Martha und das Meer (eBook)

Roman

(Autor)

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2019 | 1. Auflage
352 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45499-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Martha und das Meer -  Gillian Best
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Anfangs war das Meer ihr Gegner, dann wurde es ihre erste Liebe: Gillian Bests 'Martha und das Meer' ist ein berührender Roman über eine Frau, die ihre Familie liebt und doch nur im Meer wahre Freiheit findet. Ein Buch, das Mut macht - für Frauen, die Veränderung suchen! Dover, um 1950: An einem klaren Sommertag fällt Martha bei einem Angelausflug ins Wasser - aus dem Schock wird eine tiefe Faszination für das Meer. Zehn Jahre später ist sie mit ihrer Jugendliebe John verheiratet, kümmert sich um die Kinder und macht den Abwasch. Doch sie sehnt sich nach Freiheit, und eines Tages geht sie hinunter zum Strand und schwimmt ins offene Blau. Zehn Mal wird sie den Ärmelkanal durchqueren. Aber kann die Liebe, die ihre Familie zusammenhält, den Wellen des Lebens standhalten? Ein wunderbar authentischer Familienroman u?ber drei Generationen von Frauen, u?ber die richtigen und falschen Entscheidungen und u?ber den Mut zur Selbstbestimmung. »Wer ?Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry? gelesen hat, der wird Gillian Bests ?Martha und das Meer? lieben.« Kathleen Winter, Autorin des Bestsellers »Annabel«

Gillian Best ist Schriftstellerin, Schwimmerin und liebt das Meer. Ihre Kurzgeschichten wurden unter anderem mit dem Bronwen Wallace Award for Emerging Writers ausgezeichnet, der im Ruf steht, schon früh zukünftige Starautoren zu entdecken. Ursprünglich, aus Waterloo, Kanada, lebt sie heute in Bristol, UK. »Martha und das Meer« ist ihr Debütroman.

Gillian Best ist Schriftstellerin, Schwimmerin und liebt das Meer. Ihre Kurzgeschichten wurden unter anderem mit dem Bronwen Wallace Award for Emerging Writers ausgezeichnet, der im Ruf steht, schon früh zukünftige Starautoren zu entdecken. Ursprünglich, aus Waterloo, Kanada, lebt sie heute in Bristol, UK. »Martha und das Meer« ist ihr Debütroman.

Reinfall


Martha, 1947

Richard«, hörte ich meine Mutter in der Küche sagen, in dem Ton, der nicht zu Fragen ermutigte. »Nimm sie mit.«

»Martha interessiert sich nicht fürs Angeln«, erwiderte mein Vater. »Sie ist ein Mädchen und erst zehn. Beim letzten Mal –«

»Sie hockt schon viel länger hier im Haus, als ihr guttut. Und sie geht mir auf die Nerven.«

Die Nerven meiner Mutter sorgten oft für Ärger. Ihre Stimmung schwankte schnell, und man wusste nie, welche Seite man erwischte. Aber es gab Zeichen, die mein Vater und ich zu deuten gelernt hatten. Wenn sie sich schwer auf die Arbeitsfläche stützte, um den Verdruss über unsere Unzulänglichkeit zu ertragen, oder wenn ihre Stimme höher klang als sonst – wie es häufig der Fall war, wenn sie von einem Besuch bei einer ihrer besser gestellten Freundinnen zurückkam –, wussten wir, dass die Wahrscheinlichkeit, ihre schlechte Seite zu erwischen, ungefähr so hoch war wie die, dass es an einem Feiertag regnete. Oft schienen mein Vater und ich sie in dem Bild, das sie von unseren zahlreichen Mängeln hatte, nur noch mehr zu bestätigen. Wenn wir besonders lästig waren, saßen mein Vater und ich meist still im Wohnzimmer und lasen.

»Schick sie doch zum Spielen in den Garten«, sagte mein Vater.

»Richard«, warnte meine Mutter ihn in einem Tonfall, den ich nur zu gut kannte.

Ich sah vor mir, wie mein Vater den Kopf hängen ließ, als er antwortete. »Gut, Liebes.«

Obwohl mir die Art nicht gefiel, wie meine Mutter meinem Vater befohlen hatte, mich mitzunehmen, freute ich mich auf den Ausflug. Meine nackten Füße machten kaum ein Geräusch auf den Dielen, als ich von meinem Lauschplatz am oberen Treppenabsatz in mein Zimmer zurücklief. Auf diesem Posten hatte ich den Großteil dessen erfahren, was ich über die Gedanken meiner Eltern wusste. Zumindest über die, die sie miteinander besprachen. Ich nehme an, ihre intimsten Gedanken bewahrten sie in dunkleren, verborgenen Nischen auf, die sie selbst kaum aufsuchten.

»Martha!«, hörte ich meinen Vater von unten rufen. »Zieh dir Schuhe an und nimm dir eine Jacke mit.«

Ich schaute aus dem Fenster meines Zimmers über die Dächer, die sich bis zum Glitzern des Meeres am Horizont erstreckten. Es war zwar nicht so blau wie auf den Ansichtskarten, aber der Himmel war klar. Der Sommer hatte bereits begonnen, und es sah so aus, als wäre es warm genug, um ohne eine Jacke loszuziehen, die wahrscheinlich nur vergessen oder verloren gehen würde. Doch ich tat, was man mir gesagt hatte, und nahm die, die ich am wenigsten mochte – eine quietschgrüne mit einem Bubikragen, die ich nicht leiden konnte, weil sie aussah wie Wackelpudding mit einem Klecks Sahne obendrauf –, in der Hoffnung, dass sich bei dem Ausflug eine glaubwürdige Gelegenheit finden würde, sie loszuwerden.

Ich interessierte mich wirklich nicht fürs Angeln, aber die Aussicht, das eng begrenzte Reich von Haus, Garten und Straße zu verlassen, war aufregend. Solche Fluchtgelegenheiten gab es nur selten, selbst jetzt, wo der Krieg vorbei war, und ich wusste, je besser ich mich benahm, desto größer war die Chance, dass die Einladung wiederholt wurde.

Mein Vater stand bereits an der Tür, die Angel in der Hand und neben sich die metallene Proviantkiste, in der die Haken und Würmer waren, für die er meine Hilfe brauchte. Ich fragte mich, wie er zurechtkam, wenn ich nicht dabei war, aber wahrscheinlich war das Angeln nur ein Vorwand, um aus dem Haus zu kommen. Ich stellte mich vor ihn hin und salutierte, Füße zusammen, Rücken gerade. Das hatte ich mir angewöhnt, seit er aus dem Krieg zurückgekommen war. Ich hoffte, es würde ihn davon überzeugen, dass ich respektvoll und informiert genug war, damit er mir von seinen Abenteuern in Frankreich erzählte. Vor allem wollte ich natürlich hören, wie er seinen rechten Arm verloren hatte. Das war etwas, worüber ich meine Mutter noch nie sprechen gehört hatte. Dass sie darüber schwieg, war bemerkenswert, denn sonst war für sie kein Thema tabu.

»Du trägst die Kiste«, sagte er und trat zur Seite, damit ich die Tür für ihn aufmachen konnte.

Er ging an mir vorbei und blieb nicht mal stehen, um sich zu vergewissern, dass ich die Tür wieder richtig zugemacht hatte. Die Botschaft war klar: Er und ich gingen nicht zusammen angeln; ich war ein unerwünschtes Anhängsel und würde selbst zusehen müssen, wie ich zurechtkam.

Ich ging, so schnell ich konnte, musste jedoch bald in ein unbeholfenes Laufen wechseln, um mit ihm Schritt halten zu können. Die Metallkiste, die ich in der Hand trug, schlug bei jedem Schritt gegen meine nackten Knie. Ich würde lauter blaue Flecken haben, wenn ich nach Hause kam, und bestimmt würde meine Mutter genervt anmerken, dass ich mich absichtlich so ungeschickt anstellte. Sie hielt es einfach nicht für möglich, dass ein Mädchen so unweiblich sein konnte, und in dieser Hinsicht – wie auch in vielen anderen – war ich eine Enttäuschung für sie. Ich wusste, dass sie lieber eine Tochter wie meine Freundin Cath gehabt hätte, die zwar ihre Haare nicht selbst flechten konnte, aber die Art von Kleidern liebte, in denen ich mich eingeengt fühlte und die lauter überflüssige Rüschen und Spitzen hatten.

Wir wohnten ganz oben auf dem Hügel. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte, konnte ich vom Küchenfenster aus die Fähren sehen, die jetzt, wo der Krieg vorbei war, wieder fuhren. Von meinem Zimmer aus waren da, wo keine zwischen den Eichen und Platanen standen, Teile der gewundenen Straße zu sehen, die zum Meer hinunterführte. Sie sah aus wie eine Schlange und machte jeden Weg länger. Aber ihre vielen Kurven gaben der langweiligen Straße, die nichts weiter zu bieten hatte als lauter fast gleich aussehende Häuser, etwas Fröhliches.

Der Hafen am Fuß des Hügels war kaum zu sehen, sodass mein Vater und seine Anglerfreunde versteckt waren, falls meine Mutter auf die Idee kommen sollte, ihm nachzuschnüffeln. Aber ich wusste, dass sich auf der anderen Seite des Hafens, näher bei den Docks, ein leicht gebogener Wellenbrecher befand, der wie ein Finger auf den Pier zeigte. Dort standen auch manchmal Männer und angelten, aber nie die Freunde meines Vaters.

»Es wird nicht geredet«, sagte mein Vater, als ich ihn eingeholt hatte.

Ich nickte. Jetzt wurde es ernst.

»Du spießt jeweils einen Wurm an jeden Haken. Nicht mehr und nicht weniger.«

Wieder nickte ich.

»Pass auf, dass dir der Wurm nicht runterfällt. Ich will nicht den Rest des Tages von toten Würmern umgeben sein.«

Ich nickte erneut.

»Und du hüpfst und tanzt nicht herum. Nicht wie beim letzten Mal.«

Beim letzten Mal hatte ich mich daneben benommen. Ich hatte in der Woche davor ziemlich viel Radio gehört und mir einen komplizierten Tanz ausgedacht, den ich meinem Vater und seinen Freunden unbedingt zeigen wollte. Mein Vater war nicht beeindruckt gewesen, aber das hatte mir nichts ausgemacht. Ich war so fasziniert vom Geräusch meiner Schritte auf dem Pier gewesen, das sich mit dem der Wellen vermischte, die dagegenschlugen, dass ich vor Aufregung fast geplatzt wäre und überhaupt nicht mehr an seine Ermahnungen gedacht hatte.

»Bleib mir aus den Füßen«, sagte mein Vater. »Und sei still.«

Diese letzte Anweisung war die wichtigste. Zum Pier zu gehen war eine der wenigen Gelegenheiten für meinen Vater, seine Freunde zu sehen – vor allem die, die meine Mutter nicht mochte – und über Dinge zu sprechen, von denen ein junges Mädchen nichts wissen sollte. Seine Anweisung, still zu sein, galt nicht nur für den Tag, der vor uns lag, sondern auch für den Abend, wenn wir nach Hause kamen. Soweit es meine Mutter anging, waren wir angeln gewesen und sonst nichts. Es wurde nicht darüber geredet, welche von seinen Freunden wir getroffen hatten, und erst recht nicht darüber, dass wir nachmittags einen Abstecher zum Bowls Club gemacht hatten, wo mein Vater und seine Kumpel heimlich einen Flachmann hatten herumgehen lassen. Dieser Teil des Nachmittags war so heikel, dass wir nicht einmal unter uns darüber sprachen.

Mein Vater, so nahm ich an, hatte viele Geheimnisse, und dass er mich für zuverlässig genug hielt, Dinge für mich zu behalten, selbst wenn es nur um einen heimlichen Schluck Alkohol ging, bedeutete mir sehr viel. Als er mir das Zeichen gab, dass wir zum Bowls Club gehen würden, sah er mir einen Moment länger in die Augen, und ich hatte das Gefühl, dass er etwas in mir erkannt hatte, das meine Mutter niemals sehen würde.

Als wir um die letzte Kurve gingen, streckte mein Vater den Arm aus, damit ich nicht einfach über die Straße lief. An der Kreuzung kamen die frisch aus Frankreich angekommenen Autofahrer regelmäßig durcheinander, weil sie den Linksverkehr nicht gewohnt waren, und mein Vater war lieber zu vorsichtig als zu wenig. Er schaute einmal und noch einmal, und als er sicher war, dass niemand kam, überquerten wir die Straße und gingen hinter dem Seaview Hotel mit seinen cremeweißen Mauern und den schmiedeeisernen Balkonen entlang, das exotische Orte erahnen ließ, an denen ich nie gewesen war.

Als wir am Ufer angekommen waren, sah ich zur Linken die Promenade, die sich bis zu den Docks mit ihren Kränen und Schiffen erstreckte. An unserem Ende war alles in einem kleinen Maßstab gehalten, und je weiter man zu den Docks ging, desto größer wurde alles, bis man sich neben den Fähren und Dampfern vorkam wie ein Zwerg. Doch der Teil interessierte mich nicht, und ich stand auf der Seite meines Vaters, der nur selten in diese Richtung blickte. Dort gab es immer noch ausgebombte Gebäude, Schutt und Staub und überall Löcher. Dorthin gingen wir nie....

Erscheint lt. Verlag 26.4.2019
Übersetzer Claudia Feldmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Aufbruch • Beziehungen • Dover • Ehe • Emanzipation • Familie • Familienbande • Familiengeschichte • Frau • Frauengeschichte • Frauenroman • Freiheit • Generationen • Generationenroman • Geschenk Frauen • Geschenk Freundin • Geschenk Mama • Geschenk Mutter • Lebensgeschichte • Liebe • Meer • mutige Frauen • Muttersein • Resilienz • Roman 50er Jahre • Roman 60er Jahre • Romane für Frauen • Roman Literatur • Schwimmen • Selbstbestimmung • Selbstfindung • Sinnsuche • Träume verwirklichen • Veränderung • Wasser • Willenskraft • Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
ISBN-10 3-426-45499-8 / 3426454998
ISBN-13 978-3-426-45499-2 / 9783426454992
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