Eine irische Familiengeschichte (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
352 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-30049-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eine irische Familiengeschichte -  Graham Norton
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein sehr irischer Familienroman voller Sehnsucht und voller Geheimnisse, ein Buch voller Dunkelheit und Licht. Elizabeth Keane kehrt zum ersten Mal seit Jahren in die irische Heimat zurück. Ihre Mutter ist gestorben, Elizabeth muss den Haushalt auflösen. Auch ihre Mutter Patricia hatte als junge Frau den Ausbruch gesucht, mit einem Verlobten, den keiner je zu Gesicht bekam. Monate später war sie zurückgekehrt. Ohne Mann, und mit einem Säugling im Arm. Wer ihr Vater war, hat Elizabeth nie erfahren. Doch dann findet sie unter den Hinterlassenschaften ihrer Mutter ein Bündel Liebesbriefe ... Elizabeth macht sich auf die Suche. Ihr Weg führt zu einer windumtosten Farm am Fuße einer Burgruine über der rauen Keltischen See....

Graham Norton, Schauspieler, Comedian und Talkmaster, ist eine der bekanntesten Fernsehpersönlichkeiten der englischsprachigen Welt. Geboren wurde er in Clondalkin, einem Vorort von Dublin, aufgewachsen ist der Sohn einer protestantischen Familie aber im County Cork im Süden Irlands. Sein erster Roman «Ein irischer Dorfpolizist» überraschte viele durch seine Wärme und erzählerische Qualität, er avancierte in Irland und Großbritannien zum Bestseller, wurde mit dem Irish Book Award 2016 ausgezeichnet und wird nun auch zu einer Fernsehserie. «Möglicherweise war es Verschwendung, dass der Mann die ganzen Jahre im Fernsehen war», schrieb Bestsellerautor John Boyne in der «Irish Times».

Graham Norton, Schauspieler, Comedian und Talkmaster, ist eine der bekanntesten Fernsehpersönlichkeiten der englischsprachigen Welt. Geboren wurde er in Clondalkin, einem Vorort von Dublin, aufgewachsen ist der Sohn einer protestantischen Familie aber im County Cork im Süden Irlands. Sein erster Roman «Ein irischer Dorfpolizist» überraschte viele durch seine Wärme und erzählerische Qualität, er avancierte in Irland und Großbritannien zum Bestseller, wurde mit dem Irish Book Award 2016 ausgezeichnet und wird nun auch zu einer Fernsehserie. «Möglicherweise war es Verschwendung, dass der Mann die ganzen Jahre im Fernsehen war», schrieb Bestsellerautor John Boyne in der «Irish Times». Silke Jellinghaus, geboren 1975, ist Übersetzerin, Autorin und Lektorin und lebt in Hamburg. Unter anderem hat sie Jojo Moyes und Olivia Manning übersetzt.

Jetzt


1


Zwei Weihnachtslichterketten hingen schlaff über der Hauptstraße. Sie schwangen verloren im strömenden Regen, manche Lichter rot, andere grün, die meisten schon kaputt.

Elizabeth Keane seufzte, als sie mit ihrem kleinen Mietwagen über die Brücke in die Stadt fuhr. Teilweise deshalb, weil der Nachtflug von New York nach Dublin sie erschöpft hatte, hauptsächlich aber wegen der Erinnerungen, die beim Anblick von Buncarragh an einem nassen Nachmittag in der ersten Januarwoche in ihr aufstiegen. Die schon vergessenen Geschenke, die letzten Quality-Street-Bonbons von der Sorte, die man nicht mochte und lustlos auf dem Boden der Dose herumschob, der längst verpuffte Neuigkeitswert der Fernsehfilme am Nachmittag. Jedes Haus war nur noch ein Wartezimmer für die bald wieder beginnende Schule. Sie fragte sich, ob sich in den zwanzig Jahren etwas verändert hatte, seit sie hier weggezogen war. Vermutlich nicht. Bestimmt tippten die Kinder alle auf ihren Telefonen herum, und obwohl es inzwischen Hunderte von Fernsehprogrammen gab, konnte sie die überhitzte Langeweile beinahe spüren, die aus den Reihenhäusern in den Nebenstraßen der Bridge Street strömte.

Sie war überrascht, wie kurz die Fahrt gedauert hatte. Als sie hier aufwuchs, war Dublin für sie eine weit entfernte Metropole gewesen. Doch jetzt, mit der funkelnagelneuen Schnellstraße, lag Buncarragh nur ein paar Ausfahrten nördlich von Kilkenny. War das Land geschrumpft, oder hatte Amerika ihre Wahrnehmung von Entfernungen verändert? Die frischen blauen Verkehrsschilder mit ihrer hellen reflektierenden Schrift und den Kilometerangaben schienen irgendwie nicht zu den Orten zu passen, auf die sie verwiesen. Verschlafene graue Marktflecken, die in der Vergangenheit verwurzelt blieben.

Würde dies das letzte Mal sein, dass sie diese Reise unternahm? Jetzt, wo es ihre Mutter nicht mehr gab, hatte sie keine echten Bindungen mehr an diesen Ort. Natürlich gab es ein paar Cousins und Cousinen und ihren Onkel und ihre Tante, aber sie hatten einander nie nahegestanden. Wenn das Haus erst verkauft war, welchen Grund hätte sie dann, wieder herzukommen? Vor sich auf der linken Seite, hinter dem Geländer der kleinen methodistischen Kirche, sah sie das Familiengeschäft: «Keane and Sons». Der Name hob sich in verschnörkeltem Stuck von der Fassade ab, die, solange sie denken konnte, in einer blassen Farbe gestrichen gewesen war, die an rohes Hähnchenfleisch erinnerte. Sie wurde langsamer, um in die Schaufenster zu spähen. Links der Tür stand ein Wäldchen aus künstlichen Weihnachtsbäumen, die Auslage rechts bestand aus ein paar Flachbildfernsehern und drei neuen schwarzen und chromglänzenden Buggys.

Sie fuhr mit dem Wagen gerade an der Tür vorbei, als diese sich öffnete und eine glamouröse Frau heraustrat, deren Aufzug gar nicht in die Umgebung passte. Scheiße. Es war Noelle, die Frau ihres Cousins Paul. Die beiden führten nun das Geschäft. Hatte sie sie gesehen? Elizabeth blickte in den Rückspiegel und sah einen langen, dünnen, winkenden Arm. Herr im Himmel, die musste ja die Augen eines Habichts haben. Elizabeth stöhnte. Sie hatte gehofft, es unbeachtet bis Convent Hill zu schaffen, doch jetzt war klar, dass sie anhalten musste. Dieser gesamte Teil ihrer Familie hielt sie ohnehin schon für eine hochnäsige Kuh. Sie legte den Rückwärtsgang ein und fuhr vor Noelle an den Straßenrand, die sich eine Plastiktüte von Keane and Sons über den Kopf hielt, um den Regen von ihrem leuchtend blonden Haar abzuhalten. Noelles trug hautenge Jeans und eine kurze gefütterte Jacke, die es allen ermöglichte, ihre schlanke Figur zu bewundern. Wie konnte es sein, dass diese Frau drei Babys hervorgebracht hatte? Elizabeth dachte an ihr eigenes locker sitzendes Sweatshirt, das einiges verzieh, und ihr kurz geschnittenes, dunkles Haar mit den grauen Strähnen, über das ihr Sohn Zach vergnügt sagte, das sei keine Frisur, sondern bloß geschnittene Haare. Sie drückte sinnlos auf ein paar Knöpfen herum, bis das Beifahrerfenster herunterfuhr. Sie lehnte sich hinüber, verdrängte wacker den Gedanken daran, wie schlimm sie mit ihrem ungeschminkten, übernächtigten Gesicht wohl aussah, und rief:

«Hi, Noelle! Schlimmer Tag, was?»

«Und ob. Sehr wahr. Ich dachte doch, dass du das bist! Die Haare sind mir als Erstes aufgefallen.» Noelle stieß ein kleines Kreischen aus, um anzuzeigen, wie sehr sie ihr eigenes Wahrnehmungsvermögen begeisterte. «Das war bestimmt keine schöne Fahrt. Wir wussten gar nicht, dass du kommst.» In ihrer Stimme schwang ein leiser Vorwurf.

«Ich wusste es selber nicht», log Elizabeth. «Zach ist zu Freunden gefahren, da dachte ich, komme ich doch her und räume das Haus aus, bevor das Semester wieder anfängt.» Das war ebenfalls eine Lüge. Ihr Sohn war zu Besuch bei seinem Vater an der Westküste. Sie fragte sich, warum sie nicht einfach die Wahrheit gesagt hatte. Vermied sie damit ihre eigene Betretenheit oder die von Noelle?

«Du hättest uns Bescheid sagen sollen. Wir hätten die Heizung für dich angestellt. Aber du kommst zum Abendessen, oder?»

«Das ist sehr nett von dir, aber nein. Ich habe auf dem Weg aus Dublin raus ein bisschen was gegessen, und alles, was ich wirklich will, ist schlafen. Ich komme morgen vorbei. Du solltest reingehen, Noelle, du wirst pitschnass.»

«Na gut, wenn du meinst, aber falls du dort bist und deine Meinung änderst, komm einfach rüber. Wir essen immer noch Reste von Weihnachten! Wir haben deine Mutter dieses Jahr natürlich vermisst.» Noelle zog ihre knallroten Mundwinkel nach unten, um ein Bedauern zu signalisieren, wie man es einem Kleinkind zeigt, das sich das Knie gestoßen hat. «Willkommen zu Hause jedenfalls!»

Elizabeth zwang sich zu einem Lächeln und winkte. Selbstgerechte Schlampe. Kapierte Noelle nicht, dass sie Elizabeth unmöglich noch mehr Schuldgefühle einflößen konnte, als sie schon hatte? Das schreckliche Gezerre zwischen ihren Pflichten als einziges Kind einer sterbenden Frau und denen einer alleinerziehenden Mutter, die Tausende von Meilen entfernt lebte, war endlich vorüber. Sie musste zugeben, dass sie froh darüber war. Elizabeth legte den ersten Gang ein und fuhr weiter.

Die Straße verbreiterte sich zu etwas, das als The Green bezeichnet wurde, obwohl es sich lediglich um einen schmalen gepflasterten Streifen mitten in der Straße handelte, auf dem eine Parkbank und zwei Mülleimer standen. Kurz dahinter schaltete die einzige Ampel der Gemeinde auf Rot. Elizabeth starrte auf die nasse, leergefegte Straße hinaus, ihre Scheibenwischer schwangen ermattet hin und her, und eine eigenartige Wut blubberte in ihr hoch. Sie schlug mit der Hand heftig auf das Lenkrad. Sie war keine fünf Minuten in Buncarragh, und schon stürzten all die Gefühle wieder auf sie ein, vor denen sie davongelaufen war. Es war völlig egal, wie eifrig sie lernte und wen sie zu ihren Geburtstagspartys einlud, man würde ihr in dieser Stadt immer das Gefühl geben, minderwertig zu sein. Arme Liz Keane. Die ohne Daddy aufwuchs. Es war überraschend, wie oft in einer Klosterschule das Wort «Vater» gesagt wurde, und jedes Mal, wenn das geschah, hatte sie gespürt, dass alle sie ansahen.

Nun, da sie selbst eine alleinerziehende Mutter war – noch schlimmer, Zachs Vater weigerte sich, von der Bildfläche zu verschwinden –, begriff sie, wie stark ihre Mutter gewesen sein musste, um all die Seitenblicke zu ertragen, das Geläster, wenn sie in den Siebzigern ihren Kinderwagen die Straße entlangschob, die Gespräche, die abrupt aufhörten, wenn sie kam. Sie fragte sich manchmal, ob die Demütigung durch ihr eigenes Eheleben eine Art von Strafe dafür war, dass sie als Mädchen so hart über ihre Mutter geurteilt hatte. Oh, wie sie ihre Mutter dafür gehasst hatte, dass sie keinen Mann hatte! Was war das für eine Frau, die es nicht schaffte, sich einen Mann zu angeln? Sie beobachtete die Eltern ihrer Freundinnen. Diese Frauen waren nicht so hübsch wie ihre Mutter, sie hatten ungekämmte Haare und trugen manchmal nicht mal einen Hauch von Lippenstift, und trotzdem hatten sie alle jemanden aufgetrieben, der «Ja, ich will» gesagt hatte, jemanden, der ihre Töchter an der Hand hielt, wenn sie mit ihrer zahlreichen Brut aus der Messe kamen. Die Erinnerung daran, wie sie und ihre Mutter mit klackernden Schuhen den Gehweg entlanggegangen waren, während aus den Fenstern der vorbeifahrenden Autos heraus verschwitzte kleine Gesichter neugierig zu ihnen herüberschauten, verursachte ihr immer noch einen einsamen Schmerz. Dieses Gefühl, irgendwie nicht vollständig zu sein. Kein Daddy, keine Geschwister, kein richtiges Familiengefühl.

Weihnachten. Kein Wunder, dass Elizabeth es so hasste. Zu wissen, dass alle anderen von ausgelassenen Familien umgeben waren, die sich auf zusammengewürfelten Stühlen um einen Tisch zwängten, während ihre Mutter und sie in der Sonntagsstille auf ihren Tellern herumkratzten. Natürlich hatten ihre Tante und ihr Onkel Einladungen ausgesprochen, sie und ihre drei Cousins zu besuchen, doch ihre Mutter hatte stets abgelehnt. «Wir verbringen einfach ein schönes, ruhiges Weihnachten als Familie. Nur wir beide. Lass sie ihre eigene Sache machen.» Als Erwachsene verstand Elizabeth den Stolz ihrer Mutter und all die Schuldgefühle, die sie ausgehalten haben musste, aber als Kind hatte sie das Gefühl gehabt, bestraft zu werden. Sie hatte immer gedacht, ihrer Mutter sei der äußere Schein – das Haus, ihre Frisur, neue Schuhe für die Schule – wichtiger als ihr tatsächliches Glück.

Niemand, und ganz bestimmt nicht ihre eigene Mutter, hatte sich je mit ihr hingesetzt und die Geschichte ihres Vaters in...

Erscheint lt. Verlag 26.3.2019
Übersetzer Silke Jellinghaus
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Familiengeheimnis • Familiengeschichte • Irland • Liebesbrief • Liebesgeschichte • Mutter • New York • Tochter
ISBN-10 3-644-30049-6 / 3644300496
ISBN-13 978-3-644-30049-1 / 9783644300491
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 975 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99