Tausche Mann gegen Frau (eBook)
212 Seiten
Goldfeder Verlag
978-3-905882-22-3 (ISBN)
Nadja Reutemann, geboren 1974 Ein ganz normales Leben, oder doch nicht? Was ist bloss los? Mein Leben ist toll. Ich möchte es mit niemandem auf der Welt tauschen. (Ööhhm, da wäre doch noch diese Frau, die ...) Ich habe eine tolle Familie, und vor allem bin ich in der glücklichen Situation, einen Mann und zwei tolle Kinder zu haben. Grund zum Jammern hätte ich, wenn ich zwei Männer und ein Kind hätte! Aber dem ist ja nicht so, also! Warum kann ich trotzdem nicht mehr zufrieden und glücklich sein? Fehlt mir was, bin ich krank? Bin ich in einer Lebenskrise mit Mitte dreissig? Das liegt dann wohl also tatsächlich an den Genen. Meine Tochter «Extrem-früh-Pubertät» und ich nun «Extrem-früh-Lebenskrise»! Verloren? Hat mir mein verlorengegangenes Ich denn dermassen zugesetzt, dass ich mich nun so elend und alleine fühle, sag mal? Scheiss-Karma! Dann gibt es wohl nur eine Lösung, ich muss mein Ich wiederfinden, unbedingt! Das ist etwas, das sicher ist! Habe ich es gefunden? In den letzten acht verrückten, langen Jahren? Und ich liebe ... www.ballastlos.ch
Nadja Reutemann, geboren 1974 Ein ganz normales Leben, oder doch nicht? Was ist bloss los? Mein Leben ist toll. Ich möchte es mit niemandem auf der Welt tauschen. (Ööhhm, da wäre doch noch diese Frau, die …) Ich habe eine tolle Familie, und vor allem bin ich in der glücklichen Situation, einen Mann und zwei tolle Kinder zu haben. Grund zum Jammern hätte ich, wenn ich zwei Männer und ein Kind hätte! Aber dem ist ja nicht so, also! Warum kann ich trotzdem nicht mehr zufrieden und glücklich sein? Fehlt mir was, bin ich krank? Bin ich in einer Lebenskrise mit Mitte dreissig? Das liegt dann wohl also tatsächlich an den Genen. Meine Tochter «Extrem-früh-Pubertät» und ich nun «Extrem-früh-Lebenskrise»! Verloren? Hat mir mein verlorengegangenes Ich denn dermassen zugesetzt, dass ich mich nun so elend und alleine fühle, sag mal? Scheiss-Karma! Dann gibt es wohl nur eine Lösung, ich muss mein Ich wiederfinden, unbedingt! Das ist etwas, das sicher ist! Habe ich es gefunden? In den letzten acht verrückten, langen Jahren? Und ich liebe … www.ballastlos.ch
Las Vegas und DER grosse Tag sind nicht mehr weit
Da in meinen Adern, im Gegensatz zu jenen meines Freundes, doch ein klein wenig romantisches Blut fliesst, möchte ich mir ein «Hochzeitskleid» organisieren. «Hochzeitskleid», wohlverstanden, in Gänsefüsschen geschrieben! Es ist eine ganz schöne Herausforderung, mit einem Bauchumfang von gut einem Meter einen einigermassen schönen Fummel zu finden. Notgedrungen muss ich einen Umstandsmodekatalog durchstöbern. Du kannst dir vorstellen, wie viele wunderschöne, figurbetonte Hochzeitskleider man darin findet. 1 A, sage ich da nur. AAA, triple A, würde da der Ami sagen …
Ich entscheide mich für ein blau-weiss gestreiftes Trägerkleid, das schönste von all den hässlichen Teilen, mit dem Risiko, darin auszusehen wie ein kleiner, fetter, inhaftierter Pottwal. Schon beim Wort Trägerkleid müssten eigentlich sämtliche Alarmglocken losgehen! Hast du schon einmal die Oberarme einer mit Wasser gefüllten, dicken, schwangeren Frau gesehen? Bei solch einem Anblick wird einem schlecht! Man könnte annehmen, das Kind mache sich breit bis in die Oberarme der Mutter! So dick sind die! In jedem Oberarm ein Beinchen des Babys. Einfach nicht schön! Was soll’s, das Pottwal-Kleid ist bestellt und wird auch angezogen – basta!
Unsere Familien, Freunde und Bekannten haben wir zu informieren «vergessen», dass wir dann mal schnell heiraten gehen. Alle gehen wohl davon aus, dass wir, bevor das Kind da ist, noch einmal Ferien in trauter Zweisamkeit geniessen wollen. Eigentlich hätte jeder Blinde gleich merken respektive sehen müssen,
dass das nur ein Fake sein kann, traute Zweisamkeit bei meinem doch sooo romantischen Freund … Lachkrampf lass nach … Wir ziehen, fliegen dann also mit meinem wunderschönen trägerlosen Hochzeitsfummel im Gepäck los nach Amerika, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten …
Im Hotel angekommen, wollen wir uns gleich mal schlau machen, wie das denn so geht, wenn man hier heiraten möchte, und vor allem möchten wir uns auch informieren, wo man überhaupt heiraten kann. Die nette Dame am Empfang erklärt uns, dass wir gar nicht gross zu suchen brauchen, da sie im Hotel selber auch Trauungen vollziehen. Das klingt ja mal interessant. Irgendwie fast so romantisch wie der nie da gewesene Heiratsantrag …
Also nichts wie los in die «Trauungsetage», wir wollen uns ein Bild davon machen.
Eine schnuckelige, typisch amerikanische, fette (vielleicht auch schwangere) Dame begrüsst uns ziemlich unmotiviert und fragt: «Wollt ihr heiraten?»
Auf unsere Antwort «Wir möchten uns gerne mal informieren …» meint die schnukelige Dame: «Ihr könnt gleich hierbleiben, wir haben Zeit, ihr könnt gleich heiraten.» Ach, gäbe es den Romantik-Oscar, die Dame würde ihn – wie auch mein baldiger Mann – bestimmt bekommen.
Etwas perplex und übermüdet vom Flug stehe ich in meinen kurzen Latzhosen und den abgelatschten Turnschuhen da …
Ich fühle mich irgendwie ein wenig überfordert …
Mein Freund, nicht viel schöner als ich, mit seinen weissen, behaarten Beinen und den verwaschenen, hässlichen kurzen Hosen, scheint auch etwas überrumpelt zu sein. Ja, als Antiromantiker jetzt gleich soo viel Romantik auf einem Haufen …
«Moment … ich hole den Geistlichen», sagt sie mit ihrer klangvollen, absolut motivierten (romantischen) Stimme, hebt mühsam ihren Allerwertesten und geht zur Tür hinaus.
Wie zwei Vollpfosten starren wir uns mit grossen Augen an, sind wir im falschen Film?!
Plötzlich meint mein Freund: «Warum eigentlich nicht, lass uns doch gleich heiraten …»
Klingt so nach … Ach ja, klar doch, passt, dann haben wir es hinter uns … Soo viel Romantik auf einmal, ich glaube, ich muss mich übergeben!
Aber … «Was ist mit meinem Hochzeitskleid …?», schreit es antwortsuchend in meinem ausgekotzen Inneren!
«Jetzt … jetzt habe ich doch extra so einen Fummel bestellt (der noch nicht mal sehr billig war), um nun doch ohne ihn zu heiraten? Das geht doch nicht! Wann soll ich denn um Gottes willen bitte sonst mal dieses tolle Kleid tragen?
Ich habe nicht vor, so fett zu bleiben, nur damit ich noch x-mal die Möglichkeit hätte, mich damit so festlich zu präsentieren.» Das süsse amerikanische, nonstop plaudernde Trampelchen kehrt zurück und holt mich gleich schlagartig aus meinem Gedankenwirrwarr. Mein Freund muss mir übersetzen, was sie alles von sich gibt, ich verstehe nichts, aber auch rein gar nichts, was die da, auf mich zukommend, plaudert. Es kommt mir vor, als würde ein ganzer Schokolade-Kuchen, in Form von einzelnen Krümeln auf mich zuschiessten … mit dem Donnergetöse eines landenden Jumbo-Jets …
«Am Kiosk hier kannst du dir noch einen Hochzeitsstrauss kaufen, wenn du willst …» … übersetzt mir mein Freund, so trocken wie der Schokolade-Kuchen …
Mir ist, als ob mich die Romantik verfolgen würde! Ja, es fühlt sich nach einem Schwangerschaftssymptom-Minenfeld an, das fast in die Luft geht und hunderttausend weisse, schneeweisse Rosen … oder doch Nelken vom Himmel schneien lässt … Einen künstlichen, verstaubten Hochzeitsstrauss zu kaufen, in Latzhosen, mit dickem Bauch und alten, aber bequemen Turnschuhen, scheint mir seltsamerweise nicht unbedingt nötig. Das kleine, Symptome verursachende Geschöpf in meinem Bauch denkt jetzt sicher, dass wir uns in einem süssen Romantikhotel befinden …
Weiter übersetzt mir mein Freund, dass wir erst noch üben müssen. Üben???
Ich bin doch schon schwanger … wir haben gar noch nicht geübt … das müssen wir jetzt?
Der Mann in der Rolle des Geistlichen – keine Ahnung, wer das ist, wahrscheinlich einer der Zimmerjünglinge – zückt eine Kassette hervor, steckt sie in einen alten Recorder und drückt auf Play. Es ertönt, etwas scherbelnd, der typisch amerikanische «Hochzeits-Song», ja genau, jener, zu dem in den Hollywoodfilmen jeweils der Vater die Braut zum Altar führt … Vielleicht war es «Endless Love» mit Diana Ross & Lionel Richie, für den Film «Endlose Liebe» … oder das Lied aus «Die Braut, die sich nicht traut» … egal … es scherbelt vor uns hin …
Wir sehen uns bloss an und müssen laut lachen … Ich suche nach der versteckten Kamera, kann aber keine finden, die ist zu gut versteckt.
Wir müssen dann also nach vorne treten. Der Geistliche spricht einige Sätze, keine Ahnung, ob das die Hotel-Hausordnung ist oder doch eher die Spielregeln des Casinos …
Dann wird es still … Er starrt mich an …
Ich fühle mich ertappt. Was habe ich jetzt bloss wieder angestellt? Was habe ich verpasst? Er schaut grimmig und irgendwie wartend in meine Augen und schweigt. Himmel, habe ich denn bereits gegen eine Hotelregel verstossen, oder was will der von mir?!
Die Totenstille ist schlimm, beinahe unerträglich! Noch nicht mal die Kioskfrau, die übrigens meine Trauzeugin ist hört man schmatzen … Ich muss etwas tun, blitzartig den Raum verlassen oder etwas sagen … aber was? Was sagen die im Film? Also ausser bei «Die Braut, die sich nicht traut» …
«Yes»,
sage ich einfach mal, yes ist immer gut, yes kann ich problemlos sagen, da ist nicht so ein unaussprechliches «th» drin …
Geknackt!
Das scheint das Codewort zu sein, denn sogleich redet der Geistliche weiter und erklärt uns auch noch den zweiten Teil der «Hausordnung», bis beim nächsten Schweigen auch mein Freund «Yes» sagt. «Genau das ist es, so machen wir es, und nun gleich noch mal von vorne», sagt der «Zimmerjunge» oder «Referent», wie die süsse Dame sagte, und schubst uns zum Eingang zurück.
Gleiches Spiel auf Anfang, diesmal zum Mitfilmen … ohne Film … Die Kassette ohne Panne zurückgespult, und los gehts … Also machen wir den Quatsch noch einmal …
Am Ende unserer beiden «Yes» schüttelt uns der Geistliche die Hände und gratuliert uns – ebenso die Kioskfrau, meine Trauzeugin.
Wir sind jetzt also verheiratet (ich noch immer in Latzhosen).
Das ganze Schauspiel hat etwa 6 Minuten und 25 Sekunden gedauert und war das Albernste, Kitschigste und Absurdeste, was ich je erlebt habe. Die Frau hat sich getraut …
Ich kann das Ganze nicht wirklich ernst nehmen, sind wir hier bei der Muppet Show oder was?!
So verlassen wir den Raum, sorry, die Kapelle also wieder … Draussen steht bereits ein weiteres Paar schön brav in der Warteschlange im «Kiosk-Vorraum». Die angehenden Eheleute gratulieren uns. Die Frau, eine richtige Braut in Weiss, kann ihre Tränen nicht zurückhalten. Keine Ahnung, warum sie weinen muss. Vielleicht wird sie gezwungen, dieses Affentheater mitzumachen. Vielleicht aber ist sie so traurig, weil mir niemand einen Kiosk-Hochzeitsstrauss gekauft hat … Vielleicht ist sie entsetzt, weil wir uns keine schöne Hochzeitskleidung leisten können … Was auch immer der Grund ist, diese arme Frau, die sich traut, tut mir irgendwie leid …
Für uns beide, meinen frisch angetrauten Ehemann und mich, ist es ein Witz, ein einziger grosser Witz.
Das Einzige, was uns in diesem Moment nun wichtig ist, ist ein Drink. Ein Bier oder noch besser ein hochprozentiger Schnaps, um diesen Witz hinunterzuspülen. Okay, okay, für mich gibt es ein Wasser – ein stilles, versteht sich, das muss jetzt sein! Frisch vermählt und immer noch im falschen Film ziehen wir los, um eine Bar zu suchen …
Wenn es in diesem Hotel schon eine...
Erscheint lt. Verlag | 17.12.2018 |
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Verlagsort | Schweiz |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Familie / Erziehung |
Schlagworte | Coming-out • Lesbisch • Outing |
ISBN-10 | 3-905882-22-1 / 3905882221 |
ISBN-13 | 978-3-905882-22-3 / 9783905882223 |
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