Mildred Pierce -  James M. Cain

Mildred Pierce (eBook)

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2019 | 1. Auflage
416 Seiten
Arche Literatur Verlag AG
978-3-03790-106-9 (ISBN)
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Die Geschichte einer Frau, die ihren Weg macht - gegen alle Widerstände und die bittersten Intrigen der Menschen, die sie am meisten liebt. Kalifornien, während der großen Depression. Mildred Pierce, Hausfrau und Mutter, hat alles verloren; ihr Vermögen, weil ihr Mann Bert im Immobiliengeschäft gescheitert ist, und dann auch noch Bert selbst, der eine jüngere Geliebte hat. Mildred bleibt mit ihren Töchtern, der zarten Ray und der älteren Veda, einem selbstherrlichen, kaltherzigen Mädchen zurück. Mit unerschöpflicher Zähigkeit und außerordentlicher Willensstärke baut sie nach und nach ein Restaurant-Imperium auf. Als ihr Hang zu Männern ohne Rückgrat und ihre fast toxische Liebe zu ihrer niederträchtigen Tochter Veda sie zu ruinieren drohen, setzt Mildred alles auf eine Karte.

JAMES M. CAIN wurde 1892 in Annapolis, Maryland, geboren und gelangte mit seinen beiden berühmtesten Romanen, ?Mildred Pierce? und ?Wenn der Postmann zweimal klingelt? zu Weltruhm. Zuvor schrieb er für große Zeitungen, war Leitartikler für New York World und Professor für Journalistik, bis er von dem Kritiker und Sprachforscher H. J. Mencken zu literarischer Arbeit angeregt wurde. Autoren wie Thomas Mann, Albert Camus und Tom Wolfe zählen zu seinen Verehrern. Cain starb im Jahr 1977.

JAMES M. CAIN wurde 1892 in Annapolis, Maryland, geboren und gelangte mit seinen beiden berühmtesten Romanen, ›Mildred Pierce‹ und ›Wenn der Postmann zweimal klingelt‹ zu Weltruhm. Zuvor schrieb er für große Zeitungen, war Leitartikler für New York World und Professor für Journalistik, bis er von dem Kritiker und Sprachforscher H. J. Mencken zu literarischer Arbeit angeregt wurde. Autoren wie Thomas Mann, Albert Camus und Tom Wolfe zählen zu seinen Verehrern. Cain starb im Jahr 1977.

Kapitel 1


Im Frühjahr 1931 stand ein Mann auf einem Rasen in Glendale, Kalifornien, und stutzte Bäume. Das war eine mühsame Arbeit, denn zuerst musste er die abgestorbenen Zweige ausschneiden, dann Leinenstreifen um die schwachen Äste wickeln, Schnurschlingen über das Leinen ziehen und die Äste an den Baumstämmen festzurren, damit sie das Gewicht der Avocados tragen konnten, die im Herbst heranreifen würden. Doch obwohl es ein heißer Nachmittag war, ließ er sich Zeit dabei, war äußerst gewissenhaft und pfiff vor sich hin. Er war von schmaler Statur, Mitte dreißig, und trotz der Flecken auf seiner Hose trug er sie mit Stolz. Sein Name war Herbert Pierce. Als er mit den Bäumen fertig war, harkte er die Zweige und abgestorbenen Äste zu einem Haufen zusammen, trug sie in die Garage und warf sie in eine Kiste mit Feuerholz. Dann holte er einen Rasenmäher und stutzte den Rasen. Es war ein Rasen wie tausend andere im südlichen Kalifornien: eine kleine Grasfläche mit Avocado-, Zitronen- und Mimosenbäumen, jeder einzelne umgeben von einem kreisrunden Stückchen umgegrabener Erde. Auch das Haus war wie alle anderen dieser Art: ein Bungalow im spanischen Stil mit weißen Wänden und rotem Ziegeldach. Heutzutage sind Häuser im spanischen Stil ein wenig aus der Mode gekommen, doch in jenen Tagen waren sie der letzte Schrei, und dieses hier war so gut wie jedes andere, vielleicht ein bisschen besser.

Als er mit dem Mähen fertig war, holte er einen Gartenschlauch, schraubte ihn an einen Wasserhahn und machte sich ans Wässern. Auch dabei ging er sehr penibel vor, besprühte die Bäume von oben bis unten, die umgegrabene Erde darunter, den gepflasterten Weg und schließlich den Rasen. Als alles feucht war und nach Regen roch, drehte er das Wasser ab, zog den Schlauch durch eine Hand, um das Wasser abzustreifen, rollte ihn auf und brachte ihn in die Garage. Dann ging er zur Vorderseite des Hauses und prüfte seine Bäume, um sich zu vergewissern, dass die Schlingen sich durch das Wasser nicht zu fest zusammengezogen hatten. Dann ging er hinein.

Das Wohnzimmer, in das er trat, passte zu dem Rasen, den er gerade hinter sich gelassen hatte. Es war exakt das Standardwohnzimmer, das die Warenhäuser für einen Bungalow im spanischen Stil anpriesen, und bestand aus einem Wappenschild auf rotem Samt an der Wand, roten Samtvorhängen, die an Eisenspießen hingen, einem roten Teppich mit gemusterter Umrandung, einem Sofa vor dem Kamin, flankiert von zwei Sesseln, alle drei mit geraden Rückenlehnen und perlenbestickten Sitzen, einem langen Eichentisch, auf dem eine Lampe mit einem Buntglasschirm stand, zwei Stehlampen aus Eisen, die zu den Spießen an der Wand passten, mit Lampenschirmen aus roter Seide, einem Tisch im Grand-Rapids-Stil in der Ecke und auf diesem Tisch ein Radio mit Bakelitgehäuse. An den getönten Wänden hingen neben dem Wappenschild drei Zeichnungen: eine von einem Tafelberg bei Sonnenuntergang, mit Rinderskeletten im Vordergrund, eine von einem Cowboy, der eine Viehherde durch den Schnee trieb, und eine von einem Wagentreck, der sich mühsam über eine Salzebene schleppte. Auf dem langen Tisch lag ein Buch mit goldgeprägtem Einband – mit dem Titel Enzyklopädie des Wissenswerten –, demonstrativ diagonal platziert. Man könnte einwenden, dass dieses Wohnzimmer die bemerkenswerte Eigenschaft besaß, kühl und überladen zugleich zu wirken, und dass es recht bedrückend sein müsse, darin zu wohnen. Doch der Mann war ziemlich stolz darauf, besonders auf die Bilder, die, wie er sich eingeredet hatte, »wirklich gut« waren. Und in dem Zimmer zu wohnen wäre ihm nicht einmal im Traum eingefallen.

Heute würdigte er das Zimmer keines Blicks und verschwendete keinen Gedanken daran. Er eilte pfeifend hindurch und trat in ein Schlafzimmer, das mit einer siebenteiligen Möbelgarnitur eingerichtet war und hier und da eine weibliche Hand verriet. Er zog seine Arbeitskleidung aus, hängte sie in die Kleiderkammer, trat nackt ins Badezimmer und ließ das Wasser für ein Bad ein. Auch hier war alles geprägt von der Kultur, der der Mann entstammte, allerdings mit einem Unterschied. Diese Kultur war und ist vielleicht etwas unbedarft, wenn es um Rasenflächen, Wohnzimmer, Bilder und andere Dinge von ästhetischer Art geht, doch auf praktischem Gebiet ist sie von unbestreitbarer Genialität. Sie hat bereits mehr vergessen, als andere Kulturen je gewusst haben. Das Badezimmer, in dem er nun stand und vor sich hin pfiff, war ein Juwel des Praktischen. Alles war an seinem Platz, und alles funktionierte. Zwanzig Sekunden nachdem der Mann an den Wasserhähnen gedreht hatte, stieg er in ein Bad von exakt der gewünschten Temperatur, wusch sich, zog den Stöpsel heraus, stieg aus der Badewanne, trocknete sich mit einem sauberen Handtuch ab und betrat erneut das Schlafzimmer, ohne auch nur einen Takt lang mit der Melodie auszusetzen, die er pfiff, oder daran zu denken, dass irgendetwas Bemerkenswertes daran sei.

Nachdem er sich das Haar gekämmt hatte, zog er sich an. Weite Hosen waren noch nicht in Mode damals, aber grauer Flanell. Er zog ein sauberes Paar an, dazu ein Polohemd und ein blaues Sakko. Dann ging er in die Küche, das Pendant zum Badezimmer, in der seine Frau gerade eine Torte glasierte. Seine Frau war klein und entschieden jünger als er, doch da sie einen Schokoladenfleck im Gesicht hatte und eine weite grüne Kittelschürze trug, war nur schwer zu erkennen, wie sie aussah, abgesehen von den aufreizenden Beinen, die zwischen Schürze und Schuhen hervorlugten. Sie betrachtete die Zeichnung eines Vogels, der eine Schriftrolle im Schnabel hielt, in einem Buch voll solcher Zeichnungen und versuchte, ihn zu kopieren, mit Bleistift auf einem Blatt Notizpapier. Er schaute einen Moment zu, warf einen Blick auf die Torte und sagte, sie sähe prima aus. Das war wohl eher eine Untertreibung, denn es handelte sich um ein riesiges Exemplar, mit einem Durchmesser von fünfundvierzig Zentimetern, mit vier Schichten und einem Überzug schimmernd wie Satin. Doch nach dieser Bemerkung gähnte er und sagte: »Nun, sieht nicht so aus, als gäb’s hier noch viel für mich zu tun. Ich denke, ich geh ein bisschen spazieren.«

»Bist du zum Essen zurück?«

»Ich versuch’s, aber wenn ich um sechs nicht zu Hause bin, warte nicht auf mich. Vielleicht bleibe ich irgendwo hängen.«

»Ich möchte es nur wissen.«

»Deswegen sag ich ja, wenn ich um sechs nicht zu Hause bin …«

»Das hilft mir nicht weiter. Ich mache diese Torte für Mrs. Whitley, sie gibt mir drei Dollar dafür. Also, wenn du nach Hause kommst, kaufe ich dir davon Lammkoteletts zum Abendessen. Wenn nicht, dann kaufe ich etwas, was die Kinder lieber mögen.«

»Dann rechne nicht mit mir.«

»Mehr will ich nicht wissen.«

Ein gereizter Unterton schwang in dieser Unterhaltung mit, der offensichtlich nicht zu seiner guten Laune passte. Er stand verunsichert da, unternahm dann einen Versöhnungsversuch. »Ich hab mich um die Bäume gekümmert. Hab sie hochgebunden, damit die Äste sich nicht biegen, wenn die Avocados so groß werden wie letztes Jahr. Hab den Rasen gemäht. Sieht ziemlich gut aus draußen.«

»Sprengst du noch den Rasen?«

»Hab ich schon.«

Er sagte dies mit leiser Selbstgefälligkeit, denn er hatte ihr eine kleine Falle gestellt, und sie war hineingetappt. Doch die Stille, die darauf folgte, klang verhängnisvoll, so als sei er selbst in eine Falle getappt, die er nicht bemerkt hatte. »Hab ihn ausgiebig gewässert«, fügte er unsicher hinzu.

»Ziemlich früh, um den Rasen zu sprengen, findest du nicht?«

»Eine Uhrzeit ist wie die andere.«

»Die meisten Leute warten bis zum späten Nachmittag, bevor sie den Rasen sprengen, wenn die Sonne nicht mehr so heiß ist, wenn es auch was bringt und nicht nur Wasser verschwendet, das andere bezahlen müssen.«

»Wer zum Beispiel?«

»Außer mir seh ich hier niemanden arbeiten.«

»Siehst du hier irgendeine Arbeit, die ich tun könnte und nicht tue?«

»Nur damit du früher fertig wirst.«

»Hör schon auf, Mildred, worauf willst du hinaus?«

»Sie wartet auf dich, also geh schon.«

»Wer wartet auf mich?«

»Du weißt sehr gut, wen ich meine.«

»Wenn du Maggie Biederhof meinst, ich hab sie schon seit einer Woche nicht mehr gesehen, und sie hat mir nie was bedeutet, außer, dass ich jemanden zum Romméspielen habe, wenn es sonst nichts zu tun gibt.«

»Und das ist praktisch immer, wenn du mich fragst.«

»Ich hab dich aber nicht gefragt.«

»Was machst du mit ihr? Spielst du ein bisschen Rommé mit ihr und knöpfst ihr dann das rote Kleid auf, das sie immer trägt, ohne Büstenhalter drunter, und wirfst sie dann aufs Bett? Und dann ein kleines Nickerchen, und dann aufstehen und nachschauen, ob noch etwas kaltes Hähnchen in ihrem Kühlschrank ist, und dann wieder Rommé spielen und sie wieder aufs Bett werfen? He, muss toll sein. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen.«

Seine angespannte Miene verriet seine zunehmende Wut, und er öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Dann überlegte er es sich anders. Schließlich sagte er: »Also schön«, auf eine Art, die hochmütig und leidgeprüft klingen sollte, und wollte die Küche verlassen.

»Möchtest du ihr nicht etwas mitbringen?«

»Mitbringen? Was meinst du?«

»Ich hab noch etwas Teig übrig gehabt und ein paar Küchlein gebacken, eigentlich für die Kinder. Aber fett, wie sie ist, mag sie doch bestimmt Süßes … hier, ich pack sie dir ein.«

»Warum fährst du nicht einfach zur Hölle.«

Sie legte die Vogelzeichnung beiseite und stellte sich direkt vor ihn. Dann legte sie los. Sie hatte wenig zu sagen über Liebe, Treue oder Moral. Dafür sprach...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2019
Übersetzer Peter Torberg
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Drama • Ehe • Kate Winslet • Klassiker • Tochter • Weltliteratur
ISBN-10 3-03790-106-3 / 3037901063
ISBN-13 978-3-03790-106-9 / 9783037901069
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