Nächstes Jahr in Havanna (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
464 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-22626-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Nächstes Jahr in Havanna -  Chanel Cleeton
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Mein Herz gehört Havanna
Havanna 1958: Elisa, Tochter eines Plantagenbesitzers, verkehrt in den besseren Kreisen Havannas und weiß kaum etwas über die Lage des Landes. Bis sie einem Mann begegnet, der tief verstrickt ist in die politischen Umwälzungen, die ihre Zukunft für immer verändern werden.

Miami 2017: Marisol macht sich auf den Weg nach Kuba. Sie wird zum ersten Mal das Land kennenlernen, in das ihre Großmutter zeit ihres Lebens zurückkehren wollte und in dem sie nun beigesetzt werden soll ...



Chanel Cleetons Familie stammt ursprünglich aus Kuba. Sie selbst wuchs in Florida auf, bevor sie für das Studium der Internationalen Beziehungen nach England ging. An der Londoner School of Economics & Political Science machte sie schließlich ihren Masterabschluss in Internationaler Politik.

Kapitel 2


Marisol

Ich steige aus dem Flugzeug und mache mich auf den Weg durch den Flughafen, mein Gepäck in den Händen. Mein ganzes Leben lang war Kuba dieses mystische Gebilde, manchmal greifbar, manchmal flüchtig und nicht zu fassen. Jetzt ist es real. In der Ankunftshalle gibt es nichts Romantisches oder Glamouröses. Trotzdem bin ich schrecklich aufgeregt.

Leider wird der Zauber des Augenblicks von der lästigen Warterei zerstört. Die Minuten ziehen sich. Fast eine Stunde ist vergangen, bis ich endlich ganz vorn in der Einreiseschlange stehe. Ich betrachte die Beamten hinter ihren Schaltern, die Leichtigkeit, mit der sie die Touristen vor mir abfertigen. Offiziell bin ich als Journalistin gekommen. Ich habe ein Arbeitsvisum, um für einen Artikel über den Tourismus in Kuba nach Aufhebung der Sanktionen zu recherchieren. Das Thema habe ich meiner Chefredakteurin schmackhaft gemacht, indem ich eine mehrteilige Serie vorschlug, praktisch eine Einführung in das Land Kuba für ein amerikanisches Publikum. Den Auftrag bekam ich allerdings erst, als ich anbot, meine Reisekosten selbst zu tragen. Inoffiziell habe ich die Asche meiner Großmutter im Gepäck.

Es gibt offizielle Wege, verstorbene Exilanten zur Bestattung nach Kuba zurückzubringen. Ich habe mich bei Freunden darüber informiert, die mir wegen der ausufernden Bürokratie und der Einmischung durch die Regierung davon abrieten. Also entschied ich mich für den einfachsten Weg, viele Kubaner machen das so. Während ich meine Großmutter ins Land schmuggele, habe ich das starke Gefühl, dass sie in diesem Augenblick auf mich herabsieht und lächelt. Es ist ihr bestimmt eine Genugtuung, das verhasste System zu übertölpeln.

Ich halte meine Papiere und das Visum in der Hand, schiebe mich weiter vor. Hoffentlich bekomme ich die behelfsmäßige Urne an den Beamten vorbei, ohne dass sie Fragen stellen.

Mein Beamter nimmt die Papiere entgegen. Mein Herz rast, als ich seine Fragen beantworte. Auf Spanisch, der Sprache, die ich mein Leben lang gesprochen habe. Ich spüre eine seltsame Trennung. Einerseits sind wir als Landsleute miteinander verbunden, andererseits auch wieder nicht. Obwohl meine Mutter Amerikanerin mit spanischen Wurzeln ist, habe ich mich immer in allererster Linie als Kubanerin empfunden. In Miami war das nie ein Problem. Meine Großeltern waren Kubaner, mein Vater ist Kubaner, also bin auch ich Kubanerin. Wird es hier einen Unterschied machen, dass meine Haut ein wenig heller ist als die vieler Einheimischer? Dass mein Blut nicht ganz und gar kubanisch ist? Bin ich eine Außenseiterin, oder genügt meine Abstammung?

Er winkt mich durch. Nervös nehme ich mein Handgepäck und lege es samt der Asche zum Durchleuchten auf das Band. Es setzt sich rumpelnd in Bewegung, und meine Tasche gleitet durch den Apparat. Mir stockt der Atem.

Ich trete durch die Schleuse und warte. Sicher wird gleich meine Tasche einkassiert. Sie werden mich in einen fensterlosen Verhörraum bringen. Tatsächlich ist es Amerikanern ja noch verboten, Kuba als Touristen zu bereisen. Was wird mit mir passieren? Ich bewege mich auf unbekanntem Territorium. Es gibt keine Erfahrungswerte für solche Situationen.

Keines meiner Familienmitglieder hatte Einwände dagegen, dass die Asche meiner Großmutter in Kuba verstreut wird und dass ich die Sache erledigen soll. Meine Reise dagegen stößt auf gewisse Skepsis, gerade vonseiten jener, die bereits mit dem System zu tun gehabt haben.

Vergiss niemals, wo du bist, hat Beatriz mich gewarnt. Sobald du in Havanna landest, hast du so gut wie keine Rechte mehr. Halte deine Freiheit in Amerika nicht für selbstverständlich.

Meine Großtante Maria hat mir in den Wochen vor meiner Abreise täglich E-Mails mit Neuigkeiten und Reiseinformationen des Außenministeriums geschickt. Ich habe die Worte im Kopf. Festnahme beliebiger Personen jederzeit möglich … auch bei unwissentlichem Verstoß gegen die lokalen Gesetze … Festnahme … Haft.

Es gibt wenig, was mir eine solche Angst macht wie die Vorstellung, einfach so verhaftet zu werden. Ich glaube nicht, dass Kuba sich sehr von anderen Orten unterscheidet, die ich bereist habe. Doch irgendwie gelingt es mir nicht, die Bilder von bunten Oldtimern, tosenden Wellen und romantischer Architektur, die ich aus dem Fernsehen kenne, mit der drastischen Beschreibung meiner Großtanten zu verbinden.

Meine Großtanten versuchen stets, mich und meine Cousinen zu schonen, aber wenn sie über Kuba reden, spüre ich eine tiefere Ebene der Angst. Eine Angst, die sich auf unausgesprochene Grausamkeiten bezieht, welche mit der Zeit nicht weniger bedrohlich geworden sind. Ich habe ihnen erklärt, dass die Dinge sich verändert haben, wir nicht mehr im Jahr 1959 leben, die Revolution vorbei und die amerikanische Botschaft in Havanna wieder geöffnet ist. Dass wir ein zartes Aufblühen der Beziehungen zwischen Kuba und den USA erleben.

Nichts von dem, was ich sagte, vertrieb die Angst aus ihren Augen. Als Maria darauf bestand, dass ich wegen des hohen Risikos ihren Rosenkranz bei mir tragen solle, protestierte ich nicht. Glück kann ich sicher gebrauchen.

Ich schiebe mich wieder ein Stück vorwärts.

Wenn ich meine Großmutter unbehelligt durchschleusen kann, verspreche ich hoch und heilig, mir während der ganzen restlichen Reise keinen Ärger einzuhandeln.

Meine Augen sind auf den Durchleuchtungsapparat geheftet.

Ein weiterer Beamter nickt mir flüchtig zu, und ich schnappe mir meine Tasche vom Band. Innerlich jubele ich ausgelassen, als ich die Sicherheitskontrolle verlasse.

Bei der Gepäckausgabe sammle ich den Rest meines Gepäcks ein und gehe Richtung Zoll. Mit jedem Schritt beruhigen sich meine Nerven ein wenig mehr, und eine freudige Erregung, so ähnlich wie vor Heiligabend, verdrängt das Unbehagen. Mein ganzes Leben lang habe ich auf diesen Augenblick gewartet.

Ich trete aus dem Flughafengebäude. Das also ist mein erster Blick auf Havanna, mein erster Atemzug in kubanischer Luft. Es weht eine sanfte Brise, aber mit einer Luftfeuchtigkeit, die mich beinahe erschlägt. Mein Haar klebt mir im Nacken fest. Der Januar in Havanna fühlt sich also fast wie der Januar in Miami an. Ich hole meine Sonnenbrille aus der Tasche und setze sie auf.

Der Bürgersteig vor dem Flughafen ist ein einziges freundliches Chaos. Freunde und Familienmitglieder umarmen sich, laute spanische Wortfetzen schwirren durcheinander, Gepäck wird in den riesigen Kofferräumen der knallbunten Autos verstaut. Die meisten Fahrzeuge sind fast sechzig Jahre alt, manche älter, aber das Alter erkennt man eher an den Typen und Formen als am Zustand. Die Farben leuchten, das Chrom glänzt. Diese Autos werden offensichtlich von stolzen Besitzern gepflegt.

Ich überfliege die Menschenmenge. Viele Leute halten ein kleines Schild mit einem Namen in der Hand. Wo ist Ana Rodriguez? Ich möchte die Frau kennenlernen, die mir meine Großmutter voller Nostalgie und Wärme beschrieben hat.

Wir waren schon unzertrennlich, als wir klein waren. Ihre Familie wohnte neben unserer, und wir spielten zusammen im Garten. Habe ich dir davon erzählt, wie ich versuchte, über die Mauer in ihren Garten zu klettern, Marisol?

Ich habe mir die Freundschaft zwischen meiner Großmutter und Ana als eine kubanische Version von Lucy und Ethel, den Hauptfiguren der Comedy-Serie I Love Lucy, vorgestellt.

»Marisol Ferrera?«

Als ich meinen Namen höre, drehe ich mich um. Nicht weit von mir lehnt ein Mann an einem hellblauen und weißen Cabrio mit riesigem verchromtem Kühlergrill.

»Ja?«

Er stößt sich vom Auto ab. Der Saum seines Guyabera-Hemdes flattert im Wind, als er auf mich zugeht. Im Gang des groß gewachsenen Mannes liegt eine gewisse Eleganz.

In flüssigem Englisch begrüßt er mich und streckt mir die Hand hin. »Ich bin Luis Rodriguez. Meine Großmutter hat mich gebeten, dich abzuholen. Es tut ihr sehr leid, dass sie nicht persönlich kommen kann, aber sie fühlt sich nicht wohl.«

Ich nehme seine Hand. Seine schwieligen Finger stoßen gegen meine. Sein Griff ist fest, seine Haut warm. Als er meine Hand wieder loslässt, reibt sein Daumen gegen die Innenseite meines Handgelenks. Diese Berührung elektrisiert mich.

Ich blinzele. Meine Augen verengen sich ein wenig, als ich ihn betrachte. Warum habe ich nicht besser aufgepasst, als Beatriz mir von Anas Familie erzählt hat?

Er scheint in meinem Alter zu sein, vielleicht ein paar Jahre älter. Mitte dreißig ungefähr. Sein Haar ist voll und etwas heller als meins, eher braun als schwarz. Seine Haut ist tief gebräunt, seine Augen sind dunkelbraun. Winzige Falten umgeben seine Augenpartie. Das steht ihm gut, genau wie der gepflegte Bart.

Er hat etwas an sich, das nur wenige Männer besitzen. Während ihre Kennzeichen für sich genommen wenig eindrucksvoll sind, verleiht die Summe dieser Teile ihnen etwas Besonderes. Sie ziehen einen unweigerlich in ihren Bann.

»Ist es was Ernstes?«, frage ich auf Spanisch. In meinem Magen hat sich eine gewisse Nervosität ausgebreitet.

Seine vollen Lippen formen ein Lächeln, auf das ich nicht gefasst bin. Amüsiere ich ihn etwa?

»Es geht ihr gut«, erwidert er auf Spanisch. »Sie ist bloß müde nach einem langen Tag.«

Meine Großmutter ist siebenundsiebzig Jahre alt geworden. Ana ist fast ein Jahr älter.

»Sie freut sich sehr darauf, dich kennenzulernen. Seit Wochen spricht sie von nichts anderem.«

Er beugt sich vor, nimmt meinen großen Koffer mit der einen Hand, greift mit der anderen nach meinem Handgepäck.

»Bist du bereit? Ist das alles?«

Ich nicke. Er ignoriert meinen Hinweis, dass ich mein Gepäck...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2019
Reihe/Serie Die Kuba-Saga
Übersetzer Stefanie Fahrner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Next Year in Havana
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1950er Jahre • Che Guevara • eBooks • Erste Liebe • Familiensaga • Fidel Castro • Frauenromane • Havanna • Historische Liebesromane • Historische Romane • Historischer Roman • Kuba • Kubanische Geschichte • Kubanische Revolution • Liebesromane • Sommerlektüre • Teresa Simon
ISBN-10 3-641-22626-0 / 3641226260
ISBN-13 978-3-641-22626-8 / 9783641226268
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