah nagelneu aus.

Der Pajero fuhr vor. Harald Jøtul stieg aus.

Erik wusste, dass man ein schlechter Geschäftsmann war, wenn man sich um das Privatleben seiner Kunden kümmerte, aber bei Harald Jøtul machte er eine Ausnahme. Freunde kamen und gingen, aber Feinde behielt man sein ganzes Leben.

Es hatte mit Kleinigkeiten begonnen. So wie die meisten Streitereien in einem Dorf mit unwichtigem Kram anfangen. Insbesondere dann, wenn die Menschen beginnen, auf Feste zu gehen. Zuerst das Young-Lords-Konzert. Dann das Volksfest nach der Viehschau. Erik hatte...

Erscheint lt. Verlag 27.10.2019
Übersetzer Günther Frauenlob
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Autos • Cool • Frauen • Glück • grosse Liebe • insel taschenbuch 4760 • IT 4760 • IT4760 • Jugend • Kult • Kultbuch • Leben • Norwegen • Pop • Sehnsuchtsorte • Tankstelle • Toni Erdmann
ISBN-10 3-458-76424-0 / 3458764240
ISBN-13 978-3-458-76424-3 / 9783458764243
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