Drei Wünsche (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
365 Seiten
Eichborn AG (Verlag)
978-3-7325-7841-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Drei Wünsche -  Laura Karasek
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Drei Frauen um die dreißig. Drei ganz unterschiedliche Leben. Ein und dasselbe Gefühl: genau jetzt die Weichen für ihr Lebensglück stellen zu müssen.

Rebecca schwankt zwischen Karriere und Kinderwunsch, Maxie setzt für eine leidenschaftliche Affäre alles aufs Spiel, und Helena erhält zwei Nachrichten, die ihr schmerzhaft bewusst machen, dass es Dinge gibt, auf die wir keinen Einfluss haben. Selbsterfüllung und Familie, Lust und Liebe, Abschied und Neubeginn - all das liegt so nahe beieinander und doch so weit voneinander entfernt. Wofür soll man kämpfen in einer Welt, in der vermeintlich alles möglich ist?

Mitreißend und schonungslos schreibt Laura Karasek über die Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen, über Töchter und Väter, über Macht, Sex, Trauer und Glück. In ihrer unnachahmlich klaren Sprache verdichtet sie dabei ganze Leben zu einem Kaleidoskop all der widerstreitenden Gefühle, die jeder von uns in sich trägt.

Ein Roman über die Gefühlswelten moderner junger Frauen, über große Entscheidungen, über Hoffnung und Ängste und die Suche nach dem, was wirklich zählt im Leben. Vor allem aber: Ein Roman über die Liebe - in all ihren schönen, traurigen, seltsamen Facetten.



Laura Karasek hat mit ihrem Debütroman "Verspielte Jahre" einen Bestseller hingelegt und ist seitdem regelmäßiger Talkgast im Fernsehen. Die Tochter Hellmuth Karaseks wurde 1982 in Hamburg geboren, studierte Jura in Berlin und Paris und arbeitete als Rechtsanwältin in einer großen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt am Main.

Laura Karasek hat mit ihrem Debütroman "Verspielte Jahre" einen Bestseller hingelegt und ist seitdem regelmäßiger Talkgast im Fernsehen. Die Tochter Hellmuth Karaseks wurde 1982 in Hamburg geboren, studierte Jura in Berlin und Paris und arbeitete als Rechtsanwältin in einer großen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt am Main.

HELENA


Der erste Mann, der ihr das Herz brach, war ihr Vater. Und jetzt liegt er im Sterben.

Als kleines Mädchen hatte Helena oft das Gefühl, sie müsse ihm dabei helfen, glücklich zu sein. Er hatte für sie schon immer etwas Verlorenes, diesen traurigen, kindlichen Blick seiner Knopfaugen, die Sehnsucht und Einsamkeit verrieten. Sie weiß, dass er es hasst, niedlich zu sein. Männer wollen keine Teddybären sein, Männer wollen Löwen sein, Haie vielleicht – auch in hohem Alter. Ein bisschen wie Ganoven. Frauen denken oft, sie sollten gute Menschen sein. Frauen wird beigebracht, dass sie gut sein sollen. Carl hat stets versucht Helena zu zeigen, ein bisschen wie eine Ganovin zu sein.

Wie liebt jemand, der vor dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde?

Helenas Vater hat sie verwöhnt und verzogen – vor allem, was Männer betrifft. Er war immer so nachgiebig, so inkonsequent mit ihr wie mit sich selbst, ein Nein bedeutete meist doch ein Ja. Wenn er den Pralinen und dem Sekt abschwor, dann oft nur so lange, bis er fünf Minuten später »Eine noch!« rief und sich die braune Schokoladenkugel mit zwei Fingern genüsslich in den Mund steckte, plopp, wie eine Bowlingkugel, oder sich den weißen Sprudelschaumwein in den Rachen goss. Immer gab es »ein letztes Mal«.

Die einzige Zeit in seinem Leben ohne Alkohol sind diese letzten Wochen vor seinem Tod. Dennoch betont er immer, dass der Krebs nichts mit seinem Trinkverhalten zu tun habe.

»Es liegt nicht am Alkohol! Das sagen auch die Ärzte!«, erklärt er allen – auch Helena – ständig am Telefon und jedem, der ihn besucht.

»Ha! Meine Leberwerte sind fabelhaft! Besser als die von eurer Mutter. Und die trinkt ja keinen Schluck.« Das hat er früher immer gesagt, mit Stolz und Erstaunen. Wie ein Anwalt, der einen Verbrecher überführt, hat er die Ärzte entlarvt: Alkohol kann einem nichts anhaben! Ihm jedenfalls nicht!

Siehe da, schwarz auf weiß, er wedelte mit den Laborwerten, seinem Dokument, das bestätigte, dass er und seine Leber unbezwingbar, unbetrinkbar waren: »Wo früher meine Leber war – ist heute eine Minibar.«

Seinen Champagner und seinen Prosecco hielt er für belebend. »Ich brauche das zum Arbeiten, zum Aufstehen, zum Einschlafen«, erklärte er immer wieder. Er brauchte seinen Fernet Branca und seinen Grappa nach dem Essen: »Das hilft der Verdauung.« Er trank immer gegen irgendetwas an, gegen die Zeit, gegen die Schmerzen, gegen das fette Essen (vielleicht aß er nur deshalb so reichhaltig), gegen den Schlaf, gegen die Schlaflosigkeit. Er trank gegen sich selbst. Das war sein Lieblingstrinkspiel.

Er wollte gegen die Sterblichkeit antrinken. Aber die Sterblichkeit war stärker. Oft wollte er auch seinen Kindern sein Gesöff aufschwatzen, er pries es an, sobald man ihm erzählte, man habe Bauchweh oder fühle sich voll, matt, müde, elend, schlapp, satt, träge, habe zu viel gegessen – für ihn war Alkohol kein Alkohol, sondern Medizin gegen alle Schmerzen körperlicher und geistiger Art.

»Trink einen Schnaps«, sagte er zu Helena, »ich hole dir einen!« Dann klirrte er an seiner Bar herum, schraubte eine Flasche auf, es gluckste, ein Glas für sich, ein Glas für sie, und noch eines für ihren Bruder Benjamin. »Hier, trink das. Das hilft. Wirklich.« Er funktionierte unter Alkohol. Er konnte den Wein und die Digestifs in seinen Alltag einflechten, reinmixen in seine Arbeit, seine Treffen, seine Vorträge, seine Auftritte. Immer stand ein Glas neben ihm. Nur manchmal hinterließ das Trinken doch seine Spuren, wenn er im Laufe des Nachmittags oder Abends immer rechthaberischer wurde, zynischer, launischer. Dann musste man nur auf den nächsten Morgen warten – da würde er wieder milder sein, gegenwärtiger, wachsamer, weniger angestachelt vom aufmüpfigen Alkohol, weniger besessen, stur, weniger Geisel seiner eigenen Entführung, gebeutelt vom Rausch.

Ja, der Alkohol konnte seine Beulen hinterlassen, der Körper stolperte und taumelte, auch der Geist stieß sich an allen Ecken und Kanten, das Wesen purzelte wie auf einem wankenden Schiff. Kam die unterdrückte Wahrheit zutage, oder weckte der Wein den Wahn?

Manchmal, vor allem in den letzten Jahren, hat seine Trinkerei Helena beunruhigt, sie besorgt und betrübt. Sie war traurig und wurde immer trauriger, je länger der Tag voranschritt. Die Zeit lief gegen sie. Er befüllte sich, war in der Früh noch klar und wurde immer trüber, wie altes Blumenwasser, das täglich süßlicher, vergorener riecht. Wie ein vernachlässigtes Aquarium. Irgendwann konnte man nichts mehr erkennen, verschwommen waren seine schillernden Geschichten hinter der dumpfen Scheibe des Rausches.

Meist stritten sie, wenn er in seinem Aquarium untergetaucht war, wenn er diese aggressive Art beim Sprechen bekam, spuckte oder speichelte, rechtfertigte und belehrte. Nur er verstand die Welt.

Er war nämlich nicht abgetaucht, er schwamm und gluckste im trüben Wasser und spritzte um sich, er machte alles und alle nass, wie es ihm passte, er schlug mit seinen Flossen. Er war für richtige Gespräche, für gemeinsame Skatspiele nicht mehr zu gebrauchen.

Sobald er aufstand, fragte ihre Mutter genervt: »Musst du jetzt noch mehr trinken?« Und er kippte wie ein trotziges Kind immer etwas nach, hopp, von der Flasche ins Glas in den Mund, hehe, gluckgluck – mir erteilt keiner Befehle, mir schreibt keiner was vor, was habt ihr denn, hört auf, mich wie einen Idioten zu behandeln, wie einen Trottel, mich zu entmündigen. Aber sie taten ja gar nichts. Helena sah nur stumm zu. Ihr Bruder amüsierte sich oder zog sich zurück. Ihm machte das alles nicht so viel aus. Was hatte er nur, was suchte er zu betäuben?

War er so traurig? Und war diese Traurigkeit ansteckend, trug sie als Kind eine Mitschuld an seiner Leere, oder trug er eine Mitschuld an ihrer?

Da saß ihr Vater, irgendwie verloren in seinem Zuhause. Und da saß sie, der Besuch, seine Tochter, sein Kind, und wartete, dass er wieder nüchtern wurde.

Man braucht Geduld. Denn man muss viel warten, so ein Pegel wird nicht im Nu abgebaut, meist dauert es bis zum nächsten Morgen – da würde das Wetter wieder milder sein, und morgen, ja, »Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus!«.

Ja, ihr Vater muss doch trinken, brüllen, tyrannisieren, dachte Helena immer.

Er lag viel in den letzten Jahren, Nachmittagsschlaf, Zahnweh, Arthrose. Aber sie war doch das Kind! Und nicht er.

Oder er reiste. Mit dem Ziehkoffer und dem Kleidersack zu Terminen, immer im Zug, an Flughäfen, an kalten Bahnsteigen, ein Mann Ende siebzig. Das war doch nichts. Was war ein Rentnerleben dagegen?

Helena wusste, dass ihre Mutter geknickt war. Da kamen die Kinder extra angereist, und der eigene Mann versaute der Familie den »gemütlichen Abend«. Sie konnte ihren Unmut nicht verbergen und war froh, wenn er schlief und nicht mehr störte.

Ihr war es so wichtig, dass die Kinder kamen, alles sollte perfekt sein. Sie kaufte tagelang ein, befüllte den Kühlschrank mit ihren Lieblingszutaten, erkundigte sich vorab nach Essenswünschen, legte Süßigkeiten ins Zimmer (für Helena) und Wurst ins Fleischfach (für Benjamin), sie dekorierte die Wohnung, kaufte Blumen und stellte sie in Vasen, half ihrem Vater beim Kochen, deckte den Tisch, machte Obstsalat aus frischen Beeren mit Minze, die Kinder sollten sich wohlfühlen, das Zuhause lieben, die Familie lieben. Und dann gluckste Carl mit seinem Durst dazwischen – wie ein Schluckauf unterbrach er die von ihr vorbereitete Harmonie und Festlichkeit, kleckerte mit seinem Wein ihre Tischdecke voll.

Die Eintracht ihrer Eltern schien immer ein wenig bedroht, wenn die Kinder zu Besuch waren. Als würden sie um die Aufmerksamkeit des Nachwuchses buhlen, der Vater prahlte mit Geschichten, die Mutter verwöhnte.

Elternpaare entwickeln kurzfristig eine andere Dynamik, wenn die Kinder plötzlich wieder – wenn auch nur vorübergehend – zu Hause einziehen, in ihren Kinderzimmern schlafen. Wenn die Vergangenheit wieder gelebt wird, die Familie, wie sie war, bevor die Kinder ihre Eltern für ein eigenes Leben zurückließen. Es ist die Rückkehr eines früheren Lebens – eines Lebens, das nicht mehr funktioniert, weil es inzwischen ein anderes Leben gibt. Aber manchmal, für Augenblicke, werden die Kinder wieder Kinder, und die Eltern kommen wieder an die Macht. In Helenas Familie fühlt sich dann alles so nach den Neunzigerjahren an, nach Geborgenheit und Hanuta, nach Backstreet Boys, Hausaufgaben und Bill Clinton.

Im letzten Sommer dachten sie, dass der Alkohol ihn immer so müde machte. Das Trinken in der flirrenden Hitze, die Mücken, der Weißwein, die Windstille. Aber es war nicht der Alkohol. Es war der Krebs.

Und dann das Essen. Eigentlich aß er immer alles, was fett und reichhaltig war. Er verwendete Crème double statt Crème fraîche, weil der doppelte Fettgehalt noch besser schmeckte. Für ihn ging Geschmack vor Gesundheit. Genuss vor Abstinenz.

Er verwendete immer Öl und Butter. Er aß den Fettrand vom Steak (am liebsten Rib-Eye) und vom Schinken.

»Fett ist ein Geschmacksträger, Herrgott«, entgegnete er, wenn Helenas Mutter ihn ermahnte, doch nicht nur den »Glibber« oder das »Gezedder« zu essen.

Er aß Würste aller Art.

Er liebte die klassische deutsche, italienische und französische Küche. Schwere Saucen, Knödel, Kartoffeln, Schwein, Rind, Gans, Kalbsbraten, Morcheln. Mit Barolo oder Sherry und Sahne.

Er wäre nie auf die Idee gekommen, einem Salat eine Mango hinzuzufügen. Oder Goji-Beeren. Oder...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2019
Sprache deutsch
Original-Titel Drei Wünsche
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Affäre • Beruf • Beziehung • Deutschland • Familie • Frau • Frauen • Humor • Karriere • Kinder • Krise • Liebe • Midlife • Partnerschaft • Scheidung • Sonstige Belletristik • Streit • Vereinbarkeit • Zukunft
ISBN-10 3-7325-7841-0 / 3732578410
ISBN-13 978-3-7325-7841-2 / 9783732578412
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