Der Himmel über dem Kilimandscharo (eBook)

Roman
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2018 | 1. Auflage
672 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-24584-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Himmel über dem Kilimandscharo -  Anne Jacobs,  Leah Bach
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Im Schatten des Kilimandscharo sucht eine junge Frau gegen alle Widerstände ihr Glück ...
Charlotte Harmsen träumt von der großen weiten Welt, von Reisen in exotische Länder - mit dem Heiraten hat sie es nicht eilig. Sie ist 22, als ihr der weitaus ältere Christian Otten einen Antrag macht. Fasziniert von seinem Geschäft, in dem es exotische Gewürze, Tabak und Waren aus Übersee gibt, stimmt sie seinem Werben zu. Und bereut dies bald bitterlich. Denn Christian betrügt sie und steht kurz vor dem finanziellen Ruin. Charlotte weiß, dass sie nur eine Chance auf eine Zukunft haben: indem sie Deutschland verlassen und in der Ferne ein neues Leben beginnen ...

Anne Jacobs veröffentlichte unter anderem Namen bereits historische Romane und exotische Sagas. Mit »Die Tuchvilla« gestaltete sie ein Familienschicksal vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte und stürmte damit die Bestsellerliste. Nach ihrer ebenfalls sehr erfolgreichen Trilogie um »Das Gutshaus«, die von einem alten herrschaftlichen Gutshof in Mecklenburg-Vorpommern und vom Schicksal seiner Bewohner in bewegten Zeiten erzählt, legt Anne Jacobs nun den fünften Band der »Tuchvilla«-Saga vor.

Eine Fliege weckte sie auf. Eine dumme Stubenfliege, die sich kitzelnd auf ihre schlafwarme Wange setzte. Sie konnte die kleinen Beinchen auf der Haut spüren und machte voller Ekel eine rasche Handbewegung. Die Fliege flog auf, kreiste zornig brummend über den Betten und prallte zweimal gegen die Tapete, was klang, als ob jemand mit dem Finger fest gegen die Wand tippte. Eigentlich hätte sie davon benommen sein müssen, aber sie surrte einfach weiter und war plötzlich zwischen den grünen Fenstervorhängen verschwunden. Draußen war es schon hell.

Charlotte zog sich einen Zipfel des Federbetts übers Gesicht und kuschelte sich an Klara, die warm und rosig neben ihr schlummerte. Klara war ihre Lieblingscousine, gute zwei Jahre jünger als Charlotte; immer wenn sie bei den Großeltern zu Besuch waren, schlief Charlotte mit in Klaras Bett. Das war das Schönste an diesen Besuchen. Da ging Charlotte sogar freiwillig mit den Hühnern schlafen, nur um mit Klara noch zu flüstern, Geschichten zu erzählen oder alberne Witze. Die beiden anderen Betten in der engen Schlafkammer gehörten der älteren Cousine Ettje und Tante Fanny. Bei denen hätte Charlotte auf keinen Fall liegen wollen. Ettje knirschte im Schlaf mit den Zähnen, und manchmal schlug sie mit Armen und Beinen um sich. Außerdem hatte sie schon ihre Regel und jammerte immer fürchterlich, wenn es so weit war, was einen Angst und Bange machen konnte. Mit Tante Fanny das Bett zu teilen wäre noch schrecklicher gewesen; die legte sich abends steif und gerade auf den Rücken, die Hände über dem Bauch verschränkt, und wachte am Morgen in derselben Stellung wieder auf. Sobald Tante Fanny zu Bett gegangen war, durfte in der Kammer nicht mehr geflüstert werden, Kichern oder gar Lachen war gänzlich verboten. Einmal war die Tante aufgestanden und mit dem Nachtlicht in der Hand wie ein weißes Gespenst zu ihnen hinübergegangen, um Klara eine Ohrfeige zu geben. Die Strafe hätte Charlotte genauso verdient gehabt, aber Tante Fanny traute sich nicht, Charlotte zu schlagen, das hätte Papa nicht geduldet. Also hatte es die arme Klara abbekommen, Tante Fannys eigene Tochter.

Charlotte schloss die Augen und versuchte, Klaras regelmäßigen Atemzügen nachzuspüren, um ihr in den Schlaf zu folgen, doch es wollte nicht gelingen. Wahrscheinlich lag es am Morgenlicht, das durch die Ritzen des Vorhangs quoll und das ausgebleichte Grün mit silbernen Rändern versah. Leise seufzend drehte sie sich wieder auf den Rücken, ganz vorsichtig natürlich, um Klara nicht aufzuwecken. Vielleicht war es ja gut, dass sie jetzt wach war; sie hätte das Segelschiff auf dem unendlich weiten Ozean sowieso nicht wieder gesehen, man träumte einen Traum niemals zum zweiten Mal. Und dann war der Traum zwar schön, aber auch kummervoll gewesen, so dass sie fast geweint hatte. Der stolze Dreimaster, der mit prall gefüllten Segeln die Wellen pflügte, trug Eltern und Bruder immer weiter von ihr fort, jeder Tag, jede Stunde machte die Entfernung zwischen ihnen größer. Sie reisten nach Indien, wo Mamas Eltern wohnten, in das Land voller Sonne und brauner Menschen, wo die Pflanzen geheimnisvoll dufteten und perlmuttfarbige Blüten auf den Teichen schwammen, lächelnd und schön wie Menschengesichter. Wie hatte sie gebettelt und gefleht, dass sie sie doch mitnehmen mögen, doch Mama hatte sich nicht erweichen lassen. Charlotte wurde zu den Großeltern nach Leer gebracht, ein Frachtschiff war kein Ort für eine Zehnjährige, auch wenn ihr Papa der Kapitän war. Ihr siebenjähriger Bruder Jonny aber durfte mitfahren. Weil er eben ein Junge war.

Mama hatte sehr geweint, als der Großvater Charlotte in Emden abholte, auch Jonny hatte beim Abschied geheult; der kleine Dummkopf wäre viel lieber mit nach Leer gefahren, denn dort konnte er mit Paul spielen. Papa hatte Charlotte hochgestemmt und sich mit ihr auf der Stelle gedreht, so dass sie wie ein Vogel in der Luft schwebte, dazu hatte er gelacht. Das nächste Mal dürfe sie mit – das war hoch und heilig versprochen.

Drüben im Bett reckte Ettje die Arme; sie gähnte verschlafen und ballte dabei die Fäuste.

»Schlaft ihr noch?«, krächzte sie morgenheiser. »Denkt nicht, dass ihr faulenzen könnt, bloß weil heute keine Schule ist. Morgen ist Pfingsten, da wird hier alles geputzt.«

Ettjes rundes Gesicht war umrahmt von einer spitzenbesetzten Nachthaube, die aus dem Bestand der Großmutter stammte. Die Cousine war der Meinung, ihr Haar sei dadurch besser geschützt und werde – so ihre große Hoffnung – auch üppiger wachsen. Ettje hatte dunkelblondes, flusiges Haar, das sie für die Nacht zu einem Zopf flocht; wenn sie es tagsüber offen trug, bündelte es sich zu schmalen Strähnen, die sie so oft bürsten konnte, wie sie wollte – sie kamen immer wieder.

»Ich bin schon lange wach! Länger als du!«, prahlte Charlotte, während Klara neben ihr die Decke ein wenig herabschob und leise gähnte. Bei allem, was sie tat, war Klara leise wie ein Mäuschen, sogar wenn sie ging, machte sie kaum ein Geräusch. Das war seltsam, denn Klara hatte ein zu kurzes linkes Bein, auch der Fuß war nicht richtig, er war dick und gar nicht wie ein Fuß geformt.

»Dann hättest du uns längst warmes Waschwasser aus der Küche holen können!«, versetzte Ettje vorwurfsvoll.

»Wieso ich?«

»Wieso nicht? Hast du gedacht, ich mach das jeden Tag für euch? Ich muss schon immer Klara alles beischleppen.«

»Lass bloß Klara in Ruhe!«, versetzte Charlotte wütend.

Sie stand aus dem Bett auf und wickelte sich Mamas blaues Wolltuch um das lange Nachthemd. Um den Waschkrug zu holen, musste sie über die hölzerne Reisekiste klettern. Darin befand sich die eigentliche Ursache für Ettjes schlechte Laune – es waren Charlottes hübsche Kleider, ihre Schuhe und die feine Wäsche, auch ihre Spielsachen, einige Bücher und ihre beiden Puppen. Solch teure Sachen hatte Ettje nie besessen, dazu war kein Geld da im Hause des pensionierten Pfarrers Dirksen, der seine verwitwete Tochter Fanny mit den drei Kindern durchfüttern musste.

»Wenn ich das Wasser hole, darf ich mich als Erste waschen«, verkündete Charlotte fröhlich. »Und dann Klara. Du zuletzt, Ettje!«

»Schlag bloß den Krug nicht an, und verschütte nichts, das gibt Flecken auf der Stiege!«, rief Ettje ihr nach und drehte sich auf die Seite, um die wohlige Schlafwärme ihres Bettes noch ein wenig zu genießen.

Die Stiege war eng und dunkel, es roch nach Bohnerwachs und altem Holz und auch ein bisschen nach Großvaters Pfeifentabak. Charlotte hielt den Krug mit beiden Händen vor dem Bauch und ertastete die Stufen mit den bloßen Füßen, auf keinen Fall wollte sie das kostbare, mit lila Blüten bemalte Gefäß an Wand oder Treppengeländer anschlagen. Kein Wunder, dass Klara für diese Arbeit nichts taugte, sie hatte ja auch so schon Mühe, die Treppe hinunterzugehen.

Unten im Flur war es ein wenig heller. Das kam durch das Oberlicht über der weiß gestrichenen Haustür, dafür zog es ordentlich, und der geflieste Boden war kalt. Auf der Flurkommode standen allerlei irdene Töpfe mit eingekochtem Mus und anderen Sachen. Die hatte die Großmutter wohl aus dem Keller geholt, denn die bunten Stoffe, mit denen sie bedeckt waren, trugen eine graue Staubschicht. Morgen war Pfingsten, da würde die Tante bestimmt einen Kuchen backen, vielleicht gab es sogar einen Braten.

Zum Glück war die Küchentür nur angelehnt, sie öffnete sich knarrend, als das Mädchen mit dem bloßen Fuß dagegendrückte. Wärme und der beißende Geruch des Herdfeuers quollen ihr entgegen, es roch auch ein wenig nach Kaffee und gekochter Milch. Die Großmutter stand vor dem Ofen, hatte die runde Herdplatte abgehoben und stocherte im Feuer herum, dass die Funken aufstoben.

»Dich Spatz haben sie geschickt?«, meinte sie und deckte das Feuer speiende Ungetüm im Ofen wieder mit der Eisenplatte zu. »Pass nur auf, dass du nicht auf der Stiege ins Stolpern kommst und mitsamt dem Krug herunterpurzelst!«

»Ich kann das schon! Ist ganz leicht für mich!«, behauptete Charlotte beleidigt und stellte den Krug neben dem Herd auf den Küchenboden.

»Na, denn man los!«

Großmutter Grete nahm die Kelle und schöpfte heißes Wasser aus dem »Schiff« in den Krug hinein. Das Schiff war ein viereckiger Behälter im Herd, der höchstens einem jämmerlichen Kahn ähnlich sah, mit dem man auf dem Fluss herumrudern konnte. Ein richtiges Schiff wie das, das ihr Vater befehligte, war es auf keinen Fall, dazu war es viel zu plump.

»Ach Gott, das schafft sie doch gar nicht«, ließ sich Tante Fanny vernehmen, die drüben am Küchentisch stand und Möhren schrappte. »Sie wird den Krug fallen lassen, Mutter. Es ist schade um das schöne Stück. Ich ruf mal fix nach Ettje …«

»Lass sie nur«, entgegnete die Großmutter unbeirrt und goss kaltes Wasser nach. »Und werft Paul aus den Federn, ich glaub fast, der schläft bis Pfingstmontag durch, wenn ihn keiner aufweckt.«

Großmutter Grete überragte Charlotte nur um einen halben Kopf, dafür war sie breit, bewegte sich rasch und hatte eine kräftige Stimme. Wenn sie ernst dreinblickte, war ihr Gesicht ganz glatt, nur die Wangen hingen ein wenig herunter. Wenn sie aber lachte – und das tat sie oft –, glich ihre Haut zerknittertem Papier und hatte tausende winzige Fältchen. Obgleich sie so klein war, hatte die Großmutter doch das Sagen im Haus, nicht einmal der Großvater wagte ihr zu...

Erscheint lt. Verlag 17.12.2018
Reihe/Serie Die Afrika-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Afrika • Anne Jacobs • Daressalam, Ostafrika • Deutschland • Die Tuchvilla • eBooks • Familiensaga • Frauenromane • Historische Liebesromane • Historische Romane • Kaffeeplantage • Kilimandscharo • kleine geschenke für frauen • Liebesromane • Sansibar
ISBN-10 3-641-24584-2 / 3641245842
ISBN-13 978-3-641-24584-9 / 9783641245849
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